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Veröffentlicht am 21.08.2021

Das Trauma der erzwungenen Migration

Zikadensommer
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Wenn man bei dem Titel „Zikadensommer“ und dem farbenfrohen Cover an einen leichten Wohlfühlroman mit griechischem Flair denkt, liegt man total falsch.
Der Roman beginnt mit den wundervollen Ortsnamen ...

Wenn man bei dem Titel „Zikadensommer“ und dem farbenfrohen Cover an einen leichten Wohlfühlroman mit griechischem Flair denkt, liegt man total falsch.
Der Roman beginnt mit den wundervollen Ortsnamen Ambelokipi und Neapoli (Stadtteile von Athen) und dann werden ziemlich viele Geschichten erzählt, auf die man sich erst einmal einlassen muss. Mira räumt die Wohnung ihrer verstorbenen Eltern aus und denkt über ihre Kinderlosigkeit nach, aber auch darüber, dass sie nichts wegwerfen kann, was ein Gesicht hat.
In einem zweiten Erzählstrang wird der Kapitän mit den Worten "Ich hänge mein Herz nicht an Orte" eingeführt.
Natalie Bakopoulos erzählt Geschichten über das Leben, Geschichten der Einsamkeit und der Trauer gespickt mit geografischen Details und kulturellen Besonderheiten Athens.

Athen fühlt sich vertraut und fremd und heiß an." (S. 167) Dieser Satz zu Anfang des zweiten Teils spiegelt die Zerrissenheit der Figuren wider. Ich empfinde den Roman wie eine Migrantengeschichte. Mira fühlt sich nirgendwo richtig zugehörig und sucht ihren Platz. Als Leser ist man auch auf der Suche nach dem Codierschlüssel und etwas Nähe. Mira wird alles zu viel, der Lärm der Stadt, die ausweglose Situation der Flüchtlinge und dass sich nichts ändert. Nur das Meer scheint ihr und dem Kapitän Ruhe und Zuversicht zu geben.

Gegen Ende des Romans werden die Passagen über das Meer und die Stille der Inselberge länger. Das Trauma der Migration scheint sich in der Ruhe der griechischen Landschaft aufzulösen.

Der Roman hinterlässt bei mir eine tiefe Schwere und Melancholie. Mir gefällt dieses bewegende Stück Literatur über Verlust und Migration, Trauer und Liebe und über das Älterwerden. Ein Coming-of-Middle-age Roman mit Tiefgang.
4/5 griechische Meereswellen dafür

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Veröffentlicht am 10.08.2021

100 Jahre russische Geschchichte

Die Leben der Elena Silber
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Alexander Osang. Die Leben der Elena Silber.

Familiengeschichte vereint mit 100 Jahre russischer Geschichte haben mich in den Bann gezogen – 617 Seiten sehr gut geschriebene Literatur von Alexander Osang. ...

Alexander Osang. Die Leben der Elena Silber.

Familiengeschichte vereint mit 100 Jahre russischer Geschichte haben mich in den Bann gezogen – 617 Seiten sehr gut geschriebene Literatur von Alexander Osang.

Worum geht es?

Es geht um die bewegte Lebensgeschichte von Jelena, die 1902 in Russland geboren wurde, um ihre Familie und um diverse Umsiedlungen. Auf einer zweiten Zeitebene begleitet man ihren Enkel Konstantin, der mehr über die Vergangenheit seiner Familie erfahren möchte. Die Geschichte der Elena Silber wird eingekreist und von verschiedenen Seiten beleuchtet. Man durchlebt Kriege und Revolutionen, Stalins Geburtstag, radikale Umbrüche voller Brutalität, einen Urgroßvater, der als Revolutionär von Befürwortern des Zaren umgebracht wird, eine Großmutter, die fünf Töchter großzieht und vieles mehr.
Meine Meinung:
Ein lesenswerter Schmöker mit einer Portion Witz und Leichtigkeit, der mir auch inhaltlich gut gefällt. Insgesamt ein sehr vielschichtiges Buch über das Erinnern und das Vergessen und über das Begreifen der eigenen Familiengeschichte.

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Veröffentlicht am 09.08.2021

Geschichtsstunde

Deutsches Haus
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Geschichtsstunde

Der Roman erzählt ein unbequemes Kapitel der Nachkriegsgeschichte um das 1963. Die Zeit des Wirtschaftswunders und die Zeit, in der sich niemand mehr an den Krieg erinnern möchte, nicht ...

Geschichtsstunde

Der Roman erzählt ein unbequemes Kapitel der Nachkriegsgeschichte um das 1963. Die Zeit des Wirtschaftswunders und die Zeit, in der sich niemand mehr an den Krieg erinnern möchte, nicht an die Traumata der Opfer, nicht an die Mitläufer und nicht an die Täter. Die Nachkriegsgesellschaft versucht hartnäckig zu schweigen, zu verleugnen oder zu bagatellisieren.

Worum geht es?
In Frankfurt wird die junge Dolmetscherin Eva für einen Gerichtsprozess engagiert, bei dem es um die Gräueltaten im Konzentrationslager Ausschwitz geht. nach und nach wird sie mit dem Unfassbaren konfrontiert und hat auch mit ihrer eigenen Familiengeschichte zu kämpfen.

Meinung:
Annette Hess hat sich bereits als Drehbuchautorin in den TV-Serien "Weissensee" und "Ku'damm" mit den frühen 60iger Jahren beschäftigt. Der Roman ist auch ein bisschen wie ein Film, leicht und anschaulich und voller historischer Hintergründe. Die eigentliche Geschichte zieht sich manchmal ein bisschen ins Klischeehafte. Aber insgesamt gefällt mir die Frage nach der Erbschuld, deshalb gebe ich eine Leseempfehlung mit 4 von 5 Sternen.

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Veröffentlicht am 08.08.2021

Interessantes Thema Adoption

Eines Tages für immer
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Ein tolles Cover und ein interessantes Thema! Und obwohl ich nicht mit allen Protagonisten warm geworden bin, und mir das Familiendrama manchmal ein bisschen in die Länge gezogen erscheint, möchte ich ...


Ein tolles Cover und ein interessantes Thema! Und obwohl ich nicht mit allen Protagonisten warm geworden bin, und mir das Familiendrama manchmal ein bisschen in die Länge gezogen erscheint, möchte ich hier meine Leseempfehlung für „Eines Tages für immer“ von Clare Empson kundtun.
Der Roman springt zwischen zwei Zeitebenen. Zum einen wird die Geschichte von Luke erzählt, dessen Adoption bis in sein Erwachsenenalter hinein Traumata hinterlässt und auch das Schicksal seiner jungen Familie beeinflusst. Der andere Erzählstrang beinhaltet die Geschichte seiner leiblichen Mutter Alice, die ihr ganz eigenes Trauma mit sich trägt.
Nach und nach lernt man die Hintergründe zur Adoption und die emotionalen Folgen davon kennen. Durch die schnellen Zeitwechsel muss man sich erst in die Geschichte reinfinden, aber dann wird man in einen Strudel aus Schuld, Liebe und Verzweiflung gezogen und kann das Buch nicht mehr weglegen.
Ein emotionaler Roman, der ein wichtiges Thema aufgreift und deshalb 4 von 5 Sternen verdient.

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Veröffentlicht am 30.05.2021

ruhig und unblutig

Der Junge aus dem Wald
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„Der Junge aus dem Wald“ ist ein vielschichtiger Roman, der die psychologischen Aspekte des Handelns in den Vordergrund stellt, aber als Thriller würde ich ihn nicht bezeichnen, dafür ist er viel zu lahm. ...

„Der Junge aus dem Wald“ ist ein vielschichtiger Roman, der die psychologischen Aspekte des Handelns in den Vordergrund stellt, aber als Thriller würde ich ihn nicht bezeichnen, dafür ist er viel zu lahm. Eigentlich hätte das Buch wie die Hauptfigur „Wilde“ heißen können, denn Wilde wird als kleiner Junge alleine und ohne Erinnerung im Wald aufgefunden. Auch dreißig Jahre später kennt niemand die näheren Umstände und viele Fragen aus seiner Vergangenheit bleiben offen. Der Charakter Wilde gefällt mir sehr gut und auch, dass er als erfolgreicher Privatdetektiv mit außergewöhnlichen Methoden arbeitet, aber ich dachte immer es müsste noch etwas aus seiner Vergangenheit kommen und war dann doch enttäuscht.
Ich habe schon einige Bücher von Harlan Coben gelesen und ich mag seinen nüchternen Schreibstil. Die unterschiedlichen Handlungsweisen der Täter und Opfer sind gut nachvollziehbar, aber wo bleibt die Spannung?
Meine Empfehlung für all Leser, die einen ruhigen, unblutigen Krimi suchen, der so vor sich hinplätschert.

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