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Veröffentlicht am 28.02.2022

Der Fall John - ein Hörerlebnis

Ein Präsident verschwindet
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Schon „Die Akte Adenauer“ hat mich atemlos durch die Seiten fliegen lassen und nun geht es rasant weiter. „Ein Präsident verschwindet“ knüpft an die deutsche Nachkriegsgeschichte - den Ost-West-Konflikt ...

Schon „Die Akte Adenauer“ hat mich atemlos durch die Seiten fliegen lassen und nun geht es rasant weiter. „Ein Präsident verschwindet“ knüpft an die deutsche Nachkriegsgeschichte - den Ost-West-Konflikt – an. Der zweite Thriller um Philipp Gerber, den in Deutschland geborenen US-Amerikaner, der 1953 in den Dienst des BKA tritt. Diesmal bin ich hörend dabei.

Wir schreiben das Jahr 1954. Otto John, der Präsident des Verfassungsschutzes, verschwindet. Philipp Gerber von der Sicherungsgruppe Bonn ermittelt. Als John in Ost-Berlin wieder auftaucht stellt sich die Frage: Wurde er tatsächlich entführt?

Otto John, der mit seinem Auftauchen in der DDR für einen der größten politischen Skandale in der frühen Geschichte der BRD sorgte, war von 1950 bis 1954 der erste Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Hier trifft viel Wirklichkeit auf dichterische Freiheit.

Schon das Cover vermittelt diese beklemmende Stimmung des geteilten Deutschlands beim Grenzübertritt bei Nacht - Düsternis und Tristesse.

Eine durch und durch spannend erzählte Geschichte, die durch den Hintergrund der deutsch-deutschen Geschichte besticht, die tief eintaucht in das damalige Geschehen, die alles hat, was ein Thriller braucht – aufregend, mitreißend, fesselnd und sehr interessant. Wird hier doch Geschichte vermittelt, eingebettet in eine fiktive Story die so hätte sein können, die vielleicht nicht nur einmal so oder so ähnlich gewesen ist. Man spürt, dass Ralf Langroth genauestens recherchiert hat und sein Wissen geschickt mit den erdachten Momenten vermengt.

Nicht genug damit, ist auch das Hörbuch gelungen. Dank des hervorragenden Sprechers sind die Figuren sehr authentisch gezeichnet, man nimmt Johannes Steck sofort ab, wenn er seine Charaktere in Dialekt sprechen lässt, einem Fremdsprachler seinen typischen Akzent lässt oder hinter der kraftvollen Stimme ein stämmiger Mann hervorblitzt.

„Ein Präsident verschwindet“ hat Argon Hörbuch vertont und mit dem sehr erfahrenen Sprecher Johannes Steck und seinem akzentuierten Vortrag der spannenden Geschichte viel Leben eingehaucht. Wer geschichtlich interessiert ist, zudem gut unterhalten werden will, der sollte hier zugreifen.

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Veröffentlicht am 28.02.2022

Rasant, abwechslungsreich, spannend

Violas Versteck (Tom-Babylon-Serie 4)
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Band 4 der Tom Babylon-Serie „Violas Versteck“ von Marc Raabe ist der letzte Band um den LKA-Ermittler Tom Babylon und der Psychologin Sita Johanns.

Seit nunmehr 23 Jahren kommt er nicht zur Ruhe. Spürt, ...

Band 4 der Tom Babylon-Serie „Violas Versteck“ von Marc Raabe ist der letzte Band um den LKA-Ermittler Tom Babylon und der Psychologin Sita Johanns.

Seit nunmehr 23 Jahren kommt er nicht zur Ruhe. Spürt, dass sie noch da ist – Vi, seine kleine Schwester. Ein Foto, das Viola als erwachsene Frau zeigt, bestätigt ihm, dass er richtig liegt, er nicht aufgeben darf – Tom Babylon, LKA-Ermittler aus Berlin.

Er wacht auf, ist orientierungslos – hier stimmt was nicht. Schaut nach draußen. Das ist Big Ben! Und Viola flüstert im Hintergrund - wie so oft. Seit 23 Jahren sucht er sie. In einem Müllcontainer wurde er gefunden – wie kommt er hierher? Er, Tom Babylon, der Polizist aus Berlin? Jetzt ist er im Krankenhaus, Dr. Harris erzählt ihm, dass sie ihn nackt herausgefischt haben – er wurde niedergeschlagen. Kann sich an nichts mehr erinnern. Beim LKA arbeitet er nicht mehr, vor 6 Wochen wurde er gekündigt und es kommt noch schlimmer. Seine Frau Anne und sein kleiner Sohn Phil sind aus der Wohnung ausgezogen.

Und schon bin ich wieder mittendrin, erliege Marc Raabes so fesselndem Schreibstil. Der nunmehr vierte Band greift die Suche nach Viola auf, die Story hat es wieder in sich. Nicht nur Tom, auch Sita Johanns, die Psychologin und langjährige Kollegin Toms, nimmt die Leser mit in tiefste menschliche Abgründe, mitten hinein in eine abgeschiedene psychiatrische Anstalt. Ihr Part ist kursiv geschrieben, die Sicht auf die Geschehnisse wechseln stetig vom Vorher zu wenige Stunden, Tage oder Wochen später. Der Wechsel der Perspektive - Toms Suche ebenso wie die von Sita - macht die Story unglaublich rasant, spannend und kurzweilig.

Toms Aufruhr in sich selbst, seine Gefühlswelt, ist ein auf und ab. Er kann und will nicht aufgeben, ist es seiner kleinen Schwester schuldig, mit der er mental den Kontakt nie verloren hat. „Es ist besser, du findest mich nie“ – und doch muss er sie finden.

Das Cover hat einen Wiedererkennungswert, sind doch die Vorgänger „Schlüssel 17“, „Zimmer 19“ und „Die Hornisse“ ähnlich aufgemacht. Perfekt!

Marc Raabe versteht es, die Ängste und Zweifel so präzise und ausdrucksstark, so lebendig zu vermitteln, dass man unmöglich aufhören kann zu lesen. Auch wenn man die Vorgängerbände nicht kennt, ist man schnell dabei, das Nötige fließt wie nebenbei mit ein. Zwei sehr kurze Nächte waren es, diese gut 600 Seiten habe ich regelrecht inhaliert, belohnt wurde ich mit spannender Unterhaltung.

Loslassen ist niemals einfach. Tom, Sita, Bene und all die anderen haben mich über vier Bände begleitet. Ob es ein Wiedersehen geben wird? Marc Raabe weiß es noch nicht, ich lasse mich überraschen. Auf jeden Fall wünsche ich den Protagonisten, dass es ihnen gut gehen möge – ob im „Thriller-Ruhestand“ oder bis zum nächsten Fall. Aber eines ist sicher: Marc Raabe wird mir bestimmt noch so manch aufregende Lesestunde bescheren.

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Veröffentlicht am 23.02.2022

Im Land der Schwyzer

Tell
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Wilhelm Tell – wer kennt ihn nicht, den legendären Schweizer Freiheitskämpfer. Seine Geschichte wird auf das Jahr 1307 datiert, Schiller setzt ihm später mit seinem Drama ein Denkmal. Und jetzt greift ...

Wilhelm Tell – wer kennt ihn nicht, den legendären Schweizer Freiheitskämpfer. Seine Geschichte wird auf das Jahr 1307 datiert, Schiller setzt ihm später mit seinem Drama ein Denkmal. Und jetzt greift Joachim B. Schmidt nach ihm, nach Tell - hoch droben im Isenthal lebt er.

Ein hartes Leben führen sie, die vom Tellhof. Wilhelm ist unterwegs mit seinem ältesten Sohn Walter in diesem unwegsamen Gelände, in dem man immerzu fürchten muss, einen falschen Tritt zu machen. Es ist verboten hinaufzuklettern, beim Wildern dürfen sie sich nicht erwischen lassen und doch gehen sie, Walter muss mit ob er will oder nicht. Ein unguter Mensch scheint der Vater zu sein, wortkarg eher, unerbittlich und hartherzig. Sein Wort gilt. Drei Generationen leben in der Hütte, alle müssen sie mit anpacken, es wird ihnen nichts geschenkt.

Ein wenig annähern musste ich mich schon, mit Hedwig beginnt der Roman. Draussen hockt ein Bär, mitten auf der Wiese und Wilhelm greift nach seiner Armbrust, das Fleisch könnten sie schon brauchen. „Hep, hep, hep“ – zwei Topfdeckel schlägt sie Großmutter aufeinander, um das Tier zu verscheuchen. Wilhelm gefällt dar gar nicht, brüllt nach seinem Sohn.

Der Ton ist rau, Tell ein Eigenbrötler – auch dem kargen, entbehrungsreichen Dasein geschuldet, so kam es mir vor. Bis sich immer mehr seine ganz eigene Geschichte offenbart. Kurze Kapitel aus den Blickwinkeln der Familienmitglieder wechseln sich ab mit denen des Landvogts, auch sein Untergebener Harras kommt zu Wort. Ein harter Hund ist der, geht immer einen Schritt zu weit und genießt es sichtlich, wie sich alle vor ihm ducken, hat auch ein Auge drauf, dass der Hut auch ordentlich gegrüßt wird…

…Der habsburgische Landvogt Gessler lässt der Legende nach einen Hut auf eine Stange stecken und jeder Untertan hat ihn zu grüßen, sobald sie an ihm vorübergehen. Auch Wilhelm, der mit seinem Sohn Walter unterwegs zum Viehmarkt ist, muss vorbei. Der eigensinnige Tell denkt gar nicht daran zu grüßen und so nimmt der Apfelschuss Gestalt an.

Joachim B. Schmidt interpretiert die Geschichte des Wilhelm Tell neu. Und doch könnte es so oder so ähnlich gewesen sein, ich habe seine Auslegung mit Vergnügen gelesen, auch wenn es zuweilen ganz schön brutal zuging. Das Bild des Wilhelm Tell, des ungehobelten Bergbauern, ist mitsamt seiner Familie für mich gut nachvollziehbar gezeichnet. Auch der Landvogt und seine Gesellen wirken glaubhaft, jeder für sich ist ein ganz eigener Charakter – der zaghafte, total überforderte Gessler ebenso wie der grobschlächtige Harras und die jungen, noch unerfahrenen Söldner.

Ja, er hat hier gelebt. „Manchmal kann man sein Gesicht in den Felsen erkennen.“ Die letzte Klappe fällt, der Rückblick lässt sie alle los, Schmidts Neuinterpretation klingt aus.

Ein Wort zum Cover – unverkennbar ein Diogenes-Buch. Es braucht wenig, um alles zu sagen. Der Apfel als Symbol für den Apfelschuss – mehr wäre hier zuviel gewesen.

Nachdem ich „Kalman“ so sehr ins Herz geschlossen habe, musste ich „Tell“ natürlich lesen. Auch wenn ich skeptisch war, was denn aus der so bekannten Geschichte herauszuholen wäre, hat mich Joachim B. Schmidt eines Besseren belehrt. Ein literarischer Leckerbissen, der gelesen werden will!

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Veröffentlicht am 19.02.2022

Historischer Krimi und mehr

Die Verschwörung der Krähen
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Markus Gasser hat mit „Die Verschwörung der Krähen“ ein interessantes Stück Zeitgeschichte um den Schriftsteller Daniel De Foe vorgelegt. Daniel Defoe - wer kennt ihn nicht. Robinson Crusoe – dieses Werk ...

Markus Gasser hat mit „Die Verschwörung der Krähen“ ein interessantes Stück Zeitgeschichte um den Schriftsteller Daniel De Foe vorgelegt. Daniel Defoe - wer kennt ihn nicht. Robinson Crusoe – dieses Werk verbinde ich mit ihm. Lang ist es her und doch ist dieser so bekannte Roman sofort gegenwärtig.

Es ist die Zeit des beginnenden 18. Jahrhunderts. Der Journalist Daniel de Foe lebt in London, es ist eine gesetzlose Welt, von der wir lesen. „De Foe, „the foe“, der Feind, der Widersacher – das war er für sie von Anfang an. Ja, zunächst reinen Gewissens… dann voller Verachtung und Zorn.“ Unter Queen Anne Stuart werden politisch Andersdenkende zu Staatsfeinden erklärt, auch De Foe landet im Newgate Prison, seine Schmähschriften richten sich gegen ihr Regiment. Er prangert an, macht sich Anne Stuart zur Feindin. Nach seiner Freilassung, die er Harley, dem Speaker des Unterhauses, zu verdanken hat, bringt er eine Zeitschrift heraus, deren Artikel er meist unter diversen Namen selbst verfasst genauso wie Leserbriefe und die entsprechenden Antworten auf diese.

Auch damals waren Fake News an der Tagesordnung, seine Meinung zu äußern war gefährlich, der Henker ganz nah. Es sind zwei Welten – die Krone zieht mit Hilfe der Kirche alle Fäden, die Unterwelt, einhergehend mit all den schrecklichen Verbrechen, kämpft dagegen an. Man spürt zwischen den Zeilen direkt die Düsternis, auch die Pest war gegen sie.

Der Bezug zur Gegenwart blitzt immer wieder auf, auch heute ist es nicht anders. Lediglich der Kerker bleibt den Andersdenkenden erspart, das Gefängnis nicht immer.

Ja, nur einer weiß, wie diese Leichenteile an das Ufer der Themse gelangen konnten. Ein abenteuerlicher Krimi, für den man sich die Zeit nehmen sollte, um richtig drin zu sein, es lohnt sich. Am Ende hat man viel über das Leben damals erfahren. Es war beileibe kein leichtes, aufmucken endete oftmals im Kerker und wer weiß, wann und ob überhaupt man aus den Rattenlöchern befreit wurde.

„Die Verschwörung der Krähen“ ist ein historischer Abenteuerroman über unsere Gegenwart. So steht es auf der Rückseite des Einbandes. Die Parallelen zu unserem Heute sind nicht zu übersehen. Eine Mördersuche, sie so viel mehr ist.

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Veröffentlicht am 17.02.2022

Sehr lesenswerte Kurzgeschichten

Milch Blut Hitze
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In elf Kurzgeschichten erzählt Dantiel W. Moniz in ihrem eindrucksvollen Debüt von den Leben derer, die es wohl nie ganz nach oben schaffen. Sie leben in Florida, dem Sunshine State, auf der Sonnenseite ...

In elf Kurzgeschichten erzählt Dantiel W. Moniz in ihrem eindrucksvollen Debüt von den Leben derer, die es wohl nie ganz nach oben schaffen. Sie leben in Florida, dem Sunshine State, auf der Sonnenseite des Lebens stehen sie nicht unbedingt.

Blutschwestern sind sie, noch ganz jung - sie wollen ausprobieren wie es sich anfühlt, einfach vom Dach zu springen, sie spielen mit dem Tod. Und da ist die Ehefrau, die den Krebs nicht mehr besiegen will. Kinder, die es weit hinaus treibt aufs Meer und noch so viel mehr, direkt aus dem Leben gegriffen. Geschwister haben sich schon lange nichts mehr zu sagen, um dann nochmal gemeinsam eine Sache anzupacken, es geht nicht anders.

Wie nebenbei erzählt Dantiel W. Moniz von Krankheit und Suizid, nicht immer einfachen Mutter-Tochter-Beziehungen, von Freundschaft und Verrat. Es sind überwiegend Frauen jeden Alters, deren Ängste und Nöte in diese Kurzgeschichten verpackt sind. Jede einzelne Story für sich sagt viel aus, erzählt eindrucksvoll davon, wie sie umgehen mit ihrem Schicksal und lässt es dann wie schwebend ausgleiten, das Letzte bleibt ungesagt und doch weiß man um das Ende. Die Hautfarbe spielt keine Rolle und doch blitzt sie durch.

Nicht immer mochte ich gleich die nächste Geschichte lesen, ich musste erst das eben Gelesene Revue passieren lassen, mich wieder frei machen, um für die nächste bereit zu sein. Den Figuren haftet eine Bedrücktheit an, ihre Geschichten berichten von Trauer und Schmerz, von Aufgabe und manchmal auch von Neuanfang.

Lebendig und kraftvoll, voller Poesie und tieftraurig sind diese elf Kurzgeschichten. Ein eindrucksvolles Leseerlebnis, das mich sehr beeindruckt hat, das mich nachdenklich zurücklässt.

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