Profilbild von Recensio

Recensio

Lesejury Star
offline

Recensio ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Recensio über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.05.2022

Großartiges Kopfkino!

Der letzte Schrei
0

Willkommen in der Welt der Schönen und Reichen, der Hetero- und Homosexuellen, der Gönner und der Neider. Der Autor entführt den Leser in eine ganz besondere Szene und hat darum eine Story kreiert, die ...

Willkommen in der Welt der Schönen und Reichen, der Hetero- und Homosexuellen, der Gönner und der Neider. Der Autor entführt den Leser in eine ganz besondere Szene und hat darum eine Story kreiert, die dem Buchtitel alle Ehre macht.

Schon allein der Hauptprotagonist Oded Hefer ist ein ausgefallener Typ. Er ist ein sympathischer Detektiv und Ermittler, der den Spitznamen Wühlmaus verpasst bekam, und wird mit einem Fall vertraut, der bizarrer nicht sein könnte. Zunächst fühlt er sich wohl in der glamourösen Welt der Stars. Doch schon bald stellt er fest, dass der Fall so in Lügen verstrickt ist, dass er selbst nicht mehr weiß, wem er noch trauen kann…

Der Schreibstil war flüssig, fesselnd und dabei überaus lebhaft. Die Sprache ist hin und wieder etwas vulgär, jedoch keinesfalls obszön. Sie passt hervorragend in die Handlung und zu der jeweiligen Szenerie und hat diese für mich dadurch aufgewertet und interessanter gemacht. Oded selbst ist eine echte Diva, und ich musste das eine oder andere Mal schmunzeln. Seine Art, mit den Ermittlungen umzugehen, mag zwar eigenartig sein, aber sie ist auf jeden Fall ziemlich unterhaltsam.

Der Titel des Buches passt wie die Faust aufs Auge. Nicht nur Oded selbst ist „der letzte Schrei“, sondern auch das Milieu, in das er sich begibt. Der Einblick in die LGQBT-Community und die damit aufgezeigten Missstände haben mich zum Nachdenken gebracht. Das Ende wurde super umgesetzt, war nicht vorhersehbar und bildete den perfekten Abschluss. Ganz großes Kopfkino!

Fazit: Ein moderner, frecher Krimi, der mich bestens unterhalten hat. Er zeigt uns die Schattenseiten der glamourösen Welt der Schönen und Reichen auf und macht uns vertraut mit der neuen Sexualität des 21. Jahrhunderts. Kann ich uneingeschränkt weiterempfehlen!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.02.2022

Großartig geplotteter Pageturner

Feuer im Alten Land
0

Vorwegnehmen muss ich, dass mir Hanna Paulsens toughe Polizeireporterin Gesa Jansen bereits aufgrund des ersten Teils „Der tote Journalist“ bekannt war, man aber auch mit dem zweiten Teil „Feuer im Alten ...

Vorwegnehmen muss ich, dass mir Hanna Paulsens toughe Polizeireporterin Gesa Jansen bereits aufgrund des ersten Teils „Der tote Journalist“ bekannt war, man aber auch mit dem zweiten Teil „Feuer im Alten Land“ problemlos in die Reihe einsteigen kann. Für Neueinsteiger werden sämtliche private Hintergründe immer wieder so aufgegriffen, dass keine Verständnislücken entstehen. Gleichzeitig bleibt immer dieses kleine Fünkchen Ungewissheit, das einfach Lust auf mehr macht.

Der entscheidende Teil der Story ist natürlich der Kriminalfall, dem Gesa und ihr Kollege Björn nachgehen. Ein Feuerteufel treibt sein Unwesen im Alten Land und versetzt die Bevölkerung in Angst und Schrecken. Und das nicht zu Unrecht, wie sich bald herausstellen wird.

Wirklich brilliant und bis ins kleinste Detail intelligent durchdacht schildert Paulsen die Ermittlungsarbeit der beiden Polizeireporter. Immer wieder habe ich mich beim Lesen gefragt, wer der Feuerteufel sein könnte. Bis zum Schluss habe ich mit Gesa mitgefiebert und mitgezittert. Denn beim Lesen erfahren wir nie mehr, als Gesa selbst sieht oder erfährt. Das hält die Spannung von der ersten bis zur letzten Seite auf einem hohen Niveau.

Auch sprachlich konnte mich Hanna Paulsen wieder vollends überzeugen! Sie versteht es, ihre Leser von der ersten Seite an zu fesseln und um den Finger zu wickeln. Zudem zeichnet sie ihre Schauplätze und Figuren derart glaubwürdig, dass für mich zu keiner Zeit ein Zweifel daran bestand, dass nicht jeder von ihnen genau so an genau diesen Orten existieren könnte. Das macht die Story noch greifbarer und hat mich sogar ein bisschen beeindruckt.

Fazit: Krimi-Fans aufgepasst: „Feuer im Alten Land“ ist ein großartig geplotteter Pageturner mit einer super-coolen Protagonistin und erfrischendem Lokalkolorit. Unbedingt (zeitnah) lesen!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 28.12.2021

Geht unter die Haut

Bis einer stirbt
0

„Früher war alles besser“ – wie oft hört man diesen Satz, wie oft hat man ihn vielleicht schon selbst gedacht. Was ich mir immer wieder denke: Früher war vor allem vieles schwerer. Themen zu recherchieren ...

„Früher war alles besser“ – wie oft hört man diesen Satz, wie oft hat man ihn vielleicht schon selbst gedacht. Was ich mir immer wieder denke: Früher war vor allem vieles schwerer. Themen zu recherchieren oder auch verschiedene Produkte zu bestellen war nicht mit einem Klick erledigt, so wie es heute ist. Das macht vieles einfacher, aber auch gefährlicher – denn leider zählen Drogen zu den Dingen, an die man online problemlos gelangen kann. Isabell Beer hat ein Buch über ihre bislang längste Recherche geschrieben, in dem sie die Geschichte von Josh und Leyla erzählt, die sie online in einer Drogen-Community kennengelernt hat.

In vielen Büchern wird der Umgang mit Drogen meiner Meinung nach zu nachlässig gehandhabt. Ermittler, die meist gebrochene Existenzen sind und nur mit Hilfe von Alkohol und Tabak überleben können. Missbräuchlicher Alkoholkonsum, auch bei und von Jugendlichen, wird beschönigt oder verharmlost. Dieses Buch ist das krasse Gegenteil – weil es die Realität darstellt. Dem Leser wird gezeigt, dass es nicht DAS Ereignis gibt, welches einen in die Drogenszene abrutschen lässt. Vielmehr sind es viele kleine Gegebenheiten, die man anfangs nicht damit verknüpft. Die beiden Jugendlichen geben Einblicke in ihre Kindheit und reden generell sehr offen über die Geschehnisse.

Sehr authentisch zeigt dieses Buch, wie einfach es heutzutage ist, an Drogen zu kommen, ohne dass das Umfeld etwas davon mitbekommt. Es ist kein Bahnhof von Nöten, keine Hinterhofgasse und auch kein zwielichtiger Kiosk. Das Internet allein reicht schon aus. Mir selbst war das so gar nicht bewusst; in dieser Hinsicht hat mir die Autorin buchstäblich die Augen geöffnet. Aber auch, dass Josh und Leyla kein Geheimnis aus den Konsequenzen machen: soziale Isolation, den Drang, seine Grenzen immer ein Stückchen weiter zu drücken bis hin zum Kontrollverlust und die Selbstzerstörung, die sich jedoch erst viel später offenbart. Das zeichnet alles ein sehr reales Bild. Um dieses zu komplettieren, kommen nicht nur die beiden drogenabhängigen Jugendlichen zu Wort, sondern auch andere Betroffene und deren Eltern.

Isabell Beer ist es wichtig, Menschen und besonders Jugendliche aufzuklären. Sie möchte mit diesem Buch Lösungen vorgeben, insbesondere auch bereits abhängige Menschen zu schützen und ihnen einen sicheren Raum für den Konsum zu geben. Sie zeigt auf, dass sich die drogenpolitischen Zielsetzungen ändern müssen und auch in der Gesellschaft der Wandel von Stigmatisierung in Akzeptanz vorgenommen werden muss. Durch sogenannte „Konsumräume“ wird zum Beispiel dieser Ansatz in einigen Städten schon verfolgt.

Persönliches Fazit: Dieser Tatsachenbericht geht wirklich unter die Haut und ich brauchte viel länger für das Buch als normalerweise für andere. Ich musste es verinnerlichen, sacken lassen und darüber nachdenken, so sehr hat es mich betroffen gemacht. „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ von Christiane F. kann in den Schulen als Pflichtlektüre nun durch dieses zeitgemäße und nicht weniger erschreckende Buch ersetzt bzw. ergänzt werden.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 24.11.2021

Viele Themen wurden miteinander verbunden

New York Cannibals
0

Ich habe schon mal eine Blut- und Plasmaspende abgegeben. Warum? Um zu helfen. Würde ich das wieder tun? Natürlich! Aber wie wäre es, wenn ich es nur des Geldes wegen täte? Wenn ich Blut spenden müsste, ...

Ich habe schon mal eine Blut- und Plasmaspende abgegeben. Warum? Um zu helfen. Würde ich das wieder tun? Natürlich! Aber wie wäre es, wenn ich es nur des Geldes wegen täte? Wenn ich Blut spenden müsste, um mir Lebensmittel kaufen zu können? Und zwar so häufig, dass mein Körper immer schwächer werden würde.

Zitat Seite 45: "Als die Nahrung ausging, kam es zu Fällen von Kannibalismus."

Dies ist ein Thema von vielen, das in "New York Cannibals" aufgegriffen wird. In der primären Storyline begleiten wir die aus Japan stammende Polizistin Azami Tanaka - eine taffe, stark tätowierte und durchtrainierte Frau, die von ihrem Adoptivvater Pawel großgezogen wurde. Ihr Erscheinungsbild bringt ihr nicht nur Respekt im Gym ein, sondern auch bei ihren Kollegen und auf den Straßen. Dort, wo Azami ihr Bestmögliches tut, um für Recht und Ordnung zu sorgen. Dort, wo sie eines Tages in einer dunklen Ecke ein Baby findet und sich dazu entschließt, es zu behalten. Dass das Neugeborene und ihr Adoptivvater irgendwie in tragischer Verbindung zueinander stehen, erfährt der Leser gemeinsam mit Azami im weiteren Verlauf der Story. Einmal mehr wird einem dabei bewusst, dass Vergangenes sich nicht ungeschehen machen lässt und es Menschen gibt, denen man besser kein zweites Mal begegnet.

Das 90er-Jahre New York als Setting faszinierte mich schon in anderen Geschichten. Die markanten Merkmale der Metropole bzw. ihrer Elendsviertel spiegeln sich allerdings nur bedingt in den Illustrationen wider. Es gibt zwar Graffitis an den Wänden, schmutzige Straßen und Coca-Cola-Schilder, aber aufgrund des Buchtitels habe ich deutlich mehr Bezug (zumindest am Rande erwähnt) erwartet. Zum Beispiel bekannte Sehenswürdigkeiten wie den Central Park in Manhattan, da Azami in diesem Bezirk wohnt. Davon abgesehen hat es mir viel Spaß gemacht, in den einzelnen Szenen zu versinken und die unterschiedlichen Figuren zu betrachten. Ich mochte insbesondere die düstere Kulisse des Undergrounds.

Zitat Seite 144: "In Städten wie dieser, wo die Götter sich mit den Menschen vermischen, braucht man eine eiserne Seele, um der Faszination zu widerstehen, die ihre Kräfte ausüben."

Fazit: Gewalt, Verbrechen, Herkunft, Hautfarbe, Homosexualität, Diversität, Handicaps, Steroide... diese Graphic Novel verbindet all diese Themen gekonnt mit spannenden Thriller-Noir-Elementen und großartigen Zeichnungen. Ich habe die Geschichte im Nullkommanix verschlungen. Lesen!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 20.07.2021

Spannend, beklemmend, wow!

The Nothing Man
0

Mit "The Nothing Man" begehen wir zwei Pfade: die des Opfers und die des Täters.

Eve Blacks Familie wurde Opfer des irischen Serienmörders Jim Doyle alias The Nothing Man. Anfangs versucht Eve noch mit ...

Mit "The Nothing Man" begehen wir zwei Pfade: die des Opfers und die des Täters.

Eve Blacks Familie wurde Opfer des irischen Serienmörders Jim Doyle alias The Nothing Man. Anfangs versucht Eve noch mit allen Mitteln, ihre wahre Identität zu verbergen, doch dann stellt sie sich der Realität und schreibt ein Buch. Über alles, woran sie sich erinnern und was sie über Doyle in der Presse finden kann. Mit Hilfe des damaligen Ermittlers Edward Healy, recherchiert sie in alle erdenklichen Richtungen und kontaktiert sogar weitere Überlebende. All dies tut sie mit der Absicht, dem Nothing Man endlich ein Gesicht geben zu können. Und offenbar findet sie Gehör, denn ihre Geschichte wird prompt zu einem Bestseller. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch Jim Doyle auf dieses Buch aufmerksam wird. Wie besessen klebt er an jeder einzelnen Zeile, verfolgt seine eigene Geschichte und die seiner Opfer. Schockiert über Eves Optimismus, ihn fassen zu können, fasst er einen folgenschweren Entschluss: Sie muss sterben.

Auf den Leser warten hier jede Menge Nervenkitzel und explosive Ereignisse, die einmal mehr vor Augen führen, wie gefährlich es ist, ins Visier der falschen Person zu geraten. Ich möchte gewiss nicht mit Eve tauschen! Die Vorstellung, beobachtet zu werden, ist die eine Sache, aber wenn jemand tatsächlich versucht, mir nahe zu kommen,...

Der Autorin gelingt es mit ihrem einzigartigen Erzählstil, den Leser ins Geschehen zu integrieren und ihn an die Geschichte zu fesseln. Man springt zwischen Erzählweisen aus Opfer- und Tätersicht sowie zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her, erfährt alles, was man über die Taten des Nothing Man wissen muss. Man darf Kapitel aus Eves Buch lesen und Doyle dabei über die Schulter schauen, wie er jene selbst liest. Stets hat man das Gefühl, als sei man mittendrin, man fiebert und bangt mit, erfreut sich über jeden noch so kleinen Lichtblick und leidet bei jeder Sackgasse mit.

Catherine Ryan Howard bedient mit ihrer Geschichte auch das wachsende Interesse an True Crime und der Faszination an Serientätern, obwohl ihr Werk fiktiv ist. So hebt sich für mich ein Satz über Serientäter besonders hervor:

Zitat, S. 263: "Sie müssen es nicht tun, sie wollen es. Es gibt einen Unterschied zwischen Drang und Zwang".

Persönliches Fazit: Ein durchweg überzeugender und gelungener Thriller, der weniger auf Blut, dafür mehr auf Spannungselemente, unterschwellige Beklemmungsgefühle und Besessenheit setzt. Wow! Dies wird definitiv nicht mein letztes Buch dieser grandiosen Schriftstellerin gewesen sein. Unbedingt lesen!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere