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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.03.2022

Geschichtsstunde der anderen Art

Im Rausch des Aufruhrs
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1923 war in vielerlei Hinsicht ein Schicksalsjahr für Deutschland und die damals noch junge Weimarer Republik. Während Frankreich das Ruhrgebiet besetzte, Streikwellen über das Land liefen, Kommunisten ...

1923 war in vielerlei Hinsicht ein Schicksalsjahr für Deutschland und die damals noch junge Weimarer Republik. Während Frankreich das Ruhrgebiet besetzte, Streikwellen über das Land liefen, Kommunisten und Nationalsozialisten versuchen, die Macht an sich zu reißen, explodiert die Inflation. Während die einen in bitterer Armut und Hunger versinken, feiern die anderen rauschende Feste.

Große Geschichte erzählt Christian Bommarius in 12 Kapiteln, gleichsam in einer Art Jahreskalender und in kurzen Geschichten von bekannten und unbekannten Personen und Persönlichkeiten aus Politik, Literatur, Kunst und Schauspiel, aber auch der ganz normalen kleinen Leute. So entsteht ein sehr eindrucksvolles Bild einer Zeit, die voller Elend und Blutvergießen war. Und es zeigt, wie ein gewisser Adolf Hitler vom „Hofbräu Agitator“ zum großen Führer aufsteigen konnte. Das liest sich locker und interessant, und doch hält man immer wieder inne, lässt das Gelesene sacken und schlägt Namen, Orte und Geschehnisse nach. Dass die Parallelen zur heutigen Zeit mit Krieg in Europa, politischen Extremen und drohender Inflation dabei nicht zu übersehen sind, stimmt einen noch nachdenklicher. Besonders gelungen finde ich die Einführung in die einzelnen Kapitel mit kurzem Monatsabriss, Bildern und dem stetig wachsenden Brotpreis!

Mein Fazit: eindrückliche Geschichtsstunde der anderen Art. Sehr empfehlenswert.

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Veröffentlicht am 15.03.2022

Erschreckend realistisch

Die Kinder sind Könige
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Mélanie hat den Traum, den so viele junge Menschen heute träumen: berühmt zu werden. Nachdem sie beim Versuch, in einem Reality-TV-Format diesem Traum näher zu kommen scheitert, führt sie zunächst ein ...

Mélanie hat den Traum, den so viele junge Menschen heute träumen: berühmt zu werden. Nachdem sie beim Versuch, in einem Reality-TV-Format diesem Traum näher zu kommen scheitert, führt sie zunächst ein normales Leben, heiratet, bekommt Kinder. Doch sie ist unglücklich und gelangweilt. So kommt sie auf die Idee, Videos ihrer Kinder auf youtube zu veröffentlichen. Damit beginnt ihr neues Leben: Mélanie wird erfolgreiche youtuberin, ihr Sohn Sammy und vor allem Tochter Kimmy werden wahre kleine Stars. Doch der Ruhm hat seinen Preis: während immer neue Videos gedreht werden müssen, um Follower und Sponsor zufrieden zu stellen, wird Kimmy immer unwilliger. Als das kleine Mädchen schließlich beim Spielen verschwindet, taucht die Polizistin Clara in die ihr bis dahin unbekannte der Social Media ein und stellt schnell fest, dass es fast unmöglich ist, einen Verdächtigen zu finden, wenn Tausende jede kleine Einzelheit des Lebens der Verschwunden kennen.

Die Kinder sind Könige ist ein erschreckend realistischer Roman über die schöne neue Welt der Social Media und ihrer Gefahren. Vor allem Eltern, die ihre Kinder der Öffentlichkeit aussetzen, sie zum Teil regelrecht ausnutzen, ihr gesamtes Einkommen vom Auftritt der Kinder in der Öffentlichkeit beziehen, gehen ein hohes Risiko ein. Es geht hier nicht nur um die Gefahren des Stalkings oder des Neides. Vielmehr geht es um die Folgen, die ein Fehlen an Privatsphäre und Kind sein dürfen mit sich ziehen.
Das ist authentisch und einfühlsam beschrieben. Ein Roman, der eine eigene Sogwirkung entfaltet und sehr nachdenklich stimmt.

Mein Fazit: ein wichtiger, hoch aktueller und stellenweiser schmerzhafter Roman. Absolut lesenswert!

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Veröffentlicht am 16.02.2022

Innenansichten aus Rußland

DAFUQ
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Anja Romanowa muss für 10 Tage in den Arrest in Moskau, weil sie bei einer Demonstration gegen Korruption festgenommen wurde. Ihre Zelle teilt sie mit 5 anderen Frauen, die nicht verschiedener sein könnten. ...

Anja Romanowa muss für 10 Tage in den Arrest in Moskau, weil sie bei einer Demonstration gegen Korruption festgenommen wurde. Ihre Zelle teilt sie mit 5 anderen Frauen, die nicht verschiedener sein könnten. Da ist die blonde Schönheit, die sich ihren Lebensunterhalt durch Geschenke reicher Männer verdient; da gibt es eine alkohol- und drogensüchtige mit „echter“ Gefängniserfahrung; eine Frau, die bereits mit Mitte 20 in dritter Ehe verheiratet ist und deren weiter Mann starb. Sie alle haben eines gemeinsam: ihre Vergehen waren Kleinigkeiten und es war eher Willkür als Gesetz, was sie in der Zelle zusammenführt. Und da sind die Wächter: der gutmütige ältere, die junge unsichere und die ganz harte, der es Spaß macht, die Insassen zu schikanieren. Hier breitet sich die dunkle Seite Russlands in ihrer vollen Größe aus. Und für Anja ist es gleichsam eine Art Psychotherapie, findet sie doch hier im Gefängnis die Zeit und die Kraft, das schwierige Verhältnis zu ihrem Vater neu zu beleuchten und mit einer langjährigen Dreiecks-Liebesbeziehung abzuschließen.

DAFUQ malt ein sehr eindrucksvolles Bild von Russland und seinen Menschen: mal zart und liebevoll, dann wieder hart und abstoßend, ein Land voller unterschiedlicher Landstriche und ebenso unterschiedlicher Charaktere, voller Korruption und Machtwillen. Und Kira Jarmysch weiß, wovon sie schreibt, war sie doch selbst Pressesprecherin des prominenten Oppositionsführers Alexej Nawalny und war selber mehrfach im Gefängnis. Die Charaktere hätten für meinen Geschmack ein wenig mehr Tiefe verdient und auch die politischen Verhältnisse hätten etwas mehr unter die Lupe genommen werden können, daher ein Punktabzug.

Mein Fazit: junge Frauenliteratur aus Russland: liebevoll, hart, authentisch, lesenswert.

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Veröffentlicht am 16.02.2022

Spannend und gruselig

Der Herzgräber
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Heather Evans kehrt nach dem Selbstmord ihrer Mutter in ihre Heimatstadt, die mit 16 Jahren verlassen hatte, zurück, um den Nachlass ihrer Mutter zu ordnen. Dabei macht sie eine unglaubliche Entdeckung: ...

Heather Evans kehrt nach dem Selbstmord ihrer Mutter in ihre Heimatstadt, die mit 16 Jahren verlassen hatte, zurück, um den Nachlass ihrer Mutter zu ordnen. Dabei macht sie eine unglaubliche Entdeckung: einen Stapel Briefe, die ein Serienmörder an ihre Mutter geschrieben hat. Michael Reaves hat junge Frauen bestialisch ermordet, ihre Herzen entfernt und die Leichen regelrecht inszeniert und mit Blumen dekoriert in der freien Natur zurückgelassen. Was hat Heathers Mutter mit diesem Mörder zu tun? Während sie sich auf die Suche nach der Wahrheit begibt, geschehen wieder Morde in der selben Art. Und Heather ist in größerer Gefahr, als sie ahnt.

Der Herzgräber ist von der ersten Seite an spannend und mitreißend zu lesen. Man kann sich gut in Heather hineinfühlen, einer jungen Frau, die erkennt, dass sie eigentlich gar nichts übe ihre Mutter weiß. Gleichzeitig wird man in menschliche Abgründe der grauenvollsten Art geführt. Das ist stellenweise sehr hart und nur schwer zu ertragen. Dabei gibt es eine gehörige Portion Gruselfaktor, ein wenig Liebe und eine Reise in die Vergangenheit zu einer alternativen Hippie-Kommune. An manchen Stellen war es mir ein wenig zu verworren und das Ende war mir persönlich zu schnell erzählt, weswegen es nur 4 Sterne sind.

Mein Fazit: ein spannender, gruseliger harter Thriller. Perfekt für kalte Wintertage.

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Veröffentlicht am 16.02.2022

Ein neuer, faszinierender Blick auf Peter Pan

Die Chroniken von Peter Pan - Albtraum im Nimmerland
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Peter Pan war einer der Helden meiner Kindheit. Ich wollte sein, wie dieser Junge: frech, mutig, liebenswert, wollte wie er auf einer Insel voller Abenteuer und Freunde leben, Danke Feenstaub fliegen ...

Peter Pan war einer der Helden meiner Kindheit. Ich wollte sein, wie dieser Junge: frech, mutig, liebenswert, wollte wie er auf einer Insel voller Abenteuer und Freunde leben, Danke Feenstaub fliegen können und niemals erwachsen werden. In ihrem Roman Die Chroniken von Peter Pan erzählt Christina Henry die Vorgeschichte zu dem berühmten Kinderbuchklassiker von J.M. Barrie. Und was für ein Vorgeschichte… denn Peter lügt, wo es nur geht, er holt sich Kinder aus Andernorts auf die Insel Nimmerland als Spielkameraden, doch sie sind ihm vollkommen egal. Aus Spaß zettelt er Kämpfe mit den Piraten und den auf der Insel lebenden Kreaturen an, wohl wissend, dass nicht alle seiner „verlorenen Jungen“ es überleben werden.

Erzählt wird aus der Sicht von Jamie, dem ersten Jungen, der von Peter auf die Insel geholt wurde. Seinem besten Freund und wichtigsten Kameraden. Doch dieser muss erkennen, das Peter nicht der ist, der er vorgibt und es mehr Geheimnisse auf der Insel gibt, als er geahnt hat. Und so wird aus der Freundschaft zweier Jungen eine Feindschaft, die in die Weltliteratur eingehen soll. Geschrieben ist aus der Sicht eines Kindes und die Sprache ist entsprechend einfach gehalten. Das liest sich schnell und ist spannend, die Charaktere sind hervorragend ausgearbeitet, die Atmosphäre so dicht, dass man fast meint, selber dabei zu sein. Und ich muss gestehen, ich war stellenweise sehr traurig.

Mein Fazit: eine gelungene Märchenadaption mit Tiefgang. Absolut lesenswert!

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