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Veröffentlicht am 16.02.2023

Austrian road story

Frankie
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Kein Road movie, aber eine road story, made in Austria.
Eine Geschichte über Erwachsene und Erwachsende, wobei letztere manchmal auch die erwachseneren sind.
Frank, Protagonist und Ich-Erzähler, einziges ...

Kein Road movie, aber eine road story, made in Austria.
Eine Geschichte über Erwachsene und Erwachsende, wobei letztere manchmal auch die erwachseneren sind.
Frank, Protagonist und Ich-Erzähler, einziges Kind der alleinerziehenden Mutter wird gerade 14, als sein Großvater nach einer 18jährigen Gefängnisstrafe aus der Haft entlassen wird.
Schon die erste Begegnung artet in eine Machtdemonstration des Älteren aus. Er besteht darauf, Frank „Frankie“ (mit „ä“) zu nennen, schickt die offensichtlich verängstigte, eingeschüchterte Mutter weg, zwingt Frank zu einem Schachspiel, ohne die Regeln zu erklären, und lässt auch sonst keine Gelegenheit aus, den Jungen zu demütigen. Als er sich einmal von Frank brüskiert fühlt, lässt er sich auch zu körperlicher Gewalt hinreißen, danach bricht für kurze Zeit der Kontakt ab.
Der heranwachsende Frank hat auch noch genügend andere Sorgen: die Mutter, von der er der Meinung ist, dass sie nur einander haben (und auch brauchen), scheint sich verliebt zu haben. Der Vater, seit Jahrzehnten ohne Interesse, taucht plötzlich nach Franks Geburtstag auf und will ihn sehen. Der Mitschüler, der keine Gelegenheit auslässt, ihn zu triezen, hat eine demütigende Begegnung mit Franks Großvater und lässt den Frust darüber ebenfalls an Frank – in Form körperlicher Gewalt – aus.
Da steht eines Nachts der Großvater plötzlich in Franks Zimmer. Und die Road story nimmt ihren Lauf. Frank will eigentlich nur ein Frühstück. Und erlebt eine Nacht und einen Tag zwischen Autobahnraststätten, der sein Leben für immer zeichnet. Und in der er sich zu Aktionen gezwungen sieht, die ein 14jährigen nicht mal denken sollte.
Ein bisschen erinnert die Situation an Wolfgang Ambros‘ „Gezeichnet fia dei Leben“. Sehr österreichisch, sehr eigen. Ein ehemaliger Strizzi, der den Untergang seiner Spezies nicht wahrhaben will. Und ein 14jähriger, der tun muss, was er nicht tun soll.
Die Sprache ist virtuos, die Geschichte verstörend. Köhlmeier beweist mit diesem Buch, das er auch mit 73 Jahren überzeugend aus der Sicht eines 14jährigen schreiben kann.

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Veröffentlicht am 09.02.2023

Ein offengelegtes Geheimnis

Das glückliche Geheimnis
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Schonungslos und frappierend offen präsentiert und Arno Geiger in diesem autobiografischen Werk eine Antriebsader seines Schreibstils – die 25 Jahre andauernde Runden, bei denen er Altpapiercontainer in ...

Schonungslos und frappierend offen präsentiert und Arno Geiger in diesem autobiografischen Werk eine Antriebsader seines Schreibstils – die 25 Jahre andauernde Runden, bei denen er Altpapiercontainer in Wien und Umgebung auf verwertbares durchstöberte.
Seine „Runden“, die er frühmorgens am Montag drehte, galten ihm in den Anfangszeiten, als Geiger noch ein unbekannter Name in der Literaturszene war, als durchaus willkommene Einnahmensquelle. Doch die Funde, vor allem Tagebücher und Briefwechsel, die er aus den Müllcontainern zog, eröffneten Geiger auch eine andere Sichtweise, eine direktere, persönlichere Sprache und gaben dem „Empathiemonster“ Geiger auch Einblicke in zahllose fremde Leben.
Das Buch fließt Runde um Runde locker in der Geiger eigenen Sprache dahin, der Leser erfährt Details zu Geigers früheren Werken, zu deren Entstehung, deren Ideenfindung, und verfolgt den Autor von der Unbekanntheit zum Licht der heutigen Person Arno Geiger. Erstaunlich offen und verletzlich präsentiert sich Geiger in diesem Werk, in dem er sein Leben detailreich schildert, von Liebesbekanntschaften, der Geschichte der Liebe seines Lebens, K., bis über die Pflege seines zunehmend dement werdenden Vaters und seiner Mutter. Erschreckend ehrlich muten die Einzelheiten an, wenn er anführt, wie seine Mutter, eine frühere Lehrerin, nach einem Schlaganfall mit den Worten kämpft, die in seiner Familie, in Geigers Welt, doch eine so große Rolle spielen.
Während Geiger immer wieder betont, dass die Tagebücher und Briefe ihm unbekannter Menschen einfach nur wertvolle Rohstoffe für sein Werk bedeuten, er in diesem Sinne aber ja keine intimen Geheimnisse offenbaren kann, da er den Menschen hinter den Zeilen ihre Anonymität bewahrt, beschreibt er Personen aus seiner nächsten Umgebung unglaublich detailliert, mit allen Ängsten, Schwächen und Problemen. Hier habe ich als Leser mich zum Teil beschämt gefühlt, auch bei den Schilderungen, wann Geiger mit wem wie häufig Sex hatte. Auf diese Episoden der Geschichte, die mir den Status eines Voyeurs gaben, hätte ich verzichten können.
Spannend hingegen empfand ich die Veränderungen der Umwelt und des Alltags über die Jahre, die Geiger auch aus Sicht des Altpapierdurchstöberers dokumentiert. Weniger Bastelmüll, mehr Versandkartone. Weniger Liebesromane, mehr Krimis und Thriller. Keine Urlaubspostkarten mehr, keine Tagebücher. Plakate von Klimademos, auf die Rückseite eines Kartons für einen Benzinrasenmäher aufgebracht. Der Wandel in Broschüren von Möbelhäusern, in denen keine Bücher mehr in den leeren Regalen zu sehen sind.
Diese Veränderungen geben auch einen Einblick in den Wandel der Gesellschaft, in das Wertesystem, das wir uns vorgeben. Die Lektüre wird aufgelockert durch zahlreiche Zitate, kleine Lebensweisheiten, Denkanstöße, Fundstücke aus dem Altpapier.
Das Buch hat mich nicht nur durch die Parallelen zwischen dem Leben Arno Geigers und meiner eigenen Geschichte tief berührt, und ich habe zwei der Bücher von Geiger, die noch nicht in meinem Regal standen, während der Lektüre bestellt.

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Veröffentlicht am 24.11.2022

Alte Liebe rostet nicht

Herzschuss
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Da ist mächtig was los auf der Polizeidienststelle Mistelbach.
Beim Skifahren an seinem freien Tag bekommt Kommissar Wallner von einem Unbekannten Koordinaten übermittelt. Die Neugierde treibt ihn zum ...

Da ist mächtig was los auf der Polizeidienststelle Mistelbach.
Beim Skifahren an seinem freien Tag bekommt Kommissar Wallner von einem Unbekannten Koordinaten übermittelt. Die Neugierde treibt ihn zum Zielpunkt, wo er ein prominentes Mordopfer – den Abgeordneten Philipp Gansel – auffindet. Und nicht nur das. Auch den Kollegen Kreuthner, der mit seinen unkonventionellen Methoden nicht nur Freunde bei der Polizei hat, trifft Wallner am Tatort.
Wallner ermittelt unter Hochdruck, v.a. die neue Chefin der Polizeidienststelle Karla Tiedemann, die sich ein Wichtigkeitsgemetzel mit dem Staatsanwalt liefert, erwartet prompte Ergebnisse.
Leider deuten alle Fäden auf Kreuthner als Mörder hin – wobei der Leser schon sehr viel früher als die Polizei erfährt, dass Kreuthner mit seinen Freunden dem späteren Opfer zwar einen Denkzettel verpassen wollte (was ziemlich daneben ging), aber ein tatsächliches Motiv, weshalb Kreuthner jetzt und an dieser Stelle den Mann seiner Jugendliebe ermorden sollte und wieso er dann auch noch Wallner auf die Leiche ansetzt, lässt sich nicht erkennen. Auch wenn wir nach und nach erfahren, dass eine ergaunerte Einladung zum Geburtstag des Abgeordneten Kreuthner wieder in die Nähe seiner Jugendliebe führte und ihn auf die Idee mit der Abreibung brachte. Doch gleich Mord? Und wenn Mord, wieso nicht im Rahmen dieser Bestrafungsaktion?
Die sehr früh ausgelegte Spur auf eine aus dem Rahmen gelaufene Drogenpartie, wo der Abgeordnete noch ein unwichtiger Hansl in der zweiten Reihe war, verläuft allerdings trotz Kreuthners Bestrebungen, den Mörder auf eigene Faust zu finden, im Sand, wobei aufgrund der Bemühungen wenigstens für dieses alte ungesühnte Verbrechen noch eine Bestrafung erfolgt. Und auch der tatsächliche Mörder wird schlussendlich überführt – wobei mir die Aufklärung des Verbrechens etwas zufällig erschien.
Der Charakter des Polizisten Kreuthner hat mich erst ein bisschen verärgert. Ein korrupter Polizist, der sich sein Gehalt durch Schwarzbrennerei und kleine Gaunereien ausbessert, als Jugendlicher durch Autodiebstahl geglänzt hat und speziell mit den Freunden aus der Waldschenke absolut keine Vorbildfunktion hat – naja. Er hat aber auch ein weiches Herz und seine guten Momente, v.a. wenn er mit Opa Manfred zu tun hat. Und das macht ihn wieder sympathisch und lässt ihn manchmal auch einfach wie einen großen Lausbuben, der nicht erwachsen werden möchte, erscheinen. Dass Kreuthner offenbar auch kriminelles Blut in den Adern hat, erfahren wir erst sehr viel später – wo er sich auf seiner Flucht plötzlich sehr viel geschickter anstellt als in den meisten Situationen zuvor.
Wallner hingegen, der auf sein privates Glück verzichtete, um Opa Manfred nicht zu verlassen, erscheint von Anfang an ehrlich. Kein Kerl, mit dem man Pferde stehlen möchte, aber äußerst korrekt, manchmal vielleicht zu korrekt. Daher hat es mich sehr verwundert, dass er sich zu Karla Tiedemann hingezogen fühlt, denn die Lady mit ihrem Geltungsbewusstsein und dem Drang zur Veröffentlichung von Ermittlungsinterna erscheint mir höchst suspekt. Und auch ihr privates Scherflein, dass sie zu tragen hat, machte mir die Dame nicht unbedingt sympathischer.
Alles in allem jedoch eine höchst unterhaltsame Lektüre mit viel Lokalkolorit und Charme, v.a. wenn man nur wenige Kilometer vom Ort des Geschehens wohnt und die Wege der Protagonisten recht gut nachvollziehen kann.

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Veröffentlicht am 04.11.2021

Frit your meal

Ran an die Fritteuse – Draußen frittieren
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Su Vössing ist vielen vielleicht aus „Kochduell“ bekannt. Mit „Ran an die Fritteuse“ beweist sie Kreativität und möchte so manches Vorurteil gegenüber dem Einsatz von Fritteusen entkräften. Dem üblicherweise ...

Su Vössing ist vielen vielleicht aus „Kochduell“ bekannt. Mit „Ran an die Fritteuse“ beweist sie Kreativität und möchte so manches Vorurteil gegenüber dem Einsatz von Fritteusen entkräften. Dem üblicherweise gleich als erstes gegen die Fritteuse in der eigenen Küche ins Feld geführte Vorwurf, dass das Fett unangenehm riecht, begegnet sie mit dem Vorschlag, doch im Freien – neben dem Grill – auch die Fritteuse zu installieren und gibt auch gleich nützliche Tipps am Anfang des Buches über den richtigen Aufstellort für den ganzjährigen Einsatz.
Zu den Rezepten: Die Rezepte sind in einige Gruppen gegliedert (Fritten, Vegetarisch, Fleisch, Fisch / Meeresfrüchte und Süßes aus der Fritteuse). Das Buch ist übersichtlich, jede Speisenzubereitung ist gut und ausführlich erklärt (so werden beispielsweise die benötigten Zeiten in Zubereitungszeiten, Marinierzeiten und Frittierzeiten getrennt) und die Bilder von Su Vössings Mann, die die Speisen höchst appetitanregend, in schönen Farbkombinationen darstellen, lassen einem einfach das Wasser im Mund zusammenlaufen.
So gibt es wunderbare Calamari fritti mit Safranrouille, Rosenküchle mit Kirschkompott, oder Hähnchen mit BBQ-Sauce. Oder auch Wan Tans mit Ricottafüllung, ein scharfes Tomatendip zu knusprigen Zwiebelringen oder kleine Backfischchens mit Curry-Dip.
Überhaupt die Saucen: Eigentlich geht es in diesem Buch weniger um das Frittierte selbst als um die wunderbaren Begleiter, die ich, mangels der Möglichkeit, aktuell mit der Fritteuse ins Freie zu übersiedeln, für die Rezension öfter ausgetestet habe als die Rezepte für das Frittierte selbst.
Die Dips, Dressings und Saucen sind auch am Ende des Buches nochmals zusammengefasst auf 4 Seiten aufgelistet, was einen schönen Überblick gibt. Auch das Inhaltsverzeichnis, getrennt in ein alphabetisches Rezeptregister und ein zusätzliches Zutatenregister, rundet den Eindruck, dass hier jemand weiß, wie man ein Kochbuch ansprechend und praktisch gestaltet, ab.
Ich hatte jedenfalls sehr viel Spaß beim Nachkochen und es schmeckte bisher allen Probanden. Ich bin sicher, dass Buch wird noch oft zum Einsatz kommen!

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Veröffentlicht am 12.10.2021

Hohes Tempo, rasante Twists

Tod im Hohen Venn
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Was als harmloser Einkaufsausflug des Lütticher Kripochefs Piet Donker nach Weybach, einer belgischen Kleinstadt, beginnt, entwickelt sich in rasendem Tempo als eine verzwickte Entführung mit Mordabsicht. ...

Was als harmloser Einkaufsausflug des Lütticher Kripochefs Piet Donker nach Weybach, einer belgischen Kleinstadt, beginnt, entwickelt sich in rasendem Tempo als eine verzwickte Entführung mit Mordabsicht. Eine ganze Familie ist verschwunden, das Auto wird ausgebrannt aufgefunden, und es mehren sich die Zeichen, dass das aktuelle Verbrechen mit einem nie aufgeklärten Unfall mit Todesfolge, bei dem das Kind eines Polizeibeamten getötet wurde, zusammenhängen könnte. Piet Donker läuft sprichwörtlich die Zeit davon, nicht nur bei der Suche nach den Entführungsopfern, da man befürchten muss, dass diesen bald die Atemluft ausgehen könnte, sondern auch die Zeit, die er eigentlich an diesem Wochenende für seine Tochter Liv und seine Lebensgefährtin Sina reserviert hatte. Und immer, wenn er meint, den Täter bereits gefasst zu haben und die Entführungsopfer retten zu können, macht eine dramatische Wendung die Hoffnungen zunichte. Doch es wäre nicht Piet Donker, wenn er nicht zum Schluss nicht nur diesen, sondern auch noch zwei 27 Jahre zurückliegende Verbrechen aufdecken würde.

Ein sympathischer Ermittler, der im Gewissenkonflikt zwischen der Verantwortung für die vermutlichen Opfer und seinem Privatleben hin- und hergerissen wird. Eine gewaltig-beeindruckende Landschaft, die in der Erzählung manchmal zu kurz kommt. Sehr bildlich und detailliert dargestellte Protagonisten, die Schuld auf sich geladen haben. Und ein Rachefeldzug, der auf Lügen gründet und sehr viel Unschuldigen viel Leid zufügt.

Meine erste, aber sicherlich nicht letzte Ermittlung mit dem empathischen Belgier.

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