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Veröffentlicht am 29.08.2021

Ein literarischer Thriller

Die Nachricht
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Ruth Ziegler, damalige Fernsehmoderatorin heute Drehbuchautorin. Ihr größerer Sohn ist erwachsen, der kleine kurz davor. Ihre Stieftochter ist hochschwanger und ihr Mann schon vor 4 Jahren Tod, als eine ...

Ruth Ziegler, damalige Fernsehmoderatorin heute Drehbuchautorin. Ihr größerer Sohn ist erwachsen, der kleine kurz davor. Ihre Stieftochter ist hochschwanger und ihr Mann schon vor 4 Jahren Tod, als eine Nachricht via Facebook eintrifft. „Weißt du eigentlich von der Affäre deines prächtigen Ehemannes?“ Fragt ein unbekannter. Ja, das weiß sie. Schließlich musste sie sich nicht nur ihrem Trauer stellen, sondern auch ihre Wut. Die Frage ist, woher weiß diese gesichtslose Person davon? Erst ignoriert Ruth die Nachricht. Doch in kurze Zeit treffen immer mehr Massages von verschiedenen Facebook-Fakeprofilen ein, die intimste Details aus ihrem Leben enthalten, die kaum jemand kennt. Schlimmer noch, diese erniedrigende, beleidigende Nachrichten über sie bekommt nicht nur Ruth, sondern auch ihre Familie, Freunde, Geschäftspartnern...

Chapeau! Frau Knecht hat einen literarischen Thriller geschrieben, der mich nicht nur von den ersten Seiten an gefesselt, sondern um ein Haar wahnsinnig gemacht hat! Ich bin ehrlich: ich habe hier all die Figuren verdächtigt, denn sie hat den Handlung so genial gebaut, sodass ich bei fast allen Charakteren ein mulmiges Gefühl hatte. Doris Knecht hat hier auf hochaktuellen Themen wie: Stalking, Cybermobbing, Hate Speech gegriffen und meiner Meinung nach, hat sie es Punkt genau getroffen, denn ich lese fast jeden Tag Berichte von Betroffenen von Hassnachrichten und Erniedrigungen was sehr erschütternd und traurig ist. Das ganze erzählt sie sehr nüchtern, ohne Hektik dafür aber sehr bildgewaltig. Selten hat mich ein Buch so gefesselt, in dem kaum was passiert ist. Eine klare Leseempfehlung von mir!

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Veröffentlicht am 25.08.2021

Ganz Besonderes

Sein Name war Annabel
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1968, Croydon Harbour, ein verschlafener kleiner Ort an der Küste Labradors. Hier leben Jacinta und Treadway glücklich verheiratet und erwarten ihrer erstes Baby. Doch die Freude verblasst schon bei der ...

1968, Croydon Harbour, ein verschlafener kleiner Ort an der Küste Labradors. Hier leben Jacinta und Treadway glücklich verheiratet und erwarten ihrer erstes Baby. Doch die Freude verblasst schon bei der Geburt, denn dieses Kind ist anders: nicht ganz Junge und nicht ganz Mädchen. Ein Geschlecht bis dahin in der kleinen Ortschaft keiner gesehen hat. Die Mutter sieht in das Baby ihr Mädchen aber der Vater entscheidet es als Junge aufwachsen lassen, nennt ihn Wayne. Treadway gibt alles, um ihn als Junge zu erziehen, bringt ihn jagen, fischen, zimmern bei. Jacinta dagegen ist oft ratlos und immer auf der Versuchung zwischen ihrem Kind und ihren Mann zu finden. Nur die Thomasina, die Freundin der Eltern, kennt das Geheimnis und nennt Wayne heimlich Annabel, nach ihrer verunglückten Tochter. Nur sie behandelt ihm nicht nur als Junge oder Mädchen, sondern als Mensch. Und Wayne findet nur bei ihr Unterstützung auch nach 21 Jahren als Erwachsender...

Mein einstieg in das Buch war sehr langsam und das Kennenlernen mit dem Figuren hat es etwas gedauert, denn Winter lässt sich Zeit und erzählt detailgetreu. Doch sobald ich in die Geschichte war, konnte ich es nicht mehr aus der Hand legen. Obwohl die Autorin viele verschiedene Gefühle oft distanziert auf dem Papier gebracht hat, haben die mich trotzdem mitgerissen. Stellenweise hat sie mich von einer emotionalen Szene zu den nächsten katapultiert. Die Ängste, Liebe und Scham der Eltern, und die Verlorenheit, Mut und die Unsicherheit von Wayne konnte ich mir sehr gut vorstellen.

Kathleen Winter hat ein Wort/Bildgewaltigen Roman über Intersexualität und über den gesellschaftlichen Akzeptanz mit dem Hermaphroditismus geschrieben. Welche der zurückhaltend, ruhig aber mit sicherem Stil erzähl wird.

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Veröffentlicht am 20.08.2021

Eine emotionale Familiengeschichte

Die Überlebenden
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Ein Holzhäuschen am See inmitten des Ländlichen Schwedens. Hier verbringen Brüder Benjamin, Pierre und Nils jedes Jahr ihrer Sommerferien, gehen angeln, schwimmen und streifen die durch den Wald. Von außen ...

Ein Holzhäuschen am See inmitten des Ländlichen Schwedens. Hier verbringen Brüder Benjamin, Pierre und Nils jedes Jahr ihrer Sommerferien, gehen angeln, schwimmen und streifen die durch den Wald. Von außen eine perfekte Familie, zusammen die Ferien, die Sommer und die Natur genießen. Doch die Idylle täuscht, denn die Eltern sind Alkoholabhängig, lassen ihre Söhne verwahrlosen, sind gefühlskalt und unachtsam. Die Brüder konkurrieren und schikanieren sich oft untereinander um etwas Aufmerksamkeit von den Eltern, besonders von der Mutter, zu bekommen. Bis eines Tages eine Tragödie der Familie tief im inneren verändert.

Nach zwanzig Jahren kommen die Brüder zum ersten Mal ins Sommerhaus zusammen, sitzen im Anzug und Krawatte auf den Treppen vor dem Holzhaus. Zwischen ihnen eine Urne voller Asche ihrer Mutter und viele Gefühle und Sätze die seit Jahren unausgesprochen geblieben sind.

Benjamin, der mittlere Sohn, ist der Ich-Erzähler von Schulmans Familienroman. Er ist ein stiller Beobachter, analysiert bis zum kleinsten Detail die Verhalten von seinen Familienmitglieder und weiß, wann die Stimmung zum Kippen droht. Wie Benjamin in seinen jungen Jahren alles gegeben hat, um seine Familie zusammenzuhalten, hat mich zu tiefst berührt.

Alex Schulman erzählt die Geschichte mit klaren Worten, intensiv und realitätsnah auf zwei Ebenen. Kapitelweise bin ich zwischen Vergangenheit und Gegenwart gereist, dabei wirkte mir der Roman alles andere als Sommerlich leicht. Im Gegenteil! Schon in den ersten Seiten fühlte ich eine bedrohlich aufgeladene Stimmung. Ich habe bei jedem Kapitel gespürt, da irgendwas nicht stimmte, doch Schulman hat die Handlung so grandios entworfen, bis zum Ende war ich ahnungslos. Denn wo die Gegenwartsebene Episodenhaft erzählt wird, wird die Gegenwart rückwärts erzählt, sodass ich spannungsgeladen weiterlesen musste. Und das Ende! Ein Ende der mich unerwartet mit Entsetzen ins kalte See hineingeworfen hat.

Es ist eine emotionale Familiengeschichte über Schuld und Vergebung und meisterhafter Debütroman, der mich nachdenklich zurückgelassenen hat.

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Veröffentlicht am 15.08.2021

Kein einfaches Buch, umso mehr sehr wichtiges

Das Mädchen
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„Was war mit dem Mädchen passiert, das ich einmal gewesen war. Es war fort. Ich hatte keine Liebe mehr in mir. Ich wollte sterben. Ich will sterben, flüsterte ich. Ich wusste nicht, was ich sagte. Ich ...

„Was war mit dem Mädchen passiert, das ich einmal gewesen war. Es war fort. Ich hatte keine Liebe mehr in mir. Ich wollte sterben. Ich will sterben, flüsterte ich. Ich wusste nicht, was ich sagte. Ich wusste nicht, wie nah der Tod sein konnte, dass er über uns schwebte.“

Maryam war erst 14 als sie zusammen mit ihren Schulkameradinnen vom Boko Haram entführt wurde und in ein Lager, mitten ins nirgendwo gebracht wurde. Einen Camp, wo sie mit vielen anderen Mädchen hungert, Sklavenarbeit erledigt, mehrfach missbraucht und vergewaltigt wurde. Zwischen all den grausamen Taten wurde sie gegen ihre willen verheiratet und bekommt ein Baby. Während einen Bombenanschlag auf das Terroristenlager gelingt Maryam mit ihrer Tochter und mit ihrer Freundin Buki zu fliehen. Die nehmen ein langen, gefährlichen und irren Weg durch den Urwald nach Hause, doch als sie in ihren Dorf ankommt, wurde sie alles andere als herzlich empfangen...

Mit fast 90 Jahren reist die irländische Autorin nach Nigeria, recherchiert für dieses Buch und redet mit den betroffenen Mädchen und Frauen persönlich, um uns diesen wahrhaften basierten fiktiven Roman zu schenken. Ohne Blatt vor dem Mund, ungeschönt, schlicht aber sehr bildhaft nimmt O'Brian einen nach Nigeria mit und trifft mit Wucht mitten im Herz. Diese Geschichte zu lesen war für mich nicht einfach, denn ihre Schilderungen über die Grausamkeiten waren zwar sachlich, jedoch so detailliert niedergeschrieben, sodass glasklare Bilder in meinem Kopf entstanden hatten. Bilder die mir Gänsehaut auf gesamten Körper, tränen im Augen verursacht, die mich aufgewühlt und sprachlos gemacht hatten.

Es ist definitiv kein einfaches Buch aber umso mehr sehr wichtiges und absolut lesenswertes! Denn es ist kein Märchen und keine Geschichte, sondern PURE Realität!!!

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Veröffentlicht am 11.08.2021

Hart und zart zugleich

Im Park der prächtigen Schwestern
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Triggerwarnung! Homophober und Transphober Gewalt.

„Nächtelang werde ich beten und bete dafür, dass das Leben, wenn ich aufwache, ein anderes sei, morgen nichts mehr so sei, wie es war. Zuerst bete ich ...

Triggerwarnung! Homophober und Transphober Gewalt.

„Nächtelang werde ich beten und bete dafür, dass das Leben, wenn ich aufwache, ein anderes sei, morgen nichts mehr so sei, wie es war. Zuerst bete ich dafür, dass ich selbst mich ändere und so werde, wie sie mich haben wollen. Doch als ich mich weiter vertiefe in diesen stetig wachsenden Glauben, beginne ich dafür zu beten, dass ich am nächsten Morgen als die Frau erwache, die ich sein möchte. Die Frau, die ich so unverhohlen in mir spüre...... Aber nein. Zwischen den Beinen trage ich ein Messer.“

Farbenfroh, märchenhaft, schillernd erzählt Camila Sosa Villada über die Transfrauen in Argentinien. Sie erzählt über die Gewalt, die sie schon Kindesalter spüren müssten, weil, die nicht der Sohn waren deren Eltern wünschten. Sie erzählt über die tagtäglichen Beschimpfungen und Demütigungen von Klassenkameraden, Nachbarn bis zum unbekannten Leuten die sie hören müssten, weil, die anders Kleidern als die Rest der Gesellschaft. Sie erzählt über die Prostitution für die Transfrauen das einzige Weg war sich auszuleben aber auch um zu überleben. Sie erzählt von einer Schar Gleichgesinnten, die sei es ein Wohnung, einer Flasche Schnaps, die Träume, die Freier, Essen, Drogen, Gewalt, Liebe alles teilen. Ungeschönt, bildhaft, rau und liebevoll trifft die Autorin mit Wucht direkt ins Herz. Man feiert, freut, weint mit ihrer Figuren.

Es ist eine verstörende, faszinierende, traurige, hoffnungsvolle, harte und zarte Geschichte. Es ist kein einfaches Buch, dafür aber sehr empfehlenswert.

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