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Veröffentlicht am 30.05.2022

Neue aufregende Ereignisse um die Hafenärztin im Hamburg der Kaiserzeit

Die Hafenärztin. Ein Leben für das Glück der Kinder (Hafenärztin 2)
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Nach den schrecklichen Ereignissen im November 1910 ist das Leben für die Ärztin Anne Fitzpatrick, die Pastorentochter Helene Curtius und den Kriminalkommissar Berthold Rheydt in Hamburg weiter gegangen. ...

Nach den schrecklichen Ereignissen im November 1910 ist das Leben für die Ärztin Anne Fitzpatrick, die Pastorentochter Helene Curtius und den Kriminalkommissar Berthold Rheydt in Hamburg weiter gegangen. Im März des Jahres 1911 steht Helene kurz vor dem Abschluss im Lehrerinnenseminar und macht ein Praktikum in den Auswandererhallen von Albert Ballin auf der Veddel, wo auch Anne neben ihrer eigenen Praxis als Urlaubsvertretung arbeitet. Als das erste Kind stirbt, denkt man sich noch nichts Schlimmes - das passiert eben. Als das zweite stirbt, glaubt man an eine Choleraepidemie, doch Anne kennt die Symptome, diese sind anders. Alles deutet auf eine Vergiftung hin. Sie beginnt eigene Forschungen anzustellen. Gleichzeitig wird Berthold ins Verbrecherviertel gerufen: Ein jüdischer Krimineller wurde ermordet, neben ihm ein Giftkoffer. Außerdem verschwindet ein jüdisches Auswanderermädchen und eine Gruppe junger Frauen macht mit Überfällen von sich reden. Hängt dies alles zusammen, und können die drei, ähnlich wie im November, ihre Kräfte vereinen und gemeinsam dieses Wirrwarr lösen?

Packend geschriebene, spannende Fortsetzung des ersten Bandes um die Hafenärztin Anne Fitzpatrick, die mit Helene und Berthold zwei ebenbürtige, starke Charaktere an ihrer Seite hat. In bewährter Manier verknüpft die Autorin sehr gekonnt verschiedene Handlungsstränge, die erst einmal nichts miteinander zu tun zu haben scheinen, und erzählt aus den Perspektiven der drei Hauptprotagonisten Anne, Helene und Berthold eine stringente und homogene Geschichte. Dabei bleibt sie ihrem Stil treu und verwebt einen Kriminalfall im “Milieu" und den damit einher gehenden Ermittlungen der Kriminalpolizei mit den Erlebnissen der aufstrebenden Bürgerstochter Helene und der für Frauenrechte kämpfenden Ärztin Anne und zeigt dabei durchaus auch gesellschaftskritische Ansätze, indem sie etwa den menschenverachtenden Umgang mit den Auswanderern oder den bereits zutage tretenden Antisemitismus aufzeigt. Wie im ersten Band verlaufen die Ereignisse zunächst parallel und werden aus den drei verschiedene Sichtweisen erzählt, ohne jedoch inhaltlich etwas zu wiederholen. Der Leser erhält so Einblicke in das Familienleben Helenes und das Seelenleben und die Gedankenwelt aller drei Hauptfiguren. Nach und nach verbinden sich dann die Erzählstränge miteinander, in dem Maße wie die Protagonisten miteinader interagieren und sich über ihre Erkenntnisse austauschen. Im Vordergrund steht hierbei nicht nur ein Aspekt, etwa die Ermittlungsarbeit oder nur gesellschaftliche Belange, vielmehr ergibt sich aus allen Aspekten ein großes Ganzes. Die Fälle selbst nehmen jedoch gehörig Fahrt auf und sind komplexer als zunächst angenommen.

Mir gefallen nach wie vor alle drei Protagonisten ganz hervorragend, wie schon im ersten Band lebte ich sofort mit allen dreien intensiv mit. Mich begeisterten Helenes Energie und Empathie ebenso sehr wie Bertholds Hartnäckigkeit und Verletzlichkeit und Annes ärztliches Können. Obwohl sie aus drei unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten kommen und diese auch verkörpern, bündeln sie ihre Kräfte für den Kampf um Gerechtigkeit, so dass die Klassenunterschiede nach und nach verschwimmen. Ein jeder hat sein Päckchen zu tragen, selbst die unverbrauchte Helene, und als vielschichtige und intelligente Persönlichkeiten, die sie alle sind, reflektieren sie permanent ihr Tun und hinterfragen die bestehende Ordnung. Alle hängen in ihren Metiers neuen Methoden und Denkweisen an und brechen aus starren Strukturen aus. Schön fand ich außerdem, dass auch die Polizeitruppe um Rheydt zueinander findet und deren Geschichte ebenfalls weiter erzählt wird. Auch wenn die Nebenfiguren neben den drei Hauptpersonen mitunter ein wenig verblassen, sind sie doch gut charakterisiert und sie tragen maßgeblich zum Handlungsfortschritt bei. Der Mordfall, das verschwundene Mädchen, die geheimnvolle Frauentruppe - all das ist in sich spannend und ich fand es sehr schlüssig und gekonnt, wie die Autorin alles zu einem großen Ganzen verknüpft.

Fazit: Sehr gut gelungene Fortsetzung der Hafenärztin Anne und ihre Mitstreiter Helene und Berthold, die sich wieder ausgesprochen flüssig und eingängig lesen lässt und sofort fesselt. Meines Erachtens lässt sich zwar Band 2 auch ohne Kenntnis von Band 1 lesen, es werden durchaus knappe Rückblenden gegeben, aber erstens ist es schade um die schöne Geschichte, die man verpassen würde, und zweitens trifft man als geneigter Leser lieb gewonnene Figuren wieder, deren Leben weitergeführt wird, und man versteht die Hintergründe der Figuren sehr viel besser. Die Autorin hat eine schönen, gut zu lesenden Schreibstil, besticht durch authentische Beschreibungen des historischen Hamburgs und der gesellschaftlichen Gegebenheiten und haucht ihren Figuren viel Leben ein. Der Kriminalfall ist zur Zufriedenheit gelöst, die Geschichte um Anne, Helene und Berthold jedoch geht weiter!

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Veröffentlicht am 26.04.2022

Mehrere Kriminalgeschichten in einem Buch – Horowitz at its best!

Der Tote aus Zimmer 12
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Da bekommt man etwas für sein Geld! Gleich mehrere Kriminalgeschichten vereint dieser Band. Aber von Anfang an: Susan Ryeland hat sich nach dem verstörenden Todesfall ihres Erfolgsautors Alan Conway aus ...

Da bekommt man etwas für sein Geld! Gleich mehrere Kriminalgeschichten vereint dieser Band. Aber von Anfang an: Susan Ryeland hat sich nach dem verstörenden Todesfall ihres Erfolgsautors Alan Conway aus dem Verlagsgeschäft zurückgezogen und führt nun ein Hotel auf Kreta mit ihrem griechischen Lebensgefährten Andreas. So richtig prickelnd läuft es nicht. Da kommt ihr der Auftrag des Hotelehepaares Treherne gerade recht: Sie soll herausfinden, was das Verschwinden der Treherne-Tochter Cecily mit einem Band von Conways Atticus-Pünd-Reihe zu tun hat. Es winken Abwechslung und jede Menge Geld. Leider gestalten sich die Ermittlungen weitaus schwieriger als gedacht und Susan gerät in einen Sumpf aus Intrigen und Lügen und in Lebensgefahr.

Besser geht es nicht: ein unglaublich intelligenter, raffiniert verschachtelter und hervorragend geschriebener Kriminalroman. Der Autor versteht es blendend, eine Geschichte in die andere einzubetten, ohne langatmig oder zwanghaft konstruiert zu wirken. Dabei bedingt eine Geschichte die andere, sie bauen aufeinander auf und brauchen einander wie der Fisch das Wasser. Zunächst einmal kommt das Hardcover als schön gebundenes Buch mit sehr gelungen gestaltetem Einband daher. Die fortlaufenden Kapitel sind mit treffenden Überschriften versehen. Dieser Stil wird bei der im Buch eingebetteten Atticus unterwegs-Geschichte fortgeführt und auch danach beibehalten. Ein Fall ergibt sich aus dem anderen: Der Atticus-Roman aus dem Mord an Frank Parris vor acht Jahren und Cecilys Verschwinden, das Susan untersuchen soll, wiederum aus dem Lesen des Atticus-Romans. De facto hat Susan also zwei Fragen zu klären: Ist der Verurteilte schuldig oder unschuldig und was geschah mit Cecily?

Susans Ermittlungen beginnen recht harmlos, sie bekommt eine Suite im renommierten Hotel der Trehernes, freie Kost und Logis und die Möglichkeit mit allen Beteiligten zu reden. Nebenbei spricht sie mit jeder Menge Bekannten und merkt, wie sie das Verlagswesen und London vermisst hat und hinterfragt ihr Leben und ihre Beziehung zu Andreas. Als Charakter ist sie dennoch nicht übertrieben emotional, eher rational und strukturiert, ihr Verstand arbeitet analytisch, sie verliert ihr Ziel nie aus dem Blick und entspricht hierin ihrem Pendant Atticus Pünd. Beide gehen empirisch vor und finden noch die kleinste Abweichung und Besonderheit und den geringsten Widerspruch in einer Aussage. Bis sie – und damit der Leser – Atticus unterwegs liest, vergeht geraume Zeit, in der sie Aussagen und Eindrücke sammelt. Dies ist notwendig, um die Zusammenhänge zu verstehen und die Verbindungen zwischen den Fällen herzustellen. Susan schaut jedoch über den Tellerrand und muss in diesem Fall noch weiter als die acht Jahre bis zum Mord zurückgehen. Hierbei kommt ihr zugute, dass sie den Autor Conway fast so gut kannte wie sich selbst und noch immer sehr gute Kontakte zu seinem näheren Umfeld hat. Conway, nicht gerade ein sympathischer Zeitgenosse, aber ein kluger Beobachter, hat jede Menge Hinweise hinterlassen. Diese zu erkennen und die Schlüsse daraus zu ziehen kostet Susans ganze Konzentration. Beides sind starke Persönlichkeiten, Susan ist aber in der Geschichte die hauptsächlich agierende Protagonistin, auf die sich die Handlung fokussiert und aus deren Sicht erzählt wird. Dementsprechend lebt und ermittelt man sehr intensiv mit ihr mit, am liebsten würde man sich einklinken und mit ihr die Fakten durchgehen. Der Geist Conways scheint dennoch immer über allem zu schweben. Susan übernimmt sogar – wenn auch nicht ganz freiwillig - seine Vorliebe, am Schluss die Hauptakteure zu versammeln und in einer ausführlichen Rede die Lösung zu präsentieren. Hierbei wird deutlich, dass jedes noch so kleines Detail, das Susan zusammengetragen hat, wichtig war, und jedes Gespräch, das sie geführt hat, etwas zur Lösung beigetragen hat.
Es ist meines Erachtens für den Leser durchaus von Vorteil, den Vorgänger-Band Die Morde in Pye Hall zu kennen, denn es gibt einige Verweise, man kennt einfach die Charaktereigenschaften und das Verhältnis von Susans und Conway. Zwangsläufig schienen mir die weiteren Protagonisten schwächer dargestellt zu sein, es gibt jedoch bei allen sehr klar zugewiesene Eigenschaften mit hohem Wiederkennungswert und viele Protagonisten, die sehr vielschichtig und interessant gezeichnet sind, zum Beispiel Cecilys Schwester Lisa oder der zuständige Ermittler Locke.

Fazit: Eine großartige Kriminalgeschichte verwoben mit einer klassischen Detektivgeschichte mit starker Heldin, die Spürnasenqualitäten aufweist und sich nicht ins Bockshorn jagen lässt. Man fiebert von der ersten Zeile an mit und es wird dringend empfohlen, das Ganze sehr aufmerksam zu lesen und sich nichts entgehen zu lassen. So erschließt sich einem nach und nach eine stringente und klug konstruierte Geschichte, die ungemein fesselt und einen nicht mehr loslässt.

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Veröffentlicht am 28.03.2022

2. Fall für den Ermittler im Zeugenschutzprogramm

Die andere Schwester
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Der ehemalige FBI-Agent John lebt nach wie vor im Zeugenschutzprogramm unter dem Namen Fredrik Adamsson in seiner Heimatstadt Karlstadt in Schweden unter ständiger Angst, dass seine wahre Identität auffliegt ...

Der ehemalige FBI-Agent John lebt nach wie vor im Zeugenschutzprogramm unter dem Namen Fredrik Adamsson in seiner Heimatstadt Karlstadt in Schweden unter ständiger Angst, dass seine wahre Identität auffliegt und er von dem Drogenboss, den er hinter Gitter gebracht hat, aufgespürt wird. Sein neuer Fall führt ihn zu einem online-Datingportal, geführt von zwei ungleichen Schwestern, von denen eine brutal ermordet wird. Gleichzeitig kontaktiert ihn sein Freund und ehemaliger Undercover-Partner Trevor – angeblich hat er Krebs und will sich verabschieden. Da wird ihm auch noch die Stockholmer Ermittlerin Mona vor die Nase gesetzt, eine, die die Wahrheit um jeden Preis herausfinden will und die seinen Hintergrund kennt. John will nur noch eines: den Fall schnell zu Ende bringen und sich danach absetzen…

Zweiter Band um den Ermittler John, den seine Vergangenheit einholt und dessen Leben einmal mehr auf Messers Schneide steht. In bewährter Manier treiben die Autoren sowohl Protagonisten als auch Leser durch den Plot und halten die Spannung von der ersten bis zur letzten Zeile immens hoch. Das Gefühl, durch die Geschichte geradezu rennen zu müssen, wird durch die Kompaktheit der Handlung und die Straffung des Geschehens auf sieben Tage noch gefördert. In diesem Band wird zudem noch deutlicher, dass John ein Getriebener und Gejagter ist, der sein Leben aufgrund seiner Situation als Einzelgänger fristet, sich kaum weder auf berufliche noch private Kontakte einlassen will und dessen Streben einzig und allein darauf ausgelegt ist nicht aufzufliegen.

Der eigentliche Fall um die tote Firmenchefin Stella ist einigermaßen komplex, die Lösung lässt sich aber durch die Informationen, die man als Leser durch Alicias Perspektive erhält, erahnen. Hierbei wird die zusätzliche Spannung durch die Erzählperspektive der „anderen Schwester“ Alicia befeuert sowie durch die Einschübe aus deren Erinnerungen – natürlich will man als Leser wissen, was damals geschah und wie sich dies in die Gegenwart auswirkt. Alicia ist ebenso eine Getriebene wie John, ich fand zwischen den beiden durchaus einige Parallelen. Beide sind einzelgängerische Charaktere mit schwierigen Persönlichkeiten, hochintelligent, aber mental angeschlagen, sie öffnen sich nur schwer, haben aber eine große Sehnsucht nach Nähe und Vertrauen. Sie sind weder Gegenspieler noch bewusste oder unbewusste Partner, und doch sind sie vereint in einem gegenseitigen Interesse Taten zu verschleiern. Sie sind auch bei weitem nicht die reinen Sympathieträger. Alicia handelt durch ihre psychische Labilität trotz hoher Intelligenz emotional und aus dem Affekt heraus, und ihre Taten sind nicht immer nachvollziehbar, aber durch den Drang zu überleben erklärbar. John andererseits ist kühl und analytisch und seinem Überlebensinstinkt ordnet er skrupellos alles unter, auch die Freundschaft mit Trevor. In dem Moment, in dem er sich für die Manipulation der Beweise entscheidet, verknüpfen sich seine Taten mit denen Alicias, verknüpfen sich ihrer beider Leben und die beiden Handlungsstränge, der des Mordes und der um Johns bedrohtes Leben im Zeugenschutzprogramm. Seine Handlungen und Entscheidungen konnte ich, auch wenn sie oftmals schockierend waren, doch nachvollziehen, ich fand sein strategisches und analytisches Planen genial und sein blitzschnelles Einstellen auf neue Situationen und Herausforderungen geradezu bewundernswert.

Fazit: Ebenso wie die Charaktere polarisieren tut es auch der Schluss. Dieser Thriller ist weniger Detektivgeschichte oder Gut gegen Böse als vielmehr Psychospiel und Charakterstudie. Von Schreibstil und Machart her bleibt man sich treu, der durchaus blutrünstige und reißerische Plot wird kompensiert durch die in meinen Augen hervorragende psychologische Spannung, die hier einmal durch Johns Situation als Verfolgter im Zeugenschutz und durch Alicias Zerrissenheit und Wut bei gleichzeitig großer Verletzlichkeit entsteht. Alles in allem ein sehr guter und spannender Band, den ich allen Thrillerfans wärmstens ans Herz legen kann.

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Veröffentlicht am 03.02.2022

Der Donnerstagsmordclub – Mafia und Geheimdienst haben keine Chance!

Der Mann, der zweimal starb (Die Mordclub-Serie 2)
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Das Leben in Coopers Chase plätschert gerade so ein bisschen vor sich hin, als Elizabeth einen Brief von einem Toten erhält. Dem muss sie natürlich nachgehen und sieht sich ihrem Ex-Kollegen vom Geheimdienst ...

Das Leben in Coopers Chase plätschert gerade so ein bisschen vor sich hin, als Elizabeth einen Brief von einem Toten erhält. Dem muss sie natürlich nachgehen und sieht sich ihrem Ex-Kollegen vom Geheimdienst gegenüber, der sich mächtig in Schwierigkeiten gebracht hat: Er hat nämlich Diamanten im Wert von 20 Millionen mitgehen lassen, die der New Yorker Mafia gehören, und die wollen die Steinchen dummerweise zurück, sonst droht Ungemach. Versteht sich von selbst, dass Elizabeth den Donnerstagsmordclub einschaltet, zusammen wird man das Ding schon schaukeln, da hält einen auch kein MI5 oder 6 ab. Man hat aber noch ein anderes Problem: Ibrahim vom Donnerstagsmordclub wurde überfallen und ist nicht ganz auf der Höhe, und dieser Schurke läuft ebenfalls noch frei herum...

Einfach herrlich, dieser zweite Fall für das Quartett! Je mehr ich über sie lese, desto weniger kann ich genug von diesen vier Senioren bekommen. Möglicherweise ist dieser zweite Fall als Krimi sogar noch besser, denn er ist recht komplex und es ist bei Weitem nicht immer so klar, ob das alles gut geht. Und dann ist da natürlich noch der zweite „Fall“, der Anschlag auf Ibrahim, der einen emotional weit mehr erschüttert. Es gibt auch ganz schön viel Geballere und jede Menge Leichen, ganz nach guter alter Mafia-Manier, also für zarte Gemüter ist es jetzt auch nichts. Der Autor bleibt sich und seinem Stil zum Glück treu und führt uns arme Leser auf falsche Fährten, verwirrt uns mit verschiedenen Erzählsträngen und Perspektiven, fügt zudem noch eine gute Prise Romantik dazu und garniert das Ganze mit seinem unverwechselbaren Humor. Ich habe mehr als einmal hell aufgelacht und debil gekichert, war betroffen und manchmal geschockt und manch lauten Kommentar konnte ich mir auch nicht verkneifen.

Die vier Musketiere halten zusammen wie Pech und Schwefel und jeder trägt seinen Teil zum Gelingen bei. Am meisten begeistert mich jedoch nach wie vor der Scharfsinn Elizabeths und die Miss Marple-Schläue von Joyce, die immer wieder für Überraschungen sorgen, vor allem natürlich, weil sie immer unterschätzt werden. Diesmal, so fand ich, kam das Zusammenspiel der vier und auch das mit ihren getreuen Helferlein sehr viel besser rüber. Die Charaktere und ihre sehr spezielle Persönlichkeit, ihre Eigenheiten und Stärken werden weiter ausgearbeitet und spielen eine große Rolle bei den Ermittlungen. Überhaupt liegt ein großer Fokus bei der Ermittlungsarbeit, es wird nichts dem Zufall überlassen, und das Ergebnis wird oft durch skurrile und nicht immer legale Methoden erreicht. Ein weiterer neuer Aspekt ist, dass die Handlung weiträumiger wird, heißt, die kriminellen Elemente sind nicht nur in der Nähe, und dementsprechend muss man eben auch öfter aus Coopers Chase hinaus.

Die Geschichte fliegt sehr rasant dahin, es gibt schnelle Wechsel, man erfährt immer neue Dinge aus verschiedenen Perspektiven und erst ein paar Leichen und Verhaftungen später entwirrt sich das Knäuel dann endgültig. Sehr schön fand ich auch den Ausbau der privaten Angelegenheiten, dies gibt den Figuren noch mehr menschlichen Tiefgang und Authentizität und bindet die Nebenfiguren – so es denn welche sind – stärker in das Geschehen ein. Es ist eben nicht nur der Fixstern Elizabeth, um den alle kreisen, auch wenn sie die Fäden in der Hand hält. Die Gliederung in drei Teile macht den Überschriften entsprechend durchaus Sinn, ist aber streng genommen nicht nötig, die Geschichte läuft in einem durch. Einschübe aus Joyces Tagebuch geben nötige Hintergrundinformation und verraten auch einiges über das eigentliche Geschehen hinaus.

Fazit: Mehr davon, und zwar schnell! Es ist einfach ungeheuer unterhaltsam, spannend, rührend, köstlich, wie die vier Senioren sich einmischen, ihre Fälle lösen und Gerechtigkeit walten lassen. Meiner Meinung nach hat sich der Autor sogar noch gesteigert, er baut seine Figuren und seine Handlung aus, wird politischer und international. Ich hoffe doch sehr, dass er sein Pulver noch nicht verschossen hat und es bald neue Fälle für den Donnerstagsmordclub gibt!

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Veröffentlicht am 27.01.2022

Gala und Salvador – eine unvergleichliche Liebe

Gala und Dalí – Die Unzertrennlichen
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Als Gala Éluard mit ihrem Mann ins Fischerdörfchen Cadaqués nach Spanien reist, ahnt sie nicht, dass dies ihr Leben grundlegend verändern wird. Als Muse des Dichters hofft sie, dass er seine Schreibblockade ...

Als Gala Éluard mit ihrem Mann ins Fischerdörfchen Cadaqués nach Spanien reist, ahnt sie nicht, dass dies ihr Leben grundlegend verändern wird. Als Muse des Dichters hofft sie, dass er seine Schreibblockade überwindet, aber andererseits fühlt sie sich in ihrer eingefahrenen Ehe gefangen. Als sie den zehn Jahre jüngeren Maler Salvador Dalí kennenlernt, ist sie zunächst mäßig begeistert, denn er ist schüchtern, verklemmt, ein Hinterwäldler. Für Dalí hingegen ist es Liebe auf den ersten Blick und er tut alles, um ihr zu gefallen. Das Wunder geschieht: Gala verliebt sich in ihn – der Beginn einer fruchtbaren und intensiven Beziehung voller Leidenschaft und Schaffenskraft.

Großartiger, biografisch gefärbter Roman über das Kennenlernen und die intensiven zwei Anfangsjahre von Dalí und Gala Éluard und der Beginn ihrer sowohl kreativ als auch materiell sehr fruchtbaren Beziehung. Man hat das Gefühl, da haben sich zwei gefunden, die sich perfekt ergänzen, obwohl sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Auf der einen Seite der aufgrund seiner Kindheit und Erziehung verklemmte und konservative Dalí, der irgendwo zwischen Pubertät und Erwachsensein stecken geblieben ist, auf der anderen die weltgewandte, sexuell befreite russischstämmige Lebedame, die das Luxusleben liebt und in der Pariser Künstlerwelt zu Hause ist. Dalí, der nur malen will und dem Geld und materieller und gesellschaftlicher Status nichts bedeuten, findet in Gala aufklärerische Geliebte, fürsorglich-mütterliche Ehefrau, inspirierende Muse und hart verhandelnde Managerin. Mit ihr und durch sie werden Dalí und seine Bilder weltberühmt.

Gala selbst kann man gar nicht genug bewundern. Auf Bildern wirkt sie gar nicht einmal wie eine Filmstarschönheit, aber sie muss immenses Charisma und eine große Sinnlichkeit besessen und auf Männer wie ein Magnet gewirkt haben. Im Buch wird sie als ein zwiespältiger und komplexer Charakter dargestellt, aufgewachsen und geprägt im zaristischen Russland, das sie weitgehend aus ihren Gedanken verbannt hat. Eine Frau, die sich voll und ganz ihren sexuellen Neigungen und dem ausschweifenden Künstlerleben hingibt und die dennoch als Muse und knallharte Geschäftsfrau alles für den kommerziellen Erfolg des Künstlers Dalí tut. Sie gibt für ihn ihr komfortables Leben an der Seite Éluards auf, weil sie spürt, dass Dalí ein von seiner Kunst Besessener ist, anders als bei ihrem Mann, für den sie nur Zeitvertreib zu sein schein – meines Erachtens ein Hauptgrund, warum es sie zu Dalí hinzieht. Dafür nimmt sie aufopferungsvoll in Kauf, von der Hand in den Mund, in einer armseligen Fischerhütte und in Paris in schäbigen Mietwohnungen zu leben, bei potenziellen Mäzenen Klinken zu putzen, ihren Schmuck zu versetzen und in der Welt der Reichen und Schönen unter Geheimhaltung ihrer eigenen prekären Lage Dalís Kunst bekannt zu machen. Mit ihrem Wesen und ihrer Lebensart steht sie außerdem in direktem Gegensatz zur strenggläubigen, konservativem und patriarchalisch dominierten Familie Dalís, vor allem zu seiner Schwester, die Dalí in – so wird angedeutet – nahe inzestuöser Liebe verbunden ist. Gala wird zur verruchten Hexe, die die Familie zerstört und den Sohn in ihrem Sumpf mit hinabzieht.

Formal ist das Buch in drei Teile aufgeteilt, die die Geschichte thematisch unterteilen, auch wenn sie chronologisch erzählt wird. Der erste Teil beendet die Phase des Kennenlernens mit der kurzzeitigen Trennung, Teil zwei erzählt das erneute Zueinanderfinden und der Versuch sich zu etablieren und Teil drei beschreibt den Beginn des Erfolges. Liegt in der ersten Hälfte des Buches der Fokus klar auf Gala und Dalís Liebe, so konzentriert sich das Geschehen mehr und mehr auf Dalís Kunst, bis der Leser zuletzt gar Zeuge bei der Schaffung eines von Dalís Meisterwerken wird. Auch wenn die Autoren im Nachwort zugeben, dass sie die eine oder andere Zeitangabe zugunsten der Geschichte ein wenig angepasst haben, hat man doch stark das Gefühl, wirklichen Begebenheiten beizuwohnen. Gala und Dalí, die uns abstrakt und weit weg erscheinen, werden zu realen Menschen mit Gefühlen, Zweifeln und großen (Zukunfts-)Ängsten. Die Autoren zeichnen nicht nur die Persönlichkeiten Galas und Dalís akkurat nach, sie setzen sie in den Kontext ihrer Herkunft und ihrer Zeit, die sie geprägt haben, sie zeigen auf, wie revolutionär ihre Ansichten, wie zukunftsweisend Dalís Kunst und wie wichtig Galas Rolle bei Dalís Entwicklung waren. Spritzige, aber auch tiefgründige Dialoge und ein ungeheuer eingängiger Erzählstil machen diese Geschichte zu einem ungeheuren Lesevergnügen, das nachhallt und das Lust macht, sich eingehender mit den beiden zu beschäftigen.

Fazit: Diese Geschichte hat alles, was das Herz begehrt, aber vor allem anderen ist sie die einer ganz großen Liebe. Sie ist zugleich lehrreiche Literatur und großartige Unterhaltung. Ein gewisses Interesse an Kunst und der Künstlerszene, an deren Ansichten und an historischen Hintergründen sollte vorhanden sein. Die Autoren schaffen es, uns sowohl den großen Künstler als auch die starke Frau an seiner Seite nahe zu bringen, ohne die er wohl nie geworden wäre, was er ist: einer der größten Maler unserer Zeit.

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