Platzhalter für Profilbild

Venatrix

Lesejury Star
offline

Venatrix ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Venatrix über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.02.2022

Eine klare Leseempfehlung

Bombennacht
0

Wenn man „Bombardierte Städte in Deutschland“ hört, denken viele an Hamburg und natürlich vor allem an Dresden. Dass zahlreiche andere Städte ebenfalls zahlreichen Bombenangriffen ausgesetzt waren, ist ...

Wenn man „Bombardierte Städte in Deutschland“ hört, denken viele an Hamburg und natürlich vor allem an Dresden. Dass zahlreiche andere Städte ebenfalls zahlreichen Bombenangriffen ausgesetzt waren, ist nicht so präsent. Eine jener Städte, deren Bevölkerung durch das als „moral bombing“ zur Abkehr des NS-Regimes gezwungen werden sollte, ist Würzburg.

Es ist der 16. März 1945. Zahlreiche Flüchtlinge haben in der Stadt Aufnahme gefunden.

Minutiös schildert Autor Roman Rausch in mehreren Handlungssträngen und anhand von verschiedenen Schicksalen die letzten 24 Stunden der unversehrten Stadt.

So verstecken wir uns gemeinsam mit Eugen, einem deutsch-russischen Jungen, vor der SS oder decken mit Krankenschwester Fanny die Machenschaften eines Nervenarztes auf, der Hunderte Patienten in die Tötungsanstalt von Hadamar verlegen hat lassen.

Wir zittern mit dem Juden Paul, der als Klavierbegleitung einer bekannten NS-Sängerin in der Villa des Nervenarztes auftreten soll und gleichzeitig mit Zwangsarbeitern die Flucht vorbereitet. Wird es gelingen, während des rauschenden Festes abzutauchen?

Daneben blicken wir auch Henry, früher Heinrich, einem nach England geflüchteten Freund Pauls, der nun als RAF-Pilot die Bomben über Würzburg abwerfen soll, über die Schulter. Hier erleben wir die Gewissensbisse mit, da Henry genau weiß, dass auch unschuldige Menschen sterben werden. Doch die Kameraden erinnern ihn immer wieder an die Bombardierung von Coventry, die vor allem zivile Opfer gefordert hat.

Obwohl bei Todesstrafe verboten, wird der Feindsender gehört und so mancher wundert sich über die Mitteilung „Heute bringen wir eine Symphonie von Mozart“, denn auch wenn Wolfgang Amadeus Mozart viel komponiert hat, eine Symphonie war nie dabei.

Der gesamte Angriff dauert nur sieben Minuten, sieben Minuten in denen die Stadt dem Erdboden gleich gemacht wurde, sieben Minuten, die Tausenden Menschen das Leben kostete und das Regime nicht zur Aufgabe zwingen konnte.

Fazit:

Ein beeindruckender, sehr gut recherchierter historischer Roman, dem ich gerne eine Leseempfehlung und 5 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 23.02.2022

Beruht auf wahren Begebenheiten

Der Tod der dreckigen Anna
0

Die 72-Jahre alte Anna wird am Weihnachtstag ermordet aufgefunden. Die Frau ist nicht nur ermordet, sondern auch ausgeweidet worden. Im Dorf ist man entsetzt, vermutet Landstreicher oder andere Fremde ...

Die 72-Jahre alte Anna wird am Weihnachtstag ermordet aufgefunden. Die Frau ist nicht nur ermordet, sondern auch ausgeweidet worden. Im Dorf ist man entsetzt, vermutet Landstreicher oder andere Fremde als Täter. Viel Mitleid hat man mit der Toten allerdings nicht, gilt sie ja als verrückt. Anna hat während der Geburt einen Sauerstoffmangel erlitten und ist gemeinsam mit ihren beiden Schwestern in einem lieblosen, ärmlichen Haus aufgewachsen.
Als dann Hilde, eine der Schwestern wegen geistiger Verwirrung in ein Heim kommt und Elsa, die andere, einen plötzlichen Herztod stirbt, bleibt die zurückgebliebene Anna allein und verwahrlost zurück.

Obwohl man gewöhnlich über Tote nichts Schlechtes sagt, wird die Verstorbene so charakterisiert:
„Die Elsa war sogar zum Sterben zu faul.“

Die polizeilichen Ermittlungen gestalten sich als schwierig, denn die Dorfbewohner mauern, denn es kann ja keiner von ihnen gewesen sein.

Meine Meinung:

Autorin Tina Seel hat mit diesem Krimi eine gespenstische dörfliche Welt in Szene gesetzt. Sie entführt uns in ein kleines Dorf in den 1970er Jahren. Man sagt zwar immer, die Großstadt ist das Übel, weil man einander nicht kennt. Doch alles von den Nachbarn zu wissen, ist auch oft verhängnisvoll.

In ihrem Nachwort erläutert sie, dass dieser Krimi an einer wahren Begebenheit Anleihe genommen hat.

Die Geschichte ist fesselnd geschrieben und manchmal kaum zu ertragen. Die Menschen sind gut beschrieben. Nur wenige wirken sympathisch. Die meisten, Frauen wie Männer, haben wenig einnehmende Eigenschaften. Die Kinder werden nach der schwarzen Pädagogik erzogen, mehr Prügel als Nahrung. Für Liebe ist wenig Platz.

Ich habe schnell herausgefunden, wer der Täter ist, zumal wir ihm ja über die Schulter schauen dürfen bzw. an seinen Gedanken teilhaben dürfen. Eigentlich ist er ein Opfer seiner Umgebung, was aber die grausame Tat an einer wehrlosen alten Frau keinesfalls rechtfertigt.

Sprachlich ist dieser Krimi ein Genuss.

„Weil aufgrund dieser Frage, deren Sinn er nicht verstand, in seinem Hirn noch Gegenverkehr herrschte, musste er das noch ein drittes Mal machen.“ (S.82).

Es ist immer wieder faszinierend, über die Arbeit der Kriminalisten von früher zu lesen, als weder DNA-Abgleich noch andere technische Hilfsmittel zur Verfügung gestanden sind.

Fazit:

Ein Krimi, der in einer tristen Umgebung spielt und auf einer wahren Begebenheit beruht. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 22.02.2022

Eine gelungene Fortsetzung

Leipziger Zeitenwende
0

Gregor Müller nimmt seine Leser wieder in das historische Leipzig mit. Man schreibt das Jahr 1899 und wie immer bei Jahrhundertwenden, haben Endzeitprediger und Scharlatane ihre Hochzeiten.

Criminalcommissar ...

Gregor Müller nimmt seine Leser wieder in das historische Leipzig mit. Man schreibt das Jahr 1899 und wie immer bei Jahrhundertwenden, haben Endzeitprediger und Scharlatane ihre Hochzeiten.

Criminalcommissar Joseph Kreisler muss sich diesmal mit gefälschten Lottoscheinen,die den Menschen Reichtum versprichen, um ihnen gleichzeitig das oft letzte Geld aus der Tasche zu ziehen. Die Zeit drängt, denn in wenigen Tagen ist Silvester und wenn die Drahtzieher bis dahin nicht gefasst sind, beginnt das neue Jahr mit mehr als einem Katzenjammer.

Gleichzeitig beschäftigt ihn der Tod von Henriette, einer jungen Prostituierten, die aus einem Fenster fällt. Selbstmord oder hat hier jemand nachgeholfen?

Noch während Kreiser hier Erkundigungen zu dem Pamphlet über den bevorstehenden Weltuntergang, das man bei der jungen Frau gefunden hat, einzieht, ordnet sein Chef an, dass er diesen Fall als Selbsttötung zu den Akten legen soll und sich fortan um den Polizeireporter Feodor Beier kümmern soll. Denn gute Presse kann die Polizei immer brauchen.

Wenig später wird Kreiser zum nächsten Selbstmord gerufen, einem Major a.D.. Vor dem Haus trifft er Gustav Möbius, den Staatsanwalt. Auch hier finden sich das Pamphlet und Zweifel am Selbstmord. Wie kann sich ein Mann, dessen rechter Arm amputiert worden ist, erschießen?

Gemeinsam recherchieren Möbius und Kreiser akribisch im Umfeld der Toten. Dazu muss Kreiser auch in das Leipziger Arbeitshaus, in dem Henriettes Mutter ihr Leben fristet.

„...Es geht nicht darum, dass die Wege schneefrei sind, sondern um Besserung unserer Schützlinge. Nur durch die Gewöhnung an beständige und vor allem eintönige Arbeit sowie einen gottgefälligen Lebenswandel können die Sünder auf ein besseres Leben hoffen...“

Erst als ein dritter Mord geschieht, bei dem wieder die Schmähschrift eine Rolle spielt, scheint die Idee zur Auflösung der Todesfälle nah. Doch dazu begibt sich Josephs Zimmerwirtin Hannah Faber, die blinde, ehemalige Lehrerin auf nicht ungefährliche Recherchetour.

Meine Meinung:

Auch in seinem zweiten Fall verbringt Joseph Kreise seine Abende mit seiner Zimmerwirtin, die sonst wenig Ansprache hat. Dabei verrät er ihr sein persönlichstes Geheimnis, das sie mit ihrem messerscharfen Verstand schon längst erraten hat. Sie befreit Joseph elegant aus seiner Verlegenheit, in dem sie zugibt, sich schon darum gewundert zu haben, dass er noch nie versucht, Damenbesuch in sein Zimmer zu schmuggeln. Gemeinsam besprechen sie seine Fälle und Hannah Faber zieht aus Kreisers Erzählungen ihre Schlüsse.

Gut gefällt mir die Zusammenarbeit zwischen Joseph Kreiser und dem Staatsanwalt Gustav Möbius. In vielen Krimis sind die beiden Funktionen ja oft Gegenspieler. Interessant ist auch die neu eingeführte Figur des Polizeireporters Feodor Beier. Ob er auch in Zukunft Kreisers Geheimnis bewahren wird?

Viel Herzblut und Arbeit hat der Herr Autor in die Recherche gesteckt. Zum einen erfahren wir einiges über das Druckerhandwerk, und zum anderen einiges über die Zustände des Leipziger Arbeitshauses. Dort werden die Menschen in ihren schwierigen Lebenssituationen noch zusätzlich gedemütigt.

Auch das geschichtliche Umfeld der Stadt Leipzig und ihrer Bewohner ist lebendig und authentisch beschrieben. Selbstverständlich finden auch die damaligen kriminalistischen Arbeitsmethoden ihren Platz.

Ich mag sorgfältig geschriebene Krimis und freue mich, wenn es neue Fälle für Joseph Kreiser geben wird.


Fazit:

Ein sehr gut recherchierter historischer Krimi, der mich bestens unterhalten hat und dem ich gerne 5 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 18.02.2022

Ein komplexer Krimi

Allgäuer Höhenrausch
0

Dieser Krimi ist das Debüt von Wolfgang Heinl und besticht durch eine komplexe Handlung in zwei Zeitebenen.

Im Jahr 1986 soll im Allgäu, an der Grenze zu Vorarlberg, ein Speicherkraftwerk mit einer voluminösen ...

Dieser Krimi ist das Debüt von Wolfgang Heinl und besticht durch eine komplexe Handlung in zwei Zeitebenen.

Im Jahr 1986 soll im Allgäu, an der Grenze zu Vorarlberg, ein Speicherkraftwerk mit einer voluminösen Staumauer errichtet werden. Das ist sowohl den meisten Ortsansässigen und den Umweltschützern als auch der Vorarlberger Kraftwerksgesellschaft, die um ihre Stromkunden fürchtet, ein Dorn im Auge. Betrieben wird das großspurige Projekt, das auch einen Hotelkomplex inkludiert, von einem umtriebigen Bauunternehmer, der dafür über Leichen geht, auch über seine eigene. Denn man findet ein ausgebranntes Firmenauto mit einer verkohlten Leiche und folgert nach dem Verschwinden des Unternehmers daraus, dass er der verbrannte Tote ist. Der mit der Aufklärung dieser unklaren Todesursache betraute Kriminalbeamte, gibt nach erfolglosen Ermittlungen auf. Das Projekt Kraftwerksprojekt wird ad acta gelegt.

Rund 26 Jahre später, also 2012, wird das Kraftwerk samt Hotel den Umweltschützern zum Trotz dann doch gebaut. Strom aus Wasserkraft ist grün und daher umweltfreundlich. Die Bedenken, welche Zerstörungen während des Baus angerichtet verschwimmen vor dem Hintergrund des „grünen Stroms“.

Die Baufirma aus 1986 mischt wieder kräftig mit und es kommt zu einer Reihe von mysteriösen Todesfällen. Die Toten haben alle in irgendeiner Form mit dem Kraftwerksbau zu tun, entweder als Gegner oder Nutznießer.

Meine Meinung:

Dieser komplexe Krimi hat es in sich. Kein Buch für zwischendurch, denn der Leser muss gut aufpassen, sich zwischen den Winkelzügen der Baufirma zurechtzufinden.

Wir begegnen die um 26 Jahre gealterten Personen. Nicht alle sind gereift, sondern der eine oder andere hat, weil er 1986 ungeschoren davongekommen ist, auch noch die letzten Skrupel verloren.

Der Krimi fesselt bis zur letzten Seite. Die Leser sind den Ermittlern immer einen Schritt voraus, doch das tut der Spannung keinen Abbruch. Ich mag das, weil es mich interessiert, ob und wie die Ermittler dem Täter auf die Spur kommen.

Der Schreibstil ist gelungen und wird durch einzelne Charaktere, die so sprechen, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, also Dialekt sprechen, aufgelockert.

Die zahlreichen losen Handlungsstränge werden am Ende gekonnt verknüpft.

Fazit:

Ein gelungenes Krimi-Debüt, das bis zur letzten Seite spannend bleibt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 16.02.2022

Fesselnd bis zur letzten Seite

Der Tod ist ein Spieler aus Graz
0

Dieser Krimi aus dem Hause Emons ist die Neuauflage von „Trost und Spiele“ aus dem Jahr 2017, der damals im Verlag Federfrei erschienen ist.

Worum geht’s?

Chefinspektor Armin Trost befindet sich in einer ...

Dieser Krimi aus dem Hause Emons ist die Neuauflage von „Trost und Spiele“ aus dem Jahr 2017, der damals im Verlag Federfrei erschienen ist.

Worum geht’s?

Chefinspektor Armin Trost befindet sich in einer akuten Lebenskrise und will seinen Job als Kriminalbeamter an den Nagel hängen. Noch bevor er darüber mit Ehefrau Charlotte, die das dritte gemeinsame Kind erwartet, sprechen kann, wird er zu einer Leiche in unmittelbarer Nähe gerufen. Im Toten steckt ein Schwert, dessen Griff mit einem ähnlichen Muster versehen ist, wie jenes Messer das vor Kurzem im eigenen Gartenzaun gesteckt ist.

Gibt es hier einen Zusammenhang? Und was haben diese Ereignisse mit seiner Familie zu tun?

Bei seinen Ermittlungen stößt er auf ein seltsames Netzwerk aus Rittern, Masken und Sagengestalten. Hochrangige Vertreter aus Politik und dem Grazer Gesellschaftslebens treffen einander zu obskuren Spielen in der Welt der LARP-Fans (Live Action Role Play). Selbst seinen Chef, den Polizeidirektor, findet Trost unter den Spielern und das in einer bizarren Rolle. Eine Spur führt Armin zu einem ehemaligen Schulkollegen.

Je näher er den Mördern kommt, desto bedrohlicher wird die Situation für seine Familie, bis sie schließlich eskaliert.

Meine Meinung:

Robert Preis wirft Armin Trost und seine Leser in einen Strudel aus unheimlichen Ereignissen. Es ist kaum auseinander zuhalten, was Spiel und was Wirklichkeit ist.

Wir lernen Charlotte, Armins Frau kennen, die auch eine interessante Persönlichkeit ist. Sie nimmt nämlich offensiv an jedem Preisausschreiben teil, um so ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die Dutzenden Gewinne verkauft sie auf Flohmärkten und Ebay. Für den möglichen Gewinn eines Autos macht sich Armin Trost zum Clown. Eine recht schräge Obsession.

Ein neugierig machender Kunstgriff sind die Zitate aus Charlottes Tagebuch vor jedem Kapitel.

Armin Trost leidet meiner Ansicht nach an einem akuten Burnout, das ihm manchmal schier den Verstand raubt. Er sollte sich dringend eine Auszeit gönnen, bevor er gänzlich überschnappt. Viel fehlt ja nicht mehr. Der Vorsatz, seinen Dienst zu quittieren, geht in die richtige Richtung.

Nach eigenen Aussagen des Autors sollte diese Geschichte eigentlich ein Märchen werden. Doch irgendwie haben sich die Figuren selbstständig gemacht.

„Wenn du in diesem Leben kein Held sein kannst, so schaff dir ein Neues“.

Fazit:

Ein Krimi, der auch in seiner Neuauflage nichts von seiner Vielschichtigkeit verloren hat. Gerne gebe ich 5 Sterne.