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Veröffentlicht am 27.02.2022

Faszinierender Kriminalroman

Die Aosawa-Morde
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Eines Sommers veranstaltet die Familie Aosawa eine rauschende Geburtstagsfeier, doch das Freudenfest verwandelt sich in eine Tragödie, als siebzehn Menschen durch vergiftete Getränke sterben. Fast die ...

Eines Sommers veranstaltet die Familie Aosawa eine rauschende Geburtstagsfeier, doch das Freudenfest verwandelt sich in eine Tragödie, als siebzehn Menschen durch vergiftete Getränke sterben. Fast die gesamte Familie ist ausgelöscht und auch einige Außenstehende haben den Tod gefunden – überlebt hat nur Hisako, die blinde Tochter des Hauses. Ein Schuldiger ist schnell in dem zurückgezogen lebenden jungen Mann gefunden, der die Getränke geliefert hat, und durch seinen Selbstmord wenige Tage später scheint er das zu bestätigen.

„Die Aosawa-Morde“ erschien im Original bereits im Jahr 2005 und ist ein wirklich außergewöhnlicher Kriminalroman. Erzählt wird dieser aus den unterschiedlichsten Perspektiven, zum Beispiel aus der einer jungen Frau, die als Kind eine Nachbarin der Aosawas war und aus den Morden einen Roman gestrickt hat. Aber auch der damals ermittelnde Polizist oder ehemalige Hausangestellte kommen zu Wort. Dabei passt sich auch die Sprache in jedem Kapitel entsprechend der erzählenden Person an. Vor allem der Einstieg fällt dabei nicht ganz leicht, da die Autorin in geradezu epischer Breite das Wetter und den Aufbau von Städten schildert, anstatt direkt in die Handlung einzusteigen.

Der Fokus des Romans liegt sicherlich auf der Figur der Hisako Aosawa und schnell wird angedeutet, dass das blinde Mädchen für die Auslöschung seiner Familie verantwortlich sein könnte. Und obwohl die einzelnen Perspektiven sich nach und nach wie ein Mosaik zusammensetzen, so bleiben wir doch lange Zeit völlig im Dunkeln, weil einfach zu viele Fragen unbeantwortet bleiben: Warum hat die Autorin in ihrem Roman über die Morde immer wieder scheinbare Kleinigkeiten verändert? Was bedeutet die geheimnisvolle Botschaft, die auf dem Tisch zurückgelassen wurde? Und wie hätte Hisako all das allein bewerkstelligen sollen?

Fazit: Ein absolut faszinierender Kriminalroman, der durch seine besondere Erzählweise überzeugt, die Leser*innen am Ende aber auch etwas unbefriedigt zurücklässt. Von Riku Onda möchte ich nun aber unbedingt mehr lesen!

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Veröffentlicht am 16.01.2022

Gelungene Gesellschaftskritik

Inmitten der Nacht
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Amanda und Clay haben mit ihren Kindern Rose und Archie ein abgelegenes Ferienhaus in Log Island gemietet, um dort einen ruhigen Urlaub zu verbringen. Doch auf einmal stehen Ruth und G.H. vor der Tür, ...

Amanda und Clay haben mit ihren Kindern Rose und Archie ein abgelegenes Ferienhaus in Log Island gemietet, um dort einen ruhigen Urlaub zu verbringen. Doch auf einmal stehen Ruth und G.H. vor der Tür, die Hausbesitzer. Sie bitten um Unterschlupf und berichten Unglaubliches: In New York gab es einen Blackout, das Leben an der ganzen Ostküste ist lahmgelegt und aus Angst flohen die beiden in ihr Feriendomizil. Was ist in New York geschehen? Und können Amanda und Clay dem fremden Ehepaar wirklich vertrauen?

Die Handlung von „Inmitten der Nacht“ wird von einem allwissenden Erzähler geschildert, der immer wieder zwischen den einzelnen Charakteren hin- und herspringt und somit einen Einblick in die Psyche und Gedankenwelt jedes einzelnen von ihnen bietet. Das ist besonders interessant, weil so deutlich wird, mit welchen Vorurteilen sich die Erwachsenen gegenübertreten, während sich die beiden Teenager Rose und Archie nur wenig am nächtlichen Auftauchen ihrer Vermieter zu stören scheinen.

Das Aufeinandertreffen der Familie mit dem Ehepaar ist umso brisanter, da die beiden Schwarz sind. Vor allem Amanda hat sofort Vorbehalte, fühlt sich bedroht und findet es noch dazu überhaupt nicht plausibel, dass „solche Leute“ genug Geld besitzen sollen, sich ein luxuriöses Ferienhaus zu leisten. Es reinigen? Ja, das macht in ihren Augen mehr Sinn. Umgekehrt hat jedoch auch Ruth jede Menge Vorbehalten gegen die reichen Weißen, ihren Lebensstil und ihre Erziehung. Definitiv ein interessanter Blick auf und Kommentar über die US-amerikanische Gesellschaft. Der Roman fand sich übrigens auf Barack Obamas Liste der besten Bücher 2021 wieder – was umso amüsanter ist, wenn man die Seitenbemerkungen zu seiner Präsidentschaft im Text kennt.

„Inmitten der Nacht“ lies sich von Beginn an schwer einschätzen. Es begann wie ein Psychothriller, dann kamen immer mehr dystopische Elemente dazu (Stromausfall, keine Verbindung zur Außenwelt, Explosionen) bis alles schließlich beinahe in magischen Realismus überging (riesige Gruppen von Rehen und Flamingos im Garten, ausfallende Zähne). Das Ende bleibt dabei leider völlig offen.

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Veröffentlicht am 31.10.2021

Ratgeber mit interessantem Ansatz

Gesund leben mit Zimmerpflanzen
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Um es gleich vorwegzunehmen: „Gesund Leben mit Zimmerpflanzen“ ist kein klassisches Nachschlagewerk, sondern verfolgt einen ganz anderen Ansatz. In insgesamt fünf Kapitel legt die Autorin Dr. Katie Cooper ...

Um es gleich vorwegzunehmen: „Gesund Leben mit Zimmerpflanzen“ ist kein klassisches Nachschlagewerk, sondern verfolgt einen ganz anderen Ansatz. In insgesamt fünf Kapitel legt die Autorin Dr. Katie Cooper den Fokus auf den Menschen und darauf, welchen Einfluss Pflanzen auf unser Wohlbefinden haben. Dabei gelingt ihr eine klare Struktur und eine gute Balance zwischen längeren Textpassagen, erklärenden Diagrammen und den wirklich gelungenen Fotos von Kim Lightbody.

Kapitel eins beschreibt zunächst, wie wichtig die Natur als Lebensader für den Menschen ist. So betont zum Beispiel die fernöstliche Philosophie, dass wir Teil der Natur sind und Probleme, so Copper, entstehen vielfach aus unserer Abkopplung von ihr und führen zur „Volkskrankheit“ Stress. In Kapitel zwei untermauert die Autorin ihre Thesen dann mit Forschungsergebnissen zum Thema Pflanzen und Gesundheit. So ist beispielsweise wissenschaftlich erwiesen, dass sich schon ein kurzer Aufenthalt in der Natur positiv auswirkt. Wir schlafen besser, sind immuner gegen Krankheiten und fühlen uns glücklicher, zudem sind wir weniger gestresst, ängstlich und depressiv. Dabei ist es übrigens egal, ob wir draußen campen, nur einen kurzen Spaziergang machen oder im Garten arbeiten.

Kapitel drei erklärt, warum wir so positiv auf Pflanzen reagieren. Unser Unterbewusstsein assoziiert Natur mit Schutz, Niederschlag und somit einer guten Nahrungsquelle – zudem helfen uns ihre fraktalen Muster bei der Entspannung. In Kapitel vier zeigt Cooper einen therapeutischen Ansatz zur Beschäftigung mit Pflanzen, der auch eine Meditationsübung enthält. Das Buch schließt mit Kapitel fünf, welches Zimmerpflanzen in den drei Kategorien Atmung (Pflanzen reinigen die Luft und erhöhen die Feuchtigkeit), Erholung und Stimmung vorstellt. Neben einem kurzen Steckbrief wird hier nicht nur erklärt, wie die Pflanze zu pflegen ist, sondern auch wie der Mensch von ihr profitiert.

Ein interessanter Ratgeber mit einem guten Ansatz – einige der vorgeschlagenen Pflanzen sind jedoch nicht unbedingt für Anfänger geeignet, womit Frust vorprogrammiert sein dürfte.

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Veröffentlicht am 17.10.2021

Die Reise zur Bücherinsel

Von Büchern und Inseln
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In einer nahezu unberührten Seenlandschaft in Ojibwe Country liegt sie, die legendäre Bücherinsel mit einer Bibliothek aus mehr als 11.000 Bänden. Gemeinsam mit ihrer kleinen Tochter macht sich die Schriftstellerin ...

In einer nahezu unberührten Seenlandschaft in Ojibwe Country liegt sie, die legendäre Bücherinsel mit einer Bibliothek aus mehr als 11.000 Bänden. Gemeinsam mit ihrer kleinen Tochter macht sich die Schriftstellerin Louise Erdrich auf, um diesen magischen Ort zu besuchen und dort den Medizinmann Tobasonakwut zu treffen, den Vater ihres Kindes. Auf dieser Reise erreicht sie nicht nur die gesuchte Insel, sondern entdeckt auch die spirituelle Heimat ihrer Vorfahren auf ganz neue Weise.

Nach „Der Nachtwächter“ ist „Von Büchern und Inseln“ für mich das zweite Buch aus der Feder von Louise Erdrich. Während es sich bei ersterem um einen Roman handelt, der lose auf der Familiengeschichte basiert, handelt es sich bei diesem nun um einen autobiografischen Text, der Anfang der 2000er Jahre spielt. In emotionaler Manier, mit sehr ehrlichen und klaren Worten erzählt Erdrich dabei in der Ich-Forum und im Präsens von ihrem Leben als Mutter, der Liebe zu ihren Töchtern, der Beziehung zu Tobasonakwut, aber vor allem ihrem Verhältnis zur Sprache und Kultur ihrer Ojibwe-Vorfahren.

Die Autorin berichtet mitreißend von Gaben an die Geister, von pflanzlichen Heilmitteln und beeindruckenden Felsbildern, von langen Kanufahrten über den See, bei denen sie ständig Angst hat, ihre kleine Tochter aus dem Wasser fischen zu müssen und schließlich von dem geradezu unmöglichen Unterfangen, sich mit dem herumreisenden Tobasonakwut irgendwo zu einem festen Zeitpunkt zu verabreden. Besonders im Fokus stehen außerdem das Verhältnis zur Natur, die Geschichte der Ojibwe und das langsame Aussterben der Stammessprache Ojibwemowin.

Das alles ist unheimlich interessant, ich muss jedoch zugeben, dass ich mir aufgrund des Titels einen anderen Schwerpunkt des Buches vorgestellt und erhofft hatte, nämlich denjenigen der Liebe zur Literatur. Erst in der zweiten Hälfte des Textes wird das überhaupt zum Thema, wenn die Autorin von ihren liebsten Büchern, dem Ojibwe-Dichter Al Hunter, dem Besuch auf der Bücherinsel und schließlich ihrem eigenen Buchladen „Birchbark Books“ erzählt. Hiervon hätte ich gerne noch viel mehr gelesen.

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Veröffentlicht am 11.10.2021

Eine zerrissene Familie

Wo auch immer ihr seid
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Kiều ist 30 und in Deutschland geboren. Sie selbst hat irgendwann begonnen, sich Kim zu nennen, denn wenn sie ehrlich zu sich ist, weiß sie gar nicht, wie ihr Name eigentlich ausgesprochen wird. Dann erreicht ...

Kiều ist 30 und in Deutschland geboren. Sie selbst hat irgendwann begonnen, sich Kim zu nennen, denn wenn sie ehrlich zu sich ist, weiß sie gar nicht, wie ihr Name eigentlich ausgesprochen wird. Dann erreicht die Familie die Nachricht vom Tod der Großmutter, die in die USA ausgewandert ist. Gemeinsam mit ihren Eltern macht Kiều sich zur Testamentseröffnung nach Kalifornien und in ein ganz anderes Lebensgefühl auf. Dort muss sie sich nicht nur mit ihrer Familiengeschichte befassen, sondern auch Entscheidungen für sich und ihre weitere Zukunft treffen.

In ihrem Debütroman erzählt die Autorin Khuê Phạm die Geschichte einer vietnamesischen Familie über mehrere Jahrzehnte hinweg. Die Protagonistin und Ich-Erzählerin ist Kiều, ihr Handlungsstrang liegt in der Gegenwart, während Bruchstücke aus der Vergangenheit ihres Vaters Minh und ihres Onkels Sơn in der Er-Form und dem Präteritum eingefügt sind. Während Minh Vietnam schon 1968 zum Medizinstudium verließ und vom Grauen des Vietnamkriegs weitestgehend verschont blieb, hat Sơn ein deutlich schwereres Los, bis ihm die Flucht in die USA gelingt – das sorgt für einen lebenslangen Konflikt zwischen den Brüdern und in der gesamten Familie.

Khuê Phạm gelingt ein emotionales Porträt einer zerrissenen Familie und eines Lebens zwischen zwei Kulturen. Als sie abreist, ist Kiều ziemlich deutsch. Bisher führte sie nur Beziehungen zu deutschen Männern und Vietnamesisch beherrscht sie kaum. Diese Haltung verändert sich, als sie (ausgerechnet) in den USA zum ersten Mal eine vietnamesische Gemeinschaft erlebt und ihre Familienmitglieder besser kennenlernt. Deren historischer Hintergrund ist bedrückend und erschütternd, dürfte aber für diese Generation nicht untypisch sein.

Neben der gefühlsbetonten Familiengeschichte spielen auch Themen wie Politik, Migration, Heimat und Sprache eine Rolle. Mein einziger Kritikpunkt liegt in der Kürze des Romans, die – meiner Meinung nach – nicht ausreicht, um Kiềus Entwicklung glaubwürdig darzustellen. Ihre Entscheidungen am Ende des Buches wirken übereilt und sind schwerlich mit den Ereignissen auf den Seiten zusammenzubringen. Schade!

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