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heinoko

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.07.2017

Herz-ergreifend

Sommerkind
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Ragna, ca. 40-jährig, schaut auf den Strand, sieht Familien mit ihren Kindern, fröhliches Treiben, bunte Wasserbälle. Plötzlich wird dieses reale Bild für eine Sekunde überlagert von einer „Schwarz-Weiß-Aufnahme“ ...

Ragna, ca. 40-jährig, schaut auf den Strand, sieht Familien mit ihren Kindern, fröhliches Treiben, bunte Wasserbälle. Plötzlich wird dieses reale Bild für eine Sekunde überlagert von einer „Schwarz-Weiß-Aufnahme“ eines Erinnerungsfetzens, den sie ihrem Leben nicht zuordnen kann. Dieser kurze Moment einer Erinnerung lässt Ragna nicht mehr los und sie beginnt, sich auf die Suche zu machen. Was ist in der Vergangenheit geschehen, was hat das mit ihr selbst zu tun? Auf der Suche nach Erinnerung begegnet Ragna vielen Menschen, meist sind es spröde Begegnungen, sperrig ist die Reise zurück.
Wie gehen Menschen, insbesondere Kinder, mit erlittenem Leid um, mit der Schuldfrage, mit der Frage nach Sinn und der unendlichen Suche nach Liebe? Ich könnte mir vorstellen, dass je nach persönlichem Hintergrund jeder Leser eine andere Frage entdeckt, einen anderen Zugang zum Buch findet. Das Buch ist so reich – und es gibt auch Antworten, ganz leise, subtile Antworten.
Für mich ist dieses Buch ein Kleinod! Was für eine feine Sprache! Was für eine feine Beobachtung, in feine, zarte Worte gefasst. Die Autorin beschreibt mit dem „Bruegel-Blick“ - mit einer Liebe zum kleinsten Detail und mit Augen, die die gesehenen Bilder entweder zu Standbildern oder zu bewegten Bildern formen. Am liebsten würde ich Bild für Bild Wort für Wort wiedergeben, weil ich so verzaubert bin von der Wortmagie der Autorin. Verzaubert, ja, aber mehr noch er-griffen, gepackt von einer unendlich tiefen, namenlosen, sprachlosen Traurigkeit. Stumm geworden fühle ich mich von der Autorin unter Wasser gezogen. Tiefgang.
Was habe ich nicht alles aus diesem Buch gelernt. Geduld. Genaues Hinschauen.
Und selten habe ich so viel gegoogelt wie beim Lesen dieses Buches. Weder kannte ich die fulminanten, expressiven Bilder von Séraphine Louis noch so manche der angesprochenen Bücher. Mir war der amerikanische Fotograf Gregory Crewdson unbekannt. Entdeckung um Entdeckung machte ich. Und sehr viel nachgedacht habe ich… Ein Buch zum Wieder- und Wieder-Lesen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Geschichte
  • Figuren
  • Erzählstil
  • Gefühl
Veröffentlicht am 19.05.2017

Lustig und spannend

Lilo auf Löwenstein - Ab ins Schloss
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Eine hübsche Geschichte: Eine Familie wohnt sehr beengt und die beiden Kinder Lilo und Ben werden vom bösartigen Vermieter ständig geschimpft. Der Vater, der Architekt ist, hat schließlich die rettende ...

Eine hübsche Geschichte: Eine Familie wohnt sehr beengt und die beiden Kinder Lilo und Ben werden vom bösartigen Vermieter ständig geschimpft. Der Vater, der Architekt ist, hat schließlich die rettende Idee: die Familie mietet eine Wohnung in einem Schloss, zwar etwas abgelegen, aber mit viel Natur rundum. Hier gilt es für Lilo und Ben, neue Freunde zu finden und allerlei Abenteuer zu bestehen. Lilo sieht sich als zukünftige Schriftstellerin und schreibt ihre Erlebnisse auf.
Wenig glücklich gewählt scheint mir, dass immer wieder Passagen in einem hellen Grün gedruckt sind, insbesondere die ellenlange Einleitung, weil die Farbe schlecht lesbar ist. Und meine Enkelin zappelte herum: „Wann fängt die Geschichte denn endlich an?“ Ansonsten hatte sie ihren Spaß mit der Geschichte, wobei sie großes Mitleid hatte mit dem Grafen und seinem Sohn, genau den Personen, die im Buch nicht wirklich auftreten dürfen, die hinter den Schlossfenstern verborgen bleiben. Meine Enkelin wartet schon sehnsüchtig darauf, ob es ein neues Buch gibt, in dem mehr von diesen Beiden erzählt wird. Die allergrößte Wirkung jedoch hatte die im Buch vorgestellte „verkehrte Sprache“. Die ist schlimmer als ein Virus, hochansteckend! (Ben treppte die Rannte runter und türte gegen die Rums.)
Fazit: Ein empfehlenswertes Kinderbuch, zum Vorlesen ab 5, zum Selberlesen ab 7, lebendig erzählt, mit viel Humor und sehr sympathischen Hauptpersonen.

Veröffentlicht am 17.05.2017

Menschliche Verstrickungen

Glaube Liebe Tod (Ein Martin-Bauer-Krimi 1)
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Menschliche Verstrickungen
Mit einem furiosen Senkrechtstart beginnt das Buch: Dass der Retter dem Selbstmörder voranspringt und beide überleben, ist mehr als ungewöhnlich und zwingt den Leser sofort zum ...

Menschliche Verstrickungen
Mit einem furiosen Senkrechtstart beginnt das Buch: Dass der Retter dem Selbstmörder voranspringt und beide überleben, ist mehr als ungewöhnlich und zwingt den Leser sofort zum Weiterlesen. Der auf derart spektakuläre Weise gerettete Walter Keunert, ein Polizist, wird wenige Stunden später tot aufgefunden. Es sieht so aus, als sei er von der obersten Ebene eines Parkdecks heruntergesprungen. Martin Bauer, Polizei-Seelsorger, der vier Stunden vorher Walter Keunert gerettet hatte, glaubt nicht an einen nunmehr finalen Selbstmord und beginnt, auf eigene Faust zu ermitteln. Verschiedene Handlungsstränge tun sich auf, und je mehr Bauer unwissend, fast naiv, in den Welten der Prostitution, der Politik oder des Rauschgifts herumstochert, desto gefährlicher wird es für die Beteiligten…
Die vorgestellten Protagonisten entsprechen weitgehend dem jeweiligen Klischee (taffe Ermittlerin, denunzierender Kollege, engstirniger Chef, von Wut zerfressener Jugendlicher, cracksüchtiger Politiker usw. usw.) Herausragend fand ich persönlich die Darstellung der Persönlichkeit des Martin Bauer mit seinen Glaubens- und Selbstzweifeln und dem verzweifelten Wunsch, alles richtig zu machen, zu helfen ohne zu werten. Diese Person Martin Bauer und die vielen Verweise auf passende Bibelstellen im Alten und Neuen Testament geben dem Krimi etwas mehr Tiefgang als bei diesem Genre üblich. Der Spannungsbogen wird leider nicht durchgängig hochgehalten. Nach dem fulminanten Einstieg wird die Erzählweise langsamer, ist streckenweise etwas mühsamer zu lesen, aber im letzten Drittel nimmt die Geschichte wieder Fahrt auf und bleibt auf hohem Spannungsniveau bis zum Ende.
Insgesamt ein absolut lesenswerter Krimi für Leser, die sich nicht scheuen, beim Lesen auch einmal über existentielle Fragen nachzudenken.

Veröffentlicht am 13.05.2017

Solider Krimi mit Humor

Tödliches Treibgut
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Denzil Meyrick, Tödliches Treibgut

DCI Jim Daley, normalerweise in Glasgow tätig, hat ein äußerst kompliziertes Verhältnis zu seiner Frau, ein sehr angespanntes zu seinem Chef und ein durchaus freundschaftliches ...

Denzil Meyrick, Tödliches Treibgut

DCI Jim Daley, normalerweise in Glasgow tätig, hat ein äußerst kompliziertes Verhältnis zu seiner Frau, ein sehr angespanntes zu seinem Chef und ein durchaus freundschaftliches zu seinem Partner DC Scott. Als eine Flugstunde von Glasgow entfernt in einem kleinen Fischerdorf eine grausam entstellte Frauenleiche gefunden wird und die Ortspolizei mit den notwendigen Ermittlungen überfordert ist, werden Daley und Scott dorthin beordert und müssen unter den wachsamen Augen der Dorfeinwohner eine sehr mühsame Ermittlungsarbeit aufnehmen. Dass es weitere Leichen gibt, macht die Aufgabe nicht einfacher…
Das Buch macht Spaß zu lesen, nicht weil es besonders spannend wäre, sondern weil man Daley einfach mögen muss, diesen Ermittler mit Bauch, der immer zu kleine Hosen kauft, teuren Whisky liebt und zum Jähzorn neigt. Er ist kein Held, er hat viele Macken und Kanten, aber er verfügt über einen untrüglichen Instinkt. Man verlässt sich als Leser auf Daley und folgt ihm unverdrossen. Auch wenn die Geschichte hoffnungslos verworren erscheint: Daley wird es richten. Spaß machen auch die witzig-derben Dialoge und die ausführlichen, bildhaften Schilderungen der wunderschönen Landschaft und der Eigenheiten der Einwohner. Spannung ist stets gegeben, ganz besonders gegen Ende. Mit anderen Worten: Ein grundsolider Krimi, liebenswert, humorvoll und gut zu lesen.

Veröffentlicht am 12.05.2017

Mord mit Kultur

Die Morde von Morcone
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"Was ist Freiheit ohne Bindung" fragt sich Robert Lichtwald, ein deutscher Strafverteidiger, der sich nach Scheitern seiner Beziehung auf ein Häuschen in der Toscana, genauer, in der Maremma, zurückzieht, ...

"Was ist Freiheit ohne Bindung" fragt sich Robert Lichtwald, ein deutscher Strafverteidiger, der sich nach Scheitern seiner Beziehung auf ein Häuschen in der Toscana, genauer, in der Maremma, zurückzieht, um zu malen, zu lesen und vor allen Dingen nachzudenken, ganz in Ruhe und in Einklang mit der Natur. Doch mit der Ruhe ist es schlagartig vorbei, als er nahe einer stinkenden Schwefelquelle eine(n) Toten findet, einen Hermaphroditen. Und das sollte nicht die letzte Leiche sein...

Das Buch ist kein Reißer. Es bewegt sich in gemächlicher Gangart, sozusagen in einem der Hitze angepassten Tempo. Die Maremma, der "wilde" Süden der Toscana, ist Hintergrund der Geschehnisse. Die italienische ausdrucksstarke Lebensart, die abwechslungsreiche Landschaft und die Handlung, die den Leser sehr lange im Ungewissen lässt, gehen eine wunderbare Verbindung ein. Dem Autor ist es, wie ich finde, perfekt gelungen, Spannung und Kultur zu vereinen. Wenn man das Buch, das sich leicht lesen lässt, weglegt, bleibt der dringende Wunsch zurück, diesen reizvollen Landstrich selbst kennen lernen zu wollen - trotz der grausamen Morde...