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Veröffentlicht am 03.10.2017

Ein spanisches Geschichtsabenteuer

Der Gefangene des Himmels
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Es ist das Jahr 1957 mitten im Winter. Ein bisher unbekannter Mann betritt eine Buchhandlung von Fermín und Daniel Sempere mitten in Barcelona. Daniel ist alleine in dem Augenblick als der Unbekannte sich ...

Es ist das Jahr 1957 mitten im Winter. Ein bisher unbekannter Mann betritt eine Buchhandlung von Fermín und Daniel Sempere mitten in Barcelona. Daniel ist alleine in dem Augenblick als der Unbekannte sich in der Buchhandlung umsieht, und dabei auf eine Vitrine stößt, in der der Roman "Der Graf von Monte Christo". Es ist nicht irgendein ein Buch, sondern ein Sammlerstück. Kurz darauf kauft der Kunde das Buch, allerdings möchte er das Buch geliefert bekommen. Als Daniel ihn daraufhin fragt, wohin das Buch geliefert werden soll, meint dieser nur, dass ein Hinweis im Buch steht. Fraglos lässt der Unbekannte Daniel zurück. Später versucht Daniel herauszufinden, wer dieser Unbekannte ist. Das Buch wird zum Mittelpunkt in die Vergangenheit. Ein Krieg, Kriegsgefangenschaft und das Überleben bringen Menschen an ihre Grenzen. Fermín bleibt am Ende nichts anderes übrig, als Daniel die wahre Geschichte hinter dem Buch und den Friedhof der vergessenen Bücher zu erzählen.
In die Geschichte der Protagonisten abzutauchen braucht der Autor Carlos Ruiz Zafón einen Rahmen aus historischen Elementen, eine düstere und liebevolle Atmosphäre sowie Figuren, die zwar Brutalität erleben, aber eine solche Art von Brutalität, die nicht abschrecken. Man erlebt beim Lesen eine Balance von Nähe und Distanz zu den Figuren und Schauplätzen. In der Zeit der 1940er Jahre in der Geschichte möchte man nicht gelebt haben, dennoch gehen die Protagonisten bestärkt aus den Ereignissen heraus, was man ebenso beim Lesen mitnimmt. Eine Achterbahnfahrt von Höhen und Tiefen sowie guten und bösen Menschen. Das Motto des Romans kann man benennen als Leben und Überleben, manchmal mit einem hohen Preis, bei dem auch Opfer fallen. So schlimm manche Szenen erzählt werden, erwartet einen ein positiver Effekt in naher Zukunft; sozusagen eine Belohnung für das Opfern gegen das Böse beim Lesen.
Dem Autor gelingt es anhand des Erzählstils zum Teil eine melancholische und traurig-düstere Stimmung zu schaffen, sondern im Gegenteil, man liest gefesselt und erwartungsvoll von Seite zu Seite weiter. Es stellt keine erdrückende Geschichte dar, sondern eine Balance von den Gegensätzen. Eine Komplexität von historischer Vergangenheit, Gegenwart, wahren Begebenheit, ausgeklügelte Figuren und ein Gegenstand – das Buch – bilden eine rundum unterhaltsame und erlebnisreiche Geschichte.
Dieser Roman ist zwar Teil eines Zyklus, aber dennoch kann man diesen Roman unabhängig der anderen Bücher in diesem Zyklus lesen. Da meine Erkenntnisse über die spanische Geschichte gering sind, konnte ich mich trotzdem in der Romangeschichte gut zurechtfinden. Ein lesenswerter Roman, der anfangs ein wenig verwirrend erscheint, aber dennoch in eine fantastische Welt von Überlebenskampf und Stärke taucht. Dieser Roman wird nicht der letzte von dem Autor sein, den ich gelesen habe.

Veröffentlicht am 16.11.2021

Roman mit Poesie, aber auch Realitätsgewalt

Grace – Vom Preisträger des Booker Prize 2023 ("Prophet Song")
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Irland steckt im Jahre 1845 und die Folgejahre in einer großen Krise von Hunger und Not. Keine Ernten, keine Arbeit und keine Lebensmittel bringen die Menschen an ihre Existenzgrenzen. In dieser Zeit lebt ...

Irland steckt im Jahre 1845 und die Folgejahre in einer großen Krise von Hunger und Not. Keine Ernten, keine Arbeit und keine Lebensmittel bringen die Menschen an ihre Existenzgrenzen. In dieser Zeit lebt das junge Mädchen Grace mit ihren Eltern und Geschwistern. Aufgrund der großen Familie, die ernährt werden will, fasst die gerade einmal 14jährige Grace den Entschluss, sich auf eine Reise zu begeben, um Lebensmittel und Geld zu verdienen. Ihre Reise wird zu einer Odyssee. Sie begegnet Menschen, die ihr helfen, einmal mehr, auch mal weniger. Aber sie muss auch Gewalt und Tod auf ihrer Reise erleben. Ob sie es am Ende schafft, mit Geld und Gütern nach Hause zu kommen, wird zu einer großen Kraftanstrengung und Herausforderung für Grace, die mitten aus ihrer Kindheit gerissen wird.
Paul Lynch erzählt eine Geschichte über eine Zeit, die einen an Krieg oder Dürre in einem warmen Land auf der Südhalbkugel erinnern. Wenn Menschen nicht mehr weiter wissen, um zu überleben. Welche Last diese Menschen auf sich zu nehmen, um zumindest eine Kante Brot am Tag essen zu können. Lynch setzt diese Zeit um 1845 in eine Szene, die grau, bitterlich und traurig ist. Menschen sterben und üben Gewalt aus. Die Protagonistin Grace begibt sich auf diese Odyssee, um ihrer Familie zu helfen. Sie findet halt, indem sie in Zwiesprache mit ihrem Bruder Colly ist. Colly ist in ihrem Kopf, um diese Reise zu ertragen. Eigentlich ist Grace zu jung, um sich zwischen Männern zu behaupten. Lynch stellt Grace einerseits als starkes Mädchen mit ihrer Willenskraft und Mut dar, aber andererseits ist sie naiv dar, was der Zeit geschuldet ist, wenn man in kinderreichen und ärmlichen Familienverhältnissen aufwächst. Aufklärung über Geschlecht und das Leben finden nicht statt. Mit einer poesiehaften Sprache erzählt der Autor teilweise in bildgewaltigen Szenen eine Zeit aus Hunger, Tod und Gewalt, die man selbst nie erleben möchte. Er spart nicht mit Beschreibungen, die diese Zeit so real darstellt, als wenn man selbst mitten drin stehen würde.
In die Sprache des Autors musste ich anfangs erst einmal hinein kommen. Sie war nicht in meiner sonstigen Sprache, die ich sonst im Sprachton und Rhythmus lese. Dieser Roman nimmt einen mit, und lässt nicht los, obwohl er manchmal in die Länge gezogen ist meiner Meinung nach. Manch ein Moment ist nüchterner und starker Tobak, weil sie so bildgewaltig sind. Nach so einem Roman braucht man erst einmal eine Lesepause, um diesen zu verdauen.

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Veröffentlicht am 27.04.2020

Wenn man die Kindheit verliert

Marta schläft
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Nadja kam als gebürtige Polin nach Deutschland, und verlor schnell ihre Kindheit, weil sie in jungen Jahren wegen einer Straftat verurteilt wurde. Heute viele Jahre später arbeitet sie in einer Kanzlei. ...

Nadja kam als gebürtige Polin nach Deutschland, und verlor schnell ihre Kindheit, weil sie in jungen Jahren wegen einer Straftat verurteilt wurde. Heute viele Jahre später arbeitet sie in einer Kanzlei. Parallel wird die Geschichte ihrer Freundin Laura erzählt, die ein unzufriedenes Hausfrauenleben führt. Als die Freundin Laura von Nadja Hilfe benötigt, wird Nadja schnell vorverurteilt, und ihre Vergangenheit bereitet ihr psychische Probleme. Nach und nach erfährt man, warum Nadja bisher ein schwieriges Leben geführt hat, für das sie zweimal büßen musste.
Die Autorin Romy Hausmann hiermit ihren zweiten Thriller nach „Liebes Kind“ über eine junge Frau, deren Kindheit anders verlief als bei anderen Kindern. Romy Hausmann konstruierte drei Erzählstränge, indem über die Hauptprotagonistin Nadja, ihren Nebenfiguren Laura und Gero und deren Beziehung sowie über mehrere Briefausschnitten erzählt wird. Anfangs verwirren die unterschiedlichen Erzählungen, die sich erst am Ende zusammenfügen und verständlich werden. Eine Geschichte mit Briefausschnitten an sich finde ich als Methode gut, aber in diesem Thriller fehlte mir durch diese Briefe eine aufbauende Spannung. Nadja als Verurteilte und Mörderin stellte die Autorin in das angemessene Licht der Aufmerksamkeit. Die Affären, die eher kleine Nebenschauplätze darstellen, fand ich unpassend. Eine Liebesgeschichte mit der Hauptprotagonistin Nadja im Mittelpunkt hätte ich besser gefunden. Dadurch, dass die Erzählstränge am Anfang verwirren und durch die Erzählperspektiven durcheinanderwirbeln, fehlte mir ausreichend Spannung und der rote Faden im Laufe der Geschichte. Der Unterhaltungswert ist deshalb aus meiner Sicht gesunken.
Im Rahmen einer Leseaktion von jellybooks und dem dtv Verlag durfte ich diesen Thriller lesen. Somit möchte ich mich bei beiden Institutionen bedanken, dass ich diesen Thriller lesen durfte.

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Veröffentlicht am 26.03.2020

Verwirrspiel zwischen Opfer- und Täterfiguren

LITTLE LIES – Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht
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Leah verschwindet aus Boston in ein kleines Dorf. Dort lebt sie mit Emmy - eine Freundin aus Bostoner Zeiten - in einem Haus am Wald. Leah arbeitete in der Vergangenheit als Journalistin, aber in dem kleinen ...

Leah verschwindet aus Boston in ein kleines Dorf. Dort lebt sie mit Emmy - eine Freundin aus Bostoner Zeiten - in einem Haus am Wald. Leah arbeitete in der Vergangenheit als Journalistin, aber in dem kleinen Dorf beginnt sie ein Leben als Lehrerin. Eines Tages verschwindet Emmy plötzlich. Tagelang ist sie weg. Leah weiß nicht, wo sie ist. Ein Bewohner und Kollege von Leah aus dem Dorf belästigt Leah. Er steht unter Verdacht, weil er gelegentlich Frauen nachstellt. Im gleichen Zeitraum als Leah Emmy als vermisst meldet, wird eine andere Frau schwer misshandelt gefunden. Sie liegt tagelang im Koma. Leah steht vor einem Rätsel. Wo ist Emmy, und wer hat die andere Frau umgebracht? Leah versucht selbst herauszufinden, wer Emmy und die andere Frau ist. Leah muss feststellen, dass die andere Frau ihr zum Verwechseln ähnlich sieht.
Hiermit schrieb die Autorin Megan Miranda nach dem Thriller „Tick tack – wie lange kannst du lügen“ ihren zweiten Thriller. Durch die Besetzung der Figuren stehen Frauen im Mittelpunkt, unter anderem Leah und Emmy. Freundinnen, die zusammen leben, aber sich nicht so gut gehen, wie Leah feststellen muss. Emmy arbeitet nachts, Leah am Tage in der Schule. Beide Frauen gehen sich aus dem weg sozusagen. Deshalb kann Leah sich auch nicht erklären, wo Emmy sein könnte. Dann findet man eine misshandelte Frau, die niemand kennt. Außer dass diese Frau Leah ähnlich sieht, gibt es weder Gemeinsamkeiten zu Emmy noch zu Leah. Im Dorf arbeitet ein Kollege von Leah an der gleichen Schule. Aufgrund der telefonischen Belästigungen gerät dieser Kollege unter Verdacht, die unbekannte Frau misshandelt zu haben, und eventuell mit dem Verschwinden von Emmy etwas zu tun zu haben. Anfangs der Geschichte dreht sich viel um Leah, Emmy und den Alltag in dem Dorf. Ein Ermittler der Polizei nimmt zu Leah Kontakt auf, um Emmys Verschwinden zu lösen. Die Erzählung wirkt teilweise etwas zäh meiner Meinung, weil ich mir etwas mehr Tempo gewünscht hatte. Erst ab dem letzten Drittel wird die Geschichte spannend, weil man dann mehr aus dem Leben von Leah und Emmy erfährt. Der Polizeiermittler wahrt nicht die Distanz zu Leah, was unprofessionell ist. Ich denke, dass die Autorin eine kleine Liebesgeschichte mit einbauen wollte, aber zwischen diesen beiden Figuren finde ich sie unpassend. Ansonsten ist der Schreibstil angenehm zu lesen.
Der Autorin gelingt es, ein Verwirrspiel zwischen Opfer und Täter zu schaffen, so dass man auf eine falsche Fährte geführt wird. Man ist am Ende verblüfft, was das Lesetempo im Nachhinein wieder wettmacht.

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Veröffentlicht am 20.10.2019

Todesstrafe als schlimmstes Übel

Mercy Seat
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In den 1940er Jahren im amerikanischen Bundesstaat Louisiana steht die Todesstrafe im Bundesgesetz. Der junge Afroamerikaner Will Jones soll angeblich ein weißes Mädchen vergewaltigt haben. Zumindest behaupten ...

In den 1940er Jahren im amerikanischen Bundesstaat Louisiana steht die Todesstrafe im Bundesgesetz. Der junge Afroamerikaner Will Jones soll angeblich ein weißes Mädchen vergewaltigt haben. Zumindest behaupten das die weißen Bewohner in St. Martinwille. Afroamerikaner gelten als Bürger zweiter Klasse und werden diskriminiert. Will und das Mädchen wissen selbst, was passiert ist. Aber niemand glaubt ihnen. Einwohner und die Justiz sprechen sich für die Todesstrafe aus. Will muss zunächst im Gefängnis verharren bis zu jener Nacht, in der er auf dem elektrischen Stuhl sitzt.
Elizabeth H. Winthrop erzählt von den weißen und schwarzen Bewohnern in einer amerikanischen Kleinstadt als noch die sogenannte Rassentrennung stattfand. Die Autorin lässt Haupt- und Nebenfiguren aus deren Perspektive erzählen. Will selbst, seine Eltern, die Angehörigen der Justiz sowie Einwohner der Stadt. Als Leserin weiß man, dass die Wahrheit anders ist, aber die Leserschaft erlebt anhand aller Figuren, welchen Hass, Trauer und Emotionen zwischen allen Beteiligten vollzogen werden. Da viele Figuren in einem relativ kurzen Roman mit Namen versehen sind, kommt man am Anfang und zwischendurch durcheinander, welche Person in einem bestimmten Zusammenhang wie Familie oder Justiz stehen. Will stellt das Opfer dar, obwohl er als Täter im Mittelpunkt steht. Er lässt den juristischen Prozess über sich ergehen im Einklang seiner Familie und dem örtlichen Priester. Eine starke Figur, die realitätsnah einen Prozess des Moments der Todesstrafe erfahren lässt.
Der Kurzroman ist stark anhand der Figuren, des Erzählstranges und der Erzählperspektiven. Mich haben aber die zu vielen Figuren am Anfang sehr verwirrt und im Laufe des Lesens ebenfalls. Außerdem habe ich vermisst, dass das angeblich vergewaltigte Mädchen zu wenig im Roman vorkam.