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Veröffentlicht am 04.03.2022

Spurenleger

Die Theologie des Wildschweins (Ein-Sardinien-Krimi 1)
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Auf Sardinien zur Zeit der ersten Mondlandung sind Gesuino und Matteo beste Freunde. Die beiden 11jähren verstehen sich oft ohne Worte. Gesuino hat wegen einer Erkrankung Mühe zu reden. Doch er schreibt ...

Auf Sardinien zur Zeit der ersten Mondlandung sind Gesuino und Matteo beste Freunde. Die beiden 11jähren verstehen sich oft ohne Worte. Gesuino hat wegen einer Erkrankung Mühe zu reden. Doch er schreibt Dinge auf, die er allerdings schnell wieder vergisst. Dann wird Matteos versoffener Vater tot aufgefunden. Der örtliche Pfarrer, der Matteo zu Schutz unter seine Fittiche genommen hat, versucht seinen Schützling zu trösten. Aber noch am gleichen Tag erhängt sich die Mutter des Jungen. Tragischer kann es für Matteo kaum sein und er bespricht sich mit Gesuino. Plötzlich ist ist auch Matteo verschwunden.

Ein kleiner Ort auf Sardinien, die Bewohner bilden eine verschworene Gemeinschaft, die nach außen schweigt und nach innen ihre Angelegenheiten selbst regelt. Da hat der hinzu versetzte Polizist aus Norditalien keine Chance. Noch müht er sich mit der sardischen Sprache ab, die eine richtige Sprache ist und kein bloßer Dialekt. Es ist Sommer und es ist heiß. Hat das etwas dazu geführt, dass der Polizist einen neuen Fall zu seinen ungeklärten Fällen packen muss. Hoffentlich ist Matteo wirklich nur weggelaufen und nicht auch noch entführt. An Kindern vergreift man sich einfach nicht, das wissen alle im Dorf.

Der Titel des Buches weckt die Neugier des Lesers. Und auch der gewählte Schauplatz regt die Phantasie an, Sardinien, da würde man gerne mal Urlaub machen. So ganz hält der Roman nicht, was er verspricht. Die unterschiedlichen Perspektiven muss man sich selbst erschließen und das wirkt manchmal etwas verwirrend und es verwischt die Handlung. Der verschwundene Matteo ist sympathisch, aber kein Rettungsanker. Sein Freund Gesuino scheint kein Glückskind zu sein und doch mögen die Leute ihn und versuchen, ihn zu unterstützen. Dennoch erscheinen die späten 1960er doch etwas weit weg. Die Beschreibungen der Gegend und des möglicherweise beginnenden Tourismus’ sind dafür ansprechend und überzeugend. Der auf Kurzbesuch weilende Journalist erdet die Handlung und seins Empathie gegenüber Gesuino ist herzerwärmend.

Veröffentlicht am 20.02.2022

Kunde der Vergangenheit

Der zweite Schlaf
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Der junge Priester Fairfax wird in ein kleines Dort geschickt, um den ansässigen Geistlichen zu beerdigen. Der kam bei einem Sturz um, der durchaus verdächtig erscheint. Die lange Reise zu Pferd ist für ...

Der junge Priester Fairfax wird in ein kleines Dort geschickt, um den ansässigen Geistlichen zu beerdigen. Der kam bei einem Sturz um, der durchaus verdächtig erscheint. Die lange Reise zu Pferd ist für Fairfax durchaus beschwerlich und das Pfarrhaus bietet nur wenig Komfort. Die Haushälterin des Pfarrers und deren Nicht halten das Gebäude in Ordnung, doch durch den Tod Laceys sehen sie einer ungewissen Zukunft entgegen. In dieser Situation überrascht es Fairfax außerordentlich, dass sein Vorgänger wohl verbotene Schriften in seinem Arbeitszimmer hortete. Neugierig blättert der junge Geistliche in den Büchern und diese erzählen von einer anderen Welt vor der Apokalypse.

Wie ein historischer Roman liest sich diese Dystopie. Nach einem zerstörerischen Ereignis ist die Welt in eine Kirchenherrschaft mittelalterlichen Zuschnitts zurückgefallen. Das, was ehemals modern und selbstverständlich war, gilt als Ketzerei. Und die ist strafbar. Was hat der alte Pfarrer also getan? Oder hat er etwas gefunden? Manche Artefakte haben die Jahrhunderte überdauert und können in der Erde gefunden werden. Möglicherweise ist Lacey bei seinen Forschungen zu weit gegangen und hat dies mit seinem Leben bezahlt. Der junge idealistische Fairfax ist gefangen von seinen Entdeckungen. Er, der Waisenjunge, wurde von der Kirche aufgenommen und in deren Sinne erzogen. Das kann nicht falsch gewesen sein.

Die Menschheit stirbt nicht aus nach der Katastrophe, aber viel von Wohlstand, Annehmlichkeiten und Kultur bleiben nicht. Durch die Bequemlichkeit des immer Verfügbaren, sind die meisten Menschen nicht wirklich überlebensfähig. Wie viele Kulturen vorher, ist auch die des Technik- und Wissenschaftszeitalters ausgestorben. Nur das einfache Leben ist geblieben und die Vorherrschaft der Kirche, die die Erinnerung und neue alte Entwicklungen blockiert. Nur wenige wie der alte Pfarrer stellen Nachforschungen an. In diese Szenerie kommt der junge Fairfax, der plötzlich alles hinterfragen muss und will. Seine Suche nach der Wahrheit ist sehr spannend beschrieben. Nachdem er allerdings ein gewisses Rätsel gelöst hat, ändert sich der Tenor des Buches und es gerät von der fesselnden Wahrheitssuche zu einer archäologischen Grabung. Auch die Auflösung kommt nachher etwas plötzlich und wird so stehen gelassen, ohne wirklich gelöst zu werden. Dennoch ist die Idee einer postapokalyptischen Welt, die wie ein Mittelalter scheint, sehr ansprechend zu lesen.

Veröffentlicht am 19.02.2022

Alte Freunde

Neuschnee
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Schon seit Oxford sind sie eine eingeschworene Clique von Freunden, vier Männer und fünf Frauen Anfang Dreißig. Immer wieder fahren sie über Sylvester aufs Land. Und in diesem Jahr soll es etwas ganz besonderes ...

Schon seit Oxford sind sie eine eingeschworene Clique von Freunden, vier Männer und fünf Frauen Anfang Dreißig. Immer wieder fahren sie über Sylvester aufs Land. Und in diesem Jahr soll es etwas ganz besonderes werden. Emma, die erst später zu der Gruppe gestoßen ist, hat die Reise in ein abgelegenes Resort in den schottischen Highlands organisiert. Aber werden sie auch mit der Einsamkeit des Ortes klarkommen? In der Anlage stehen ihnen nur zwei Angestellte zur Verfügung, Doug, der Wildhüter, und Heather vom Büro. Die Gruppe ist auf sich zurückgeworfen und neben den positiven Erinnerungen kommen auch die Uneinigkeiten heraus, die sich über die Jahre aufgebaut haben.

Wie ein Kammerspiel ist dieser Roman angelegt. Eine Gruppe von Menschen, die Meisten zumindest dem Namen nach alte Freunde, die anderen Bedienstete oder Figuren, die nur am Rande auftauchen. Schnell stellt sich heraus, dass es mit der Freundschaft und dem guten Verstehen in der Gruppe nicht so weit her ist, wie es zunächst den Anschein hat. Miranda hat die Freunde über die Jahre zusammengehalten. In den letzten Monaten hat sie allerdings das Gefühl, der Kontakt sei abgeflacht. Am ehesten Zeit hat Emma, die Freundin zweiter Wahl, während ihre beste Freundin Katie sich doch rar macht.

Eine besondere Spannung entwickelt dieser Thriller durch die beiden gewählten Zeitebenen. Dadurch kennt der Leser einige Ereignisse und beginnt fast automatisch auf der anderen Ebene nach Hinweisen zu suchen, wie es zu den Ergebnissen gekommen sein könnte. Man stößt auf Untiefen in der Gruppenpsychologie, die an das Sprichwort vom Schein, der trügen kann, denken lässt. Leider sind den Personen, die eher sympathisch wirken, nur kleinere Rollen vergönnt. Bei der Urlaubergruppe fragt man sich irgendwann, wie sie sich überhaupt Freunde nennen können. Sie wirken wie dekadente mitteljunge Leute, die sich gegenseitig nicht viel Gutes gönnen. Da wird sogar der gesuchte Mörder, der sich in der Gegend herumtreiben soll, zur Nebensache. Dennoch handelt es sich bei diesem Roman um einen fesselnden Thriller um einer überraschenden Auflösung.

Veröffentlicht am 13.02.2022

Verlust der Heimat

Ballade vom Tag, der nicht vorüber ist
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Mit seiner Mutter fährt der Junge vom Osten in den Westen. Der Vater ist schon dort. Doch der Junge vermisst seine Heimat, die Großeltern, das Haus. Die Klassenkameraden und sogar die Lehrer sind nicht ...

Mit seiner Mutter fährt der Junge vom Osten in den Westen. Der Vater ist schon dort. Doch der Junge vermisst seine Heimat, die Großeltern, das Haus. Die Klassenkameraden und sogar die Lehrer sind nicht immer freundlich zu dem Flüchtlingskind. Seine Eltern schont der Junge, so wie es Kinder manchmal machen. Allerdings erkrankt die Mutter relativ kurz nach der Ankunft in der neuen Stadt und als sie ins Krankenhaus muss, ist es als ahne sie schon, dass sie nicht mehr wiederkommt. Später beginnt das ehemalige Flüchtlingskind zu reisen, vielleicht ist dies ein Ausdruck seines Heimatverlustes.

Bereits im Jahr 1990 unter dem Titel „Flucht“ ist dieser Roman zum ersten Mal erschienen, wobei der nun gewählte Titel mindestens als ebenso passend erscheint. Denn der Erzähler kann von dem Tag, an dem sich die Flucht jährt und der auch der Todestag seiner Mutter ist, nicht loskommen, ihn nicht überwinden. Er bleibt ruhelos und auch seine Freundschaften und Beziehungen wirken nicht sehr tief gehend. Zu groß ist wahrscheinlich das Trauma, das seine Kindheit überschattet hat. Am anhänglichsten ist da wohl der Koffer, der noch aus der Heimat mitgekommen ist. In einer Nacht berichtet der Erzähler von seinem Leben.

Von seinen neueren Werken wohlbekannt lernt man hier eine andere Herangehensweise des Autors kennen. In episodenhafter Weise lässt er seinen Erzähler von seiner Kindheit berichten und von seinem Erwachsenenleben. Wobei die späteren Jahre wohl die Ruhelosigkeit widerspiegeln, deren Grundlage in der Kindheit gelegt wurde. Berührend sind die Schilderungen der Kindheit, die Reise in den Westen, die sich als Flucht entpuppt, die Mühe des Ankommens, der tragische krankheitsbedingte Tod der Mutter, der eine Lücke reißt, die der Vater nicht zu füllen vermag. Sind dem Leser oder der Leserin Erzählungen mit einer fortlaufenden Handlung lieber, kann der vorliegende Band nur bedingt begeistern. Dennoch überzeugt die Geschichte einer gebrochenen Jugend, die auch in späteren Jahren nicht wirklich verheilt. Ein prägender Moment ist dabei hervorragend in dem ansprechenden Coverbild festgehalten.

Veröffentlicht am 31.01.2022

Sie kann es nicht lassen

3 Zimmer, Küche, Mord
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Loretta Luchs hat dem Ermitteln abgeschworen, ein für allemal. Ein Zeichen für die Erneuerung ist auch Lorettas Wunsch nach einer neuen Wohnung. Und sie hat Glück, ihre Bewerbung bei der quasi Verwalterin ...

Loretta Luchs hat dem Ermitteln abgeschworen, ein für allemal. Ein Zeichen für die Erneuerung ist auch Lorettas Wunsch nach einer neuen Wohnung. Und sie hat Glück, ihre Bewerbung bei der quasi Verwalterin Frau Schiller wird erhört. Der Umzug ist schnell geschafft und auch Kater Baghira gewöhnt sich schnell ein. Loretta hat nun einen Balkon, welch eine neue Lebensqualität. Die allerdings wird etwas eingetrübt, als sie eines Morgens einen der neuen Nachbarn bewegungslos auf einer der Bänke im Hof sieht. Schnell eilt Loretta zur Hilfe, nur um feststellen zu müssen, dass für den jungen Mann jede Hilfe zu spät kommt.

Nach dem letzten Fall, der Loretta sehr ins Nachdenken gebracht hat, will Loretta wirklich der Polizei nicht mehr ins Handwerk pfuschen. Und es lässt sich alles so gut an. Die neuen Nachbarn sind zwar etwas neugierig, aber doch nett. Gleich wird Loretta in die Hausgemeinschaft einbezogen. Natürlich bekommt sie auch mit, dass besonders das Mädchen von oben, Harmony, sehr bedrückt wirkt. Ihr Stiefvater scheint von seinem Lehrerberuf auch nach Feierabend nicht lassen zu können. Die Mutter des jungen Mädchens ist froh, wieder einen Partner zu haben. Für die Probleme ihrer Tochter ist sie nicht offen.

Lorettas neue Umgebung sorgt für eine echte Frische. Man kann sich gut vorstellen, wie sie gemeinsam mit Baghira ihren neuen Balkon genießt. Und doch, sie kann es nicht lassen. Als sie den jungen Mann findet, ruft sie natürlich die Polizei und fängt ebenso natürlich selbst an, sich Gedanken zu machen. Loretta bleibt eben Loretta. Vielleicht sollte sie doch Privatdetektivin werden oder direkt bei der Polizei anfangen. Das Ermitteln ist wohl einfach ihre Berufung. Keine große Überraschung, dass Loretta nachforscht. Und auch keine Überraschung, dass sie mit Kommissarin Küppers aneinander gerät. Das ist wie ein Treffen mit alten Bekannten. Auch wenn einem durchaus die Idee kommen könnte, sie hätte es diesmal mit dem Ermitteln sein lassen, so gefällt ihre gewitzte Art. Diese unterhaltsame Sommerlektüre erhellt eine trüben Wintertag.