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Veröffentlicht am 17.09.2021

Sowjet-Märchen

Der wahrhaftige Volkskontrolleur
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Der getreue Bürger und Bewohner eines abgelegenen Dorfes Pawel Dobrynin wird quasi aus dem Nichts zum Volkskontrolleur ernannt - auf Neudeutsch wäre das der Controller des gesamten Sowjetvolkes bzw. einer ...


Der getreue Bürger und Bewohner eines abgelegenen Dorfes Pawel Dobrynin wird quasi aus dem Nichts zum Volkskontrolleur ernannt - auf Neudeutsch wäre das der Controller des gesamten Sowjetvolkes bzw. einer davon, der für einen Teilbereich zuständig ist: bei Pawel ist das eine sehr, sehr abgelegene, eisbedeckte Region. Wir befinden uns in den frühen Jahren der Sowjetunion - es dreht sich alles um den Genossen Lenin, der leider vor einigen Jahren verstorben ist - oder doch nicht?

Zudem taucht ein Engel auf, der durch einen Kleiderwechsel mit dem Deserteur Sergunkow zu einem Flüchtigen wird und mit seinesgleichen ein neues Leben im "gelobten Land" beginnt, eine ganz eigene Form des sowjetischen Gemeinschaftslebens.

Weitere Handlungsstränge drehen sich um den liebenswerten Schuldirektor Banow, der das Gute im Menschen sieht und um den Künstler Mark Iwanow, der mit seinem Gedichte rezitierenden Papagei durch die Lande zieht.

Ein Haufen verschrobener Menschen also, der da im frühen Sowjetreich sein Leben fristet, das trotz etlicher Brutalitäten seltsam harmlos scheint - märchenhaft eben. Eine herrliche Satire in bewährter kurkowscher Manier?

Nun, ich bin ein großer Fan der frühen Kurkow-Werke: der Doppelroman um den Pinguin Mischa und Viktor, einen Verfasser von Nekrologen, die zunächst einträchtig in einer WG in Kiew leben, sich dann jedoch aus den Augen verlieren und auf einer Odysee wiederfinden müssen, hat mich sowohl amüsiert als auch bewegt. Auch "Ein Freund des Verblichenen", in dem der lebensmüde Tolja einen Killer für sich selbst engagiert und dann verzweifelt versucht, diesen wieder abzubestellen, hat mir gut gefallen. Daher habe ich mich sehr auf das vorliegende Werk gefreut!

Doch ohje: Bei dem "Wahrhaftigen Volkskontrolleur" Pawel, der für Gerechtigkeit steht : der mal naiv, dann wieder fast philosophisch wirkt - Eigenschaften, die auch die parallel agierenden Akteure Engel, Banow und Ivanov aufzuweisen haben, wurde ich bezüglich des Lesegenusses sehr enttäuscht. Der von mir so geschätzte Osthumor blitzt zwar durchaus von Zeit zu Zeit auf, größtenteils wird der Bogen aber ganz schön überspannt. Dadurch ist es leider nicht die erhoffte geniale Satire auf den Kommunismus, sondern ein schwer zu lesender Mix von Absurditäten. Für mich sehr schade, reiht sich der Volkskontrolleur nicht in die von mir so sehr geschätzten oben genannten kurkowschen Juwelen ein! Dazu trägt auch bei, dass die einzelnen Erzählstränge vor sich hinplätschern und nicht zu einer Handlung zusammenfließen - dadurch ist es kein richtiger Roman, sondern eine Aneinanderreihung einzelner Geschichten.

Mir fiel es sehr schwer, mich auf die Handlung zu konzentrieren und am Ball zu bleiben, ich hoffe sehr auf den nächsten Kurkow - denn nach meinem grandiosen Start mit diesem Autor mag ich ihn noch nicht ganz aufgeben!

Veröffentlicht am 17.09.2021

Skurrile Suche nach einer verschwundenen Politikerin

Erbarmen
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Fast ein halbes Jahr...anderthalb Jahre: Merete Lynggaard wird in einem zunächst abgedunkelten, dann hell erleuchteten Raum gefangen gehalten - und sie hat keine Ahnung, warum. Die Entführer fragen sie ...

Fast ein halbes Jahr...anderthalb Jahre: Merete Lynggaard wird in einem zunächst abgedunkelten, dann hell erleuchteten Raum gefangen gehalten - und sie hat keine Ahnung, warum. Die Entführer fragen sie nach dem Grund, nach ihrer Schuld, behaupten, dass sie sie bei Nennung der richtigen Antwort freilassen - Merete hat keine Ahnung.

Für die Öffentlichkeit und die Polizei ist Merete ertrunken - aber einfach so? Nein, es wird schon ein Verbrechen vermutet, doch man tappt im Dunkeln. Der Fall wurde jahrelang liegengelassen, nun wird der Ermittler Carl Mörk, der beruflich auf ein Abstellgleis geschoben wurde und sich mit diversen ungeklärten Kriminalfällen beschäftigen soll, darauf aufmerksam. Zusammen mit dem durch Zufall an seine Seite geratenen Assad , der eigentlich für die Reinigung und als Chauffeur eingestellt wurde, wird er in den Keller abgeschoben. Sie raufen sich zusammen und bilden ein skurriles, originelles Ermittlerpaar, das Schwung und Humor in die Handlung bringt - wie gemacht für eine Serie mit mehreren Folgen. Zunächst ist die Spur unklar: Ist es der behinderte Bruder, mit dem Merete zusammenlebt, ist jemand aus ihrem politischen Leben für die Tat verantwortlich? Doch relativ schnell zeichnet sich ab, dass die Ursache des Verbrechens komplett in der Vergangenheit, in der Kindheit Meretes und ihres Bruders liegt...

Erste Einsichten in die Story versprachen spannenden, jedoch eher bodenständigen Lesestoff für Thrillerfans. Beeinträchtigt wurde die Spannung durch die Absehbarkeit: schnell zeichnet sich ab, wer hinter der Entführung der Politikerin steckt. Natürlich ist das dem Handlungsverlauf ausgesprochen abträglich... Ein wenig mehr geheimnisvoll hätte die Story gerne rüberkommen können - so ist es nicht mehr als "ganz nett". Amüsant ist auf jeden Fall die Schilderung des Umfelds von Carl Mörk, das eine gute Grundlage für eine Reihe hoffentlich spannenderer Fälle bietet. Für Liebhaber skandinavischer Spannungsliteratur nur mit Vorbehalt zu empfehlen.

Veröffentlicht am 17.09.2021

Ein Urteil über Leben und Tod...

Das Herz ihrer Tochter
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... fällt zunächst der Mörder Shay Bourne und tötet die siebenjährige Elizabeth und ihren Stiefvater, den Polizisten Kurt Nealon. June Nealon, die Mutter und Ehefrau verliert fast alles, was sie hat - ...

... fällt zunächst der Mörder Shay Bourne und tötet die siebenjährige Elizabeth und ihren Stiefvater, den Polizisten Kurt Nealon. June Nealon, die Mutter und Ehefrau verliert fast alles, was sie hat - es bleibt ihr nur ihr ungeborenes Kind Claire.
11 Jahre später: Claire leidet an einer schweren Herzkrankheit und braucht dringend ein Spenderherz, Shay befindet sich noch immer in der Todeszelle - seit Jahren der einzige zum Tode Verurteilte im Bundesstaat New Hampshire. Er wünscht nicht den Tod durch die Giftspritze, sondern durch den Strang - um so das Herz der Schwester der von ihm ermordeten Elisabeth zu spenden und Vergebung zu erlangen.

So die Ausgangssituation - was folgt, ist ein Hin und Her, in dem religiöse Erkenntnisse eine tragende Rolle spielen. Shay verbringt in seiner Zelle offenbar Wunder. Selbst sein Beichtvater - vor elf Jahren einer der Geschworenen, die ihn zu Tode verurteilt haben, hält es für möglich, dass er der Heiland ist, da auf einmal aus Wasser Wein wird, ein Mithälftling scheinbar von Aids geheilt wird und weitere erstaunliche Dinge geschehen.

Häppchenweise wird der Leser aus unterschiedlichen Erzählperspektiven - aus der Sicht des Priester Michael, Shays Anwältin Maggie, June Nealon, dem Mithäftling Lucius sowie der kleinen Claire Nealon an erstaunliche Entwicklungen herangeführt - vieles ist nicht so, wie es scheint. Oder doch?

Die einzelnen Positionen sind mit großer Eindringlichkeit und sehr plastisch geschildert - jedes einzelne Wort lässt den Leser spüren, welche seelischen Qualen durchlitten, welche Zweifel durchlebt werden.

Jodie Picoult hat mit Worten nicht geschrieben, sondern gemalt und sie ist mit ihrer farbigen Darstellungskraft in mein Leser-Herz eingedrungen. Eine Geschichte, die den Leser packt und festhält. Trotz des grausamen Themas ist sie aus meiner Sicht auch und gerade für Mütter und für Töchter geeignet: Picoult vereint in ihrem Text Schrecken und Spannung mit Herzenswärme. Leider übertreibt sie jedoch zeitweilig und zum Ende des Romans immer mehr. Es ist einfach zu viel des Guten, das die Autorin in ihre Geschichte gepackt hat. Die spannende und eindringlich geschriebene Leseprobe entpuppt sich leider als überladenes Gegenwartsmärchen. Ich kann mir jedoch vorstellen, dass Leserinnen - denn es ist eindeutig eher ein Buch für Frauen - die anders als ich realitätsferne und etwas absurde Entwicklungen zu schätzen wissen, dieses Buch aufgrund der erzählerischen Kraft der Autorin lieben werden.

Veröffentlicht am 17.09.2021

Lootus heißt Hoffnung auf Estnisch - aber nicht auf Isländisch

Das Schiff
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Der Roman von Stefán Máni ist an Düsterheit und Finsternis nicht zu überbieten. Nach und nach wird der Leser in die Sorgen und Nöte eines jeden Mitglieds der Schiffsbesatzung, die am 11. September 2001 ...


Der Roman von Stefán Máni ist an Düsterheit und Finsternis nicht zu überbieten. Nach und nach wird der Leser in die Sorgen und Nöte eines jeden Mitglieds der Schiffsbesatzung, die am 11. September 2001 auf der Per Se von Island aus Richtung Surinam in See stechen wird, eingeführt und davon sind wahrlich genug vorhanden: jeder schleppt eine Last mit aufs Schiff. Das erstreckt sich von Kneipenschlägereien und Eheprobleme über die Auflehnung gegen den Arbeitgeber und Spielschulden verbunden mit Erpressung bis hin zu Rauschgiftschmuggel im großen Stil und Mord an der eigenen Ehefrau. Der Aktionsreichtum erstreckt sich vor allem auf das Geschehen vor der Abfahrt. Die Handlung auf dem Schiff wird vergleichsweise zurückhaltender dargestellt: ein geniales Mittel der Erzählkunst, das der Autor meines Erachtens aber nicht ausschöpft. Ein Piratenüberfall, der Mittelpunkt der eigentlichen Handlung an Bord, bleibt seltsam konturenlos. Das Kräftemessen der Besatzung untereinander, ebenfalls ein zentraler Aspekt innerhalb des Romans, wird mehr oder weniger ins Aus manövriert. Sicher, das Hauptaugenmerk des Autors liegt auf den Emotionen und Stimmungsschwankungen an Bord, aber auch diese kommen nicht an jeder Stelle des Romans so kraftvoll zum Ausdruck wie es möglich gewesen wäre.

Rettungsanker, die der Autor sich selbst auswirft, werden von ihm nicht ergriffen: so die zeitliche Festlegung auf das signifikante Datum 11. September 2001. Mir wird die Wahl dieses Datums nicht klar, da an keiner Stelle des Romans ein Zusammenhang mit der Katastrophe in New York erstellt wird.

Mit dem „Schiff“ hat Máni ein ungewöhnliches Werk geschaffen, das sich von anderen aktuellen skandinavischen Kriminalromanen durchaus absetzt. Ich bin ein großer Fan des sanft hervorblitzenden Humors, des Stehaufmännchenhaften in Krimis, mögen sie noch so düster und hoffnungslos sein. Darauf hofft der Leser hier vergebens. An einer signifikanten Stelle des Romans offenbart der Kapitän eine Episode aus dem frühen Jahren seiner Berufstätigkeit, die sich auf dem estnischen Schiff „Lootus“ zugetragen hat. Diese Hoffnung – so die Bedeutung des Wortes in deutscher Sprache - lässt die Besatzung der Per Se völlig in Stich und den Leser allein in einer beklemmenden Atmosphäre. Diese Stimmung wird vom Autor sehr gekonnt erzeugt – ein Liebhaber der düsteren Seiten der Literatur wird hier auf seine Kosten kommen.

Veröffentlicht am 15.08.2021

Leider sehr flach

Finde deinen Seelenpartner
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Wollten Sie schon mal einen Partner, der so aussieht wie ein Star, den Sie verehren? Und dann gehen sie auf eine Veranstaltung, treffen seinen Doppelgänger - in diesem Falle den von Roger Whittaker und ...

Wollten Sie schon mal einen Partner, der so aussieht wie ein Star, den Sie verehren? Und dann gehen sie auf eine Veranstaltung, treffen seinen Doppelgänger - in diesem Falle den von Roger Whittaker und - peng! - das ist es. Nach Fehlschlägen, Enttäuschungen und ewigem Frust finden Sie in diesem Mann den Seelenpartner, der Sie ein Leben lang begleitet.

Denn er spürt natürlich auch sofort, dass Sie füreinander gemacht sind, weil Sie ihrerseits aussehen wie... ich will es gar nicht wissen!

Ich gebe es zu, das war eines der extremsten, der heftigsten Fallbeispiele, die in diesem Buch, das im Übrigen das Werk eines Mentalcoaches, Bestsellerautors und Schauspielers (ein erfahrener Mensch, wie Sie sehen) ist, wiedergegeben werden, aber die anderen sind nicht weit davon entfernt.

Es gibt auch Anleitungen bzw. Verhaltenskodizes, die anzuwenden sind, wenn man sich bereits geöffnet hat, zum Studenten seines Lebens geworden ist.

Und wenn Ihr Seelenpartner ein Fischer in Alaska ist, der noch nie weg war? Keine Angst, ist er nicht, er schleicht mehr oder weniger bereits um Sie herum, genau wie Sie um ihn. Denn Sie ähneln einander in vielen Dingen, haben viele gemeinsame Vorlieben, und deswegen - nur keinen Stress - werden Sie einander begegnen, wenn die Zeit reif ist.

Ein Märchen? Nein, der neueste Ratgeber vor Pierre Franckh, der für mich eher in Richtung eines Albtraumes navigiert....