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Veröffentlicht am 03.04.2022

Ein überragendes Debüt

Milch Blut Hitze
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„Ich habe das Gefühl, ich ertrinke, und weit und breit war kein Wasser in Sicht“ – S. 12

11 Porträts von Menschen aus der untersten Gesellschaftsschicht von Florida. 11 Kurzgeschichten die von Schmerz, ...

„Ich habe das Gefühl, ich ertrinke, und weit und breit war kein Wasser in Sicht“ – S. 12

11 Porträts von Menschen aus der untersten Gesellschaftsschicht von Florida. 11 Kurzgeschichten die von Schmerz, Ängsten, Schamgefühl, dem Mädchen- und Frausein, Mutterschaft, Körper, Rassismus, Liebe und Verlust handeln. Da sind Kiera und Ava, zwei beste Freundinnen. Da ist Rayna, die ihr Kind verloren hat. Das ist Fred, dessen Frau eine Krebserkrankung hatte.

Die Autorin findet elegante, tiefe Worte, die mich teilweise schon nach den ersten Seiten zu Tränen gerührt haben. Ihr gelingt es die harte Realität auf einer Ebene darzustellen, die über simple Beschreibungen der Handlung und Gefühle weit hinaus geht.

Die Geschichten gehen nah, schockieren in ihrer Schonungslosigkeit, erschienen mir teilweise surreal, absurd und dennoch konnte ich vieles nachempfinden und war beeindruckt, wie die Autorin gesellschaftliche Normen in ihren Geschichten verarbeitet hat. Auch wenn mein Leben kaum etwas mit dem der Protagonist*innen gemein hat, gelang es der Autorin doch, mich mit ihnen fühlen zu lassen, ihren Schmerz, ihre Hoffnungen und ihre Ängste zu verstehen. Mit manchen Geschichten konnte ich mehr mit manchen weniger anfangen, doch aus den meisten habe ich mir etwas mitgenommen und so schnell werde ich die 11 Kurzgeschichten, die 11 Leben, in die ich einen Einblick erhalten habe, nicht vergessen.

Ein gelungenes Debüt, das zum Nachdenken anregt, zart aber stetig den Finger in die Wunden legt, nachbohrt und berührt.

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Veröffentlicht am 03.04.2022

Eine Hilfestellung für Jugendliche im Umgang mit Rechten Gedankengut im Internet

Sie sind überall
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Anhand einer fiktiven Influencerin, da sie keiner echten Person Reichweite geben will, zeigt die Autorin und Spiegelonline Redakteurin Lisa Duhm auf, wie die rechte Szene durch YouTube Instagram und ...


Anhand einer fiktiven Influencerin, da sie keiner echten Person Reichweite geben will, zeigt die Autorin und Spiegelonline Redakteurin Lisa Duhm auf, wie die rechte Szene durch YouTube Instagram und anderen Socialmediaplattformen ihre Ideologie verbreitet und Zuschauerinnen und Followerinnen rekrutiert.

Durch was wird die Verbreitung rechter Ideologie gefördert? Welche Merkmale besitzt rechtes Gedankengut? Wo liegt der Unterschied zwischen Rechtspopulistinnen und Rechtsextremistinnen? Welche Folgen hat rechte Ideologie? Wie enttarnt man Fake News und argumentiert dagegen? All diesen Fragen geht die Autorin nach und klärt diese durch eine einfache und verständlich Sprache und anhand vieler aktueller Beispiel für junge Leserinnen. Diese werden direkt angesprochen und durch Fragen und Tests des eigenen Wissens mit einbezogen. Begriffe werden erklärt, die Gefährlichkeit rechten Gedankenguts aufgezeigt und Parteien vorgestellt.

Natürlich wird viel vereinfacht dargestellt und die Theorie heruntergebrochen. Gerade mit den Erläuterungen zu Rassismus, Islamfeindlichkeit und Antisemitismus hatte ich meine Probleme, denn diese waren mir zu vereinfacht erläutert. Die Differenzierung zwischen Rechtspopulist
innen, Rechtsextremistinnen, Faschistinnen etc. fand ich dagegen wieder gelungen. Das Buch hat Potenzial. Das Potenzial jungen Menschen dabei zu helfen rechte Influcener*innen und rechtes Gedankengut zu enttarnen, Muster zu durchschauen und Fakenews zu entlarven, damit umzugehen und darauf zu reagieren. Das Buch liefert konkrete Vorschläge im Umgang und lässt sich als Einstieg in ein komplexes Thema verstehen. Weiterführende Literatur am Ende und Webseiten dienen als gute Grundlage, um das Thema weiter zu vertiefen. Von mir gibt es, trotz meinen Problemen mit den Begriffserklärungen, eine Empfehlung.

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Veröffentlicht am 02.01.2022

Intim, schonungslos, bereichernd

(K)eine Mutter
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Cn: Abtreibung
Jeder vierte Frau entscheidet sich einmal in ihrem Leben dafür abzutreiben. In Deutschland ist Abtreibung zwar straffrei, aber dennoch illegal und wird vor allem von Abtreibungsgegnerinnen ...

Cn: Abtreibung
Jeder vierte Frau entscheidet sich einmal in ihrem Leben dafür abzutreiben. In Deutschland ist Abtreibung zwar straffrei, aber dennoch illegal und wird vor allem von Abtreibungsgegnerinnen kriminalisiert. Die Debatte rund um Abtreibung ist emotional, oftmals sehr rau und wird von Politikerinnen, Aktivistinne, Abtreibungsgegnerinnen und Kirchenvertreterinnen dominiert. Die Perspektive von Personen, die sich selber für eine Abtreibung entschieden haben, bleibt dabei oftmals außen vor.
Diese Lücke will Jeanne Diestelfeld mit ihrem Buch „(K)eine Mutter“ schließen, in dem 12 Frauen ihre Geschichte erzählen. Offenlegen, warum sie abgetrieben haben, in welcher Lebenssituation sie sich befanden, welche Auswirkungen die Entscheidung auf ihre Partnerschaft, familiäre Situation und Freund
innenschaften hatten und wie es ihnen vor, während und nach des Abbruchs ging. Die Texte stellen eine Mischung aus Beschreibungen der Autorin und Zitaten der porträtierte Frauen dar, was dafür sorgt, dass die Texte sehr authentisch sind und ich das Gefühl hatte, bei den Gesprächen dabei gewesen zu sein.
Etwas, was das Buch auszeichnet sind die unterschiedlichen Perspektiven. Gute schlechte oder gar keine Betreuung, ein medikamentöser oder operativer Abbruch, das Gefühl der Befreiung oder des Bereuens, aber eines eint die Frauen, ihre Geschichten: die Erkenntnis, wie wichtig ein guter Zugang zu Informationen über Abtreibung ist, wie wichtig ist darüber zu sprechen, das Tabu zu brechen und das Recht über seinen eigenen Körper entscheiden zu können, ohne das Leute, vorschreiben, was man zutun hat.
Das Buch ist intensiv und ist mir sehr nah gegangen, dennoch habe ich die unterschiedlichen Perspektiven der Frauen, als sehr bereichernd empfunden. Für mich, aber auch für die Debatte rund um Abtreibung insgesamt. Man muss emotional dafür bereit sein, sich auf dieser Ebene damit zu beschäftigen, denn es geht nicht um wissenschaftliche Fakten, sondern Lebensrealitäten von Frauen hier in Deutschland, die sich zu einer Abtreibung entschlossen haben.

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Veröffentlicht am 13.11.2021

Ein Young Adult Roman voller Diversität

Felix Ever After
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Felix ist trans und wird viel von Selbstzweifeln und Unsicherheiten geplagt. Unsicherheit darüber, wer er ist, aber auch was er kann und was er will. Er ist ein authentischer Charakter, da er jung ist ...

Felix ist trans und wird viel von Selbstzweifeln und Unsicherheiten geplagt. Unsicherheit darüber, wer er ist, aber auch was er kann und was er will. Er ist ein authentischer Charakter, da er jung ist und viele seiner Probleme großen Identifikationsraum bieten. Er macht Fehler, verhält sich auch beschissen und ist das Gegenteil von perfekt. Aber das muss er auch nicht sein, denn er wird trotzdem geliebt, auch wenn er es selber oft nicht sieht.
Der Schreibstil ist einfach und schlicht, die Gedankengänge von Felix ausführlich und die Darstellung von New York sehr nah. Das gegendert wird und Neopronomen verwendet werden ist richtig toll und ich liebe es, dass dies immer mehr Einzug findet in Romane.
„Felix ever after“ ist einfach wunderbar. Mir fällt kein anderes Wort ein, was meine Meinung zu diesem Buch besser zusammenfassen würde. Ich bin einfach restlos begeistert und würde dieses Buch, wenn ich viel Geld hätte, jedem*jeder schenken.
Es werden so viele Themen angesprochen, die einfach unglaublich wichtig sind. Identität, Selbstfindung, Rassismus, Deadnaming, Sexualität, Transfeindlichkeit, Privilegien und mehr und das immer mit einer intersektionalen Perspektive. Dabei wirkt die Geschichte nicht überladen oder die Themen übergestülpt und unpassend, sondern es passt einfach perfekt. Zu den Charakteren, der Atmosphäre und der Geschichte. Das Buch ist geprägt von einer großen charakterlichen Vielfalt, sei es die Herkunft, das Geschlecht, die Sexualität oder soziale Status. Dabei wirkt niemand konstruiert oder oberflächlich, sondern jeder Charakter hat eine durchdachte Backstory und Tiefe.
Die Geschichte rund um Felix ist geprägt von Freundschaft, der ersten Liebe, Druck auf eine gute Uni zu gehen aber auch Streit, Eifersucht und Hass. Es passiert so einiges auf den ca. 350 Seiten und die Wendungen haben mich überrascht und mitfühlen lassen. Manchmal ging es sehr schnell, vielleicht auch etwas zu schnell, das kann aber meiner Begeisterung keinen Abbruch tun.
Insgesamt habe ich das Buch geliebt und kann es allen Menschen nur ans Herz legen. Bitte lest es !

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Veröffentlicht am 03.10.2021

Intim, schonungslos, schockierend- 50 Frauen* reden über Sex

Was wir lieben
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Das Sprechen über Sex stellt immer noch ein gesellschaftliches Tabu dar. Oft ist das Wissen oder eher die Vorstellung geprägt durch Pornos oder Halbwissen, was hinter vorgehaltener Hand flüsternd weiter ...

Das Sprechen über Sex stellt immer noch ein gesellschaftliches Tabu dar. Oft ist das Wissen oder eher die Vorstellung geprägt durch Pornos oder Halbwissen, was hinter vorgehaltener Hand flüsternd weiter gegeben wird. Auch Zuhause und in der Schule ist es ein Thema, was nur selten in voller Bandbreite besprochen.
Das Buch „Was wir lieben. 50 Frauen sprechen über Sex“ schließt damit eine Lücke und bietet statt trockener Theorie eine Sammlung von kurzen Erfahrungsberichten, deren Erzählerinnen so vielfältig sind wie ihr Sex. Es kommen Frauen vor die hetero, pan- oder bisexuell sind. Frauen die sich als cis, trans oder non- binary identifizieren, aus allen möglichen Ländern rund um den Globus stammen und sich auch hinsichtlich ihres Alters unterscheiden, da das Buch so aufgebaut ist, dass zu Beginn die jüngste Frau zu Wort kommt und zum Schluss die älteste.
Jede einzelne circa zwei Seiten lange Erzählung ist unglaublich intim. Offen erzählen die Frauen
über ihre Kindheit, wie sie aufgewachsen sind, ihren Körper und ihre Sexualität und über Missbrauch, den erschrecklich viele erlebt haben und damit, die traurige Realität wiederspiegeln. Durch die Vielfältigkeit der Erzählerinnen und der Berichte wird schnell deutlich, wie unglaublich viele Facetten Sex hat und dass es keinen „normalen“ Sex gibt, sondern jede Person individuelle Bedürfnisse hat und wie sich diese Bedürfnisse auch mit dem Alter verändern, die einen verschwinden und andere plötzlich wichtig werden. Das Buch zeigt, was Sex sein kann. Sex kann Schmerz bedeuten, sowohl psychischen, als auch physischen, Spaß, Nähe und vieles mehr. Einige der Berichte können schmerzhaft für dendie Leserin sein und triggern, da gerade Missbrauch ein sehr präsentes Thema ist. Dennoch geben die Geschichten Hoffnung und Mut, seinen eigenen Körper und Bedürfnisse zu entdecken und Sexualität auszuleben.
Bereichert werden die Berichte von wunderschönen Illustrationen, gemalt von Künstler
innen aus aller Welt, die die Inhalte der Berichte aufgreifen und grafisch umsetzten. Jede einzelne Geschichte, all dieser unterschiedlichen Frauen*, habe ich als unglaubliche Bereicherung wahrgenommen. Sie waren lehrreich und haben mir gezeigt, wie wichtig es ist, auf seine eigenen Bedürfnisse und die Dinge, die man selber mag zu achten und diese offen zu kommunizieren.
So go, and let’s talk about Sex! ;)

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