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Veröffentlicht am 28.12.2021

Adina Europa

Blaue Frau
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Nach dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes kommt die junge Adina aus ihrem tschechischen Dorf, aus dem schon die meisten jungen Menschen fortgezogen sind, nach Berlin, um zu studieren. Sie lernt die ...

Nach dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes kommt die junge Adina aus ihrem tschechischen Dorf, aus dem schon die meisten jungen Menschen fortgezogen sind, nach Berlin, um zu studieren. Sie lernt die außergewöhnliche Fotografin Rikkie kennen, die Adina durch ihre Linse einen ganz eigenen Blick auf sich selbst eröffnet. Adina ist deshalb dankbar, dass Rikkie ihr ein Praktikum in der brandenburgischen Provinz verschafft. Dieses jedoch endet mit einem Desaster, nachdem Adina flieht. Sie landet in Helsinki, wo sie zur Ruhe kommen will. Hilfe bekommt sie von Leonidis, dem sie sich allerdings nicht anvertrauen kann.

Nach der Verleihung des Deutschen Buchpreises 2021 doch neugierig geworden, obwohl die Leseprobe nicht übermäßig ansprechend erschien, hat man sich an das von der Autorin selbst eingelesene ungekürzte Hörbuch hergemacht. Die Worte sind auf angenehme Weise vorgetragen. Man merkt, dass die Autorin ihren Text im Herzen trägt. Bei Adina handelt es sich um eine sympathische junge Frau, die auf ihrem Weg in die Welt, den sie wie jeder junge Mensch mit viel Enthusiasmus angetreten hat, aufs Übelste misshandelt wird. Dadurch verliert sie den so sicher geglaubten Halt und fällt in ein Tief, aus dem sie sich nur schwer befreien kann.

Mit dem Roman greift die Autorin im Rahmen der MeToo Debatte ein brennend aktuelles Thema auf. Leider erscheint die Umsetzung durch die nicht chronologische Erzählweise und etliche Abschweifungen zwar buchpreisgerecht, aber aus der persönlichen Lesersicht nicht übermäßig gelungen. Es dauert ein wenig, um überhaupt in den Roman hineinzufinden. Da war die Erkenntnis aus der Leseprobe durchaus wegweisend. Kommt man nach und nach hinter das eigentliche Thema, gewinnt das Buch mit seinen nachdrücklichen und emotionsgeladenen Beschreibungen durchaus an Profil, nur um im weiteren Verlauf wieder ins Verschwommene abzudriften. Und so hat man einen für sich selbst einen nicht ganz so packenden Roman, aber dennoch einen würdigen Buchpreisträger.

Veröffentlicht am 25.12.2021

Stadt der Hoffnung

Die Idealisten
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Der namenlose Vietnamese und sein bester Freund Bon sind nach schweren Zeiten in Paris gelandet. Die Tante des Ersteren nimmt sie zunächst auf, doch einen Job kann sie ihnen nicht besorgen. Als Lektorin ...

Der namenlose Vietnamese und sein bester Freund Bon sind nach schweren Zeiten in Paris gelandet. Die Tante des Ersteren nimmt sie zunächst auf, doch einen Job kann sie ihnen nicht besorgen. Als Lektorin lebt sie unter Intellektuellen und wirkt sehr französisch. Die beiden Neuankömmlinge beginnen mit der Arbeit für den Boss im schlechtesten vietnamesischen Restaurant in Paris. Und sie müssen von unten anfangen. Aber natürlich merken sie schnell, dass es sich bei dem Lokal lediglich um eine Fassade handelt. Mehr Geld verdient der Boss mit seinen Drogengeschäften.

Anfang der 1980er ist der Sympathisant aus dem vorherigen Band in Frankreich, dem Land seines Vaters, angelangt. Leider hat sich dieser nie zu seinem Sohn bekannt. Eine richtige Zugehörigkeit gibt es nicht, aus der ehemaligen französischen Kolonie Indochina stammend, hat man in Paris nicht auf die Freunde gewartet. Eine Verkleidung als asiatischer Tourist soll helfen. Doch der Tante ist ein Lieferant abhanden gekommen und so hat der Namenlose die glorreiche Idee, er könne für den Boss einen weiteren Kundenkreis für seine Drogen zuführen und selbst dabei eine Menge Geld machen. Schon das klappt nicht und es dauert auch nicht lange, bis es Streß mit den Arabern gibt.

Hatte der erste Band einen besonderen Reiz, der in der Art des Aufbaus lag, so sucht man in diesem zweiten Band nach dem Besonderen. Zwar werden Missstände angeprangert und die persönlichen Konflikte der Protagonisten zum Tragen gebracht, jedoch gewinnt man den Eindruck, dass etwas zu viel Wert auf recht lange Ergüsse gelegt wurde. Es fehlt ein wenig das unterschwellige Thema, das zu einem Aha-Erlebnis führt. Nichtsdestotrotz ist der Roman interessant, beleuchtet er doch verschiedene Milieus im Paris der 1980er. Da liegen schon die Wurzeln der Probleme, die uns auch heute noch begleiten. Dies aus Sicht eines Bootsflüchtlings, der nicht auf dieses eine Wort reduziert werden möchte, macht schon einen lesenswerten Roman aus.

Veröffentlicht am 07.12.2021

Das gelenkte Haus

Die App – Sie kennen dich. Sie wissen, wo du wohnst.
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Der Arzt Hendrik und seine Freundin Linda wollen heiraten. Ein tolles Haus in Hamburg ausgestattet mit allen Finessen haben sie schon. Es ist eben sehr bequem, wenn die Technik per App-Steuerung viel für ...

Der Arzt Hendrik und seine Freundin Linda wollen heiraten. Ein tolles Haus in Hamburg ausgestattet mit allen Finessen haben sie schon. Es ist eben sehr bequem, wenn die Technik per App-Steuerung viel für einen erledigt. Doch kurz vor der Hochzeit verschwindet Linda. Hendrik ist schockiert und verzweifelt, auch weil die Polizei zunächst keinen Anlass sieht, Ermittlungen aufzunehmen. Als Erwachsene kann Linda auch aus freien Stücken gegangen sein, vielleicht hat sie sogar einen anderen. Hoffnung schöpft Hendrik als sich eine weitere Person meldet, der Ähnliches widerfahren ist. Unheimlich wird es als Hendrik merkt, dass sich die Haussteuerung nicht mehr ausschalten lässt.

Der Autor steht für seine man kann sagen schnell geschnittenen Thriller, mit denen er sich aktuellen Themen widmet. Hier beginnt es mit dem Verschwinden einer eigentlich glücklichen jungen Frau und einer App, die außer Kontrolle zu geraten scheint. Hendrik kann einfach nicht glauben, dass Linda ihn verlassen hat, obwohl es Anzeichen dafür zu geben scheint. Und dann kommt noch diese widerspenstige Steuerung hinzu. Manchmal beginnt Hendrik zu glauben, das Haus habe sich gegen ihn verschworen. Nur mit viel Hartnäckigkeit und Mühe kann er die Polizei bewegen, Nachforschungen anzustellen. Die vorläufigen Ergebnisse sprechen jedoch eher dafür, dass Linda sich freiwillig auf den Weg gemacht hat.

Dieser Roman ist spannend und gut zu lesen. Allerdings werden Themen dargestellt, die nicht so richtig zusammenpassen. In der Phantasie glaubt man, diese Steuerung könne nur aus sehr spektakulären Gründen gekapert werden. Auch sucht man man einem überzeugenden Sympathieträger. Natürlich könnte Hendrik das sein. Doch wenn man sich vorstellt, dass eigene Haus würde von einer App überwacht, wäre man am nächsten Tag im Hotel, würde Gespräche nur noch außerhalb führen und hätte ein Handy ohne App. Auch wirkt es etwas überkonstruiert, dass nahezu jede der handelnden Personen Verdacht erweckt. Dass man dennoch bei der Stange bleibt, liegt an der Sympathie, die man für den Autor hegt und an dem letztlich fesselnden Geschehen, welches zu einer überraschenden Lösung führt.

Veröffentlicht am 06.10.2021

Blumensprache

Mausetot im Mausoleum
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Nach ihrer Trennung von Pascal versucht Loretta Luchs, ihr Leben wieder auf die Reihe zu kriegen. Mit Hilfe ihrer Freunde klappt es, nur der Schlaf will oft nicht kommen. Im Call-Center hat Loretta deshalb ...

Nach ihrer Trennung von Pascal versucht Loretta Luchs, ihr Leben wieder auf die Reihe zu kriegen. Mit Hilfe ihrer Freunde klappt es, nur der Schlaf will oft nicht kommen. Im Call-Center hat Loretta deshalb in die Nachtschicht gewechselt. Allerdings bekommt sie seit ein paar Tagen seltsame Blumenbotschaften unter die Scheibenwischer ihres Autos geklemmt. Hat Loretta einen heimlichen Verehrer? Sie rätselt, wer es sein könnte. Beim ersten Mal denkt sie noch an Pascal, aber er war es nicht. Oder will ihr neuer Bekannter Stefan mehr als nur das Hobby der Fotografie teilen? Leider ist es dann Loretta, die Stefan tot auffindet, wo sie doch nie wieder ermitteln wollte.

In Lorettas achtem Fall übernimmt erstmal Kommissarin Küppers die Untersuchung. Loretta ist noch nicht über die Trennung hinweg, eigentlich immer übermüdet und auch sehr schockiert, nachdem sie Stefan gefunden hat. Schließlich wollte sie mit ihm zusammen nach Fotomotiven und nicht auf seine Leiche stoßen. Da Loretta doch ein wenig aufgelöst ist, überlegt sei, Isoldes Rat zu folgen und eine Wahrsagerin aufzusuchen. Dort erfährt sie, dass Wahrsagerinnen sehr sympathisch sein können und dass es nicht so ein Hokus Pokus sein muss, wie man es vielleicht vom Jahrmarkt kennt.

Es ist immer lustig, Loretta und ihre Freunde wiederzulesen. Nach einigen gelesenen Büchern kennt man ihre Schwächen, Stärken, Schrullen und die liebenswerten Eigenschaften. Zwar ist es unglaublich, wie Loretta immer wieder über Tote stolpert und diesmal ist die Situation besonders skurril, doch man ist es von ihr schon so gewöhnt. Gerade zu Beginn fängt man direkt selbst an zu überlegen, wer wohl hinter diesen Blumengeschenken stecken könnte. Mit der Phantasie kann die Auflösung allerdings nicht mithalten. Man würde Loretta mal wieder einen Urlaub gönnen, da sie momentan nicht so gut drauf ist. Loretta wäre aber nicht sie selbst, wenn sie sich nicht aus eigener Kraft wieder fangen könnte. Und so schließt man das Buch mit dem freudigen Gedanken, dass Loretta Luchs das Rätsel gelöst hat.

Veröffentlicht am 25.09.2021

Sprachwitz

Es ist immer so schön mit dir
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Ein gescheiterter Musiker hat es sich als selbständiger Toningenieur eigentlich ganz bequem eingerichtet. Mit seiner Freundin könnte er zufrieden sein, obwohl sie eher ruhig nebeneinanderher leben. Wäre ...

Ein gescheiterter Musiker hat es sich als selbständiger Toningenieur eigentlich ganz bequem eingerichtet. Mit seiner Freundin könnte er zufrieden sein, obwohl sie eher ruhig nebeneinanderher leben. Wäre da nicht die Langeweile und diese Ödnis. Dann lernt er die jüngere Vanessa kennen und sie schlägt ein wie eine Bombe. Er ist auf der Pirsch und wieder lebendig. Ohne Rücksicht trennt er sich von seiner Freundin und biedert sich so lange bei Vanessa an bis sie so eine Art Beziehung aufgebaut haben. Schnell merkt er allerdings, dass auch eine neue Beziehung nicht immer in die Glückseligkeit führt.

Das Buch steht auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2021. Im Büchlein mit den Longlist Leseproben ist ein durchaus interessanter Ausschnitt aus dem Buch als Probe gewählt, der sich durch schönen Sprachwitz auszeichnet, in dem man sich gleich heimisch fühlt. Das kann dazu führen, dass man das ganze Buch lesen möchte, gerade auch, wenn man von dem Autor noch nichts kennt. Ob es so gesehen als Erstversuch die beste Wahl ist, kann wegen des Erstversuchs nicht beurteilt werden. Die handelnden Figuren vermögen jedoch nicht, einen für sie einzunehmen. Da ist allenfalls die verlassene Freundin, von der man hofft, sie ist befreit und ihr Nachkarten geschieht zurecht. Oder Frieder, die Stimme der Vernunft.

Mit diesem Buch kann man sich möglicherweise etwas schwertun. Die Charaktere wirken unsympathisch und verströmen die Ödnis, die sie wahrscheinlich selbst empfinden. Die handelnden Personen wirken sexbesessen und doch lust- und freudlos. Man muss sich halt fragen, ob man sich runterziehen lassen möchte. Allerdings ist der Roman witzig geschrieben. Und man möchte sich an diesem Funken Witz und Humor festklammern und der Hoffnung, dass es noch werden wird. Wie auch im echten Leben wird es aber nicht. Wünscht man sich so etwas von einem Roman, ist er gerade richtig.