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Veröffentlicht am 03.12.2021

Zu viele ausgeknipste Lichter!

Licht aus!
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Der Titel verrät es – und die Inhaltsbeschreibung auch: in dem Roman oder Krimi oder Thriller mit humoresken Zügen oder der Groteske – oder was auch immer ich da gelesen habe - werden gar viele Lichter ...


Der Titel verrät es – und die Inhaltsbeschreibung auch: in dem Roman oder Krimi oder Thriller mit humoresken Zügen oder der Groteske – oder was auch immer ich da gelesen habe - werden gar viele Lichter ausgeknipst, im wahren wie auch im übertragenen Sinne! Und es stimmt auch, dass die beiden Helden rechte Tolpatsche und ganz eindeutig nicht die hellsten Lichter am Kronleuchter sind. Dabei hat, wie man so nebenbei erfährt, der eine von ihnen, Kai mit Namen, tatsächlich dereinst ein Einserabitur abgelegt – was, nebenbei bemerkt, ein sprechendes Licht werfen mag auf unser Bildungssystem....
Lichter, immer wieder Lichter! In dem Maße, wie sie ausgeschaltet werden oder einem Blackout in den wirren Köpfen der beiden seltsamen Protagonisten Kai und Ben weichen, leuchten sie unvermutet mitten in tiefster Dunkelheit auch wieder auf. Dann nämlich, wenn einem von ihnen eine plötzliche Eingebung kommt, die die Bausteinchen auf dem langen, so mühe- wie gefahrvollen Weg zur Wahrheitsfindung beziehungsweise zur Lösung eines arg verworrenen Falles sind, über den Ben da gestolpert ist, buchstäblich, denn seinem potentiellen Auftraggeber wurde das Licht ausgepustet, bevor er Ben engagieren konnte. Privatdetektiv ist letzterer neuerdings, im Nebenberuf, denn seinen Broterwerb scheint er mit gelegentlichen Auftritten als Zauberkünstler zu bestreiten. Seine diesbezüglichen Fähigkeiten bleiben im Dunkeln, denn zum Einsatz kommt er in der hier zu besprechenden Geschichte nur einmal, am Rande, ohne dass man es eigentlich mitbekommt, denn es wird nicht weiter darauf eingegangen.
Als Privatdetektiv allerdings tut sich Ben noch schwer, und verfolgt man seine Herangehensweise – ungläubig und mit einiger Verblüffung, soll angemerkt werden -, stellt man schnell fest, dass er sich sogar mit dem kleinen Einmaleins dieses Berufes schwer tut, vom großen ganz zu schweigen, obschon, das muss man ihm zugute halten, er sich gewiss bemüht, sein neues Handwerk von der Pieke auf zu lernen, steckt er doch gerade in einem Fernlehrgang zum Private Eye, wie es die Amerikaner so schön ausdrücken.
Noch etwas muss man Ben lassen – er hat einen gewissen Riecher, weiß intuitiv, wann etwas faul ist; das 'wo' und 'wieso' ist ihm hingegen selten klar. Und genau diese Begabung bringt ihn zwar während seiner unkoordinierten, um nicht zu sagen chaotischen, Ermittlungen in des Teufels Küche, führt ihn aber schließlich auf die rechte Spur. Dass er am Ende überhaupt noch lebt, nachdem er all die Blessuren, die er sich einhandelt, anscheinend mühelos weggesteckt hat, ist schon erstaunlich! Das Gleiche gilt auch für seinen Freund und Mitbewohner Kai, den ehemaligen Einserabiturienten ohne erkennbares Hirn, wenn man einmal absieht von seiner Inselbegabung in Sachen Informatik und allem, was damit zu tun hat. Triebgesteuert und mit übersteigerter Libido bewegt er sich durch die Handlung, unfreiwilliger Helfer bei Bens Ermittlungen, selten den Durchblick habend, genauso planlos und unbedacht wie sein Zauberkünstlerfreund. Kurz und gut, die beiden Kerle, die aber in ihrer Einfalt sehr sympathisch sind, was ein Pluspunkt des Romans ist, haben sich vielleicht nicht gesucht, aber doch gefunden! Einer hilft dem anderen aus der Patsche – und macht diese dann zumeist noch schlimmer! Das wiederum führt zu manch komischen Situationen, die freilich immer auch brandgefährlich sind. Also will das Lachen nie so recht raus aus den Kehlen der Leser und kann so auch niemals die Spannung entschärfen, die diese Krimi-Thriller-Groteske unzweifelhaft hat und die sich – lobend sei dies erwähnt – immer weiter aufbaut. Bis zum Finale? Nicht so ganz, denn dieses Finale lässt zu viele Fragen offen und so recht logisch ist es für mich nicht. Der sehr ausführlich geschilderten, unnötig ausgewalzten Dauer-Action ist zum Schluss wohl die Puste ausgegangen und abrupt zum Stillstand gekommen oder, um im Bilde zu bleiben, ihr wurde einfach das Licht ausgeblasen....
Summa summarum: alles in allem war mir die Geschichte, trotz aller Rasanz und der schnellen Abfolge der vielen, teils unerwarteten Ereignisse, zu lang und auch zu langatmig. Der Fall selber, über den sich Ben und Kai ahnungslos und ohne sich der Konsequenzen bewusst zu sein, hergemacht haben und der mehrere Nummern zu groß für sie war, wirkt stark konstruiert und gehört eher dem Reich der ausufernden Phantasie an, was aber an sich durchaus in Ordnung ist, denn wir haben es schließlich nicht mit einem Tatsachenbericht, sondern eben mit einem Roman zu tun. Was mir aber schon sehr bald gründlich gegen den Strich gegangen ist, ist die Sprache, derer sich der Autor seine Protagonisten – und übrigens nicht nur diese, denn gar viele Akteure, einer abgedrehter als der andere, tummeln sich in der Geschichte – befleißigen lässt! Denkender- und handelnderweise! Hin und wieder flapsige Ausdrücke in die Handlung einzustreuen kann originell und erheiternd wirken. Aber durchgehend? Und immer stärker entgleisend und unter die Gürtellinie gehend? Zuviel des Guten, viel zu viel! Und das ist dann nur noch nervig und ärgerlich obendrein!

Veröffentlicht am 02.07.2021

Papa ist weg!

Wenn man so will, waren es die Aliens
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Als „ungewöhnliche Jungenfigur“ wird Josh, der Protagonist des vorliegenden Romans aus dem Magellan Verlag – in gewohnt schöner, wie sorgfältiger Aufmachung -, in einer Kritik bezeichnet. Und genau das ...


Als „ungewöhnliche Jungenfigur“ wird Josh, der Protagonist des vorliegenden Romans aus dem Magellan Verlag – in gewohnt schöner, wie sorgfältiger Aufmachung -, in einer Kritik bezeichnet. Und genau das ist er – erfreulicherweise! Denn wie viele 17jährige gibt es, die klaglos und aus eigener Entscheidung die Schule ein Jahr vor dem Abschluss abbrechen, um ihrem Vater im Familienhotel zur Hand zu gehen? Josh tut das, weil er über ein beträchtliches Verantwortungsbewusstsein verfügt, weil sein fünf Jahre älterer Bruder ans andere Ende der Welt, nach Neuseeland, ausgewandert ist und sein gesundheitlich angeschlagener Vater es nicht alleine schaffen würde, das Hotel am Meer, in das er sein Leben, seine Träume gesteckt hat, zu halten. Josh liebt seinen Vater und er sorgt sich um ihn, denn seitdem die Mutter auf der Suche nach Selbstfindung die Familie verlassen hat, ist er nicht mehr der alte. Er hat sich verändert, ganz allmählich, zieht sich immer mehr zurück – und ist eines schönen Morgens spurlos verschwunden.
Josh ruft seine Freunde zu Hilfe und gemeinsam machen sich die Vier auf die Suche nach Frank, dem Vater. Dabei entwickeln sie die abenteuerlichsten Theorien zu seinem Verbleib, und das Mädchen Kia, Tochter einer sehr alternativen Mutter, scheint gar überzeugt zu sein, dass die Aliens ihre Hände im Spiel haben könnten.
Mehr oder minder durch Zufall kommen sie Joshs Vater auf die Spur, wobei Josh eigentlich ziemlich genau wusste – was allerdings erst nach und nach dem Leser mitgeteilt wird - , was der Grund für Franks Verschwinden war und überhaupt, was hinter seinem zunehmend seltsamen Verhalten während der letzten Jahre steckt. Joshs Vater ist depressiv und war deshalb bereits einmal für längere Zeit in einem Sanatorium. Nachdem das endlich klar wird, versteht der Leser Joshs Sorge natürlich besser. Der Junge hat große Angst, dass seinem Vater etwas Schlimmes zugestoßen sein könnte. Man kann sich vorstellen, wie allein und hilflos sich Josh fühlt, wie überfordert, denn die Leitung des Hotels liegt jetzt schließlich auch noch in seinen Händen. Zum Glück hat er seine Freunde, nicht alltäglich auch sie, aber für ihn da, als Josh sie braucht. Und alle tragen ihren Teil dazu bei, Frank am Ende wiederzufinden....
Der Autor hat sich einer nicht leichten, einer berührenden, allzu oft totgeschwiegenen Thematik angenommen in seinem Roman, wenn auch nicht mit aller Konsequenz. Und er hat vor allem einen Protagonisten geschaffen, der den Leser auf seine Seite zieht, denn Josh ist ein großartiger Junge, auf den sein in einer anderen Welt lebender Vater unbedingt stolz sein kann.
So weit, so gut! Die Suche nach dem Vater wird aus der Perspektive des Protagonisten Josh erzählt. Und dieser macht unendlich viele Worte, die sich gar oft um sich selber drehen und sich buchstäblich ineinander verknoten. Mir schwirrte immer wieder der Kopf beim Lesen dieses Gedankenwirrwarrs, das in die eigenartigsten Sätze gepackt wurde, das sich wie eine Schraube hochdrehte – und das wollte bis zum Ende einfach nicht aufhören! Von den vielen, vielen Anglizismen und „Fucks“ in den abwegigsten und komplett unnötigen Zusammensetzungen ganz zu schweigen. Authentische Jugendsprache? Hoffentlich nicht! Mit vielen verschwurbelten Worten, Sätzen und Satzfetzen wurde, unterm Strich, wenig ausgesagt. Zudem schien mir der so sympathische Josh unstimmig; einerseits managt er Vaters Hotel – ungewöhnlich souverän übrigens für einen so jungen Mann ohne Erfahrung mit dem Geschäft -, andererseits kommt er in vielen seiner Gedankenergüsse daher wie ein frisch gebackener Grundschüler. Und als seien diese Diskrepanzen noch nicht ausreichend, lässt ihn der Autor, sein geistiger Vater, gelegentlich auch noch hoch philosophische, tiefgründige Sätze sagen, die man allerdings leicht übersehen kann, so verpackt sind sie in dieser verwurstelten Sprache, die mir immer unerträglicher wurde. Dass es dem Verfasser dennoch gelungen ist, Josh zu einem so gewinnenden Charakter zu machen – obwohl er ihm so viel Unsinniges, Unverständliches in den Mund legt -, ist verwunderlich!
Und zu guter Letzt für all diejenigen, die sich durch den Buchtitel irreleiten lassen und etwa meinen, dass zwischen den Buchdeckeln etwa Science Fictionartiges verborgen sei – weit gefehlt! Und ob Kia, die die Idee mit der Entführung durch die Aliens zu Anfang aufgebracht hat, tatsächlich an ihre eigenen Worte glaubt, wage ich am Ende der Lektüre des Jugendromans – freilich für sehr reife Jugendliche! - zu bezweifeln!

Veröffentlicht am 16.11.2019

Bee Merryweather stolpert ins nächste Verbrechen

Leichenschmaus im Herrenhaus (Bee Merryweather ermittelt 2)
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Nachdem die pensionierte Handarbeitslehrerin Bee Merryweather bereits im Vorläuferband "Todesklang und Chorgesang" ( den man am besten schon gelesen haben sollte, bevor man sich an den zweiten Band macht, ...

Nachdem die pensionierte Handarbeitslehrerin Bee Merryweather bereits im Vorläuferband "Todesklang und Chorgesang" ( den man am besten schon gelesen haben sollte, bevor man sich an den zweiten Band macht, denn er verrät soviel über die Handlung, dass einem die Spannung dann fehlen würde! ) ihr unglückseliges Talent, nämlich über Leichen zu stolpern, unter Beweis gestellt hat, darf sie nun auch in einem zweiten Band auftreten. Der Leser ahnt natürlich, dass die recht schusselige Bee, die sich auch noch um drei Katzen zu kümmern hat, neben ihrem doch etwas langweiligen Hobby, dem Häkeln von Eierwärmern, das sie gar zu einem recht florierenden Geschäft gemacht hat, auch weiterhin nicht die Finger, genauer gesagt ihre neugierige Nase, von Dingen lassen kann, die sie nichts angehen. Aber um ihr Gerechtigkeit zukommen zu lassen - sie kann doch wirklich nichts dafür, dass sie zugegen ist, als die Hündin der neuen Nachbarin eine Leiche ausbuddelt! Und dass sie sich dann später, nachdem sie sich bei der Geburtstagsfeier eben jener Nachbarin an einem indischen Gericht den Magen verdorben hat und schnellstmöglich eine Toilette aufsuchen muss, zufällig ins Zimmer des Gastgebers verirrt und diesen tot auffindet, erstochen mit einem Dolch, ist doch wirklich nicht ihre Schuld, oder?

Die Polizei allerdings, die bereits im ersten Band über Bees Schnüffeleien, die ihr damals um ein Haar das Leben gekostet hätten, alles andere als erfreut war, ist jedenfalls anderer Meinung und würde die Handarbeitslehrerin außer Dienst am liebsten in Gewahrsam nehmen, zu ihrem eigenen Schutz, denn durch ihre Unvorsichtigkeit bringt sie sich gar gerne in des Teufels Küche! Und mit den beiden Toten im winzigen Dörfchen South Pendrick im schönen Cornwall, Bees Domizil seit wenigen Jahren, hat sie auch ohne deren Einmischung genug zu tun. Doch Mrs. Merryweather, die in diesem Cosy Crime etwas verloren und traurig daherkommt, denn weder geht es voran mit der sich im Vorgängerband anbahnenden Beziehung zu dem sympathischen, aber entscheidungsschwachen Arzt Marcus Strong noch mit den Kontakten zu den Dorfbewohnern, die Bee trotz ihrer Bemühungen um Freundschaft oder doch wenigstens Integration nach wie vor als Außenseiterin betrachten.

Bee ist einsam, bringen wir es auf den Punkt! Und was machen einsame Menschen, die viel Zeit haben und denen noch dazu eine Aufgabe im Leben fehlt? Ganz recht, sie suchen sich eine Beschäftigung, die ihrem Wunsch nach Anerkennung und Akzeptanz einerseits und andererseits, wie in Bees speziellem Fall, ihrer Sehnsucht nach zwischenmenschlichen Kontakten entgegenkommt. Mit den Leuten reden, ihnen die passenden Fragen stellen, sie aushorchen und wenn möglich sogar belauschen - rein zufällig natürlich, wie Bee sich und den Polizisten einreden möchte! - das ist so ganz der ehemaligen Handarbeitslehrerin Ding! Dass sie dadurch, immer leicht unbeholfen wirkend und allzu oft schlotternd vor Angst, tatsächlich auch diesmal den Hintergründen der beiden Todesfälle, deren erster ein sehr seltsamer Unfall war, während man bei zweitem von geplantem Mord sprechen muss, auf die Spur kommt, verwundert mich als Leserin doch einigermaßen! Bees kriminalistischer Spürsinn ist doch recht schwach ausgeprägt, ihre Neugierde dafür umso stärker. Und wer neugierig ist, erfährt halt auch viel, und dann ist es nicht mehr schwer, Zwei und Zwei zusammenzuzählen. Der Leser tut das auch, und zwar schon einige Zeit bevor bei Bee der Groschen gefallen ist...

Nein, sie überzeugt mich nicht als Kriminalistin, die verwitwete Mrs. Merryweather - und sie mit Agatha Christies unvergesslicher, blitzgescheiter, vollkommen illusions- und daher furchtloser, gar nicht einsamer und angenehm in sich ruhender Miss Jane Marple zu vergleichen, halte ich für sehr weit hergeholt... Doch ist Bee sympathisch, hat ein gutes Herz und hätte ein wenig Glück in ihrem Leben verdient. Hoffen wir nur, dass sich ihre Beziehung zu dem unentschlossenen Arzt Marcus endlich weiterentwickelt und dass es ihr schließlich doch gelingt, ein paar gute Freunde zu finden, mit denen sie zusammenhocken und die sie von ihrem unguten Verlangen nach Mordgeschichten abbringen und sie hoffentlich davon abhalten würden, von einem Verbrechen ins nächste zu stolpern, die sie allesamt zwar irgendwie löst, bei denen sie sich aber jedesmal in Todesgefahr begibt, aus der sie andere befreien müssen. Dass sie zweimal Glück gehabt hat, unverdientes und geradezu unverschämtes Glück, sollte ihr zu denken geben....

Alles in allem habe ich hier zwar einen ganz netten "Wohlfühlkrimi", denn so sollte man das Sub-Genre "Cosy Crime" wohl übersetzen, gelesen, aber auch einen recht betulichen, spannungsarmen und sich von der Masse der zahlreichen Krimis seiner Art nicht abhebenden und nicht sonderlich tiefgehenden, was sich auf die handelnden Personen erstreckt, die bedauernswerterweise stark an der Oberfläche bleiben und bis zum Schluss viel zu blass bleiben, um mir als Leserin nachhaltig im Gedächtnis zu bleiben und den dringenden Wunsch nach weiteren Begegnungen mit der Protagonistin aufkommen zu lassen. Doch genau letzteres hätte ich mir gewünscht!

Veröffentlicht am 14.03.2023

Science Fiction für Experten

Sieben Kapitulationen
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Um 'Sieben Kapitulationen' (im englischen Original 'Seven Surrenders'), dem zweiten Band der Tetralogie 'Terra Ignota' der Historikerin der University of Chicago, Ada Palmer, überhaupt folgen zu können, ...

Um 'Sieben Kapitulationen' (im englischen Original 'Seven Surrenders'), dem zweiten Band der Tetralogie 'Terra Ignota' der Historikerin der University of Chicago, Ada Palmer, überhaupt folgen zu können, bedarf es unbedingt der Kenntnis des ersten Bandes 'Dem Blitz zu nah' (im englischen Original 'Too Like the Lightning'), denn Band 2 beginnt genau da, wo Band 1 aufgehört hat – ein ungemein komplexer und komplizierter Science Fiction Roman, für dessen Verständnis meines Erachtens weit mehr vorausgesetzt wird, als der Durchschnittsleser, Science Fiction erprobt oder nicht, mitbringt. Und selbst dann hat man Mühe, die vielen und vielfältigen Themen, mit denen sich die Autorin befasst, zu ergründen, geschweige denn sie bis in ihre Tiefen zu verstehen. Um Religion geht es, um Geschlechtergleichheit, überhaupt Genderfragen, um Moral, um Freiheit, Brüderlichkeit etcetera, um all die Ideale aus der Zeit der Aufklärung, die die Gesellschaft im Jahre 2454, der wir in diesem außerordentlich ambitionierten, philosophisch-politischen Science Fiction Roman begegnen, scheinbar lebt. Scheinbar, und möglicherweise lebte man eine Zeitlang ja tatsächlich dieses Ideal, das durch die Aufhebung der Nationalstaaten möglich gemacht wurde, an deren Stelle die 'Hives' traten, in die man nicht hineingeboren wird, sondern denen man als Erwachsener beitreten kann, je nach Neigung, vielleicht auch charakterliche Disposition. Es gibt derer sieben – der Titel ist also nicht von ungefähr gewählt und spricht überdies für sich! -, nämlich die Humanisten, die Cousins, das Maurer-Imperium, die Gordischen, die Europäische Union, die Mitsubishi und die Utopianer, über deren Systeme man in den vorderen und rückwärtigen Versatzblättern des Buches Genaueres erfahren kann. Doch sollte man sich nicht täuschen lassen von den wohlklingenden Beschreibungen! Der Teufel liegt eben auch hier im Detail....
Jedenfalls – nach 300 Jahren des Friedens, sprich der Abwesenheit von offen ausgetragenen Kriegen, zeigt sich aber, dass das so stabil erscheinende Machtgefüge brüchig ist, dass da eine Verschwörung im Gange ist, über die der Leser von dem Ich-Erzähler, einem zwielichtigen, seltsamen Manne, einem Verbrecher gar, der, wie es der Klappentext verrät, 'dazu verurteilt wurde, im Dienste aller Hives um den Globus zu wandern' und der daher besser als jeder andere Bescheid weiß, peu a peu erfährt, wenig Genaues freilich. Überdies nennt er sich selbst einen unzuverlässigen Erzähler. Durch seine Augen hauptsächlich erleben die Leser nun die Ereignisse, die die Utopie bedrohen, zu der die Erde – wieder scheinbar! - geworden ist: eine Welt ohne Krieg, ohne Hunger, in der alle Bedürfnisse erfüllt werden und die dank der – heute noch unvorstellbar, aber eigentlich auch nicht verwunderlich! - enorm fortgeschrittenen Technologie auch nicht mehr durch Klimawandel und die daraus resultierenden, uns heute verheerend erscheinenden Konsequenzen bedroht ist.
Spannend, vielschichtig, zum Nachdenken auffordernd? Gewiss! Doch ob seiner Komplexität nur sehr schwer, sehr mühsam zu lesen, wozu auch die wenig eingängige, geschlechtsneutrale Sprache ihren Teil beiträgt, an die ich mich bereits im ersten, beinahe noch schwerer zu lesenden Band nicht gewöhnen konnte, den ich unmittelbar vor dem zweiten gelesen habe, als ich nach dessen ersten hundert Seiten oder so feststellen musste, dass die Handlung sich auch bei größter Konzentration meinem Zugriff entzog. Im amerikanischen Heimatland der Autorin mag ihre Terra Ignota Tetralogie ja als genial, intelligent, alle gekannten Maßstäbe sprengend etc. gefeiert werden – meinem Lesegeschmack hingegen entspricht sie in keiner Weise. Science Fiction ja, gelegentlich, aber nicht die Art, auf die die intellektuell nicht mit unseren Maßstäben zu messende Ada Palmer sie schreibt. Die ist mir schlicht zu mühsam und zu unverständlich – und tatsächlich habe ich für die Lektüre von 'Dem Blitz zu nah' und 'Sieben Kapitulationen' sage und schreibe vier Monate gebraucht! Da kann dann von Lesevergnügen keine Rede mehr sein, zumal Abbrechen nicht in Frage kam, da ich mich unklugerweise auf eine Leserunde mit dem hier gerade mehr schlecht als recht besprochenen Werk eingelassen habe. Wäre es mir aber auf andere Art und Weise in die Hände gefallen, so hätte ich nach spätestens 100 Seiten, denen nämlich, die ich brauchte, um endgültig einzusehen, dass ich so gut wie nichts verstanden hatte, das Buch mehr oder weniger unauffällig verschwinden lassen, wahrscheinlich aber in die Ecke gefeuert, und damit das Experiment beendet, Zugang zu etwas zu bekommen, das von jemandem geschrieben wurde, die ganz offensichtlich in Sphären schwebt, zu denen ich nur verwundert staunend aufblicken kann! Eine Bewertung erscheint mir also beinahe unangemessen, jedenfalls soweit es mich betrifft. Da Lesbarkeit und Verständlichkeit für mich aber ein ebenso wichtiges Kriterium für die Beurteilung eines Buches sind, gleich welcher Kategorie es angehört, wage ich es, aus der Reihe der Begeisterten auszuscheren und es nur solchen Lesern zu empfehlen, die sich gerne lange und fruchtlos quälen wollen während einer Freizeitlektüre. Oder eben denjenigen, die ähnlich abgehoben ticken wie die Geschichtsprofessorin aus den Vereinigten Staaten!

Veröffentlicht am 14.03.2023

Furchtloser, selbsternannter Gentleman-Gauner rettet die Fantasywelt

Die Tausend Leben des Ardor Benn
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Als 'außergewöhnlicher Gentleman-Gauner' bezeichnet sich der Titelheld des hier zu besprechenden High-Fantasyromans selbst, als 'Meister von List und Tücke', der gar tausend Leben hat. Im englischen Original ...

Als 'außergewöhnlicher Gentleman-Gauner' bezeichnet sich der Titelheld des hier zu besprechenden High-Fantasyromans selbst, als 'Meister von List und Tücke', der gar tausend Leben hat. Im englischen Original hingegen - „The Thousand Deaths of Ardor Benn“ - stirbt er vielmehr tausend Tode, was im Endeffekt wohl auf das Gleiche herauskommt. Dennoch bin ich einmal mehr verwundert über die Angewohnheit deutscher Verlage – wobei gar nichts gegen Paninibooks spricht! -, Originaltitel zu verdrehen oder nichtssagende eigene Kreationen zu ersinnen.
Wie dem auch immer sei, Ardor Benn nimmt den Mund ein wenig zu voll, denn in Wirklichkeit ist er ein zwar wagemutiger, aber dennoch ganz gewöhnlicher Dieb, der seinen Lebensunterhalt damit bestreitet, dass er sich Dinge aneignet, die ihm nicht gehören. Ein Draufgänger und Maulheld ist er, voll von sich selbst, dabei aber zugegebenermaßen recht amüsant und äußerst risikofreudig, denn auch vor den schwierigsten und jedem vernunftbegabten Leser völlig unlösbar erscheinenden Aufgaben schreckt er nicht zurück.
Und eine solche wartet auf ihn in dem umfangreichen Fantasyabenteuer des Amerikaners Tyler Whitesides, der mit dieser seiner ersten Fantasy-Reihe für Erwachsene – in seinem Heimatland bekannt wurde er als Autor von Kinder- und Jugendbüchern – ursprünglich ein Herzensprojekt verwirklichen wollte, für das es keinen Abgabetermin gab. Doch auch Herzensprojekte entwickeln manchmal eine Eigendynamik und, hast du nicht gesehen, der Autor konnte mit dem Fabulieren erst dann aufhören, als eine Trilogie, ein regelrechtes Mammutwerk sogar, entstanden war!
Aber kehren wir zurück zu dem vollmundigen Meisterdieb! Von Ardors ihm weit vorausschallenden Ruf angelockt kommt da nämlich der Priester Eiland Halavend (ja, richtig, der Priester ist eine Insel!) und beauftragt den selbstbewussten Helden mit einer gar schwierigen, umfangreichen, gefährlichen, eigentlich unlösbaren Mission: er soll dem König des Inselreiches, aus dem die Welt, die sich der Autor ausgedacht hat, besteht, zwei Herrscherinsignien entwenden, denn auf dem Spiel stehen, ohne auf Einzelheiten einzugehen, nicht mehr und nicht weniger die Zukunft und das Leben der Inselbewohner!
Für Ardor Benn ist glücklicherweise nichts zu schwer und das Adjektiv 'unmöglich' existiert in seinem Wortschatz nicht. Zudem steht ihm nicht nur Raek, sein Freund aus Kindertagen und für Ardor wie ein Bruder, seines Zeichens mathematisches Genie und Muskelprotz und noch so einiges mehr, wie der interessierte Leser erfahren wird, zur Seite, sondern auch die eigens für die gefährliche Mission angeheuerte Diebin Quarra, eine Romanfigur, der man anfänglich große Sympathie entgegenbringt ob ihrer Unabhängigkeit und Stärke, die als Charakter jedoch leider verliert im Laufe der Handlung, je mehr sie sich zu dem sich für unwiderstehlich haltenden Ardor oder Ard, wie er im Zuge der Namensverkürzungsmanie, in der Geschichte sehr bald schon genannt wird, hingezogen fühlt.
Dass mich der allgegenwärtige Titelheld nicht vom Hocker reißen konnte, da mir grundsätzlich Tausendsassas seiner Art nicht liegen, stellte nur eines der Probleme dar, die ich mit der Lektüre des sage und schreibe 800 Seiten langen, kleingedruckten Werkes hatte, das im Heimatland des Autors mit überwiegend großer Begeisterung aufgenommen wurde. Liest man nämlich Rezensionen von Tyler Whitesides Landsleuten, so ist man ganz geblendet von so viel Überschwänglichkeit, ein Substantiv, das mir schon immer suspekt war!
Ja, jedes Buch, gleich welchen Genres, hat seine Leser – viele mitunter, je nach Güteklasse, oft unverständlich viele. Obschon ich, ohne ein ausgesprochener Fan von Fantasyliteratur zu sein, mich gerne hin und wieder von einem guten Vertreter dieser Gattung begeistern lasse und nach den Vorschusslorbeeren und auch der Inhaltsbeschreibung mit großen Hoffnungen „Die tausend Leben des Ardor Benn“ aufgeschlagen habe, wuchs meine Enttäuschung von Seite zu Seite. Da ich selten ein einmal begonnenes Buch abbreche und dies schon gar nicht innerhalb einer Leserunde tue, habe ich mich weitergekämpft – und dies über mehr als zwei Monate. Ein Lesezeitraum, der keinem Buch wirklich bekömmlich ist! Überfliegen, wie ich das zeitweise versuchte, ging nicht, denn so war es leicht, wichtige Details, die zwar spärlich, aber willkürlich über das gesamte Buch verteilt sind und deren Kenntnis einfach notwendig ist, um der Handlung folgen zu können, zu übersehen. Darüberhinaus ist das Werk so voller Details, dass man die wichtigen manchmal nicht von den unwichtigen und daher vollkommen überflüssigen unterscheiden kann. Streicht man die übrigens weg, bleiben kaum mehr als 300 Seiten übrig...
Desweiteren hatte ich von Anfang an mit der eintönigen, gleichförmigen, langweiligen Sprache Probleme – die im krassen Gegensatz steht zu der so komplexen, ganz und gar fremdartigen Welt, in der der Autor sein Herzensbuch spielen lässt, und die da ein Insel-Archipel ist, deren Hauptschauplatz, die Hauptstadt Beripent, auch Heimatort des Gauners Benn ist. Dazu noch hat der unbestreitbar phantasiebegabte Whitesides ein kompliziertes und gar verwundenes, offensichtlich nur von ihm selbst und den amerikanischen Fans zu verstehendes magisches System ersonnen, das sowohl auf Physik und Chemie, als auch auf Religion basiert, wobei die Magie in direktem Zusammenhang steht mit den auf der Insel Pekal lebenden Drachen, die allerdings vom Aussterben bedroht und in der Handlung wenig mehr als Mittel zum Zweck sind – was ich schade finde, denn wäre ihnen mehr Aufmerksamkeit zuteil geworden, hätte dies die Geschichte aufwerten können. Gezaubert wird, so muss man wissen, nämlich mit einer Substanz namens 'Malm', von dem es unterschiedliche Typen zu unterschiedlichen Zwecken gibt und das nichts anderes ist als pulverisierte Drachenkacke (der beste Malmmischer des Reiches ist, nebenbei gesagt, Ardors Freund Raek!) Dieses Malm wiederum heißt 'Grit' im englischen Original, zu dem ich nach der Hälfte der Lektüre meine Zuflucht genommen hatte, allzumal es ein, in der deutschen Ausgabe fehlendes, Glossar am Ende des Buches gibt, was definitiv eine Hilfe ist. Umso unverständlicher, dass es in der deutschen Version einfach unter den Tisch gefallen ist. Seltsam, dachte ich, wir Deutschen nehmen doch nur allzu willig jedes Modewort und auch noch andere, völlig überflüssige Anglizismen in unsere Sprache auf – warum müssen aber Ausdrücke, die im Grunde Phantasiewörter sind, in weitere Phantasiewörter 'übersetzt' werden? Und es ist ja nicht nur 'Grit', sondern es ist noch unzählig viel anderes aus den 'Tausend Leben' beziehungsweise 'Tausend Tode'!
Eines muss man dem Autor fairerweise zugute halten: seine Ideen sind originell und unterscheiden sich vom Mainstream, so wie ich die fantastische Welt, die er sich ausgedacht hat, interessant, spannend, auch verheißungsvoll finde. Die Umsetzung dieser Ideen wiederum empfinde ich als über weite Strecken nicht gelungen. Leider bleiben auch die handelnden Personen an der Oberfläche, haben keine Tiefe und deshalb auch nicht das Potential, zu berühren. Allerdings – und das ist löblich! - ist der Autor nicht der Versuchung erlegen, den ersten Band seiner Trilogie mit einem Paukenschlag oder, auf gut Deutsch, 'Cliffhanger' enden zu lassen. Das Buch hat einen Abschluss, und das ist gut so! Was immer noch mit und um Ardor Benn geschehen mag mögen die vielen begeisterten Anhänger des Gentleman-Gauners gerne ohne mich herausfinden!