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Veröffentlicht am 04.09.2019

Enttäuschend - wie ein besserer Groschenroman

Das Verschwinden der Stephanie Mailer
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REZENSION – Mit Spannung durfte man das neue Buch des Schweizer Schriftstellers Joël Dicker (34) erwarten. Immerhin war „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“ (2012) ein mit dem Prix Goncourt prämierter ...

REZENSION – Mit Spannung durfte man das neue Buch des Schweizer Schriftstellers Joël Dicker (34) erwarten. Immerhin war „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“ (2012) ein mit dem Prix Goncourt prämierter Weltbestseller. Auch „Die Geschichte der Baltimores“ (2016) wurde millionenfach verkauft. Doch Dickers neuester Roman „Das Verschwinden der Stephanie Mailer“ ist eine Enttäuschung.
Dabei beginnt die Geschichte um den Polizisten Jesse Rosenberg, der gerade mit Lobeshymnen aus dem Polizeidienst verabschiedet wurde, und seinen Kollegen Derek Scott recht vielversprechend: Während der Feier zu seiner Verabschiedung aus dem Polizeidienst wird Rosenberg von der Journalistin Stephanie Mailer auf seinen erste, 20 Jahre zurückliegenden Fall angesprochen, mit dessen Lösung einst die steile Karriere Rosenbergs ihren Anfang nahm. Damals sei, so behauptet Mailer nun, der falsche Mann als Täter verdächtigt und bei der Verhaftung erschossen worden. Im Sommer 1994 hatte ein Massenmord das kleine Städtchen Orphea nur wenige Tage vor der Premiere eines Theaterfestivals erschüttert. Die Familie des Bürgermeisters war im eigenen Haus erschossen worden, außerdem vor dem Haus eine Joggerin, die zufällig auf den Täter traf, als dieser des Bürgermeisters Haus verließ. Die beiden jungen Polizisten Rosenberg und Scott ermitteln und lösen den Fall. Hat sich Rosenberg damals geirrt? Als er, bei seiner Ehre gepackt, den alten Fall nun wieder aufnimmt und erneut mit Mailer Kontakt aufnehmen will, ist die Journalistin spurlos verschwunden. Tage später findet man ihr Auto, danach auch ihre Leiche.
Nun kann die Geschichte endlich losgehen, denkt der Leser und erwartet eine spannende Kriminalhandlung. Doch Dickers Roman enttäuscht gleich auf doppelte Weise: Einerseits schleppt sich die Handlung endlos dahin, ohne dass große Spannung aufkommt. Viele Randfiguren werden zudem in die Handlung aufgenommen, ohne dass deren Notwendigkeit ersichtlich ist. Damit verbunden gibt es parallele Handlungsstränge, die der Charakterisierung dieser Figuren dienen mögen, aber nichts zum Kern der Geschichte beitragen.
Andererseits fehlt nicht nur den handelnden Figuren die charakterliche Schärfe – sie sind mal fade, mal übertrieben, mal klischeehaft gezeichnet –, sondern auch sprachlich ist der Roman flach. Allzu simple Dialoge wirken stellenweise sogar lächerlich, weshalb man hin und wieder zum Abbruch der Lektüre neigt. Störend ist zudem der ständige Wechsel der Erzähler, was zusätzlich zum Wechsel zwischen den zwei Zeitebenen nicht für Spannung, sondern eher für Verwirrung sorgt.
Mehrmals habe ich meinen Entschluss, die Lektüre nun doch endlich abzubrechen, um ein paar Seiten verschoben – immer in der Hoffnung, der Roman könne sich in Dramatik und Spannung doch wohl noch steigern. Aber die Handlung zieht sich langatmig und spannungslos dahin, was man – leider erst im Rückblick – eigentlich schon vorher an seiner Überlänge von 670 Seiten hätte erkennen können. Joël Dickers neuester Roman „Das Verschwinden der Stephanie Mailer“ eignet sich vielleicht als anspruchslose Feierabend-Lektüre, unterscheidet sich aber stilistisch nicht allzu sehr von einem besseren Groschenroman.

Veröffentlicht am 15.01.2022

Nette Unterhaltung ohne literarische Nachhaltigkeit

Paul Temple und der Fall Max Lorraine
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REZENSION – Wohl nur die Älteren unter uns erinnern sich noch an die mehrteiligen TV-Krimis „Das Halstuch“ oder „Tim Frazer“, die in den 1960er Jahren mit einer heute unvorstellbaren Einschaltquote bis ...

REZENSION – Wohl nur die Älteren unter uns erinnern sich noch an die mehrteiligen TV-Krimis „Das Halstuch“ oder „Tim Frazer“, die in den 1960er Jahren mit einer heute unvorstellbaren Einschaltquote bis zu 93 Prozent den Begriff „Straßenfeger“ prägten. Diese und weitere TV-Krimiserien jener Zeit waren nach den später zu Romanen umgeschriebenen Büchern des britischen Schriftstellers Francis Durbridge (1912-1998) gedreht worden. In den 1970er Jahren folgten die 52 TV-Episoden „Paul Temple“, in denen der gleichnamige Kriminalschriftsteller mit Unterstützung der Journalistin Steve Trent, die später seine Ehefrau wird, als Privatdetektiv ermittelt.
Heute ist der in den 1950er bis 1970er Jahren erfolgreiche Francis Durbridge weitgehend vergessen, weshalb der Österreicher Georg Pagitz, der schon durch einige Aufsätze sich als Durbridge-Kenner ausgewiesen hat, den britischen Kriminalschriftsteller wieder in Erinnerung zu rufen versucht. Nach dem von ihm 2018 herausgegebenen Band „Paul Temple. Die verschollenen Fälle“ mit 20 von ihm übersetzten, vorher auf Deutsch noch unveröffentlichten Kurzgeschichten erschien nun im Dezember wieder beim Pidax Film- & Hörspielverlag mit „Paul Temple und der Fall Max Lorraine“ ein weiterer von Pagitz übersetzter, ebenfalls bisher nicht auf Deutsch veröffentlichter Durbridge-Krimi aus dem Jahr 1938. Das besondere an der Wiederentdeckung ist, dass dieser erste Fall aus der Paul-Temple-Krimireihe zugleich das Romandebüt des späteren Bestseller-Autors war, der bis dahin relativ erfolglos Lustspiele und Hörspiele verfasst hatte. Auch dieser erste Roman war erst nach Ablauf seiner zuvor im selben Jahr auf BBC gesendeten und unerwartet erfolgreichen Hörspielreihe als „Buch zum Thriller“ geschrieben worden, wobei sich der mehr auf Dialoge spezialisierte Durbridge für seine Romanfassung noch einen Ghostwriter zur Unterstützung geholt hatte.
Diese und andere überaus interessanten literaturhistorischen Hinweise erfährt man im Vorwort des Durbridge-Sohnes Nicholas sowie in den Vor- und Nachbemerkungen des Übersetzers, die in ihrer Ausführlichkeit den eigentlichen Reiz und literarischen Wert des Buches ausmachen. Denn der Kriminalroman allein entspricht keinesfalls den Ansprüchen heutiger Krimi-Leser. Deutlich sind Anleihen bei Edgar Wallace festzustellen wie unterirdische Geheimgänge, Falltüren oder sich unerwartet öffnende Wandverkleidungen, auf die wir von Georg Pagitz im Begleittext hingewiesen werden. Es ist unverkennbar, dass Durbridge in seinem 1938 erschienenen Debütkrimi sein sechs Jahre zuvor verstorbenes Vorbild Wallace stilistisch nachzuahmen versuchte.
Worum geht es nun in „Paul Temple und der Fall Max Lorraine“? Eine unheimliche Serie von Juwelen-Diebstählen hält Scotland Yard in Atem. Die Bande schreckt sogar vor Mord nicht zurück. Die Polizei tappt völlig im Dunkeln, weshalb die Presse fordert, endlich den bekannten Schriftsteller Paul Temple einzuschalten, der schon in einem früheren Fall seine Fähigkeit als Ermittler bewiesen hatte. Als der ermittelnde Superintendent Gerald Harvey in einem heruntergekommenen Gasthof erschossen wird, beginnt Paul Temple seine Ermittlung und findet heraus, dass Kopf der Bande ein gewisser „Diamantenfürst“ Max Lorraine ist.
„Ich glaube, dass dies mein bisher größter Beitrag zur Unterhaltungsliteratur werden wird, Ja, bei Timothy, dessen bin ich mir sicher“, ist Hobby-Ermittler und Autor Paul Temple von seiner Arbeit überzeugt. Ob auch Durbridge Ähnliches über seinen Debütroman gedacht hat? Aus heutiger Sicht muss Widerspruch erlaubt sein: Nicht nur stilistisch ist manches am Roman zu bemängeln, sondern die Handlung strotzt nur so von unglaubwürdigen Zufällen. Um sich bei der Lektüre den Spaß nicht zu verderben, ist empfehlenswert, nicht jede Einzelheit oder unerwartete Wendung zu hinterfragen, sondern sie so hinzunehmen, wie sie ist. Dies gilt auch für den unrealistischen Schluss. Sei's drum! Was bleibt also vom Romandebüt des damals erfolgreichen Francis Durbridge? Paul Temples erster Fall ist gewiss ein literaturhistorisch interessantes Erinnerungsstück, das man zur Entspannung lesen kann. Aber mindestens aus heutiger Sicht hat der Kriminalroman gewiss keinen nachhaltigen literarischen Wert. Ob er wohl deshalb noch nie ins Deutsche übersetzt wurde?

Veröffentlicht am 28.08.2022

Enttäuschend, voller Klischees und Banalitäten

Schatten der Vergangenheit
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Ich hatte mehr erwartet und wurde leider enttäuscht: Sowohl der Titel „Schatten der Vergangenheit“ als auch die Tatsachen, dass mit Antonio Fusco (58) ein Italiener und dazu noch hauptberuflich ein Forensiker ...

Ich hatte mehr erwartet und wurde leider enttäuscht: Sowohl der Titel „Schatten der Vergangenheit“ als auch die Tatsachen, dass mit Antonio Fusco (58) ein Italiener und dazu noch hauptberuflich ein Forensiker der italienischen Staatspolizei über die Camorra schreibt, hatten mich hoffen lassen, in dem im Juli beim Tropen Verlag veröffentlichten Roman einen spannenden, vor allem authentischen, mit Insider-Wissen gespickten Mafia-Krimi lesen zu können. Doch nichts von beidem: Der Krimi um den toskanischen Commissario Casabona in Neapel, der - natürlich! - zu Unrecht des Mordes am Liebhaber seiner Frau verdächtigt wird, wechselt zwischen Satire und Ironie, Banalitäten und Klischees. Warum Antonio Fuscos Krimis um Commissario Casabona in Italien sowohl bei Kritikern als auch beim Publikum laut Aussage des Tropen Verlags ein großer Erfolg sein sollen, ist mir zumindest nach Lektüre dieses einen Romans ein Rätsel. Vielleicht muss man Italiener sein, um dies nachvollziehen zu können. Für mich ist das Buch eine nette Feierabend-Lektüre zur geistigen Entspannung, die ihre Leser allerdings leider in keiner Weise literarisch fordert. Es gleicht eher einem Groschenroman, kann an zwei Abenden gelesen und dann bedenkenlos weggelegt werden. Die Mühe einer ausführlichen Rezension ist bei diesem Krimi überflüssig.

Veröffentlicht am 08.01.2022

Nette Unterhaltung, mehr aber nicht

Der Rabbi und der Kommissar: Du sollst nicht morden
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REZENSION – War es zeitlich so gewollt, dass ausgerechnet im Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ beim Heyne Verlag im Oktober mit „Du sollst nicht morden“ der Debütkrimi von Michel Bergmann ...

REZENSION – War es zeitlich so gewollt, dass ausgerechnet im Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ beim Heyne Verlag im Oktober mit „Du sollst nicht morden“ der Debütkrimi von Michel Bergmann (77) veröffentlicht wurde? Zumindest war der Zeitpunkt passend gewählt, ist doch Bergmanns Auftaktroman zu seiner bereits auf acht Bände ausgerichteten Krimireihe rund um das jüdische Leben in Frankfurt am Main nicht nur ein Unterhaltungsroman, sondern vermittelt zumindest ansatzweise einiges Wissenswerte über das moderne Judentum in Deutschland.
In „Du sollst nicht morden“ lernen wir den Polohemden tragenden und einen Smart fahrenden modernen und liberalen Rabbiner Henry Silberbaum kennen, der sich engagiert um seine Gemeinde im Jüdischen Gemeindezentrum Westend, um die Schüler der dortigen Schule und um die Bewohner des jüdischen Altenstifts kümmert, das man als das Budge-Seniorenheim in Seckbach erkennen darf. Als dessen Bewohnerin Ruth Axelrath kurz nach ihrer Ankündigung, ihre Vermögensverhältnisse in Deutschland klären und nach Israel zur Tochter auswandern zu wollen, überraschend stirbt, denkt der krimi-belesene Rabbi sofort an Mord, zumal die Seniorin seiner Gemeinde doch gerade erst eine Million Euro zur Gründung einer Bibliothek versprochen hatte. Bestimmte Indizien scheinen nach und nach seinen Verdacht zu stützen. Doch Kommissar Robert Berking, der den Rabbi erst kürzlich nachts auf dem jüdischen Friedhof irrtümlich festgenommen hatte, vermisst eindeutige Beweise, um offiziell Ermittlungen aufnehmen zu können. So muss sich Rabbi Silberbaum zwangsläufig allein des vermeintlichen Mordfalles annehmen, nur gelegentlich vom Kommissar mit Tipps unterstützt.
"Mein Bestreben ist es, den Juden ein Recht auf Durchschnittlichkeit zu geben. Und zu sagen: Schaut her, ja, es ist nichts Besonderes, Jude zu sein", hat sich Michel Bergmann mal in einem Interview zu seinem Roman geäußert. Als Kind internierter jüdischer Flüchtlinge in der Schweiz geboren, verfügt der in Frankfurt aufgewachsene Autor sicher über gute Voraussetzungen, darüber zu schreiben. Insofern hätte ihm mit seiner Krimireihe „Der Rabbi und der Kommissar“ ein Kleinod in der weiten Krimi-Landschaft gelingen können. Wer allerdings die Bücher von Salcia Landmann kennt oder die von Friedrich Torberg übersetzten Werke Ephraim Kishons schätzt, stellt zu hohe literarische Erwartungen an Bergmanns Roman. Wer diesen Roman andererseits nur als schlichten Krimi liest, dem drängt sich unwillkürlich der Vergleich mit dem gewitztem Pater Brown auf, wenn der Rabbi sich zu rechtfertigen versucht: „Einige Fakten zu ignorieren ist keine Lüge.“ Doch auch hier unterliegt Rabbi Silberbaum im literarischen Vergleich: Die Handlung ist zu dünn, die Sprache zu schlicht und reicht stellenweise bis in die Niederungen von Plattitüden: „Du bist fit wie ein Turnschuh.“
Zweifellos ist der Rabbi eine interessante Ausnahme unter den literarischen Ermittlern. Doch auch hier gelingt Bergmann nicht der große Wurf. Zwar findet man hin und wieder den in jüdischen Witzen geschätzten Sarkasmus: „Ist mit ihr gereist, bis nach Auschwitz. Und sogar wieder zurück!“ Doch allzu banal wirken dann die vom Rabbi erzählten, zusammenhanglos in den Text eingestreuten Judenwitze. Anzuerkennen ist der Versuch, uns einige antisemitische Vorurteile unter die Nase zu reiben: „Nu sei nicht so geizig, aber so seid ihr Juden!“ Doch warum muss Bergmanns Mordopfer ausgerechnet eine Multimillionärin sein? Stützt er damit nicht selbst eines dieser unsäglichen Vorurteile?
Trotz der durchaus wissenswerten Einschübe über das Judentum, wobei sich der Autor auf die reformierte, in Deutschland vorherrschende liberale Strömung beschränkt, und eines Glossars mit Übersetzung der im Text vorkommenden jiddischen Begriffe kann ich den uneingeschränkt positiven Bewertungen mancher Rezensenten nicht zustimmen: „Du sollst nicht morden“ hat eine inhaltlich überschaubare, auf 280 Seiten gedehnte Handlung, der es leider an Dramatik und Spannung fehlt. Nur dank mancher ironischer, auch sarkastischer Passagen ist das Buch ein netter Unterhaltungsroman. Ob sich allerdings eine mehrbändige Reihe zu lesen lohnt, muss der Autor, von dem man doch weitaus Besseres kennt, erst noch beweisen.

Veröffentlicht am 13.04.2020

Gut geschrieben, aber mir fehlte die Spannung

Maigret in der Liberty Bar
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Bisher kannte ich keinen der 120 Romane und 150 Erzählungen des Belgiers Georges Simenon (1903-1989), weder einen seiner Krimis mit dem ewig Pfeife rauchenden Kommissar Maigret noch einen seiner Non-Maigret-Romane. ...

Bisher kannte ich keinen der 120 Romane und 150 Erzählungen des Belgiers Georges Simenon (1903-1989), weder einen seiner Krimis mit dem ewig Pfeife rauchenden Kommissar Maigret noch einen seiner Non-Maigret-Romane. Nachdem ich nun dank eines Überraschungspakets des Atlantik-Verlags, der gerade die Neuübersetzungen Simenons herausbringt, zunächst den 1948 erstmals und nun im November 2019 veröffentlichten Roman "Der Schnee war schmutzig" gelesen hatte - ganz ohne Maigret und kein Krimi -, der mir ausnehmend gut gefallen hatte und den ich sehr gern weiterempfehle, las ich nun den bereits 1932 erstmals und nun im Februar 2020 in neuer Übersetzung erschienenen Krimi "Maigret in der Liberty Bar": Der Mord an einem Australier führt Kommissar Maigret an die Côte d’Azur, wo er sich im milden Mittelmeerklima wie im Urlaub fühlt. Erst nach dem Anblick des Toten, der ihm verblüffend ähnelt, beginnt sich Maigret für den Mann zu interessieren, der für den französischen Geheimdienst arbeitete, mit zwei Frauen zusammenlebte und Verbindungen in eine seltsame Bar hatte - die Liberty Bar. Auch in diesem Maigret-Krimi liegt der Schwerpunkt des Romans [wie angeblich bei den anderen Maigret-Romanen auch] weniger auf äußerer Handlung als auf dem inneren Prozess Maigrets, der zunächst einmal das Geschehen zu verstehen versucht. Nach einigem Hin und Her ist die Tat endlich aufgeklärt, doch am Ende gibt es keine Verhaftung, sondern Maigret überlässt die Täterin ihrem ohnehin schweren Schicksal. Ist "Maigret in der Liberty Bar" nun einer von Simenons schwächeren Krimis? Ich hatte mir nach meinem ersten Simenon-Roman (siehe oben) jedenfalls mehr vom berühmten „Maigret“ versprochen. Stellenweise langweilte mich der Krimi sogar. Liegt es vielleicht am Alter des Krimis, der immerhin vor fast 90 Jahren geschrieben wurde? Mag sein. Heutzutage verlangt man nach mehr Tempo, mehr Action, noch mehr Psycho – alles dies fehlte mir hier. Der Roman schien mir zudem nicht schlüssig, die Auflösung allzu überraschend. Nach diesen zwei Erfahrungen kann ich mir durchaus vorstellen, einen weiteren Non-Maigret-Roman von Georges Simenon zu lesen, einen weiteren "Maigret" aber wohl eher nicht.