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Veröffentlicht am 07.09.2021

Die verschiedenen Vier

Weil wir Schwestern sind
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Katharina, Herzchirurgin, Judith, Lehrerin an einer sogenannten Problemschule, Eva, Hausfrau und Mutter, sowie ehemals Kanzleiassistentin und Miriam, genannt Mimi, Weltenbummlerin, sie alle verbindet eines: ...

Katharina, Herzchirurgin, Judith, Lehrerin an einer sogenannten Problemschule, Eva, Hausfrau und Mutter, sowie ehemals Kanzleiassistentin und Miriam, genannt Mimi, Weltenbummlerin, sie alle verbindet eines: sie sind Schwestern, allerdings so unterschiedlich, wie es nur sein kann. Als nun nach siebenundzwanzig Jahren ein Lebenszeichen ihrer Mutter aus Nepal auftaucht, treten fast vergessene Wunden über den Verlust der Mutter zutage, die sich ganz einfach damals aus dem Staub gemacht und Hamburg verlassen hat. So unterschiedlich, wie sie nun einmal sind, fallen auch die Reaktionen auf eine mögliche Rückkehr von Hannah aus.

In fabelhaftem Schreibstil lässt uns Lucy Astner die vier Schwestern kennenlernen. Die Autorin wählt die Sicht des neutralen Erzählers und stellt dabei in jedem Kapitel eine der jungen Frauen in den Mittelpunkt. Ich bin begeistert davon, wie man ganz durchschnittliche Alltagssituationen so interessant und ansprechend schildern kann. Auf knapp fünfhundert Seiten kommt keine Langeweile auf, die Szenen sind zum Schmunzeln, zum Mitleiden, zum Empören und zum Freuen. Vollkommen realistisch treten dem Leser die vier Schwestern entgegen und sind so bildhaft charakterisiert, dass man sich gut mit einer von ihnen identifizieren und die anderen zumindest verstehen kann. Mitten aus dem Leben gegriffen sind alle Schauplätze, sodass man sofort eintaucht in diese wunderbare Geschichte und die kurzen und übersichtlichen Kapitel nur so dahinfliegen.

Von der ersten Seite weg fesselt Astner ihre Leser und spannt einen logisch nachvollziehbaren Bogen bis zur Überraschung, die am Ende nicht ausbleiben darf. Durch die klare Charakterisierung aller Figuren fügen sich alle Fäden schlüssig zusammen und ergeben einen stimmigen und warmherzigen Roman, den ich sehr, sehr gerne weiter empfehle.



Titel Weil wir Schwestern sind

Autor Lucy Astner

ISBN 978-3-442-48955-8

Sprache Deutsch

Ausgabe Flexibler Einband, 480 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook

Erscheinungsdatum 16. August 2021

Verlag Goldmann

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.09.2021

Das verborgene Wien

Donaumelodien - Totentaufe
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Wien, 1876: Der Geisterfotograf Hieronymus Holstein und sein Weggefährte, der bucklige Franz, unterstützen die polizeilichen Ermittlungen rund um grausam zugerichtete Tote. Selbstverständlich nicht ganz ...

Wien, 1876: Der Geisterfotograf Hieronymus Holstein und sein Weggefährte, der bucklige Franz, unterstützen die polizeilichen Ermittlungen rund um grausam zugerichtete Tote. Selbstverständlich nicht ganz uneigennützig, will doch Hieronymus im Gegenzug dafür Informationen zu seiner verschollenen Liebe einholen.

Mit „Habe die Ehre“ und „G‘schamster Diener“ fühlt sich der Leser sofort ins einstige Wien zurückversetzt, wobei hier jedoch kein Besuch von erlauchten Herrschaften und erlesenen Kaffeehäusern stattfindet und der Gugelhupf keine Süßspeise ist, sondern der Leser zwischen Sliwowitz und Brandineser die Nachforschungen begleitet und sogar zu den Strottern und Griaslern (Ausgestoßene, Obdachlose – weniger geläufige Ausdrücke werden mittels Fußnoten im Buch erklärt) ins Kanalnetz hinabsteigt. Auch das Wien jenseits der Donau, nämlich Kaisermühlen, spielt eine kleine Rolle, wodurch dieser Wienkrimi zu einem ganz besonderen wird. Neben den detailreich geschilderten Vierteln in der Hauptstadt gibt es auch viele interessante Einblicke in eher unbekannte Lebenswelten, wie jene der zugezogenen „Ziegelbehm“, die auch geschichtlich dokumentiert sind.

So erschafft Autor Bastian Zach einen hervorragend recherchierten Hintergrund für unerklärbare Morde, schreibt mit einer guten Portion Wiener Schmäh über Untergrundgestalten und Irre. Viele historisch belegte Einzelheiten untermalen die Suche nach Gemeinsamkeiten zwischen den Toten und lassen ein Wien von früher wieder lebendig werden. Alles wird umso lesenswerter, als mit Hieronymus und Franz zwei schlitzohrige und schlagfertige Figuren im Mittelpunkt stehen, die einem sofort sympathisch sind. Aber auch Anezka mit ihrer Kinderschar steht den beiden um nichts nach, sie sorgt für das Wohl ihrer zwei Mieter ebenso wie für einiges Schmunzeln beim Leser.

Mit einem ruhigen Schreibstil, gespickt mit Wiener Ausdrücken und einer Menge Humor, entsteht ein sehr authentischer Krimi, der gut durchdacht ist und für die eine oder andere Überraschung sorgt. Eingestreute Hinweise auf vergangene Abenteuer lassen Neulinge in Sachen Donaumelodien jedenfalls neugierig werden, nicht nur auf etwaige Folgebände, sondern auch auf den Vorgänger „Praterblut“, den ich unbedingt bald lesen möchte.

Fazit: ein empfehlenswerter Roman, der auf vielen Ebenen punkten kann: Titelbild, Recherche, Sprachstil, Charaktere und Handlung, woraus ein wunderbarer Gesamteindruck resultiert!



Titel Donaumelodien - Totentaufe

Autor Bastian Zach

ISBN 978-3-8392-0021-6

Sprache Deutsch

Ausgabe Flexibler Einband, 315 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook

Reihe Geisterfotograf Hieronymus Holstein

Erscheinungsdatum 7. Juli 2021

Verlag Gmeiner

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 26.08.2021

Totes Dorf

Waldeskälte
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Ein Anruf holt Interpol-Leutnant Valeria Ravelli jäh zurück in ihre Heimat Eigerstal, ein kleines, kaltes Bergdorf in den Schweizer Alpen und damit in ihre schreckliche Vergangenheit: aktuell ist ein junges ...

Ein Anruf holt Interpol-Leutnant Valeria Ravelli jäh zurück in ihre Heimat Eigerstal, ein kleines, kaltes Bergdorf in den Schweizer Alpen und damit in ihre schreckliche Vergangenheit: aktuell ist ein junges Mädchen ebenso verschwunden wie sie selbst vor 21 Jahren. Damals wurden drei Freundinnen verschleppt und nur Valeria konnte entkommen.

In einem „Motto“ zu Beginn dieses düsteren und sehr atmosphärisch geschriebenen Thrillers erfährt der Leser Grundlegendes über Valeria und wie sehr sie von den Vorkommnissen 21 Jahre zuvor gezeichnet ist. Dann folgt die eigentliche Handlung in zwei großen Abschnitten.

Wort- und bildgewaltig vermag es Martin Krüger, den Leser in seinen Bann zu ziehen und lässt ihn diese fremde abgeschiedene Welt von Eigerstal betreten. Knirschender, eisiger Schnee, dichte Nebelschwaden und unwegsames Unterholz erschweren die Suche nach Nora, deren Überlebenschancen von Stunde zu Stunde sinken. Die wortkargen Einwohner verschließen sich den Fragen der Ermittler, welche kaum einen Schritt vorankommen.

Sehr gut charakterisiert sind die wesentlichen Figuren, wobei immer ein wenig Unsicherheit mitschwingt, wer tatsächlich vertrauenswürdig ist und wer nicht. Valerias Unvermögen, sich erinnern zu können, spielt eine sehr belastende Rolle, die auch beim Lesen immer wieder deutlich spürbar wird. Die wenigen Bruchstücke scheinen wie Nebelfetzen auseinanderzudriften und sich wie ein Alptraum am Morgen in Nichts aufzulösen. Spannend und raffiniert beschreibt der Autor eine zermürbende Suche mit vielen psychischen Komponenten und schafft somit eine Geschichte, die stark durch diese spezielle Atmosphäre getragen wird. Dramatisch und durchaus überzeugend ergibt sich ein logisches Ende, das alle Fäden zusammenlaufen lässt.

Vom Titelbild über eine fesselnde Geschichte bis hin zu einem passenden Schlusspunkt bietet „Waldeskälte“ einen absolut empfehlenswerten Psychothriller, der gut ohne heftiges Blutvergießen auskommt.



Titel Waldeskälte

Autor Martin Krüger

ISBN 978-3-7499-0152-4

Sprache Deutsch

Ausgabe Flexibler Einband, 448 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook und Hörbuch

Erscheinungsdatum 24. August 2021

Verlag Harper Collins

  • Einzelne Kategorien
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  • Erzählstil
  • Handlung
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Veröffentlicht am 25.08.2021

Wenn das Licht ausgeht

Die Leuchtturmwärter
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1972: Vor der Küste Cornwalls verschwinden in der Silvesternacht alle drei Männer vom Leuchtturm Maiden. Die dicke Stahltür ist von innen verriegelt, der Tisch gedeckt, zwei Uhren sind um Viertel vor neun ...

1972: Vor der Küste Cornwalls verschwinden in der Silvesternacht alle drei Männer vom Leuchtturm Maiden. Die dicke Stahltür ist von innen verriegelt, der Tisch gedeckt, zwei Uhren sind um Viertel vor neun stehen geblieben. Bestürzt bleiben drei Frauen zurück, die auch zwanzig Jahre später noch keine Gewissheit haben.

In eindrucksvoller Art und Weise präsentiert Autorin Emma Stonex diesen Roman, indem sie Erzählungen, Logbucheinträge, Briefe und Interviews geschickt miteinander zu einer spannenden Collage verquickt und so Stück für Stück düstere Geheimnisse offenbart, wobei am Ende doch wieder ein Rest an Ratlosigkeit zurückbleibt.

Alles beginnt mit einer Fahrt hinaus aufs offene Meer: wie seit vielen Jahren steuert Jori sein Motorboot zum Turm, um dort einen jungen Mann abzusetzen, der einen der drei Wärter auf der Maiden ablösen soll. Aber – der Turm ist leer, von den Leuchtturmwärtern keine Spur, und das ausgerechnet auf der Maiden, die immer schon berühmt-berüchtigt war für eine ganz besonders seltsame Stimmung. Schnell werden Gerüchte laut, verbreiten sich Klatschgeschichten, ein Schuldiger muss immer gefunden werden. Schließlich werden die Ermittlungen von Seiten der Betreibergesellschaft Trident eingestellt, lediglich regelmäßige Zahlungen als Unterstützung für die Hinterbliebenen bleiben aufrecht.

Mit wunderbar plastischen und anschaulichen Vergleichen setzt Stonex jede Szene ins rechte Licht, sei es die gewaltige Gischt, die den Leuchtturm zum Beben bringt oder die träge dahinfließenden Stunden an Tagen wo das Meer ölglatt kein noch so leises Plätschern hervorbringt und die Männer nichts weiter zu tun haben als einem trägen Zeitvertreib nachzugehen. Gefühlvolle und sehr tiefe Einblicke in das Leben am Turm vermittelt die Autorin, indem sie die Wärter selber zu Wort kommen lässt und ihre Faszination von ihrem Beruf und ihr Verantwortungsbewusstsein ebenso wie ihr Unbehagen oder ihre Ungeduld kurz vor der Ablösung darstellt.

Abseits von der Enge im Turm gibt es ein „Leben in Freiheit“, am Land, wo die Frauen und Kinder auf die Rückkehr der Wärter warten. Als zwanzig Jahre nach dem Unglück ein Reporter die Geschichte wieder aufrollen will, um ein Buch darüber zu schreiben, löst sich die Starre, werden alte Wunden wieder aufgerissen und wird erneut nach der Wahrheit gesucht. Die Dialoge mit dem Journalisten kommen als Monolog daher, spiegeln den Schmerz wider, der sich über viele Jahre aufgestaut hat und nun in einem unaufhaltsamen Schwall hervorbricht.

Gleich einem Fischernetz wird immer bloß ein Teil der Vorfälle aus der Tiefe geborgen und jede Figur hat ihre eigene Sicht auf die Wahrheit. Nur langsam fügen sich auch für den Leser die anfangs teils verwirrenden Puzzleteile zu einem runden Ganzen, das von einer realen Begebenheit inspiriert worden ist.

Fazit: Interessante Einblicke in Einsamkeit, Eintönigkeit und Isolation auf dem Leuchtturm sowie in den recht unterschiedlichen Umgang mit Verlust, Schmerz und Trauer liefert dieser Roman, der wohltuend hervorsticht aus der breiten Masse.



Titel Die Leuchtturmwärter

Autor Emma Stonex

ISBN 978-3-10-397037-1

Sprache Deutsch

Ausgabe gebundenes Buch, 432 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook und Hörbuch

Erscheinungsdatum 25. August 2021

Verlag S. Fischer

Originaltitel The Lamplighters

Übersetzer Eva Kemper

  • Einzelne Kategorien
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Veröffentlicht am 23.08.2021

Teuflisches Ende

Die Salbenmacherin und der Fluch des Teufels
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Olivera, die sympathische und einfühlsame Salbenmacherin und Kräuterkennerin, sieht sich im Jahre 1412 einer seltsamen und unbekannten Krankheit gegenüber, der auch der neue Medicus nichts entgegenzusetzen ...

Olivera, die sympathische und einfühlsame Salbenmacherin und Kräuterkennerin, sieht sich im Jahre 1412 einer seltsamen und unbekannten Krankheit gegenüber, der auch der neue Medicus nichts entgegenzusetzen hat. Als die beiden der Tochter eines hohen Ratsherren nicht helfen können, entsteht der Verdacht, der Teufel hätte den Nürnbergern eine Strafe auferlegt und müsse schleunigst ausgetrieben werden.

Mit diesem sechsten Band rund um Olivera erleben wir nun ein letztes Mal spannende Abenteuer mit einer inzwischen liebgewonnenen Figur. Geschickt verknüpft Stolzenburg Gefahren aus früheren Episoden mit einem neuen Problem und schildert fesselnd die Diskussion um Krankheit oder Besessenheit. Erneut taucht der Leser in aufregende Zeiten ein, in denen man wohl eher nicht gelebt haben möchte. Die Handlung ist stimmig aufgebaut und der Schreibstil fließt gewohnt flott dahin. Die kurzen Kapitel lassen keinerlei Langeweile aufkommen und verleiten eher dazu, noch ein Stückchen weiterzulesen bis die Spannung ihren Höhepunkt erreicht und mit einem zufriedenstellenden Ende leider auch das gesamte Ende der Salbenmacherin kennzeichnet.

Natürlich ist auch dieser Teil in sich abgeschlossen, jedoch empfiehlt sich das Lesen der gesamten Serie, die in Konstantinopel ihren Ausgang nimmt und über Tübingen nach Nürnberg führt, wobei man die Figuren über mehrere Jahre begleiten und deren Entwicklung beobachten kann. Das Verständnis für die eine oder andere Handlung und die detaillierte Charakterzeichnung der Figuren wird über die gesamte Geschichte ebenfalls deutlich verstärkt.

Mit einem interessanten Nachwort über Fakten und Fiktion, die Silvia Stolzenburg stets zu unterhaltsamen und informativen Szenen verschmolzen hat, verabschieden wir uns nun endgültig von Olivera in der Hoffnung, dass ihr Leben vielleicht künftig ein wenig ruhiger verläuft.



Titel Die Salbenmacherin und der Fluch des Teufels

Autor Silvia Stolzenburg

ISBN 978-3-8392-0017-9

Sprache Deutsch

Ausgabe Gebundene Ausgabe, 344 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook

Reihe Die Salbenmacherin

Erscheinungsdatum 4. August 2021

Verlag Gmeiner