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Veröffentlicht am 15.11.2021

Denken Sie daran, dass Sie den Hausrat bitte einzeln fotografieren

Es war doch nur Regen!?
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Die Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 brachte Tod und Verwüstung über das Ahrtal. Der Autor Andy Neumann schreibt in dem Buch EswardochnurRegen, aus der Sicht eines „Opfers“. Ja, er bezeichnet sich ...


Die Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 brachte Tod und Verwüstung über das Ahrtal. Der Autor Andy Neumann schreibt in dem Buch

EswardochnurRegen, aus der Sicht eines „Opfers“. Ja, er bezeichnet sich und seine Nachbarn als „Opfer“. Wer die Fotos sah, die nur noch Schlamm und Verheerung zeigen, kann verstehen, warum er diese Bezeichnung für alle Betroffenen wählte.

Meine Kindheit und Jugend verbrachte ich in Remagen. Damals war es noch normal, dass Samstags ein Familienausflug anstand. Ja, und dieser führte regelmäßig ins Ahrtal. Meine Eltern und ich wanderten an der Ahr entlang oder kletterten zu den höchsten Punkten der Weinberge. Die Sicht war beeindruckend und sogar als Kind empfand ich Ehrfurcht vor der Schönheit der Natur. Von Heimersheim aus hoch zur Landskrone, das war für uns ein Muss an Pfingsten. Nirgendwo gab es so köstliche Laugenbrezeln, wie hier. Diese Flut, die über das Ahrtal und auch weitere Gebiete der Eifel hereinbrach, machte mich also auch persönlich betroffen. Zumal es in meinem Wohnort ebenfalls Überflutungen mit großen Schäden an Haus und Hof gab.

Ich begann also mit dem Lesen des Buches

EswardochnurRegen und konnte mich nicht losreißen. So anschaulich schildert Andy seine persönlichen Erfahrungen. Er beschreibt die Nacht der Überflutung, seine Angst und dann diese erlösende Nachricht, dass der Pegel der Ahr sinkt. Ja, ich träumte davon und wachte schweißgebadet auf, die Beschreibung der Emotionen vor Ort konnten also nicht besser sein. Herr Neumann schaut am nächsten Tag aus dem Fenster und es kann wohl niemand ermessen, wie niederschmetternd der Anblick war.

Kein Thriller und kein Historischer Roman konnte mich im Lesejahr 2021 so fesseln, wie
„Es war doch nur Regen“. Das Geschehen aus persönlichem Erleben zu schildern, das ist ein literarisches Kunstwerk. Einige Sätze gefielen mir so gut, dass ich sie hier wörtlich zitiere:
„Wir Menschen sind so viel stärker, als dieses Volk, das sich tagaus, tagein über Nichtigkeiten auseinandersetzt, weil es richtige Probleme gar nicht mehr kennt.“ Besonders gut gefielen mir diese Wörter und/oder Sätze: „FCKAFD, Beistand für die Antifa oder Helfer, die aus drölfzigtausend Menschen jeglicher Nationalität“ stammten. Andy ist ein Mensch nach meinem Geschmack. Er schreibt in der Ich-Form und das so, dass jeder Leser an seinem und dem Elend der Nachbarn teilnehmen kann.

Aber Achtung, bitte keine kleinkarierten Mäkeleien. Das Schreiben und die Herausgabe des Buches entstand ganz spontan. Andy verzichtet komplett auf sein Honorar und der Gmeiner Verlag möchte nichts an diesem Werk verdienen. Das zeugt von großem sozialem Engagement und einem Autor, der in wenigen Tagen ein sensationelles Buch schrieb.

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Veröffentlicht am 15.11.2021

Über den Umgang mit Minderheiten im Dritten Reich

Franz
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Der Name Franz Doms steht für viele Opfer des Nationalsozialismus, die in Vergessenheit gerieten. Sie waren „widernatürlich“ veranlagt und hatten laut Gesetzeslage von damals ihr Recht auf Leben verwirkt. ...

Der Name Franz Doms steht für viele Opfer des Nationalsozialismus, die in Vergessenheit gerieten. Sie waren „widernatürlich“ veranlagt und hatten laut Gesetzeslage von damals ihr Recht auf Leben verwirkt. Er starb im Jahr 1941 und das mit 21 Jahren. Ihn zeichnete aus, dass er niemals andere „Schwule“ verriet, um seine eigene Haut zu retten. Er gehörte nicht nur Spezies der Denunzianten.

Wer von „Franz“ nette Unterhaltung erwartet, der wird schnell enttäuscht sein. Der Autor Jürgen Pettinger recherchierte sehr genau, was damals gesagt und getan wurde. Er zeigt die Leidensgeschichte von Franz und seiner Familie auf. Wie er zum ersten Mal seine Neigung akzeptierte. Was seine Schwester und seine Mutter dazu sagten und wann er zum ersten Mal der Polizei in die Hände fiel. Immer wieder gibt es Abschriften der Verhörprotokolle zu lesen und auch an den Aussagen vor Gericht lässt der Autor seine Leser teilhaben.

Es ist nicht neu, wie Minderheiten im „Dritten Reich“ drangsaliert wurden. Das aber so genau nachlesen zu können, das hat mir zugesetzt. Weil es halt keine erfundene und unmögliche Geschichte ist, sondern ein Tatsachenbericht. Und es ist ja nicht so, dass Homosexualität heute in allen Ländern der Erde toleriert wird. Wie viele Männer und Frauen müssen sich verstecken und leben ständig in Angst. Und auch heute gilt vielerorts die Meinung der Nachbarn noch etwas. Will sagen, dass selbst aktuell die ganze Familie unter dem „Makel“ der Homosexualität zu leiden hat. Die Menschheit wird sich wohl nie ändern.

Am Schluss des Buches gibt der Autor Quellenangaben und Verweise zu Papieren, die er in dem Buch zitierte. Daran kann jeder erkennen, welche Arbeit hinter Herrn Pettinger liegt. Alle Originaldokumente zu finden und diese dann zu einem Buch zusammenzufügen, das finde ich beachtenswert.

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Veröffentlicht am 25.10.2021

Reiche Manager vergiften Menschen in Afrika

Wie schön wir waren
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Kosawa, so heißt das Dorf in Afrika, welches im Buch „Wie schön wir waren“ die „Hauptrolle“ spielt. Hier lebten die Menschen einträchtig zusammen und hatten eine ruhige Gemeinschaft. Bis ein Unternehmer ...

Kosawa, so heißt das Dorf in Afrika, welches im Buch „Wie schön wir waren“ die „Hauptrolle“ spielt. Hier lebten die Menschen einträchtig zusammen und hatten eine ruhige Gemeinschaft. Bis ein Unternehmer aus dem reichen Amerika, dieser Ruhe ein Ende setzte. Menschen, die das Land rund um Kosawa für ihre eigenen Zwecke missbrauchten, brachten Leid und Elend über das Dorf. Der Boden ist so verseucht, dass nichts mehr darauf wächst. Kinder erkranken und sterben bald, da das Trinkwasser verseucht ist. Niemand hilft den Menschen, die Regierung hat nur ihren eigenen Vorteil im Sinn.

„Wie schön wir waren“ ist wie ein Weckruf an alle, die über Geflüchtete urteilen. Dabei ist es doch vornehmlich der Westen, der ihnen das Leben vor Ort unmöglich macht. Geschrieben ist das Buch aus der Sicht von jungen Leuten, die für ihr Dorf kämpfen wollen. Gegen die Ausbeuter in Gestalt des Unternehmens Pexton. Das ist schwierig, da zuvor etliche Männer verschwanden, die sich gegen das Imperium stellten. Problematisch ist auch, dass ein Mann des Dorfes auf die Versprechungen Pextons reinfällt und sich von denen bestechen lässt.

Kein Buch, das im Vorbeigehen gelesen werden kann. Der Stil ist außergewöhnlich aber nicht schlecht. Halt anders als jener, den europäische Autoren bevorzugen. Bildhaft, aber auch brutal, so lässt er sich skizzenhaft zusammenfassen. Das Thema berührt und mich hat es nachdenklich gemacht. Warum beutet der reiche Westen die armen Landstriche Afrikas derart aus? Und nicht nur das. Wollen die ausgenutzten Menschen nach Europa fliehen, dann werden sie an den Grenzen abgewiesen. Ein sehr wichtiges Buch aus der Sicht eines Betroffenen geschrieben.

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Veröffentlicht am 23.10.2021

Ein großartiges Portrait über die Weltmeere

Das unendliche Meer – Die große Weltgeschichte der Ozeane
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Seit tausenden von Jahren diente das Meer der Völkerverständigung und dem Handel. Zudem hat es einen ganz entscheidenden Anteil an der Menschheitsgeschichte und kann als Grundlage der kontinuierlichen ...

Seit tausenden von Jahren diente das Meer der Völkerverständigung und dem Handel. Zudem hat es einen ganz entscheidenden Anteil an der Menschheitsgeschichte und kann als Grundlage der kontinuierlichen Globalisierung angesehen werden. In dem Buch
„Das unendliche Meer - Die große Weltgeschichte der Ozeane“ spannt der Autor David Abulafia einen Bogen vom Einst bis zum Jetzt. Bereits in der Antike fuhren Menschen über die Meere und trieben Handel mit fernen Kontinenten. Und heute? Schauen wir uns die riesigen Containerschiffe an. Unglaublich, was die so transportieren. Und wenn sie ausfallen? Dann gibt es Stau und Engpässe beim Nachschub.

Der Autor nahm mich mit auf eine Zeit- und Weltreise. Zu jedem Meer und seinen Küsten gibt es eine eigene Geschichte. Wann gab es hier die ersten Siedler? Welche Schwierigkeiten hatten sie und wovon ernährten sie sich? Aus welchem Grund starben so viele indigene Völker aus? Spannend war für mich zu erfahren, wie die Seefahrer ohne Technik navigierten. Ihnen gelang es mit der Beobachtung von Wolken, Wellen, Wind und Seevögeln, dass sie an ihr Ziel kamen. Sie schauten und hörten auf die Sprache der Natur.

Wussten Sie, dass es bereits vor Tausenden Jahren eine Währung auf den Kalifornischen Kanalinseln gab? Es waren durchbohrte Muscheln. Die Inflation wurde schlicht aufgehalten, indem ein Teil der Muscheln vernichtet wurde. Und auch von den ersten Kapitalisten berichtet der Autor. Das waren sumerische Kaufleute. Dazu gibt es genaue Aufzeichnungen aus dem 3. Jahrtausend vor Christi.

Zuweilen ist das Buch ein wenig trocken. Aber als ich mich an den Stil des Autors gewöhnte und zwischendurch immer mal wieder Lesepausen einlegte, konnte ich gut folgen. Ja, nicht nur Menschen, die das Meer mögen, werden auch an diesem Buch Gefallen finden. Es ist sowohl für den Erdkunde- als auch den Geschichtsinteressierten eine Quelle vieler Fakten und Einsichten. Und die Aufmachung des Covers sowie die sehr schönen Fotos im Innenteil, machen es zu einem hochwertigen Juwel. Im Anhang gibt es Tipps für Museen, die sich mit den Weltmeeren befassen. Es werden danach auch Bücher vorgestellt, die der vertiefenden Lektüre dienen. Ein Register zu den Fachausdrücken und Namen bekannter Persönlichkeiten beschließen das Buch. Aber es ist noch nicht beendet. Es gibt jetzt noch beeindruckende Abbildungen und Fotos mit Erläuterungen zu den hier gezeigten Motiven.

Auch die beiden Übersetzer müssen erwähnt werden. Sowohl Laura Su Bischoff als auch Michael Bischoff haben hervorragend gearbeitet.

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Veröffentlicht am 22.10.2021

Warum sich niemand über graue Haare ärgern sollte

Was bleibt, wenn wir sterben
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Die Autorin Louise Brown litt nach dem Tod ihrer Eltern sehr. Sie hinterfragte ihr bisheriges Leben und kam zu dem Schluss, dass etwas fehlte. Wollte sie in dem Hamsterrad bleiben? Fühlte sie sich in ihrem ...

Die Autorin Louise Brown litt nach dem Tod ihrer Eltern sehr. Sie hinterfragte ihr bisheriges Leben und kam zu dem Schluss, dass etwas fehlte. Wollte sie in dem Hamsterrad bleiben? Fühlte sie sich in ihrem Berufsleben rundherum zufrieden. Rasch erkannte sie, dass beide Fragen mit nein beantwortet werden mussten. Nach einigen unruhigen Tagen und vielen Überlegungen entschloss sie sich, dass sie beruflich einen Neuanfang gehen will.

Was bleibt, wenn wir sterben beginnt mit dem Werdegang der Autorin zum außergewöhnlichen Beruf der Trauerrednerin. Wie sie zur Berufswahl kam und wie sich ihre Einstellung zum Leben dadurch änderte. Sie schreibt, welche Gedanken sie bei der Formulierung einer Trauerrede bewegen. Sie sollte nicht nur aus dem Lebenslauf des Verstorbenen bestehen. Viel mehr sind es die kleinen Dinge, welche einen Menschen tatsächlich ausmachen. Denn, Trauer besteht nicht zwangsläufig nur aus Traurigkeit. Dieser lapidare Spruch: „Herzliche Teilnahme“ klingt doch viel besser, wenn gesagt wird: „I am sorry for your less“. Also: „Ich bedaure deinen Verlust.“ Und noch ein Gedanke, der mir ausgesprochen gut gefiel: Als gesunder Mensch sollte sich niemand über ein einzelnes graues Haar aufregen. Ist es nicht viel aufbauender, froh zu sein, dass man das Ergrauen der Haare überhaupt erlebt?

Bei Büchern über Tod und Trauerbewältigung bin ich stets sehr skeptisch. Aber dieses Werk hat mich vollkommen überzeugt. Es werden keine klugen Reden niedergeschrieben und Floskeln wiederholt. Luise Brown spricht aus ihren Erfahrungen und das so, dass ich diese auch wirklich nachvollziehen konnte. Zudem zitierte sie etliche Sätze aus ihren Reden, die mir ebenfalls sehr gut gefielen. Zum Schluss gibt es noch einen Zitatnachweis und ein Interview mit Frau Brown. Ja, es ist ein lesenswertes und gar nicht trauriges Buch. Volle Empfehlung dafür.

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