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Veröffentlicht am 19.10.2021

Schuld, was ist das

Der Mauersegler
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In diesem Roman geht es um Schuld - darum, wieviel davon man auf sich laden kann und soll und darf und darum was das eigentlich ist.

Prometheus und Jakob sind Freunde seit dem Kindergarten - ...

In diesem Roman geht es um Schuld - darum, wieviel davon man auf sich laden kann und soll und darf und darum was das eigentlich ist.

Prometheus und Jakob sind Freunde seit dem Kindergarten - Prometheus, der aus eher einfachen Verhältnissen kommt, macht Karriere, Jakob, der erfolgreiche Eltern hat, reüssiert eher im privaten. Und lebt schon früh in einer Familie mit Frau und Kind.

Das Zweite ist unterwegs, als er erfährt, dass er unheilbar krank ist - Krebs der schlimmsten Art. Wobei Prometheus rein zufällig in der medizinischen Forschung unterwegs ist und zur Zeit mit einer Studie zu genau diesem Thema befasst ist. Er drängt seinen Freund, dem er bedingungslos vertraut, ihn mit aufzunenehmen in diese Studie.

Prometheus lässt sich überreden und Jakob stirbt. Das ist jetzt sehr vereinfacht und ich verrate Ihnen auch nichts Geheimes, da der Leser mit diesem Stand der Dinge bereits von Beginn an vertraut gemacht wird.

Jakobs Lebensgefährtin gibt Prometheus die Schuld an dessen Tod, meint, sein Freund hätte ihn von Beginn an zur konventionellen Therapie drängen müssen.

Prometheus selbst ist vollkommen ohnmächtig, gibt sich selbst jede überhaupt nur mögliche Schuld. Doch was kann ein Mensch ertragen und hätte er überhaupt anders agieren können?

Es kann sein, dass ich als Einzige den Roman auf diese Art gelesen habe und dies meine vollkommen individuelle Sicht ist, schreibt Autorin Jasmin Schreiber doch so wie keine andere - aus einer ganz besonderen Perspektive und unter Einbindung so mancher Tiere - ohne würde es offenbar gar nicht gehen. Allein aufgrund dieses besonderen Schreiber-Stils lohnt sich der Roman - so meine Meinung.

Außerdem ist Schuld auch eines meiner großen Lebensthemen, so dass ich hier mit Prometheus trotz vollkommen anderer eigener Sichtweisen gerne mitgegangen bin. Insgesamt sind die Figuren alle etwas Besonderes und ich finde es schade, dass ich sie aus dem Roman nicht einfach in meine eigene Realtität übertragen und mich mit ihnen beraten oder - je nachdem - ihnen auch ausgiebig meine Meinung geigen kann!

Veröffentlicht am 13.10.2021

Begraben unter dem Schnee - mit den Manen der Vergangenheit

Unter dem Schnee
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Luise von Schwan ist tot: die Matriarchin der Familie, die die Baumschule seit fünf Jahrzehnten mit eiserner Hand führte - und vor der die ganze Familie kuschte, weil Wohl und Wehen von ihr abhingen.

Doch ...

Luise von Schwan ist tot: die Matriarchin der Familie, die die Baumschule seit fünf Jahrzehnten mit eiserner Hand führte - und vor der die ganze Familie kuschte, weil Wohl und Wehen von ihr abhingen.

Doch beerdigen kann man sie nicht - es ist das Ende des Jahres 1978 und Norddeutschland ist von einem Schneesturm ohnegleichen heimgesucht worden - alle sind mehr oder weniger eingeschneit und kommen kaum aus dem Haus heraus. An das Öffnen und Schließen eines Grabes ist nicht zu denken.

Dafür öffnet sich anderes - lange zurückgehaltene Informationen treten auf und irgendwann auch eine Frau aus Frankreich, die behauptet, zur Familie zu gehören.

Es ist klar, dass hier einiges aufzuarbeiten ist. Im Mittelpunkt: Isa Wollin, Köchin auf dem Hof und seit Jahr und Tag Luises Vertraute. Wie laufen hier wohl die Fäden zusammen?

Ein spannender Roman, der nach dem Ersten Weltkrieg beginnt. Die Älteren werden mit vielen Erinnerungen konfrontiert, die Jüngeren erkennen, dass vieles eigentlich ganz anders war und ist. Eine recht ungewöhnliche Darstellung einer deutschen Familie im 20. Jahrhundert - leider hörte es an manchen Stellen genau dann auf, wo es erst spannend wurde. Oder bestimmte Informationen wurden erst ab der Mitte eingestreut, so dass man den Eindruck hatte, dass einiges - oft das Wesentliche - fehlte.

Insgesamt jedoch ein unterhaltsamer Roman - und für mich die Erinnerung an einen Winter, der auch im heimischen Rheinland ein (schnee)stürmischer war und mich zu meiner großen Freude tagelang am Schulbesuch hinderte!

Veröffentlicht am 13.10.2021

Was führte zur Tragödie?

Das Dorf und der Tod
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Drei Menschen werden umgebracht, der Mörder begeht Selbstmord - das alles trägt sich in einem idyllischen Bergdorf zu, wo man im Leben nicht ein solches Verbrechen verorten würde. Zumal es "in Echt" passiert ...

Drei Menschen werden umgebracht, der Mörder begeht Selbstmord - das alles trägt sich in einem idyllischen Bergdorf zu, wo man im Leben nicht ein solches Verbrechen verorten würde. Zumal es "in Echt" passiert ist und Autorin Christiane Tramitz den Geschehnissen, die sich über fast hundert Jahre hinweg entwickeln, auf ihre ganz eigene Art nachspürt.

Der Leser schliesst Bekanntschaft mit den Familien des Ortes, die am engsten ins Geschehen eingebunden sind und lernt, dass hier in vielerlei Hinsicht Kälte und Hass regiert.

Ein Kind wird viel zu früh gezeugt und der werdende Kindsvater ist gar bereit, das "gefallene Mädchen" zu heiraten. Aber deren Eltern gestatten es nicht und zwingen sie in eine Ehe mit einem viel älteren, natürlich ungeliebten Mann.

Auch sonst gehen Liebe und Hass seltsame Wege und es braut sich über viele Jahrzehnte hinweg etwas zusammen. Etwas, das zum Schluss hin offenbar nicht mehr zu vermeiden war.

Es ist schwere Kost: mir wollte einfach nicht in den Kopf, warum mit Absicht der schmerzlichste Weg für die junge Mutter gewählt wird, die nicht einmal ihren aus Liebe gezeugten Sohn bei sich aufwachsen lassen darf.

Ein kaltes Leben und zwar nicht nur für eine Person. Und zwar so dargestellt, dass es im Nachhinein tatsächlich nachzuempfinden ist. Wenn auch in meinem Fall mit großem Unverständnis in bezug darauf, was nahe Verwandte imstande sind, einander anzutun.

Veröffentlicht am 09.10.2021

Wunderbar schräg

Tote schweigen nie
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ist der Auftritt der Londoner Assistentin für Rechtsmedizin Cassie Raven. Aber nur optisch. Denn mit ihrem nicht mehr lebendigen Besuch geht sie überaus achtsam um, führt mit diesem sogar Zwiesprache.

Über ...

ist der Auftritt der Londoner Assistentin für Rechtsmedizin Cassie Raven. Aber nur optisch. Denn mit ihrem nicht mehr lebendigen Besuch geht sie überaus achtsam um, führt mit diesem sogar Zwiesprache.

Über jede Leiche, die ihr auf den Tisch kommt, macht sie sich ihre Gedanken und zwar derart empathische, die ihr so mancher angesichts ihrer mannigfaltigen Tattoos und der vielen Piercings gar nicht zutrauen würde.

Doch ist Cassie eine sanfte und zarte Seele, die bei ihrer Großmutter aufgewachsen ist, die noch immer einer der wichtigsten Menschen für sie ist. So trifft es sie mehr als hart, als eines Tages ihre ehemalige Lehrerin, die sie persönlich unter ihre Fittiche genommen hatte, sozusagen ihren Tisch kreuzt. Leider mausetot wie alle anderen Gäste - dabei war sie erst Anfang 50, hatte noch so viel vor - und Cassie hätte gern noch so viel Zeit mit ihr verbracht!

Was sie auch jetzt tut, denn ihr kommt so einiges an der ganzen Sache spanisch vor. Wie sie den tatsächlichen Ereignissen auf die Schliche kommt - das fasziniert, berührt und überzeugt zugeleich. Ein wunderbarer Krimi - Thriller würde ich ihn gar nicht unbedingt nennen - mit Pfiff, aber auch mit Anspruch.

Der Leser sollte sich auf Cassie wie auch auf die weiteren Figuren einlassen, sonst geht ihm so viel vom Geschehen durch die Lappen. Ein Krimi für aufmerksame Leser, die menschliche Wertschätzung im Krimi goutieren!

Veröffentlicht am 06.10.2021

Ein Fremder in der Stadt

Im letzten Licht des Herbstes
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und auch noch im Haus der lieben alten Mrs Orchard, die seit Wochen im Krankenhaus liegt. Die siebenjährige Clara ist sehr verwirrt, zumal auch ihre große Schwester Rose, von ihr sehr bewundert, vor kurzem ...

und auch noch im Haus der lieben alten Mrs Orchard, die seit Wochen im Krankenhaus liegt. Die siebenjährige Clara ist sehr verwirrt, zumal auch ihre große Schwester Rose, von ihr sehr bewundert, vor kurzem verschwand. Allerdings mit Vorankündigung, aber warum kommt dann keine Nachricht, wie sie es versprochen hatte? Und Rose hält alle ihre Versprechen, jedenfalls Clara gegenüber.

Aber was der Fremde im Haus von Mrs. Orchard, zu dem Clara doch noch den Schlüssel hat, um den Kater zu füttern, will - das ist ihr nicht klar. Bis sie eines Abends auf ihn trifft und schlimme Dinge erfährt.

Es gibt viel Unausgesprochenes, auch viele Altlasten in der kleinen Stadt Solace, doch ausgerechnet die Ankunft von Liam - das ist der Fremde - bringt sie ans Tageslicht. Und treibt so manchen Stadtbewohner dazu, etwas kundzutun - Informationen oder auch einfach nur seinen Senf.

Ein Roman aus drei Perspektiven: Claras, Mrs. Orchards und Liams. Zunächst weit voneinander entfernt, verdichten sie sich zu einer stringenten Handlung, die - was man irritierenderweise nur aus dem Klappentext erfährt - im Jahr 1972 stattfindet.

Ja, der Fremde in der Stadt bringt Bewegung - in seinem direkten Umfeld und auch darüber hinaus. Manches bleibt aus meiner Sicht ein wenig beiläufig, doch scheint dies der Stil der Autorin Mary Lawson, die ich durch diesen Roman erst kennenlernen durfte, zu sein.

Kein Western, trotz des Fremden in der Stadt. Trotz des Aufruhrs, den er auslöst - überraschende Aufeinandertreffen führen zu Rettung und zu Heilung. Ein Roman für Leser, die sich für Menschen, ihre Geschichte, Sorgen und Sehnsüchte interessieren.