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Veröffentlicht am 20.02.2022

Schein und Sein

Die Gezeiten gehören uns
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Inhalt:
"Die Gezeiten gehören uns" erzählt eine Geschichte aus der Jugend der Protagonistin Eulabee. Sie wächst in den Achtzigerjahren in einem Vorort von San Francisco als Tochter Schwedischer Einwanderer ...

Inhalt:
"Die Gezeiten gehören uns" erzählt eine Geschichte aus der Jugend der Protagonistin Eulabee. Sie wächst in den Achtzigerjahren in einem Vorort von San Francisco als Tochter Schwedischer Einwanderer auf und besucht eine teure Privatschule für Mädchen, die sich ihre Arbeiterfamilie nur mühsam leisten kann. Im Alter von dreizehn Jahren verbringt sie ihre Zeit im engen Kreis einer Mädchenclique. Im Zentrum dieser Clique steht Eulabees beste Freundin, die allseits beliebte und faszinierende Maria Fabiola.
Die Bindung der beiden Freundinnen zerbricht allerdings an einer Situation, in der Eulabee Maria Fabiola nicht die Treue hält.
Von diesem Punkt aus entspinnt sich ein Geflecht aus Wahrheit und Lügen, welches das Leben der beiden Mädchen nachhaltig verändert.

Meine Meinung:
Ich habe "Die Gezeiten gehören uns" wirklich gerne gelesen! Von der ersten Seite an hat mich die Sprache der Autorin und die Art und Weise, wie sie Stimmung und Atmosphäre erzeugt, in ihren Bann gezogen. Ich glaube, diese Atmosphärik (die Achtziger, San Francisco. California, der Ozean, das Erwachsenwerden, die Privatschülerinnen in ihren Uniformen), kann als die ganz große Stärke dieses Romans gesehen werden. Das Gefühl, das beim Lesen entsteht, ist es, was mich durch die Seiten getrieben hat.
Und trotzdem bin ich nicht restlos überzeugt: Unter diesem Gefühl verbirgt sich nämlich eine Geschichte, die immer dünner wird, je länger ich sie zerdenke. Ich frage mich, was eigentlich der Kern dieses Romans ist und, was die Autorin mir schlussendlich sagen will. Ich kann den zentralen Konflikt abschließend einfach nicht greifen. Es ist schwer zusammenzufassen, worum es geht, ohne die Handlung vorwegzunehmen, der Klappentext trifft diese aber nur in Ansätzen.
Ansätze sind im Übrigen ein weiteres Problem. In der Geschichte werden viele Thematiken aufgeworfen und dann nicht richtig zu Ende erzählt. Das Buch hätte hier gerne ein paar Seiten länger sein dürfen. Grundsätzlich mangelt es an verschiedenen Stellen an Tiefe. Insbesondere, wenn es um die Freundschaft von Eulabee und Maria Fabiola geht. Hier bleibt die Autorin in meinen Augen viel zu oberflächlich. Rückblickend betrachtet weiß ich nicht einmal ansatzweise, wer diese beiden Mädchen sind und, was sie füreinander waren.
Aufgefallen ist mir zudem, dass es in dem Buch immer wieder zu Begebenheiten und Zufällen kommt, die mir absurd und irgendwie unglaublich erscheinen. Vor allem vor dem Hintergrund, dass Eulabee erst dreizehn Jahre alt sein soll. Über dieses extrem junge Alter bin ich immer wieder gestolpert, in verschiedensten Situationen hat es mich irritiert. Deshalb und weil die Charakterisierung der Protagonistinnen so undeutlich ist, kann ich das Buch auch nicht wirklich als Coming-Off-Age-Geschichte kategorisieren, obwohl ich vermute, dass es das eigentlich sein will. Auch der Epilog hat eher irritiert, als mich zu erhellen oder meine Neugier darauf, wie es denn wohl weitergehen könnte, zu befrieden.

Fazit:
"Die Gezeiten gehören uns" ist ein kurzweiliges, atmosphärisches Buch über Mädchen in ihrer Jugend, einer unglaublich brüchigen Zeit, in der man noch nicht wirklich ist, wer man einmal sein wird, und gerade eben erst aufgebrochen ist, um sich selbst zu finden. Diese Brüchigkeit nimmt die Autorin als Nährboden, auf dem Wahrheit und Lügen, toxische Gruppendynamiken und verheerende Fehlentscheidungen wachsen können. Alle diese Motive finde ich unglaublich spannend, ich wünschte nur, die Geschichte hätte sie besser und detaillierter auf den Punkt gebracht.

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Veröffentlicht am 16.12.2021

Schönheit im frühen Feminismus

Erfahrungen eines schönen Mädchens
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Inhalt:
Sasha ist eine junge Frau in den Sechzigerjahren, einer Zeit, in der die Rolle einer Frau in der Gesellschaft eng definiert ist. Doch Sasha fällt es schwer, sich den Erwartungen, die ihre Umwelt ...

Inhalt:
Sasha ist eine junge Frau in den Sechzigerjahren, einer Zeit, in der die Rolle einer Frau in der Gesellschaft eng definiert ist. Doch Sasha fällt es schwer, sich den Erwartungen, die ihre Umwelt an sie stellt, anzupassen. Sie möchte frei sein, frei lieben und frei leben. Auf ihrer Suche nach Freiheit verrennt sie sich immer wieder, endet in einer Sackgasse, legt den Rückwärtsgang ein, kommt doch nie an. „Erfahrungen eines schönen Mädchens“ ist ein Originaltext aus den Sechzigern. Alix Kate Shulman begleitet ihre Protagonistin vom jungen Mädchen bis zur erwachsenen Frau in einem feministischen Coming-Off-Age-Roman.

Meine Meinung:
Die Sache ist die: Oft hat man bestimmte Erwartungen an ein Buch. Vielleicht sogar unbewusst. Werden diese nicht erfüllt, kann das leicht zu Irritation führen. Ich habe beim Lesen von „Erfahrungen eines schönen Mädchens“ festgestellt, dass ich sehr klare Erwartungen an die Geschichte hatte. Ich habe mir vorgestellt ich bekäme es mit einer klugen Protagonistin zu tun, die die starren Rollenbilder und die gesellschaftlichen Zwänge ihrer Zeit durchschaut, entlarvt und gegen sie aufbegehrt. Obwohl sie von anderen immer wieder auf ihr Äußeres reduziert wird. Teilweise stimmt das auch, teilweise aber eben nicht: Deswegen habe ich mir mit dem Buch etwas schwer getan.

Der Name ist hier eindeutig Programm! Sasha ist schön. Aber nicht nur das, sie will auch schön sein. Ihre Schönheit ist ihr so unfassbar wichtig, es wirkt auf mich wie eine Obsession Das Problem dabei ist, dass es ihr gar nicht darum geht, sich selbst in ihrem Äußeren zu verwirklichen, sondern sie möchte Männern gefallen und von Männern beachtet werden. Davon macht sie ihren eigenen Wert abhängig und hinterfragt dabei überhaupt nicht. Im Gegenteil. Situationen, in denen sie Opfer von Sexismus oder sogar von sexueller Gewalt wird, verkennt sie als Schmeicheleien. Das habe ich überhaupt nicht verstanden. Vor allem nicht vor dem Hintergrund, dass das Buch ein US-amerikanisch feministischer Klassiker ist und Sasha als frühe Feministin bezeichnet wird.

Ja, sie lebt ein unkonventionelles Leben, schläft mit vielen Männern, wird mehrmals schwanger, treibt mehrmals ab, lässt sich scheiden, hat den Drang nach Freiheit. Aber sie denkt und handelt in meinen Augen weder besonders feministisch noch besonders klug. Eher kindlich und naiv. Sie wird so oft von Männern ausgenutzt und erkennt es einfach nicht, missinterpretiert eine Situation, bzw. unternimmt nichts, um ihre Position zu verbessern Diese Stellen haben mich so wütend gemacht, dass ich mir am liebsten das Buch vor den Kopf geschlagen hätte.

Ich will aber nicht, dass man mich an dieser Stelle falsch versteht. Trotz meiner Probleme mit der Protagonistin halte ich das „Erfahrungen eines schönen Mädchens“ für überaus lesenswert. Als der Roman erstmals veröffentlich wurde, muss der Text revolutionär und skandalös gewesen sein. Er ist ein Zeugnis seiner Zeit. Und genau als das muss er gelesen werden. Ich habe lange darüber nachgedacht: Aber ich glaube man muss die Geschichte beim Lesen aus der Vogelperspektive betrachten. Man darf nicht erwarten, dass Sasha vordenkt. Dafür ist sie, obwohl sie sich so nach Freiheit sehnt, zu sehr in Konventionen und vor allem ihre eigene Eitelkeit verstrickt.

Außerdem hat mir der Tonfall der Geschichte sehr gut gefallen. Schwierige Situationen werden oft auf eine humorvolle, komische Art und Weise dargestellt, sodass diese fast schon ein wenig grotesk wirken, aber gleichzeitig auch in ihrer Schwere abgemildert werden.

Fazit:
„Erfahrungen eines schönen Mädchens“ stammt aus einer Zeit, zu der der Feminismus noch in den Kinderschuhen gesteckt hat. Und das merkt man auch sehr deutlich! Sasha ist auf eine unbewusste Art Feministin. Ihre Entscheidungen führen dazu, dass sie zumindest zeitweise ein Leben abseits der Norm führt. Aber ich hätte mir so sehr gewünscht, sie wäre dazu in der Lage gewesen, sich selbst und vor allem die Männer in ihrem Leben mehr zu reflektieren. Mit so einer Sasha wäre das Buch für mich eine Wucht gewesen. So bleibt es trotzdem ein eindrückliches Zeitdokument.

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Veröffentlicht am 16.12.2021

Sternbilder auf der Haut

Sommersprossen – Nur zusammen ergeben wir Sinn
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Inhalt:

Allegra hat ihre provinzielle Heimat verlassen, um nach Dublin zu kommen, weil sie eine Mission hat. Dieser Mission kommt sie jeden Tag auf ihren Streifzügen als Parküberwacherin ganz nah, obwohl ...

Inhalt:

Allegra hat ihre provinzielle Heimat verlassen, um nach Dublin zu kommen, weil sie eine Mission hat. Dieser Mission kommt sie jeden Tag auf ihren Streifzügen als Parküberwacherin ganz nah, obwohl sie sie doch nicht erfüllen kann. Stattdessen hält sie sich am starren Rhythmus ihres Alltags fest. Bis ausgerechnet der Fahrer eines quietschgelben Ferraris diesen gefährlich aus dem Gleichgewicht bringt. Tristan ist ein Geschäftsmann und Parksünder, dem Allegra regelmäßig Bußgeldbescheide hinter die Windschutzscheibe klemmt. Als die beiden das erste Mal persönlich aufeinandertreffen, erzählt er ihr im Zorn von einer Lebensweisheit, die besagt, dass ein Mensch das Produkt, der fünf Personen ist, die ihm an nächsten stehen. Die fünf Personen in Allegras Leben müssten Versager sein, so Tristans Vorwurf, denn nichts anderes sei Allegra selbst. Diese Begegnung ist der Auslöser für einen gedanklichen Umbruch in Allegras Kopf, der nach und nach ihr ganzes Leben verändert.

Meine Meinung:

Zu aller erst: Dieses Buch ist keine Enemies-to-lovers-Romance! Man könnte nämlich auf den Gedanken kommen, dass es sich um solch eine Geschichte handelt, wenn man des Klappentext liest. Damit liegt man allerdings mit daneben.

„Sommersprossen“ von Cecelia Ahern ist ein eher leiser, melancholischer „Lebensroman“, der hauptsächlich die Charakterentwicklung seiner Protagonistin fokussiert. Die Romantik tritt dabei in den Hintergrund.

Allegra ist eine sehr besondere Protagonistin. Ein Charakter, wie man ihn in Büchern selten liest. Ich würde sie als ein Mosaik aus Facetten bezeichnen, die nicht immer gut zusammenpassen wollen. Sie lässt sich schwer kategorisieren, geschweige denn in eine Schublade stecken. Ich kann mir gut vorstellen, dass es Leserinnen geben wird, die Schwierigkeiten haben, sich auf Allegra als Figur einzulassen. Mich selbst hat sie auch immer wieder an den Rand der Verzweiflung gebracht, weil ich sie in verschiedenen Situationen wirklich nicht verstehen konnte. Dennoch hat sie mich sehr berührt. So sehr, dass ich im letzten Viertel viel geweint habe.

Die Autorin zeigt in „Sommersprossen“ viele Konflikte auf, die in Allegras Leben stattfinden, und bietet für all diese am Ende auch Lösungen an. Einige dieser Lösungen haben mir allerdings nicht gefallen, obwohl sie mich emotional wirklich berührt haben. An verschiedenen Stellen war es einfach zu viel. Hier zu schlimm, da zu melodramatisch.

Über der ganzen Geschichte liegt eine Art Schleier, leicht traurig, leicht dumpf. Allegra wird oft missverstanden und erfährt oft Ungerechtigkeit. Manchmal sieht sie auch einfach den Wald vor all den Bäumen nicht. Ich habe sehr mit ihr gelitten und hatte großes Mitgefühl für sie.

Die Nebencharaktere sind bunt und liebevoll gezeichnet. Allerdings sind sie sehr klar in gut und weniger gut unterteilt. Das war mir an manchen Stellen zu einfach. Da war so viel Potenzial für Ambivalenz, das nicht ganz ausgenutzt wurde.

Die Sprache hat mir sehr gefallen. Vor allem im ersten Drittel der Geschichte. Der Einstieg ins Buch ist sehr poetisch und symbolisch. Etwas Vergleichbares habe ich noch nicht gelesen. Im Verlauf der Geschichte hätte ich mir noch viel mehr davon gewünscht.

Fazit:
„Sommesprossen“ von Cecelia Ahern ist ein sehr besonderes, in seiner eigenen Form für mich einzigartiges Buch, auf das man sich einlassen muss. Es hat viele tolle Momente, aber auch einige, die ich lieber anders gelesen hätte. Ich könnte mir allerdings gut vorstellen, dass Leser
innen, die für gewöhnlich eher zu Gegenwartsliteratur greifen, großen Gefallen daran finden. Eben weil es so sehr aus der Reihe fällt.

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Veröffentlicht am 25.04.2021

Das Leben davor und das Leben danach

So wie du mich kennst
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Ich kann dieses Buch nicht angemessen rezensieren, ohne Inhalt vorwegzunehmen. Deswegen spreche ich an dieser Stelle eine dicke Spoilerwarnung aus. Wer völlig unvoreingenommen in „So wie du mich kennst“ ...

Ich kann dieses Buch nicht angemessen rezensieren, ohne Inhalt vorwegzunehmen. Deswegen spreche ich an dieser Stelle eine dicke Spoilerwarnung aus. Wer völlig unvoreingenommen in „So wie du mich kennst“ gehen möchte, sollte hier nicht mehr weiterlesen.

Inhalt:

Marie ist tot.
Karlas geliebte Schwester Marie wurde an einer Straßenkreuzung mitten in New York überfahren. Nicht mehr Marie, sondern nur noch ihre Asche kehrt aus der amerikanischen Großstadt auf’s unterfränkische Land zurück. Für Karla und die mittlerweile betagten Eltern bricht eine Welt zusammen. Die Trauer über den Verlust ihrer geliebten Schwester, ihrer engsten Vertrauten und besten Freundin ist unermesslich. Deswegen geht Karla selbst noch einmal nach New York. Um Maries letzte Angelegenheiten zu regeln und sich vom fernen Leben ihrer Schwester zu verabschieden. Sie stößt auf einen Laptop und findet darin einen Ordner mit Fotoaufnahmen, für die sie keine Erklärung hat. Kannte Karla Marie etwa doch nicht so gut wie gedacht?

Meine Meinung:
Ich kenne Anika Landsteiner als Bloggerin oder Podcasterin nicht. Zum Lesen bewogen, hat mich die Thematisierung der unterfränkischen Heimat der Protagonistinnen. Ich teile diese Heimat nämlich mit ihnen. Es ist die Welt meiner Kindheit, deswegen hat mich die Umsetzung sehr interessiert. Und hier liegt in meinen Augen auch ganz klar die Stärke der Geschichte. Die Szenen aus der Gegenwart und die Erinnerungen an die Vergangenheit. Karlas und Maries Dorfkindheit wurde wirklich eindrücklich erzählt.
Im krassen Gegensatz dazu steht New York. Beim Lesen fühlt es sich an, als würde man zwei Kleidungsstücke miteinander kombinieren, die überhaupt nicht zusammenpassen, so heftig ist der Unterschied zwischen diesen beiden Schauplätzen. Ich habe viele Bücher gelesen, die in New York spielen, und selten ist diese Stadt in einem Buch so blass und farblos geblieben. Sie wirkt seltsam entrückt. Vielleicht weil Karla das auch ist? Trotzdem merkt man, dass die Autorin die Stadt kennt und sich intensiv mit ihr auseinandergesetzt hat.
Die Geschichte wird abwechselnd aus Maries Perspektive vor ihrem Tod und Karlas Perspektive nach ihrem Tod erzählt. Sprachlich hat mir der Text sehr gefallen, man stolpert immer wieder über kluge Formulierungen und Gedanken.
Das Grundthema des Buchs ist häusliche Gewalt. Marie ist selbst Opfer von häuslicher Gewalt durch ihren Ex-Ehemann geworden und in New York schießt sie durch’s Fenster heimlich Fotos von ihrer Nachbarin, die regelmäßig von ihrem Partner verprügelt wird. Karla und die Eltern wissen davon nichts.
Prinzipiell ist das Thema natürlich unglaublich relevant und ich finde es toll, dass das Buch davon erzählt. Nur tut es mir das nicht konsequent genug. Da sind so viele Handlungsstränge und Geschichten, die angerissen, aber nicht auserzählt werden. Auf der einen Seite ist da Karla, die sowieso schon labil ist, sich nach siebzehn gemeinsamen Jahren von ihrem Langzeitfreund Max trennt und ihr ganzes Leben, ihre Gegenwart, ihre Zukunftspläne in Frage stellt. In diesem Zustand reißt sie die Trauer um ihre geliebte Schwester völlig zu Boden. Sie treibt haltlos durch New York und findet die Fotos von Maries Nachbarin. Gleichzeitig erzählt Marie in ihren Kapiteln von der Zeit vor ihrem Tod. Der Leser erfährt vieles über die toxische Ehe, die sie kaputtgemacht hat, aber Karla erfährt es nie. Ich habe die ganze Zeit darauf gewartet, dass irgendetwas davon in die Gegenwart dringt. Stattdessen verläuft der zentrale Handlungsstrang über die Nachbarin dahingehend, dass ich ihn nicht mehr verstehen konnte.
ACHTUNG HIER NOCH EINMAL SPOILERWARNUNG!
Am Ende ist der missbrauchende Ehemann tot und Karla verdächtigt die Frau, ihn umgebracht zu haben. Zwischen Maries Schicksal, dem Schicksal der Nachbarin, Karlas Trauer und Karlas persönlicher Sinnkrise, steckt dann auch noch die ganz schlimme Lebenskatastrophe der Mutter, die erst ganz am Ende thematisiert wird, und mich völlig aus der Bahn geworfen hat. Nicht unerwähnt lassen, obwohl es von untergeordneter Relevanz ist, möchte ich Karlas Gespräch mit dem Unfallfahrer. Das ist nämlich einer von mehreren Punkten gewesen, die mich so perplex gemacht haben. Was sollte das?
Ich habe nicht verstanden, wieso überhaupt thematisiert wurde, wer dieser Mensch ist und warum dann ausgerechnet solch ein Mensch gewählt wurde.
Obwohl das Buch so voller Themen steckt, kam mir die erste Hälfte sehr zäh vor. Es hätte so viel Substanz gegeben, von der ich gerne gelesen hätte, aber irgendwie ist der Text immer nur um alles herumgeschlichen.
Das Ende hat mir dennoch sehr gut gefallen. Ich fand den Schlussgedanken wirklich wundervoll und in Büchern selten zu finden. Manchmal liegt das Glück nicht in der lauten Ferne, sondern in der stillen Nähe.

Fazit:
„So wie du mich kennst“ hat mich stellenweise sehr berührt und stellenweise sehr schockiert. Ich glaube, beides sollte das Buch beim Leser auslösen und insofern erfüllt es seinen Anspruch. Dennoch hat es mich auf mehreren Ebenen absolut irritiert.
Es ist in jedem Fall eine Geschichte, über die man äußerst gut diskutieren kann, und ich freue mich darauf, viele weitere Meinungen darüber zu lesen.

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Veröffentlicht am 13.02.2021

Der Räuber und seine Muse

Inspired
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Ich lese aktuell wenig Fantasy. Die Idee hinter „Inspired“ hat mich dennoch angesprochen. Eine Entführung und eine ungewünschte magische Partnerschaft. Das schreit doch nach Enemies to lovers, dachte ich ...

Ich lese aktuell wenig Fantasy. Die Idee hinter „Inspired“ hat mich dennoch angesprochen. Eine Entführung und eine ungewünschte magische Partnerschaft. Das schreit doch nach Enemies to lovers, dachte ich mir. Und damit kann man mich immer abholen.

Inhalt:
In einer Welt voller unterschiedlicher Spezies von Menschen und magischen Wesen stehen die Musen am oberen Ende der Gesellschaft. In einem heiligen Bündnis mit einem Menschen, kann die Kraft einer Muse ihrem Partner zu außergewöhnlichen Fähigkeiten auf unterschiedlichen Gebieten der Kunst verhelfen.
Der junge Jay Fischer befindet sich in einer scheinbar ausweglosen Situation. Jay wird von einer mafiösen Organisation bedroht und braucht dringend Geld. Deswegen entführt er die Muse Niliana auf offener Straße und hofft durch ihre Magie und ihren sozialen Einfluss seine Probleme lösen zu können. Allerdings läut bei Jay wenig nach Plan und so aktivieren Niliana und er bei der Entführung kurzerhand das Musenbündnis. Danach müssen sie enger aneinander rücken als es ihnen beiden lieb ist.

Meine Meinung:
„Inspired“ ist ein Buch mit einem rasanten Plot. Ständig passiert etwas Neues und hinter jeder Ecke lauert ein weiterer Twist. Nicole Gozdek schreibt spannend und führt den Leser mehr als nur einmal an der Nase herum. Manchmal werden in Nebensätzen kleine Informationen eingestreut, die den Plot in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen. Dabei sind mir ihr Sätze phasenweise ein bisschen zu lang und schachtelig konstruiert. Gegen Ende des Buchs wird das allerdings besser.

Das schnelle Tempo ist definitiv der größte Pluspunkt von „Inspired“, bringt jedoch auch seine Nachteile mit sich.

Die Charakterentwicklung von Jay und Niliana bleibt hinter der Handlung leider etwas zurück. Um die beiden besser verstehen zu können, hätte man mehr über ihre inneren Konflikte erfahren müssen. So wirken die beiden in ihrem Handeln jünger und naiver, als sie es eigentlich sind. Gerade mit Jay hatte ich zu kämpfen. Er hat so viel Hintergrund und Vergangenheit. Das macht seinen Charakter wirklich interessant. Trotzdem wirkt er wie ein Jugendlicher und nicht wie der Mann von zweiundzwanzig Jahren, der er eigentlich ist. Niliana ist leichter zu mögen, aber in ihren Handlungen auch noch sehr kindlich.

Trotzdem steckt das Buch voller spannender und kreativer Ideen. Die Nebenfiguren sind fantasievoll und zum Liebhaben. Vor allem mit ihnen habe ich mitgefiebert. Die Welt, in der die Geschichte spielt ist sehr innovativ. Eine Art Urban Fantasy Paris mit unterschiedlichen Planeten. Auch hier hätte man noch ein paar mehr Details herausarbeiten können, damit die Leser das Setting und die Probleme der Gesellschaft besser vor Augen haben. Sehr viele Themen wurden angerissen: Das komplizierte Verhältnis zwischen Musen und ihren Bündnispartnern, die ihnen einen Teil ihrer Magie wegnehmen, die politischen Einschränkungen des Musenbündnisses, die Trennung der einzelnen Spezies innerhalb der Gesellschaft. Alles sehr interessant, aber über nichts davon wusste ich am Ende genug, um damit zufrieden zu sein.

Andererseits spricht das natürlich auch für die Geschichte. Man will mehr. Man hat das Gefühl, dass man nur einen Ausschnitt gesehen hat.

Fazit:
„Inspired - Magie der Muse“ ist ein tolles, kurzweiliges Fantasyabenteuer, mit kleinen Schwächen in den Details. Vor allem jugendlichen Lesern, die actionreiche Lovestories mögen, würde ich es unbedingt ans Herz legen.

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