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Veröffentlicht am 20.11.2022

Interessanter Ansatz ohne überzeugende Geschichte

Auf See
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Theresia Enzensberger entwirft in "Auf See" eine Zukunftsvision, von der man bis zum Schluss nicht genau weiß, wie dystopisch sie eigentlich ist. Deutschland (Europa? die Welt?) wurde von den Folgen des ...

Theresia Enzensberger entwirft in "Auf See" eine Zukunftsvision, von der man bis zum Schluss nicht genau weiß, wie dystopisch sie eigentlich ist. Deutschland (Europa? die Welt?) wurde von den Folgen des Klimawandels eingeholt, auch politisch und gesellschaftlich gab es negative Entwicklungen, die aber nur angedeutet werden und unscharf bleiben. Wenig überraschend, dass in diesen prekären Zeiten selbsternannte Heilsbringer, die neue Gesellschaftsformen propagieren, Zulauf gewinnen. Theresia Enzensberger stellt hier sowohl in Romanform fiktive, als auch in im gut lesbaren Sachbuchton verfassten Zwischenkapiteln reale Beispiele solcher utopischen Projekte (und deren Scheitern) vor. Das ist alles interessant und auch die Fokussierung auf den weiblichen Blickwinkel hat mir gefallen, aber ein Aha-Moment blieb aus. Manche Nebenfiguren tauchen auf und verschwinden wieder ohne dass ihre Geschichte auserzählt scheint. Die Geschichte insgesamt fließt ohne Überraschungen oder große Wendungen vor sich hin - das hatte ich anderes erwartet.
Die Unterteilung in sehr kurze Kapitel störte meinen Lesefluss, aber ansonsten sprachlich sehr gut lesbar.
Eine andere Dystopie mit interessanten Ansätzen, die mich aber nicht richtig überzeugen kann.

Veröffentlicht am 29.10.2022

Schwache Geschichte – packende Atmosphäre

Unsre verschwundenen Herzen
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Ich war überrascht, dass Celeste Ngs neuster Roman "Unsre verschwundenen Herzen" diesmal nicht in der US-amerikanischen jüngeren Vergangenheit spielt, sondern eine Dystopie ist. In den hier beschriebenen ...

Ich war überrascht, dass Celeste Ngs neuster Roman "Unsre verschwundenen Herzen" diesmal nicht in der US-amerikanischen jüngeren Vergangenheit spielt, sondern eine Dystopie ist. In den hier beschriebenen USA herrscht ein totalitäres System, das das Gesetz PACT erlassen hat, welches die Bevölkerung auf Patriotismus einschwört. Hieraus resultiert ein Klima der Angst und weithin akzeptierter Rassismus. Celeste Ng setzt hier bei bereits realen Tatsachen an: verbreiteter Rassismus, zu häufige Wegnahme von Kindern aus Familien, Zensur in Bibliotheken etc. PACT scheint dadurch also gar nicht so weit weg, wie man zunächst denken könnte.
Beschrieben werden diese dystopischen USA anhand des Jungen Bird und seiner Mutter Margaret, die beide asiatisch-stämmig sind und (nicht nur deshalb) in Außenseiterrollen gedrängt werden. Die Geschichte der beiden ist berührend, aber leider auch ohne richtigen Handlungsbogen. Die Vergangenheit der beiden wird nach und nach solide aufgearbeitet, die Geschichte in der Gegenwart ist aber schwach und irgendwie bleibt bei mir die Frage, was die Autorin mir mit der Geschichte der beiden eigentlich sagen möchte. So bleibt sie Mittel zum Zweck, was schade ist.
Eine große Rolle spielen auch Bibliotheken bzw. Bibliothekarinnen. Das Bild, das hier von Bibliothekarinnen gezeichnet wird, ist zwar liebevoll heroisch, aber leider auch klischeehaft und romantisiert, weswegen ich mit dieser Darstellung etwas hadere.
Das Leben in einem totalitären System fand ich packend beschrieben – die eigentliche Geschichte konnte da aber leider nicht mithalten.

Veröffentlicht am 05.08.2022

Klassiker?

Der Mann, der vom Himmel fiel
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Man merkt "Der Mann, der vom Himmel fiel" von Walter Tevis an, dass es keine Neuerscheinung des 21. Jahrhunderts ist, sondern erstmals bereits in den 1960'ern erschienen ist. Die beschriebene Welt, die ...

Man merkt "Der Mann, der vom Himmel fiel" von Walter Tevis an, dass es keine Neuerscheinung des 21. Jahrhunderts ist, sondern erstmals bereits in den 1960'ern erschienen ist. Die beschriebene Welt, die aus Sicht der 1960'er Jahren wahrscheinlich innovativ und utopisch war, wirkt für die heutige Leserschaft eher gewöhnlich bis nostalgisch.
Die Auflösung, was es mit Newton auf sich hat, gibt es gleich am Anfang - auch sonst kommt im Buch weniger Spannung auf, als man vielleicht erwarten könnte. Stattdessen werden die Hintergründe und der Charakter Newtons beleuchtet und die Lebensrealität auf der Erde, die irgendwo zwischen Dystopie und Utopie liegt, beschrieben.
Das Buch liest sich für mich wie klassische Science Fiction. Für Leser*innen, die eine spannende Lektüre erwarten, nicht zu empfehlen, sondern wohl eher für Fans von (klassischer) Science Fiction, die sich für neue Welten und deren Hintergründe interessieren.
Ich hätte mir etwas mehr Spannung erhofft und fand das Buch zudem ziemlich dialoglastig - mich hat es deswegen leider nicht ganz überzeugt.

Veröffentlicht am 29.05.2022

Potential nicht ausgeschöpft

Die sieben Männer der Evelyn Hugo
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"Die sieben Männer der Evelyn Hugo" startet wie der Titel vermuten lässt, mit der Beschreibung einer Schauspielerin im oberflächlichen Hollywood, wo Ehen oft schnell und aus Kalkül geschlossen werden - ...

"Die sieben Männer der Evelyn Hugo" startet wie der Titel vermuten lässt, mit der Beschreibung einer Schauspielerin im oberflächlichen Hollywood, wo Ehen oft schnell und aus Kalkül geschlossen werden - was dann auch Evelyn mehrfach macht. Als diese Geschichte dann irgendwann erwartbar etwas eintönig wird, nimmt sie den ersten Dreh (es folgen weitere) - Evelyn verliebt sich in eine Frau. Unerhört in der Mitte des 20. Jahrhunderts - nicht nur in Hollywood. Diese gleichgeschlechtliche große Liebe darf also nicht öffentlich werden und führt zu einem Versteckspiel - und noch mehr Ehen für Evelyn. Das wirkte auf mich oft schon tragikomisch und surreal.
So richtig berührt hat mich die Geschichte leider nicht. Es blieb alles sehr oberflächlich. Weder mit Evelyn noch mit ihrer Biografin Monique habe ich wirklich mitgefiebert, mitgelitten. Dabei hat die Geschichte durchaus großes Potential dafür - schade.

Veröffentlicht am 06.10.2021

Nicht richtig rund

DAFUQ
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Ein bisschen wie ich mir den Alltag im Gefängnis (oder Arrest) vorstelle: lang und oft öde. Das Buch zog sich vor allem in der ersten Hälfte ziemlich. Die Hauptfigur Anja nimmt erst spät Kontur an, die ...

Ein bisschen wie ich mir den Alltag im Gefängnis (oder Arrest) vorstelle: lang und oft öde. Das Buch zog sich vor allem in der ersten Hälfte ziemlich. Die Hauptfigur Anja nimmt erst spät Kontur an, die Nebenfiguren blieben für mich blass und schwierig zu unterscheiden. Die Handlung ist (wie zu erwarten) sehr übersichtlich – das meiste passiert tatsächlich in den Rückblicken auf das bisherige Leben von Anja, wohingegen der Alltag im Gefängnis (vermutlich realistisch) ereignisarm ist. Dieser Alltag im Arrest wird harmloser dargestellt, als ich ihn mir so vorgestellt habe. Wobei es in Russland ja sehr unterschiedliche Arten der Haft gibt, wovon der Arrest die mildeste ist.
Die Kombination von Gefängnisgeschichte und Coming of Age fand ich nicht richtig gelungen bzw. gut gegeneinander gewichtet. Für mich war das nicht rund, nicht stimmig.
Gegen Ende nahm die Erzählung dann noch einen Dreh, der das ganze etwas heraus riss.

Sprachlich monoton, unterbrochen von seltsamen Formulierungen – der Versuch, ein Sprachgefühl des Originaltexts zu übernehmen oder einfach ungelenk?

Insgesamt konnte mich das Buch leider nicht richtig überzeugen.