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Veröffentlicht am 16.11.2019

Wer zuletzt lacht, lacht am besten

Hände weg von Mississippi
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Es gibt Bücher, in die verliebt man sich auf Anhieb - und "Hände weg von Mississippi" ist ein solcher Glücksfall! Wie übrigens auch andere Bücher der längst international erfolgreichen deutschen Schriftstellerin ...

Es gibt Bücher, in die verliebt man sich auf Anhieb - und "Hände weg von Mississippi" ist ein solcher Glücksfall! Wie übrigens auch andere Bücher der längst international erfolgreichen deutschen Schriftstellerin Cornelia Funke, die vor einigen Jahren ihren ständigen Wohnsitz nicht weit von Los Angeles aufgeschlagen hat. Zum Schreiben kam die 1958 geborene Pädagogin und Illustratorin, die inzwischen mehrere Millionen Bücher verkauft hat, die in mehr als 50 Sprachen übersetzt wurden, nachdem sie feststellte, dass die meisten Bücher, die sie illustrierte, ziemlich langweilig waren. Eine gute Idee, wie ihre zahlreichen Anhänger überzeugt sind, denn mit ihrer fortschrittlichen Kinder- und Jugendbuchliteratur begeistert sie Kinder ebenso wie Erwachsene! Ihre Bücher sind zumeinst dem phantastischen Genre zuzuordnen, sie sind inhaltlich abwechslungsreich, dramaturgisch logisch aufgebaut, sprachlich anspruchsvoll und zudem klug, witzig und spannend zugleich geschrieben. Ihre Figuren zeichnen sich in der überwiegenden Mehrzahl durch Mut, geradezu Furchtlosigkeit aus, werden zu geliebten Begleitern und gar manches Mal auch zu bewunderten Vorbildern. Als die deutsche Joanne K. Rowling wurde Cornelia Funke, die im Jahr 2005 von TIME Magazine zu den 100 weltweit einflussreichsten Persönlichkeiten gezählt wurde, sogar bezeichnet - ein Vergleich, der die Schriftstellerin nach eigenen Angaben zwar ehrt, der sie aber auch zunehmend stört, denn im Grunde verbietet sich jeder Vergleich, da Funkes Romane ganz ihre eigenen sind; und mit Harry Potter und Co. haben sie nur gemein, dass sie eine weltweite Leserschaft erreichen und dass sie sich genau wie Rowlings Werke durch überwältigende, scheinbar nie versagende Phantasie auszeichnen, die die Leser geradezu mitreißt und davonträgt in wundersame Welten.

Der hier zu besprechende Roman "Hände weg von Mississippi", der 1997 in Deutschland erstveröffentlicht wurde, fünf Jahre vor dem großen Durchbruch der Autorin, der ihr mit dem 2000 erschienenen Buch "Herr der Diebe" gelang, ist neben der Reihe "Die wilden Hühner" eines der wenigen Bücher Cornelia Funkes, die in der realen Welt spielen, auch wenn es in dieser durchaus phantastisch, auf jeden Fall aber richtig abenteuerlich zugeht.

Die zehnjährige Emma hat endlich Ferien - und die verbringt sie nur zu gerne bei ihrer unkonventionellen Großmutter Dolly, deren eigentlicher Name Dolores Blumentritt ist ( die Autorin hat ein ausgesprochenes Faible für ungewöhnliche Namen, die sie oft auf den Charakter ihrer Figuren zuschneidet ) und die ganz anders ist, als man sich Großmütter gemeinhin vorstellen mag! Dollys Tierliebe ist sprichwörtlich und sie unterhält in ihrem Haus eine ganze Menagerie herren- und heimatloser Tiere, um die zu kümmern sie dem ebenso tiervernarrten Tierarzt Knapps nie abschlagen kann. Als dann , und damit beginnt im Grunde die Geschichte, der alte Klipperbusch, der einstmals in Dolly verliebt war und sie nur zu gerne mit nach Amerika genommen hätte, wohin er immer reisen wollte, es aber nie getan hat, plötzlich stirbt und sein geldgieriger und rundum unsympathischer Neffe Albert Gansmann, von Emma "Alligator" genannt - warum lässt sieh unschwer erkennen, je besser man den Neffen kennenlernt -, nichts Eiligeres zu tun hat, als Klipperbuschs geliebte, wenn auch nicht gerade mit Schönheit gesegnete Stute Mississippi an den Pferdeschlächter zu verhökern, bedarf es Knapps Überzeugungskünsten nicht, um Dolly sich der verwaisten Stute annehmen zu lassen und sie kurzerhand ihrer begeisterten Enkelin zu schenken, die natürlich eine ebenso große Liebe zu Tieren besitzt wie die Oma! Doch alsbald trägt sich Seltsames zu! Der "Alligator" scheint plötzlich seine Liebe zu Mississippi entdeckt zu haben und will sie unbedingt zurückkaufen. Der eigentliche Grund für den Sinneswandel aber ist, so munkelt man im Ort, das nicht unbeträchtliche Erbe, das dem Neffen nur dann zufallen würde, wenn er die Stute nicht weggibt. Da aber Emma überhaupt nicht daran denkt, sich von dem Pferd zu trennen und dem arroganten Gansmann eine Absage erteilt, jener aber um jeden Preis das Erbe antreten möchte, kann man sich lebhaft vorstellen, dass es von nun an reichlich turbulent zugehen wird, denn Gansmann, so stellt man rasch fest, schreckt auch vor Erpressung nicht zurück, um das Pferd wiederzubekommen.... Ob ihm, der mit allen üblen Tricks arbeitet, das gelingen wird, soll hier nicht verraten werden - der längst mit Haut und Haaren in die Geschichte involvierte Leser wird das schon selber herausfinden wollen, wobei er allerdings auf die eine oder andere pfiffige Überraschung vorbereitet sein sollte...

Fazit: ein wunderschön geschriebenes Kinderbuch voller Herz und Herzlichkeit, das von Jungen und Mädchen gleichermaßen gelesen werden kann und ebenso von Kindern, die mit Pferden nicht viel anfangen können. Es besticht vor allem durch seine so liebevoll ersonnenen Protagonisten, die zwar mitunter einigermaßen skurril daherkommen, aber allesamt, wenn man mal vom "Alligator" absieht, ihr Herz auf dem rechten Fleck haben und denen man gerne auch in einem Folgeband wiederbegegnet wäre! Leider aber hat die Autorin anders entschieden....

Veröffentlicht am 26.02.2022

Reise mit Überraschungen

Rückkehr nach Regensburg
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Um es vorweg zu sagen: ich habe ein Faible für Novellen! Und in der Literaturgeschichte gibt es einige großartige Beispiele dieser Textsorte, die der Textgattung Epik zughörig ist. Denken wir nur einmal ...

Um es vorweg zu sagen: ich habe ein Faible für Novellen! Und in der Literaturgeschichte gibt es einige großartige Beispiele dieser Textsorte, die der Textgattung Epik zughörig ist. Denken wir nur einmal an Stefan Zweig, der für mich der Meister schlechthin der Novelle ist. Die Messlatte liegt also hoch, zumal längst nicht jeder als solche apostrophierte Text tatsächlich die Merkmale einer Novelle aufweist. Derartige Beispiele bezeichnet man dann besser als Kurzromane, wenn sie schon den Kriterien einer Kurzgeschichte nicht entsprechen.
Durch viele Enttäuschungen vorbelastet begab ich mich also an die Lektüre von Rüdiger Marmullas erstem Band einer Trilogie, dem hier zu besprechenden „Rückkehr nach Regensburg“. Auch neugierig, denn bislang kannte ich aus seiner Feder nur „Der Abenteuergarten“, in dem er in kurzen Geschichten einen überraschend offenen Einblick in sein Leben und seine Persönlichkeit gibt – ein schmales Werk, das ich nur als sehr gelungen bezeichnen kann.
Meine Bedenken im Vorfeld – wie ich sie immer habe, bevor ich eine Novelle lese – waren, wie ich mir eigentlich hätte denken können, unbegründet! Das, was der Autor dem Leser vorlegt, ist nämlich in der Tat eine Novelle, genau wie aus dem Lehrbuch, wenn man sich klar macht, dass es sich bei den vermeintlichen Rückblenden, die in Novellen nicht vorgesehen sind, in Wahrheit um eine Binnenerzählung, eingebettet in eine Rahmenhandlung, handelt, eine beliebte Erzähltechnik der Novelle.
Novellen sind 'Neuigkeiten', haben also keineswegs eine ganz normale Alltagssituation zum Inhalt, sondern vielmehr etwas Außergewöhnliches, auch wenn dies in „Rückkehr nach Regensburg“ zunächst nicht den Anschein hat, denn das, was der Protagonist Richard mit seinem Freund Christian unternimmt, ist eine ganz normale Städtereise, nach Regensburg eben, der Stadt, in der Richard aufwuchs und die er seinem Freund zeigen möchte. Dass er damit eine Reise in die Vergangenheit macht und die Erinnerungen an Dana, seine erste, seine ganz große Liebe, die recht traurig endete, immer lebendiger werden – hier also haben wir unsere Binnenerzählung -, hat er nicht erwartet. Nach all den Jahren, die seit der unglückseligen Trennung von Dana vergangen sind und in denen er seine eigene Familie gegründet hatte, glaubte er, dass die schmerzende Wunde sich geschlossen hatte. Doch obschon er eine glückliche Ehe geführt hatte mit Eva, die drei Jahre zuvor von ihm gegangen war, war da immer noch Dana in seinem Herzen, die er – und nun bahnt sich der jeder Novelle zugehörige Wendepunkt an – in der Kellnerin eines Speiselokals, das er mit Freund Christian besucht, wiederzuerkennen glaubt, obgleich dies unmöglich scheint!
Doch Wendepunkte verändern nun einmal den Lauf einer Geschichte, geben ihr eine ganz neue, eine unerwartete Richtung. Das unmöglich Scheinende darf eintreten! Für den 68jährigen Richard, der etwas verloren, auf jeden Fall einsam wirkt und auch gesundheitlich nicht auf der Höhe ist, bietet sich nun ganz unverhofft eine zweite Chance auf eine gemeinsame Zukunft mit der nie vergessenen Liebe seines Lebens. Wünschen wir ihm, dass er sie ergreifen möge!
Im Gegensatz zu Thomas Mann, einem weiteren Meister der Novelle (was Wunder, denn alles, was er anpackte, brachte er zur Meisterschaft!), ist Rüdiger Marmulla dankenswerterweise ein Schriftsteller, der einen schnörkellosen Stil beherrscht, mit kurzen und klaren Sätzen, mit sozusagen 'unverpackten' Gedanken. Als nüchtern möchte ich seinen Erzählstil bezeichnen, als ausgewogen und besonnen. Und genau diesen Eindruck machen auch seine Charaktere – genaugenommen sind dies nur drei, und eine sehr begrenzte Anzahl von Personen ist ja schließlich ein weiteres Kriterium der Novelle! Wenn man nicht tiefer schaut freilich, denn gerade Richard ist starker Emotionen fähig, war es immer, wobei ich mir bei Dana noch nicht recht sicher sein kann, angesichts dessen, was man in der Binnenerzählung über sie erfährt.
Was sich aber ändern mag nach der Lektüre der beiden folgenden Novellen, die die Trilogie vervollständigen werden, die mir, nebenbei bemerkt, stark autobiographisch gefärbt zu sein scheint, wie ich in Kenntnis des „Abenteuergartens“ zu behaupten wage. Ein weiterer Grund, neugierig zu sein auf das, was das Leben beziehungsweise der Autor für die beiden Liebenden, die einander so unerwartet wiedergefunden haben, bereit hält. Aber halt – unerwartet? Rein zufällig? Ein Ereignis ohne kausale Erklärungen, wie das so oft eintritt im Leben eines jeden Menschen? Man könnte es auch anders sehen, so nämlich, wie es Albert Einstein formuliert hat: „Der Zufall ist Gottes Art anonym zu bleiben“. Belassen wir es einmal dabei!

Veröffentlicht am 02.07.2021

Erla folgt ihrer Bestimmung

Nordstern - Die Nacht der freien Pferde
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Am Ende des ersten Bandes der „Nordstern“-Trilogie haben Erla und ihre Schimmelstute Drifa den Angriff des gefährlichen Zwischenwesens, das unbeabsichtigt aus den Tiefen der Erde und der Zeit befreit worden ...

Am Ende des ersten Bandes der „Nordstern“-Trilogie haben Erla und ihre Schimmelstute Drifa den Angriff des gefährlichen Zwischenwesens, das unbeabsichtigt aus den Tiefen der Erde und der Zeit befreit worden war, nur um Haaresbreite überlebt. Aber das Mädchen musste dafür eine folgenschwere Entscheidung treffen, über die wir im zweiten Band Aufklärung bekommen – jedoch, wie schon im Vorgängerband, immer nur so viel, dass die mysteriösen Geschehnisse noch nachvollziehbar bleiben. Einigermaßen, denn der Schleier des großen Geheimnisses wurde nur leicht gelüftet und Jorunn, die weise alte Heilerin, der die Unsichtbaren mit Ehrfurcht, Scheu, aber auch einer Spur von Abwehr begegnen und die alleine um die Hintergründe dessen weiß, das durch Erlas Ankunft auf Island in Gang gesetzt wurde, hüllt sich in Schweigen. Alles kommt, wie es kommen muss, wie es die Götter vor Urzeiten bestimmt haben, so ihr Credo.
Im Laufe der Lektüre wird immer klarer, dass dunkle Zeiten auf Erla zukommen, dass sie allen Mut braucht, den sie aufbringen kann, um die Rolle, die ihr bestimmt ist, anzunehmen und auszufüllen. Mit unbestimmtem Ausgang, denn das, was Erla am Ende der vorliegenden Geschichte zu tun bereit ist, um das irgendwann in der Welt der Elfen, der Feen und der Unsichtbaren aus dem Ruder Gelaufene wieder geradezubiegen, zurechtzurücken und heil zu machen, wird, so Jorunns Warnung, Opfer fordern. Welch eine Verantwortung lastet da auf dem knapp 15jährigen Mädchen, das erst ein halbes Jahr zuvor mit seiner Mutter auf der Insel aus Feuer und Eis einen Neubeginn machen wollte! Weg aus Nachkriegsdeutschland wollten sie, die Vergangenheit hinter sich lassen und von vorne beginnen, ihr Glück finden. Nie hätte sich Erla träumen lassen, dass sie nicht nur gleich nach der Ankunft von ihrer Mutter getrennt werden, sondern auch in eine Welt geraten würde, die für die meisten Menschen eine unsichtbare ist, die Welt der Huldu nämlich, Hüter des Lebens und Bewahrer der Natur der Insel, an die so viele Isländer fest glauben, voller Respekt, ohne sie jemals zu Gesicht bekommen zu haben.
Erla aber kann sie sehen, dank einer besonderen, von der Mutter so ängstlich wie ungehalten versteckt gehaltenen Gabe, die ausgerechnet ihr aus noch unbekannten Gründen oder vielleicht rein zufällig in die Wiege gelegt wurde. Und - gleich zu Beginn dieses zweiten Bandes erfahren wir, dass sie nun selber eine Huldu ist! Um gerettet zu werden nach dem Angriff des uralten Wesens, das nicht da sein darf, und, von immenser Bedeutung für sie, um ihr geliebtes Pferd nicht zu verlieren, musste sie sich für die Unsichtbaren entscheiden. Was das bedeutet, wird ihr im Laufe des langsam voranschreitenden Genesungsprozesses schmerzlich klar: zu der neuen Familie, die ihre Mutter auf Island gegründet hat, kann sie nun nicht mehr gehören!
Wie sie allmählich in ihrer neuen Welt heimisch wird und in die Rolle hineinwächst, die ihr zugefallen ist, davon erzählt dieser zweite „Nordstern“-Band. Und er erzählt ihre Entwicklung sehr glaubwürdig, lässt all ihre Ängste, ihre Verzagtheit, ihre innere Zerrissenheit, die jäh aufflammenden Hoffnungen, ihre Hilflosigkeit abwechselnd mit wilder Entschlossenheit transparent werden, bis sie schließlich so weit ist, ihre Bestimmung anzunehmen, die der Leser nunmehr klarer sehen kann, anstatt nur dunkel zu ahnen, wie am Ende des Vorgängerbandes. Doch auch jetzt wieder lässt die Autorin Erlas weiteres Schicksal vollkommen offen, bleiben die Rätsel ungelöst, die Fragen unbeantwortet, die sich weiterhin im Laufe der Geschichte auftun. Der Leser ist so klug, oder besser, so unwissend, wie die Protagonistin selbst, um die zu bangen er jeden Grund hat.
Und nicht nur um sie, denn da gibt es auch noch Erlas Freund Floki, den Jungen mit der mächtigsten Gabe von allen, der nun ebenfalls im Zentrum des Romans steht und aus dessen Blickwinkel ein großer Teil der Geschichte, die dann oft nur aus beunruhigenden Traumbildern besteht, erzählt wird. Jorunn hat ihn gemahnt, seine Gabe wohlüberlegt zu nutzen, sonst könne Schlimmes geschehen. Er hält sich nicht daran – und dem Leser schwant Unheil, eingedenk Jorunns Worten, dass Elas Entscheidung Opfer verlangt. Nun, der – noch nicht erschienene – Abschlussband wird, so bleibt zu hoffen, alle losen Fäden, von denen es nicht wenige gibt, zusammenfügen, alle Rätsel auflösen um Erla, die Weltenwanderin...
Um ein Fazit zu ziehen – auch der zweite Band der Trilogie, den man wohlweislich erst nach dem ersten lesen sollte, ist ein Buch, das man, ist man einmal drin in der Geschichte, kaum aus der Hand legen kann. Wobei ich mich nicht so recht anfreunden kann mit dem erneut offenen Ende. Doch wie schon zu Band Eins angemerkt, ist das Geschmackssache. Für die einen steigert ein Ende dieser Art, das im Grunde nur ein Cliffhanger ist, die Spannung, für die anderen ist es frustrierend, denn man kann ja nicht nahtlos weitermachen mit dem alles auflösenden letzten Band.
Aber wie dem auch sein mag, wir haben hier eine klug ausgedachte Fantasygeschichte (das Fantasy-Element ist so stark ausgeprägt in diesem Folgeband, dass sie genau das für mich ist), in der die für Uneingeweihte recht komplizierte isländische Sagenwelt sehr lebendig wird. Nicht leicht zu lesen ist sie, denn man muss sich schon sehr konzentrieren, damit einem keine der geheimnisvollen Andeutungen und nicht zu Ende gesprochenen Sätze entgehen. Aber für geübte Fantasyleser, die nicht ständig nach dem Warum und Weshalb fragen, sondern sich einfach fallen lassen in die Geschichte – was mir im Übrigen im Nachhinein als die beste Art des Lesens erscheint - , sollte das kein Problem sein. Und dann auch ist meines Erachtens das empfohlene Mindestalter von 12 Jahren gerechtfertigt, obgleich ich es höher ansetzen würde.
Den besonderen Reiz der „Nordstern“-Reihe macht für mich, die ich keine geübte Fantasyleserin bin, der Schauplatz aus, Island, die lebensfeindliche Insel im Nordatlantik mit der atemberaubenden Landschaft, die die Autorin in den schönsten und schillerndsten Farben gezeichnet hat, mal verlockend, einladend, voller Zauber und großer Schönheit, dann wieder gefährlich, bedrohlich und abweisend. Wunderbar anschaulich und stellenweise poetisch ist das beschrieben – die perfekte Kulisse – nicht nur – für einen Fantasyroman, in dem, nebenbei gesagt, jetzt endlich die Pferde im Titel, die zähen, freundlichen, widerstandsfähigen Islandponys, die bislang eine untergeordnete Rolle gespielt haben, allmählich in den Mittelpunkt des Geschehens zu rücken scheinen. Aber darüber wird man dann wohl im Abschlussband lesen können!

Veröffentlicht am 21.06.2020

Lilly und Nikolas auf den Spuren der Wikinger

Abenteuer im Land der Wikinger
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Wer die Reiseführer für Kinder und Jugendliche aus dem Verlag Biber & Butzemann, der sich auf regionale Abenteuer und Feriengeschichten vor allem für ein junges Publikum spezialisiert hat, kennt, weiß, ...

Wer die Reiseführer für Kinder und Jugendliche aus dem Verlag Biber & Butzemann, der sich auf regionale Abenteuer und Feriengeschichten vor allem für ein junges Publikum spezialisiert hat, kennt, weiß, dass sie nicht nur sehr liebevoll gestaltet und mit hübschen Illustrationen versehen sind, sondern vor allem auf unterhaltsame Weise Sehens- und Erlebenswertes in den unterschiedlichsten Gegenden Deutschlands vorstellen und das ganze mit zum Teil sehr ausführlichen Hintergrundinformationen würzen, die so recht Lust darauf machen, mehr davon zu lesen. Als besonders erfreulich empfinde ich es, dass die vorgestellten Reiseziele eben vorwiegend in heimischen Gefilden angesiedelt sind, die so viel zu bieten haben, dass man sich beim Lesen unwillkürlich fragt, warum man im Urlaub unbedingt danach trachtet, in möglichst weite Fernen zu schweifen. Schönere, erlebnisreichere, von den sehr engagierten Eltern liebevollst geplante Urlaube als die, die die in bereits zahlreichen Ferienabenteuern zuvor aufgetretenen Protagonisten Lilly und Nikolas innerhalb Deutschlands erleben, kann man sich kaum vorstellen!

Auch in „Abenteuer im Land der Wikinger“ begegnet der Leser den neugierigen Geschwistern wieder – Kinder, wie sie sich Eltern nur wünschen können! Nie nörgeln sie herum, nie klagen sie über Langeweile, stets sind sie bereit, die Vorschläge ihrer Eltern anzunehmen, selbst wenn sie mehrere Tage hintereinander mit ihnen Museen besichtigen sollen, an denen sie weniger interessiert sind als Vater und Mutter. Sie wissen, dass sie dennoch stets auf ihre Kosten kommen, denn zwischendurch gibt es immer wieder die eine oder andere kleine Überraschung, ganz auf ihre Vorlieben zugeschnitten, die denn auch die Highlights der jeweiligen Reisen sind!

Die neueste Feriengeschichte um Lilly und Nikolas stellt die beiden zunächst einmal vor ein Rätsel: im Gegensatz zu den sonstigen Reisen wissen sie diesmal nicht, welches Ziel sich die Eltern ausgedacht haben, das sollen sie anhand von vielen kleinen Hinweisen, die ihr Vater mit offensichtlichem Genuss für sie ausgedacht hat, selber herausfinden. Für die beiden klugen Kinder stellt das keine Schwierigkeit dar und sehr bald schlussfolgern sie, dass es ins Wikingerland geht! Aber nicht, wie sie zunächst vermuten, nach Skandinavien oder gar nach Island, sondern hoch in den Norden Deutschlands, in die Gegend zwischen Flensburg, Schleswig und Kiel. Wikingerland? Das assoziiert man landläufig nicht gerade mit Deutschland – und doch gab es eine florierende Wikingersiedlung nahe Schleswig, nämlich Haithabu. Fasziniert lassen sich die Kinder ein auf die Geschichte des kriegerischen Volkes, das allerdings noch ganz andere Seiten hatte, können gar nicht genug bekommen von der Sagenwelt, die so starken Einfluss hatte auf das Leben der rauflustigen, immens neugierigen, wissensdurstigen und als Händler und Kaufleute ebenso erfolgreichen Wikinger.

Wenn letztere selbstredend die Hauptrolle im vorliegenden Buch spielen und immer wieder auf sie zurückgekommen wird, so bietet die Geschichte doch noch unendlich viel mehr! Interessante Ziele werden angesteuert – ob es nun das Ostsee-Info-Center in Eckernförde ist, der Besuch im Freizeitpark Tolk oder der im Tierpark Gettorf, die Fahrt nach Schloss Gottorf, in dessen Landesmuseum echte Moorleichen zu sehen sind, oder diejenige zum Schloss Glücksburg an der dänischen Grenze, einem der bedeutendsten und schönsten Renaissance-Schlösser Nordeuropas, die Besichtigung des Danewerk, des größten archäologischen Denkmals im Norden des europäischen Kontinents oder der Abstecher zur die Kinder stark beeindruckenden Eichhörnchenschutzstation Eckernförde, um nur eine kleine Auswahl der vielen Orte zu erwähnen, die alle auf ihre Weise Glanzlichter dieser an besonderen Erlebnissen reichen Ferienreise sind – wobei der eigentliche, der wirklich unvergessliche Höhepunkt erst ganz zuletzt kommt...

Und wieder auch gibt es ein Rätsel aufzulösen, wie im Zuge der meisten Abenteuer, die die Geschwister erleben und über das an dieser Stelle nicht viel verraten werden soll – außer, dass es dabei um einen geheimnisvollen Jungen geht, der Nikolas immer wieder begegnet, und um Träume, in denen die Geschwister sich unabhängig voneinander plötzlich in der Wikingerzeit wiederfinden. Dass beide Vorfälle miteinander zu tun haben, ergibt sich im Laufe der Geschichte wie von selbst...

Fazit: ein typischer Biber & Butzemann Reiseführer für die junge Generation ( aber nicht nur für diese! ), in eine unterhaltsame Geschichte verpackt – und ganz gewiss Lust machend, wie alle seine Vorgänger auch, auf den Spuren von Nikolas und seiner Schwester zu wandeln! Und wenn dann die Reiseroute noch obendrein so perfekt und abwechslungsreich ausgearbeitet wurde, wie das die beiden Autorinnen die Eltern des Geschwisterpaares haben tun lassen, stellen die Reisevorbereitungen keine große Herausforderung mehr dar! Eigentlich kann man sofort loslegen – mit „Abenteuer im Land der Wikinger“ in der Tasche selbstverständlich!

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Veröffentlicht am 19.02.2023

In Krähfeld sagen sich die Füchse gute Nacht - oder vielleicht doch die Wölfe?

Der Wald heult - Ein Fall für Martha & Mischa
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Als Tierschutz-Krimi ist der hier zu besprechende Roman für Kinder apostrophiert, der als Auftakt einer Reihe um die Zwillinge Martha und Mischa gedacht ist, die ganz und gar gegen ihren Willen von den ...

Als Tierschutz-Krimi ist der hier zu besprechende Roman für Kinder apostrophiert, der als Auftakt einer Reihe um die Zwillinge Martha und Mischa gedacht ist, die ganz und gar gegen ihren Willen von den Eltern von Wien aufs Land umgesiedelt werden. Das ist hart, kannten – und liebten – sie doch bisher nur das Großstadtleben. Wien war ihr Lebensmittelpunkt, hier hatten sie ihre Freunde, hier gingen sie zur Schule und zu ihren Freizeitaktivitäten. Klar, sie lebten beengt und mussten sich ein Zimmer teilen, was auch nicht immer eitel Sonnenschein war. Doch hätten sie sich mit Freuden dreingefunden, wenn die Eltern nur nicht über ihre Köpfe hinweg beschlossen hätten, dass mit dem Stadtleben nun Schluss sei. All die verlockenden Beschreibungen des geräumigen Hauses mit großem Garten im ländlichen Krähfeld konnten die beiden Zwillingsgeschwister nicht aus ihrem Schockzustand herausreißen – und als sie dann das alte, abseits gelegene Haus, das von nun an ihre neue Wohnstatt sein würde, mit eigenen Augen sahen, waren ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Sie und Krähfeld, wo sich die Füchse und Hasen gute Nacht sagen, würden nie Freunde werden! Doch erstens kommt es anders, zweitens als man denkt! Eine Erfahrung, die die meisten Menschen, Kinder wie Erwachsene, im Laufe ihres Lebens ein ums andere Mal machen....
Die lebhafte und forsche Martha und ihr zurückhaltender, eher wortkarger Zwillingsbruder sind schließlich mit ihren etwa zehn Jahren noch jung genug, um sich auf etwas komplett Neues einzustellen, auch wenn sie sich zu Beginn weigern, ihre ablehnende Haltung zu ändern und den Eltern gegenüber, die schon ein einigermaßen schlechtes Gewissen haben, weil sie ihre Großstadtpflänzchen so eigenmächtig und ohne sie nach ihrer Meinung zu fragen – die naturgemäß gegen einen so drastischen Umzug ausgefallen wäre – ins vermeintliche Nirgendwo verpflanzt haben, weiterhin auf stur schalten. Klar, das im Vergleich zur Stadtwohnung riesige alte Haus macht ihnen die ersten Tage Angst, und vor allem in den Nächten verkriechen sie sich, wie gehabt, gemeinsam im Zimmer entweder Marthas oder Mischas, zumal etwas richtig Gruseliges ausgeht von dem alten Gemäuer! Mehr noch freilich von dem direkt an ihren Garten angrenzenden Wald, aus dem gar schauerliche Geräusche kommen, die die Kinder gleich als das Heulen eines Wolfes identifizieren. Oder gar eines ganzen Wolfsrudels?
Aber – es ist Sommer, und tagsüber sind die nächtlichen Ängste verschwunden oder verlieren doch wenigstens ihren Schrecken. Sehr bald schon, was zu erwarten war, finden die Zwillinge Anschluss an die übrigen Kinder, die in Krähfeld leben – ihre Anzahl ist überschaubar! -, und gemeinsam beschließen sie, dem nächtlichen Heulen auf die Schliche zu kommen. Und damit, auf den letzten etwa 30 von 157 Seiten, beginnt der sogenannte 'Tierschutzkrimi', der ein bisschen dünn ist, wie ich meine, und von dem sich so mancher junge Leser sicherlich mehr versprochen hätte.
Davon abgesehen aber ist die Geschichte flott und fröhlich – einmal aus Marthas, einmal aus Mischas Perspektive – erzählt. Der Versuchung, die zehnjährigen Kinder wie weise Erwachsene reden zu lassen, haben die beiden Autoren überwiegend widerstanden, wiewohl gerade Martha manchmal sehr altklug und unglaublich schlagfertig für ein Kind, das sie schließlich noch ist, daherkommt. Aber nun, solche Kinder gibt es natürlich auch, in der Regel sind es nicht die allersympathischsten, was bei Martha und ihrem ihr trotz aller Unterschiede eng verbundenen Zwillingsbruder zum Glück nicht der Fall ist. Beide sind nette Kinder, so liebenswert wie gänzlich normal und mit dem Herz auf dem rechten Fleck – Kunststück bei so unkonventionellen und rundum angenehmen Eltern! Junge Leser können sich leicht mit den Zwillingen identifizieren und mit ihnen und den anderen Kindern, ihren neuen Freunden, die sie doch eigentlich gar nicht finden wollten im Dorf Krähfeld, jede Menge Spaß haben. Naja, zugegeben, spannend wird’s dann zum Schluss auch, in Maßen...
Nicht begeistern jedoch konnte mich, abgesehen vom schön gestalteten Cover und den Vorsatzblättern, die zum Glück nur spärlich eingestreuten Illustrationen, die ich als zu kindlich und kärglich stilisiert empfinde. Das hätte Mischa, der nicht nur ein leidenschaftlicher Fußballer sondern auch ein begabter Zeichner ist, vermutlich besser hinbekommen....