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Veröffentlicht am 11.01.2023

Es lebe die Gaunerkomödie

Die Unverbesserlichen – Der große Coup des Monsieur Lipaire (Die Unverbesserlichen 1)
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An der Côte d’Azur im beschaulichen Port Grimaud versteht sich Monsieur Lipaires auf le tout farniente. Kleine Gaunereien, die er mithilfe des jungen Wassertaxifahrers Karim Petitbon durchführt, sichern ...

An der Côte d’Azur im beschaulichen Port Grimaud versteht sich Monsieur Lipaires auf le tout farniente. Kleine Gaunereien, die er mithilfe des jungen Wassertaxifahrers Karim Petitbon durchführt, sichern ihm seinen Alltag als Lebemann. Zufällig finden die beiden einen Hinweis auf einen Schatz, den sie natürlich aufspüren wollen. Doch in Port Grimaud gibt es überall Augen und Ohren, die sich ihren Anteil sichern wollen. So findet ein chaotisches, aber charmantes Team zusammen, das von einer Katastrophe in die nächste stolpert.

Das Autorenteam Volker Klüpfel und Michael Kobr wendet den Alpen den Rücken zu und startet eine neue Krimireihe in Südfrankreich. In der Gaunerkomödie weht ein Hauch Nostalgie durch die Handlung. Ich hatte Figuren wie Inspektor Clouseau oder den Schauspieler Louis de Funès beim Hören im Kopf. Die Protagonisten sind dann auch alle herrlich skurril, schräg und überzeichnet. Dass man sich diese Figuren so gut vorstellen kann, liegt vor allem an dem humorvollen Sprachklang des Sprechers Axel Prahl. Jede Figur bekommt eine eigene Stimmfarbe. Besonders die quiekende Stimme des Ex-Fremdenlegionärs Paul Querot und der wienerisch versnobte Dialekt der 84-jährigen Lizzy haben mir sehr gefallen.

Die Schönen und Reichen an der Côte d’Azur bekommen hier ihr Fett weg. Die einheimischen Anwohner scheinen alle eine eigene Art entwickelt zu haben, mit den dekadenten Zugezogenen zu leben. Der eine nutzt die Gärten, die er betreut, gleichzeitig als Cannabisplantage, der andere vermietet Ferienhäuser, ohne die Besitzer davon zu informieren. Die Handyladenbesitzerin nimmt es mit dem Datenschutz nicht so genau und Ticketverkäufer bieten Fahrkarten für Fähren an, die es gar nicht gibt. Alles mit einem zwinkernden Auge erzählt und durch durchweg sympathische Charaktere so humorvoll erzählt, dass man sich die Szenerie an diesem herrlichen Küstenort bildlich vorstellen kann.

Der Einstieg ist lustig und Monsieur Lipaires alias Wilhelm Liebherr besticht durch Charme und Bauernschläue. Es gibt in jedem Kapitel etwas zum Schmunzeln, denn dieser bunt zusammengewürfelte Ganoven-Haufen kommt auf die aberwitzigsten Ideen, um das Rätsel des Schatzes zu lüften.
Als Gegenspieler dieses Teams kommt die Adelsfamilie Vicomte ins Spiel. Dem Klischee entsprechend besteht die Familie aus einem alten Herrn, einer überengagierten Geschäftsfrau, einer verwöhnten Tochter, einem Lebemann und Trinker und einem abtrünnigen Sohn, die gemeinsam einen geheimnisvollen Monsieur Barral erwarten. Dieser ist eine Schlüsselfigur, der immer wieder in den unmöglichsten Momenten sehr speziell auftritt.

Ein wenig verliert sich die Handlung und man ist sich nicht sicher, ob es sich noch um einen Krimi mit einem Toten oder doch eher um eine Komödie rund um einen Schatz handelt. Es gibt eine Verfolgungsjagd, die filmreif jedem Bond-Film das Wasser reichen kann und weniger erfolgreiche Manöver, die etwas zäh und langatmig erzählt werden.

Bei meiner Bewertung bin ich deshalb auch ein wenig hin- und hergerissen. Gaunerkomödien sind schon fast ausgestorben und verdienen es, erhalten zu bleiben. Doch einige Szenen konnten mich so gar nicht abholen. Dass es mir dennoch gefallen hat, liegt auch an der tollen Leistung des Hörbuchsprechers.

Als Krimireihe kann ich mir das Team "Der Unverbesserlichen" nur schwer vorstellen, lasse mich aber gern vom Gegenteil überzeugen.

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Veröffentlicht am 23.11.2021

Eine starke Frau in schweren Zeiten

Sturmvögel
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Emmys Welt besteht aus einer kleinen Insel in der Nordsee. Hier wächst sie in einfachen Verhältnissen, aber mit liebevollen Eltern auf, bis Krankheit und Krieg ihr die Eltern rauben. In den 20er-Jahren ...



Emmys Welt besteht aus einer kleinen Insel in der Nordsee. Hier wächst sie in einfachen Verhältnissen, aber mit liebevollen Eltern auf, bis Krankheit und Krieg ihr die Eltern rauben. In den 20er-Jahren kommt sie als junges Mädchen nach Berlin, um als Dienstmagd zu arbeiten. Im Alter von 86 Jahren blickt Emmy zurück und denkt an die schwere Zeit während des Zweiten Weltkrieges, an Ehepflicht und heimliche Liebe. Aber auch daran, dass ihre Tage gezählt sind und sie ihr Erbe weitergeben möchte. Allerdings anders als ihre Kinder sich es heimlich erhofft haben.

Manuela Golz hat sich von ihrer Oma zu diesem Familienroman inspirieren lassen. Auf verschiedenen Zeitebenen der Vergangenheit und Gegenwart wird Emmys Geschichte erzählt. Trotz all der Schicksalsschläge, die schon die kleine Emmy erleiden muss, findet sie immer einen Weg, um nach vorne zu schauen. Als alte 86-jährige Frau ist sie immer noch aufgeräumt, vorausschauend und liebevoll, aber durchaus mit Ecken und Kanten, die besonders ihrer ältesten Tochter zu schaffen machen.

Der Schreibstil ist kurzweilig und unterhaltsam, bleibt dadurch aber auch zu sehr an der Oberfläche. Viele Szenen werden zu schnell wieder verlassen. Immer wenn es etwas in die Tiefe ging, sprang die Handlung an einen anderen Ort. Emmys Liebe zu einem Sohn aus reichem Haus ist solange reizvoll, bis sie schwanger wird. Hier hätte ich gern mehr über die Gefühle der Protagonistin gelesen. Besonders die schweren Jahre während des Krieges, in dem Emmy mit drei kleinen Kindern ums Überleben kämpft, gehen einem nahe. Man meint die Nähe der Autorin zur Romanfigur zu spüren.

Die Gegenwart der alten Dame ist vorwiegend durch Handlungen ihrer erwachsenen Kinder geprägt. Hilde und Otto sind darauf erpicht zu erfahren, was ihre Mutter ihnen als Erbe vermachen wird. Diese unverhohlene Gier nach Geld und der Neid auf die aufgenommene Ziehtochter Anni der jüngsten Schwester waren für mich nur schwer nachvollziehbar und wirkten zu sehr am Reißbrett entworfen. Die Treffen der Geschwister, deren Dialoge und die anschließende Auflösung des ominösen Kellerfundes haben mich wenig in ihren Bann gezogen.

Für mich ist die Mischung aus Vergangenheits- und Gegenwartsroman nicht aufgegangen. Die wundervoll schwunghafte und lebensfrohe Emmy hätte ich gern vertieft kennengelernt. So blieb sie am Ende doch ein wenig blass und nicht lange in Erinnerung.

Für Lesefreunde leichter Kost ist dieser Familienroman aber sicherlich eine gelungene Herbstlektüre.

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Veröffentlicht am 09.06.2021

Kurzweilig und unbeschwert

Laudatio auf eine kaukasische Kuh
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In Bonn fühlt sich Olga, eine georgische Migrantin, sicher vor ihrer Familie und ihren Wurzeln. Sie hat ein festes Ziel vor Augen, Karriere als Ärztin machen und einen Mann mit kurzem Namen finden. Ihr ...

In Bonn fühlt sich Olga, eine georgische Migrantin, sicher vor ihrer Familie und ihren Wurzeln. Sie hat ein festes Ziel vor Augen, Karriere als Ärztin machen und einen Mann mit kurzem Namen finden. Ihr Kollege Felix scheint in ihren Plan hineinzupassen, auch wenn er bisher niemanden aus ihrer Familie kennengelernt hat. Der aufdringlich hartnäckige Jack will dagegen gar nicht zu Olga passen, auch wenn er regelmäßig für Schmetterlingsgefühle in ihr sorgt. Erst in Georgien findet Olga überraschend ihren eigenen Weg.

Angelika Jodl hat bereits mit ihrem Roman "Die Grammatik der Rennpferde" die Verbindung zwischen verschiedenen Kulturen beschrieben. In ihrem aktuellen Roman widmet sie sich in leicht und flüssigem Schreibstil der 26-jährigen Olga, die am liebsten ihre georgisch-griechischen Wurzeln vergessen würde. Ihre Familie ist ihr peinlich, zu laut, zu aufdringlich, zu anders. Viel sicherer fühlt sie sich im routinierten Umgang mit Freund Felix. Weder Familie noch Freund haben sich bisher kennengelernt und nach Olgas Bauchgefühl ist dies wohl auch besser so.

Olgas Alltag wird gründlich durchgewirbelt, als Jack Jennerwein ihr zufällig begegnet und von ihr hingerissen ist. Ohne das Olga etwas ahnt, nimmt er Kontakt zu ihrer Familie in München auf, die ihn begeistert als neuen Bekannten aufnimmt. Unvoreingenommen und begeistert lässt sich Jack von der temperamentvollen Art mitreißen. Als Olga zusammen mit ihrer Familie nach Georgien reist, findet Jack einen Weg, ihnen dorthin zu folgen. Eine klassische Verwicklungsgeschichte nimmt ihren Lauf.

Ich bin mit einer gewissen Erwartung an den Roman herangetreten, da mich der vorherige Roman der Autorin sehr angesprochen hat. Leider bin ich enttäuscht worden. Ich habe das Sprachspiel und den Wortwitz der Autorin vermisst. Sowohl die Protagonistin Olga wie auch die Handlung an sich haben mich nicht voll und ganz überzeugt. Die Zerrissenheit einer jungen Frau, die in Deutschland ein festes Ziel vor Augen, ihren Weg geht und der Tochter einer georgischen Großfamilie mit klaren Vorstellungen von Ehe und Familie wurde klamaukig und oberflächlich beschrieben. Ich konnte Olga nicht abnehmen, dass sie sich eher treiben und bevormunden lässt als zu handeln. Das laute und aufdringliche Auftreten ihrer Familie wirkt an einigen Stellen sehr überzogen, klischeehaft und unglaubwürdig. Besonders eine Szene mit einem pubertierenden Verwandten, der sich ziemlich daneben benimmt, hat mich innerlich den Kopf schütteln lassen.

Etwas mehr Ruhe und eine nachvollziehbarere Handlung hätte der Story gutgetan. Besonders die Szenen in Georgien lesen sich wie aneinandergereihte Erlebnisse und nicht wie eine zusammenhängende Geschichte.
So bleibt es ein unterhaltsamer, leichter Roman für zwischendurch.

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Veröffentlicht am 07.04.2021

Schräger Roadtrip über die Alpen

Als wir uns die Welt versprachen
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Mit ihren knapp 90 Jahren soll die Südtirolerin Edna bald ins Heim ziehen. Bevor es dazu kommt, entdeckt sie in einer Illustrierten einen Bericht über ihren Kinderfreund Jacob, den sie jahrzehntelang nicht ...

Mit ihren knapp 90 Jahren soll die Südtirolerin Edna bald ins Heim ziehen. Bevor es dazu kommt, entdeckt sie in einer Illustrierten einen Bericht über ihren Kinderfreund Jacob, den sie jahrzehntelang nicht mehr gesehen hat. Spontan beschließt die alte Dame ihre einst als Kind angetretene Fußreise von Deutschland nach Südtirol auf umgekehrten Weg erneut zu gehen, um eine alte Schuld zu begleichen. Zusammen mit Papagei Emil beginnt eine abenteuerliche Reise mit Hindernissen, erstaunlichen Begegnungen und vielen schmerzhaften Erinnerungen an die Zeit als Schwabenkind in einem fremden Land.

Der Klappentext hatte mein Interesse geweckt. Die unglaublich tieftraurige und bewegende Geschichte der Schwabenkinder wird viel zu selten thematisiert. Kleinkinder wurden ihren Familien entrissen und mussten auf schwäbischen Landgütern praktisch als Sklaven harte Arbeit verrichten. Genau dieses Thema greift Romina Casagrande mit der Geschichte der Südtirolerin Edna auf.

Die Haupthandlung widmet sich aber mehr der 260 km langen Reise der alten Dame von Südtirol nach Ravensburg. Auch wenn man im hohen Alter noch sehr rüstig ist, wirkt die Wanderung mehr als unglaubwürdig. Zwar gibt es Zug- und Buspassagen, aber die langen Fußwanderungen und Übernachtungen unter freiem Himmel sind schwer nachvollziehbar. Im Schlepptau zieht sie immer einen Transportwagen mit einem Ara hinter sich her, der eine zusätzliche Belastung darstellt.
Immer wieder trifft Edna, die zwar nicht sympathisch, aber sehr resolut und zielstrebig auftritt, helfende Mitmenschen, die ihr aus hoffnungslosen Situationen heraushelfen. Die Begegnungen haben fast schon klamaukartige Züge, wie der einsiedelnde Rocker oder der todesmutig fahrende Imker.

Berührend wird es immer, wenn der Sprung in die Vergangenheit kommt:

"Gedanken und Erinnerungen waren wie Spinnennetze, in denen sie sich verfing, klebten an ihrer Hand, wie die Haarsträhnen, die sich nicht aus der Stirn schieben ließen."

Besonders Ednas Freund Jacob ist ein tragisch liebenswerter Charakter, der mehr Raum in der Geschichte verdient hätte. Ohne ihn hätte die kleine Edna auf dem Bauernhof schwer überlebt. Auch mit seiner Unterstützung musste sie viel unaussprechlich grausame Dinge erleben, aber er gibt ihr den Halt, um auf eine Rückkehr nach Südtirol zu hoffen.

Warum in der Handlung unbedingt ein Papagei mit eingebaut wurde, hat sich mir nicht erschlossen. Dieses Tier wollte so gar nicht in die Welt der Schwabenkinder passen. Im Nachhinein habe ich gelesen, dass die Autorin Papageien liebt.

Mich konnte die Mischung aus trauriger Vergangenheit und bonbonbunter überzogener Reise nicht überzeugen. Es gibt viele gute Ansätze und einige wenige besondere Momente, aber alles in allem bleibt der Roman zu sehr an der Oberfläche.

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Veröffentlicht am 26.03.2021

Ein märchenhafter Buchspaziergang

Der Buchspazierer
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Jeden Abend sieht man Carl Kollhoff, einen alten Mann mit Schlapphut, durch die Stadt gehen. Ziel des Buchhändlers sind ihm lieb gewonnene besondere Kunden, die jeder für sich eine Last zu tragen haben. ...

Jeden Abend sieht man Carl Kollhoff, einen alten Mann mit Schlapphut, durch die Stadt gehen. Ziel des Buchhändlers sind ihm lieb gewonnene besondere Kunden, die jeder für sich eine Last zu tragen haben. Carls empfohlene Bücher scheinen ihre Welt ein wenig leichter erträglich zu machen und sein persönlicher Lieferservice scheint allen gutzutun. Doch erst als sich die neunjährige Schascha dem Buchhändler auf seinen Buchspaziergängen anschließt, werden auf nie gestellte Fragen wichtige Antworten gefunden.

Mit diesem Roman hat der Autor Carsten Sebastian Henn allen Buchliebhabern tief aus dem Herzen gesprochen. Mit seinen warmen und berührenden Worten lässt er diesen sympathischen Buchspazierer lebendig werden. Wer möchte nicht von diesem wundervollen Mann ein Buch gebracht bekommen. Seine Kunden gewinnen durch ihn ein Stück Zuversicht in ihrem teils düsteren Leben.

"Carl unterschied Leser in Hasen, Schildkröten und Fische. Er selbst war ein Fisch und ließ sich in einem Buch treiben, mal gemächlich, mal schnell. Hasen waren Schnellleser, sie rasten durch ein Buch und vergaßen ganz schnell, was sie wenige Seiten zuvor gelesen hatten."

Der Buchhändler hat ihnen allen einen literarischen Spitznamen wie zum Beispiel Frau Langstrumpf und Mr. Darcy gegeben, der sie treffend beschreibt. Der Handlung haftet dann auch etwas Märchenhaftes an. Als die kleine Schascha in der Geschichte auftaucht, ist sie wie eine gute Fee, die mit ihrer kindlich spielerischen Art die Menschen zueinander bringt. Der Abstand zwischen den Erwachsenen verringert sich von Buch- zu Buchlieferung.

Hier wird ein Gefühl transportiert, welches jeder Leser kennt, der ein besonderes Buch gelesen hat. Die Handlung ist vielleicht ein wenig zu konstruiert und geht nicht allzu sehr in die Tiefe. Aber man fühlt sich wohl beim Lesen, freut sich über die Besuche bei den Buchlesern und lacht zusammen mit Schascha über ihre Lebendigkeit.

Das Ende drückt arg auf die Tränendrüse und hätte sicherlich ohne Dramatik ein schönes Finale erreicht. Mir ging dadurch ein wenig der Wohlfühlaspekt verloren, der das ganz Buch getragen hat.

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