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Veröffentlicht am 22.09.2021

Die Zeit ist reif, das Leben spielt jetzt…

Für Glück ist es nie zu spät
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Mit Anfang 50 findet sich Johanna auf der Beerdigung ihres verstorbenen Ehemannes René wieder, mit dem sie sich schon seit Jahren nichts mehr zu sagen hat und sich in einer unglücklichen Ehe gefangen fühlte. ...

Mit Anfang 50 findet sich Johanna auf der Beerdigung ihres verstorbenen Ehemannes René wieder, mit dem sie sich schon seit Jahren nichts mehr zu sagen hat und sich in einer unglücklichen Ehe gefangen fühlte. Nun ist sie frei und weiß doch nicht so recht, was sie mit ihrem Leben anfangen soll. Nach der Beisetzung findet sie bei der Durchsicht der Trauerpost einen lieben Brief ihrer alten Freundin Ines, dem ein Notizbuch beigelegt ist. Ines, zu der der Kontakt schon lange eingeschlafen ist, bringt Johanna mit ihrem gut gewählten Geschenk auf eine Idee. So beginnt sie, ihre Gedanken, Gefühle und Träume in dem Büchlein festzuhalten, wobei sie nicht nur ein Lebensresümee zieht, sondern auch Zukunftspläne verfasst, die sie schon bald in die Tat umsetzt. Dabei läuft ihr auch ihre alte Affäre Henry über den Weg…
Heike Abidi hat mit „Für Glück ist es nie zu spät“ einen wunderschönen und lebensnahen Roman vorgelegt, der den Leser nicht nur in Johannas Welt eintauchen lässt, sondern mit seiner Tiefgründigkeit auch zum Nachdenken anregt. Der flüssig-leichte, warmherzige und gefühlvolle Erzählstil bringt den Leser an Johannas Seite, wo er mit ihr gemeinsam die Beerdigung durchsteht, um sich danach umso tiefer anhand ihrer Aufzeichnungen ihrer Gedanken- und Gefühlslage zu widmen. Dabei lässt die Autorin ihre Protagonistin nicht nur ein neues Tagebuch schreiben, sondern auch in ihren alten Büchern stöbern, wobei man so einiges aus Johannas Vergangenheit, ihren Lebensträumen und –vorstellungen erfährt. Es ist fast so, als wenn man zwei verschiedene Personen vor sich hat. Zum einen eine junge Frau mit viel Elan und Lebensfreude, zum anderen die 50-jährige, die alles in einer Kammer tief verschlossen und sich in den vergangenen Jahrzehnten irgendwann verloren hat. Die Zeit allein mit sich macht ihr immer mehr klar, dass sie die Ärmel hochkrempeln und ihr Leben auf Neustart bringen muss. So kommt langsam der Elan zurück, alles Alte und Unbequeme wird abgestreift, um Dingen Platz zu machen, die Freude bringen. Auch die Begegnung mit ihrer alten Affäre Henry bringt Farbe in ihr Leben, lässt sie Dinge tun, auf deren Idee sie allein nicht gekommen wäre. Und neue Bekanntschaften sowie vor allem ihre alte Freundin Ines bringen zusätzlichen frischen Wind in Johannas Leben, das sich immer leichter anzufühlen scheint. Abidi hat die Verwandlung von Johanna wunderbar realistisch und mit viel Empathie geformt, so dass der Leser regelrecht an den Seiten klebt und sich selbst in vielen Dingen auch wiederfindet.
Die Charaktere sind liebevoll ausgeformt und lebendig in Szene gesetzt, überzeugen mit Authentizität und Glaubwürdigkeit. Der Leser wird von Beginn an mit in die Geschichte hineingenommen, wo er über Johannas Schulter schauen darf. Johanna ist eine sympathische Frau, die sich im Verlauf der letzten 30 Jahre selbst verloren hat. Früher fröhlich und voller Tatendrang erkennt sie nun, dass sie nur noch ein Schatten ihrer selbst ist. Es ist sowohl befreiend als auch erfrischend, wie sie aufblüht, während sie in alten Tagebüchern schmökert, über ihr Leben resümiert und dann langsam anfängt, Pläne für die Zukunft zu schmieden. Henry ist ein toller Kerl, der genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort erscheint. Freundin Ines ist eine liebevolle Seele mit weisen Ratschlägen. Aber auch Pauline, Maxi und weiter Protagonisten lassen diese Geschichte zu einem echten Seelenwärmer werden.
„Für Glück ist es nie zu spät“ ist eine wunderschöne Geschichte wie aus dem wahren Leben entsprungen. Aufmunternd, nah an der Realität, und vor allem mit viel Hoffnung, dass es nie zu spät ist, nochmal einen Neustart hinzulegen, wenn man sich ein Herz fasst. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 19.09.2021

"Die Hoffnung hilft uns leben." (Johann Wolfgang von Goethe)

Die vier Winde
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1934 Texas. Die 24-jährige Elsinore Wolcott, genannt Elsa, ist in einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie aufgewachsen, doch wurde sie als Familienmitglied nie wertgeschätzt, im Gegenteil, tagtäglich sah sie ...

1934 Texas. Die 24-jährige Elsinore Wolcott, genannt Elsa, ist in einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie aufgewachsen, doch wurde sie als Familienmitglied nie wertgeschätzt, im Gegenteil, tagtäglich sah sie sich den Beleidigungen und Beschimpfungen ihrer Eltern ausgesetzt und zu allem Übel wurde ihr suggeriert, dass sie kränklich sei. All dies führt dazu, dass sie kaum das Haus verlässt, sich in Bücherromanzen flüchtet und sich schon dem Schicksal als alte Jungfer ausgeliefert sieht. Doch dann trifft sie am Abend vor ihrem Geburtstag auf den 18-jährigen Italiener Raffaelo „Raf“ Martinello und mit ihm die Liebe. Schnell wird Elsa schwanger und muss erleben, wie ihre eigenen Eltern sie verstoßen und an ihre Schwiegereltern nach Texas abschieben. Elsa muss sich erst einmal zurechtfinden, scheut keine harte Arbeit und lebt sich schließlich in ihrer neuen Umgebung ein, die ihr endlich mit Zuneigung und Liebe begegnet, Gefühle, die sie bisher kaum erleben durfte. Doch Jahre voller Sandstürme und Dürreperioden bescheren ein hartes Leben, so dass Raf der Familie den Rücken kehrt. Auch Elsa entschließt sich irgendwann, mit ihren beiden Kindern Loreda und Anthony nach Kalifornien zu flüchten, die Naturkatastrophen und das Elend hinter sich zu lassen…
Kristin Hannah hat mit „Die vier Winde“ einen eindrucksvollen, tiefgründigen historischen Roman vorgelegt, der den Leser durch eine wahre Achterbahn der Gefühle jagt. Der flüssige, teilweise schon poetisch anmutende, bildgewaltige und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser gedanklich ins letzte Jahrhundert reisen, um während des Zeitrahmens von 1921 bis 1936 das Schicksal von Elsa genau kennenzulernen. Schon die Behandlung, die Elsa durch ihre eigenen Eltern erfährt, grenzt an Misshandlung und lässt den Leser großes Mitgefühl für die junge Frau empfinden. Es ist unbegreiflich, wie abwertend und gefühlskalt Vater wie Mutter mit Elsa umspringen, ihr sämtliche Makel suggerieren und sie dadurch praktisch ans Haus fesseln für ihre in Hintergedanken geformten eigenen Zwecke. Elsas Ausbruch aus diesem Gefängnis war längst überfällig, auch wenn sie sich an den falschen Mann hängt, der sie schon bald fallen lässt. Doch dessen Familie nimmt sie auf, dort kann sie sich beweisen und erfährt zum ersten Mal, was es heißt, geliebt zu werden. Die gewaltige Natur allerdings sorgt dafür, dass sie jahrelang ums nackte Überleben kämpfen. Auf Dauer war diese Qual für viele Menschen nicht mehr durchzuhalten, die sich nach Normalität sehnten und sich gerade deshalb nach Kalifornien flüchteten. Aber auch dort sind sie vom Regen in die Traufe gekommen, wurden ausgebeutet oder fanden überhaupt kein Auskommen. Hannah beschreibt all dies sehr düster, doch gleichzeitig auch so atmosphärisch und bildhaft, dass man als Leser zum Teil der Geschichte wird und praktisch als Elsas Schatten fungiert.
Die Charaktere sind sehr detailliert gezeichnet und in Szene gesetzt, sie wirken glaubwürdig und authentisch. Der Leser folgt ihnen gern und nimmt regen Anteil an ihrem Schicksal. Zu Beginn ist Elsa eine zurückhaltende und schüchterne Frau, die sich kaum aus dem Haus traut. Doch im Verlauf der Geschichte wird sie mutig, gewinnt immer mehr an Stärke und Selbstbewusstsein und kämpft wie eine Löwin für ihre Familie. Ihre eigenen Eltern sind an Lieblosigkeit fast nicht zu überbieten. Raf ist ein Traumtänzer und wenig verlässlich. Loreda ist eine kleine Rebellin, was vor allem ihre Mutter Elsa zu spüren bekommt.
„Die vier Winde“ ist ein tiefgründiges Buch gespickt mit amerikanischer Historie, Familiengeschichten und –dramen sowie Protagonisten, die einem ans Herz wachsen. Ein Roman mit sehr aktuellen Themen, über harte Zeiten, neue Chancen und die Hoffnung, dass sich alles doch noch zum Guten wendet. Sehr empfehlenswert.

Veröffentlicht am 19.09.2021

Wie Adam und Eva im Garten Eden

Das Parfum der Liebe
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1904. Viola hat sehr an ihrer geplatzten Verlobung zu knabbern. Um sie diese Schmach vergessen zu lassen und auf andere Gedanken zu bringen, lädt ihr Onkel Nepomuk sie auf eine Expeditionsreise nach Ecuador ...

1904. Viola hat sehr an ihrer geplatzten Verlobung zu knabbern. Um sie diese Schmach vergessen zu lassen und auf andere Gedanken zu bringen, lädt ihr Onkel Nepomuk sie auf eine Expeditionsreise nach Ecuador ein, um ihm dort zur Hand zu gehen. Als Apotheker sucht er nach seltenen Pflanzenarten und Viola soll diese in Zeichnungen festhalten. So begibt sich Viola von Dresden aus nach Südamerika, wo sie mit ihrem Onkel in einer landestypischen Hacienda untergebracht ist, wo sie schon bald durch ein Missgeschick den Hamburger Parfümhersteller Adrian de Vries kennenlernt. Adrian, der sich dort auf die Suche nach neuen außergewöhnlichen Düften machen möchte, ist Viola von Anfang an ein Dorn im Auge, hält sie ihn doch für einen eingebildeten, reichen Lackaffen. Doch schon bald weckt nicht nur Adrians „Duftsuche“ ihr Interesse, auch der Mann selbst hat für sie eine besondere Anziehungskraft. Auch Adrians Interesse für Viola ist schnell geweckt, allerdings gibt es da ein Problem…
Hanna Caspian hat mit „Das Parfum der Liebe“ einen farbenprächtigen Kurzroman vorgelegt, der den Leser nicht nur zu einem Kurzurlaub nach Südamerika einlädt, sondern auch mit einer romantischen Geschichte das Leserherz erwärmt. Der flüssige, bildgewaltige und gefühlvolle Erzählstil der Autorin lässt keine Wünsche offen, katapultiert den Leser an den Anfang des vergangenen Jahrhunderts in die wunderschöne exotische Kulisse Ecuadors, projiziert traumhafte Bilder der dortigen Landschaft mit ihrer Blütenvielfalt und kitzelt dabei des Lesers Nase mit vielen verschiedenen Duftkomponenten. Caspian versteht es meisterlich, ihre Leser mit farbenfrohen Landschaftsbeschreibungen ebenso zu fesseln wie mit einer liebevoll verzwickt gestalteten Liebesgeschichte, beides lässt die Seiten nur so durch die Finger fliegen.
Die Charaktere sind lebendig und facettenreich gestaltet, so dass sie sich sofort im Leserherz einnisten. Viola ist offene junge Frau, deren Interessen breit gefächert sind und die viel Lebensfreude und Kraft ausstrahlt. Onkel Nepomuk ist ein ebenso interessanter wie weiser Mann mit einem großen Herzen. Adrian de Vries wirkt auf den ersten Blick wie ein vermögender Geck, doch entpuppt er sich als überaus sympathischer Zeitgenosse, der erst lernen muss, was für ihn das Beste ist. Florence ist eine Giftnatter, die sich für den Nabel der Welt hält, um den sich alles zu drehen hat. Egozentrisch wie arrogant zieht sie die Strippen nach ihrem Gusto, um ihren Willen zu bekommen.
„Das Parfum der Liebe“ überzeugt durchweg mit einer warmherzigen, spannenden und sehr farbenfrohen Geschichte vor historischem Hintergrund, die dem Leser neben einem exotisch angehauchten Kurzurlaub auch Sonnenstrahlen fürs Herz gönnt. Wunderbar erzählt und genau richtig für die immer dunkler werdenden Tage. Prädikat „ausgezeichnet“!!!

Veröffentlicht am 19.09.2021

"Ein Traum ist unerlässlich, wenn man die Zukunft gestalten will." (Victor Hugo)

Die Hafenschwester (3)
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1923 Hamburg. Die 45-jährige Krankenschwester Martha und ihre Familie haben den Ersten Weltkrieg mehr schlecht als recht überstanden und nun in der Weimarer Republik aufgrund der Hyperinflation all ihre ...

1923 Hamburg. Die 45-jährige Krankenschwester Martha und ihre Familie haben den Ersten Weltkrieg mehr schlecht als recht überstanden und nun in der Weimarer Republik aufgrund der Hyperinflation all ihre mühsam ersparten Rücklagen verloren. Während Ehemann Paul seine Arbeit als Ingenieur im Hafen verrichtet, kümmert sich Martha in der Klinik liebevoll um ihre Patienten. Ihre drei Kinder Rudi, Ella und Fredi sind inzwischen erwachsen. Obwohl Ella von einem Studium als Ärztin träumt, muss sie zugunsten ihres Bruders Rudi zurückstecken und eifert ihrer Mutter mit einer Ausbildung zur Krankenschwester nach, um gleichzeitig der Familie unter die Arme zu greifen. Rudi hat sich zu einem Filou und Lebemann entwickelt, der sich immer wieder in Schwierigkeiten bringt und dann auch noch die Familie mit hineinzieht. Fredi hat sich bei der Polizei in die Mordkommission hochgearbeitet. Und während die Nazis Deutschland erobern, steht er schon bald vor der schwierigen Entscheidung, seinem Bruder Rudi aus der Patsche zu helfen, wobei er sich in brandgefährliche Situationen begibt…
Melanie Metzenthin hat mit „Als wir an die Zukunft glaubten“ den finalen Band ihrer „Hafenschwester“-Trilogie vorgelegt, der wie seine Vorgänger erneut mit viel Spannung, Familiengeschichte und exzellent recherchiertem historischem Hintergrund überzeugen kann. Der flüssige, farbenprächtige und gefühlvolle Erzählstil katapultiert den Leser in die Zeit zurück ins letzte Jahrhundert, wo er sich zum letzten Mal in Marthas Familie einnistet, um dort die Entwicklungen in einem Zeitrahmen von der Weimarer Republik bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges mitzuerleben. So findet man sich mal mitten in der Hyperinflation wieder, in der viel alles verlieren, die Arbeitslosigkeit wächst und das Leid der Hamburger Bürger immer unerträglicher wird. Aber auch die Machtgewinnung der Nazis, die Bombardierung Hamburgs und daraus resultierende Feuersbrunst werden von der Autorin hautnah zum Leser transportiert, während sie ihre Geschichte rund um Martha und ihre Familie spannend ausformt. Martha und Paul überlassen ihren Kindern die Hauptbühne, die sich alle in unterschiedliche Richtungen entwickeln, gleichzeitig aber auch den Zeitgeist wiederspiegeln. Ella muss als junge Frau hinter ihrem älteren Bruder Rudi zurückstecken und eine Ausbildung machen, obwohl sie lieber studiert hätte. Rudi jedoch weiß das Opfer wenig zu schätzen, treibt sich lieber rum statt zu studieren und bringt seine Familie aufgrund seiner Nichtsnutzigkeit in große Schwierigkeiten, die sein Bruder durch gewagtes Eigenengagement abzuwenden versucht. Metzenthins Erzählkunst ist fabulös, nicht nur der wunderbar mit der Handlung verwebte historische Hintergrund überzeugt, sondern auch die Familiengeschichte in all ihren Facetten. Der Spannungslevel ist deshalb durchweg auf hohem Niveau und lässt den Leser regelrecht an den Seiten kleben.
Liebevoll und detailliert gestaltete Charaktere schleichen sich sofort ins Leserherz, denn sie wirken mit ihren menschlichen Eigenschaften sehr glaubwürdig und überzeugend. Martha ist der Fels in der Brandung: stark, mutig, fleißig und mit einem Kämpferherz ausgestattet, die alles für ihre Lieben tut. Mit Ehemann Paul geht sie durch dick und dünn. Elli ist eine sympathische junge Frau, die ihren Traum erst einmal begraben muss, aber ihn nicht vergisst, denn sie hat den Kampfgeist ihrer Mutter geerbt. Rudi ist ein Tunichtgut, der es sich auf Kosten der Familie gutgehen lässt. Er gerät immer wieder in Schwierigkeiten, für die andere die Kohlen aus dem Feuer holen müssen. Fredi ist ein cleverer und zuverlässiger junger Mann, der für seine Familie einiges auf sich nimmt.
Mit „Als wir an die Zukunft glaubten“ ist Metzenthin ein wunderbares Finale ihrer Trilogie gelungen, dass sich durch eine wunderbare historische Hintergrundrecherche sowie einer mit viel Gefühl und Spannung gespickten Familiengeschichte auszeichnet. Absolute Leseempfehlung für einen Pageturner der Extraklasse!

Veröffentlicht am 18.09.2021

"Berlin schmeckt nach Zukunft, dafür nimmt man den Dreck und die Kälte gern in Kauf." (C. Zuckmayer)

Polizeiärztin Magda Fuchs – Das Leben, ein ewiger Traum
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1920 Berlin. Die 30-Jährige Ärztin Magda Fuchs lässt nach dem tragischen Tod ihres Mannes alles hinter sich und tauscht das eher piefige Hildesheim gegen die Spreemetropole, um dort eine Anstellung als ...

1920 Berlin. Die 30-Jährige Ärztin Magda Fuchs lässt nach dem tragischen Tod ihres Mannes alles hinter sich und tauscht das eher piefige Hildesheim gegen die Spreemetropole, um dort eine Anstellung als Polizeiärztin anzutreten. Berlin bemüht sich zwar, den Regelbetrieb als schillernde Großstadt wieder aufzunehmen, doch überall sind noch die Spuren des Krieges sichtbar, vor allem bei den Menschen. Schon bald lernt Magda nicht nur die Schattenseiten Berlins kennen in Form von alltäglicher Gewalt, Hunger und Armut, sondern hat auch bei einem Mordfall ihren ersten Einsatz. Die Konfrontation mit den Schicksalen vernachlässigter und verwahrloster Kinder, die schutzlos teils missbraucht und verkauft werden sowie deren Mangelernährung und die prekären Lebensverhältnisse der armen Familien, mit denen Magda tagtäglich zu tun hat, treibt sie um. Durch ihre Arbeit lernt Magda die Fürsorgerin Ina kennen, die sich mit unermüdlichem Einsatz für die Kinder einsetzt und findet in ihr schon bald eine gute Freundin. Aber auch Frauen wie Celia von Liebenau, Doris Kaufmann und Ruth Jessen kreuzen Magdas Weg…
Das Autorenduo Helene Sommerfeld hat mit „Das Leben, ein ewiger Traum“ den Auftakt für ihre neue historische Trilogie um die Polizeiärztin Magda Fuchs vorgelegt, der mit einer akribischen Recherche und einer spannenden Handlung ausgezeichnet zu unterhalten weiß. Der flüssige, bildgewaltige, gefühlvolle und teils dialektgefärbte Erzählstil lässt den Leser schnell in die Seiten abtauchen, wo er sich im Berlin der Goldenen Zwanziger wiederfindet und nicht nur Magdas Fußstapfen folgt. Den Autoren gelingt es wunderbar, das Aufstreben der Stadt lebendig werden zu lassen und die Gegensätze zwischen Arm und Reich besonders hervorzuheben. Während die reichen Bonzen sich schon wieder herausputzen und in den Lokalen auf den Tischen tanzen, darbt die restliche Bevölkerung vor sich hin, leidet Hunger und ums Überleben kämpfen. Gerade das Schicksal der Kinder geht bei der Lektüre besonders an die Nieren und als Leser durchläuft man dabei so manche Achterbahn der Gefühle. Über wechselnde Perspektiven erhält der Leser nicht nur Einblick in die Welt von Magda, sondern darf auch Celia näher kennenlernen, die in einer arrangierten Ehe ausharren muss, während sie lieber Medizin studiert hätte. Die Autoren bilden das damalige Rollenbild der Frau der unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten sehr gut ab, wobei gerade ihre Protagonistinnen für einen neuen Zeitgeist stehen, denn sie wirken selbstbewusst, kämpferisch, mutig, stark und lassen sich nicht unterkriegen.
Eine ausgewogene Vielfalt an Charakteren macht die Handlung vielschichtig, alle sind mit glaubhaften menschlichen Eigenschaften ausgestattet, die es dem Leser leicht machen, sich an ihre Fersen zu heften. Magda lässt sich auf das Abenteuer ein, für ihren Neuanfang den Kleinstadtmief gegen die Großstadt einzutauschen. Sie ist mutig, hilfsbereit, stark und hat das Herz am rechten Fleck. Auch Ina besitzt ein mitfühlendes und fürsorgliches Herz, kümmert sich aufopfernd um die ihre Schutzbefohlenen. Celia ist noch sehr jung und naiv, doch ihre Träume musste sie schon früh begraben. Sie sitzt in einem goldenen Käfig und sehnt sich danach, diesem zu entkommen. Aber auch Doris, Ruth und Kuno Mehring haben wichtige Rollen in dieser vielseitigen Handlung.
„Das Leben, ein ewiger Traum“ ist ein gelungener Auftakt, der mit einer spannenden Geschichte, starken Frauen und deren Lebenswege sowie mit seinem verwebten farbenprächtigen historischen Hintergrund überzeugt. Absolute Leseempfehlung für einen wahren Pageturner!