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Veröffentlicht am 22.03.2022

Ein Mann, durch den Gott wirkte

Luther
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1517 – ein Jahr, das in die Geschichte eingeht. Der Theologe Martin Luther verfasst 95 Thesen, in denen er auf Missstände in der Kirche hinweist. Doch was steht hinter diesen Glaubensaussagen, die die ...

1517 – ein Jahr, das in die Geschichte eingeht. Der Theologe Martin Luther verfasst 95 Thesen, in denen er auf Missstände in der Kirche hinweist. Doch was steht hinter diesen Glaubensaussagen, die die Welt verändert haben?

Martin Luther ist sich seiner Sünde sehr bewusst. Er bemüht sich nach Kräften von Gott angenommen zu werden. Die Kirche verkauft Ablassbriefe, die Sündenvergebung garantieren sollen, ein gutes Geschäft. Das heilige Buch des Glaubens ist Kirchenmännern vorbehalten, das einfache Volk kennt die Bibel nicht - darum funktioniert dieses System so gut. Martin Luther jedoch, der Mönch ist, studiert die Schriften und entdeckt, Vergebung ist ein freies Geschenk Gottes. Diese befreiende Botschaft möchte er bekanntmachen.

Seine Thesen, als Diskussionsgrundlage gedacht, sind nicht gern gesehen, denn die Kirche möchte nicht auf die Einnahmen für die Zusprechung der Sündenvergebung verzichten. Martin Luther soll sterben. Doch Freunde retten ihn und er weist weiterhin auf Missstände in der Kirche hin. Von ihm unbeabsichtigt, führt das zu einer Spaltung der Kirche.

Dieses dicke Buch ist faszinierend und spannend. Neben einer Vielfalt an Fakten und Geschichten über bekannte Männer, wie Melanchthon oder Erasmus, erfährt der Leser auch manches über kuriose Gestalten, wie die Frau, die jahrelang weder aß noch trank, oder die Toilette aufsuchen musste. Luthers derbe, doch lebensnahe Art kommt gut zur Geltung, so zum Beispiel in dem Kapitel mit der Überschrift, „Der Heilige Geist in der Toilette“.

Der Autor, Eric Metaxas, hat schon einige Bestseller über berühmte Christen geschrieben. Er versteht es geistliche Inhalte auf einfache Weise zu erklären. Das ist in diesem Buch besonders hilfreich, wenn es beispielsweise um die Rechtfertigung durch den Glauben geht, oder um die unterschiedliche Auffassungen vom Abendmahl.

Auch problematische Themen kommen zur Sprache, zum Beispiel Luthers Aussagen über Juden oder seine Einstellung zu den Bauernkriegen. Dabei schlägt sich der Autor, trotz manchem Unverständnis, auf die Seite Luthers. So entsteht fast ein Heldenepos, was manchen Lesern vielleicht nicht gefallen wird. Kritiker zweifeln außerdem die Historizität mancher Aussagen des Autors an, doch vieles wird mit Quellen belegt.

Fazit: Eine faszinierende Biografie über eine schillernde Persönlichkeit. Sehr empfehlenswert!

Veröffentlicht am 15.03.2022

Das Beste aus der Gabe der Hochsensibilität machen

Mit allen Sinnen auf Empfang
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Am Ende des Buchs dankt die Autorin ihrem Vater und widmet ihm das Buch, da er als hochsensibler Mensch zeitlebens als nervenkrank angesehen wurde. Das ist berührend und macht deutlich, dass dies ein Thema ...

Am Ende des Buchs dankt die Autorin ihrem Vater und widmet ihm das Buch, da er als hochsensibler Mensch zeitlebens als nervenkrank angesehen wurde. Das ist berührend und macht deutlich, dass dies ein Thema ist, das ihr sehr am Herzen liegt. Die Autorin erklärt, dass Hochsensibilität keine Modererscheinung ist. Es hat schon immer Menschen gegeben, deren Sinne empfänglicher waren. Doch ihr Anderssein wurde oft als ein Makel angesehen.

Nach zwei informativen Kapiteln über Erscheinungsweisen, Forschungsergebnissen und die Geschichte der Hochsensibilität, erzählt Debora Sommer ihre eigene Geschichte. Sie berichtet von kleinen Erlebnissen aus Kindheit und Jugend, die sie zutiefst prägen oder auch verletzen, von der ersten Ahnung, dass sie hochsensibel sein könnte, und schließlich von dem weiten Weg bis zum Annehmen dieser Eigenschaft und einem positiven Umgang damit.

In der zweiten Hälfte des Buchs geht es um das Zusammenleben von Hochsensiblen und Normalsensiblen in christlichen Gemeinden. Dieses Thema wird ausführlich aus drei verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet. Zuerst geht es um vier Zugänge zur übernatürlichen Welt, das Gebet, die Sinne, die Natur und der Körper. Im nächsten Kapitel dient der israelitische Tempel als Sinnbild für die Innen- und Außenwelt. Im letzten Kapitel geht es schließlich um das Miteinander in der Gemeinde.

Das Thema hochsensibles Christsein bildet den Schwerpunkt dieses Buchs. Durch die drei Zugänge gibt es manche Wiederholungen, was teilweise vielleicht stört, andererseits fühlen sich Leser vermutlich von verschiedenen Zugangsweisen angesprochen. Mir persönlich ging es beim Lesen so, dass ich mit wenig Erwartungen an das Kapitel über den Tempel als Sinnbild herangegangen bin, und dann gerade hier die meisten Schätze heben konnte.

Besonders wohltuend ist die positive Sichtweise der Hochsensibilität als Gabe, nicht als Bürde. Und doch warnt die Autorin, dass diese Gabe keinesfalls als Ausrede oder Freifahrtschein zur Sonderbehandlung dienen darf.

Die Autorin ist mit Leidenschaft Theologin. Dass sie Gottes Wort liebt und schätzt, wird sehr deutlich. Sie rechnet auch mit dem Wirken des Heiligen Geistes, für das Hochsensible unter Umständen empfänglicher sein können, wenn sie diese Gabe pflegen.

Viele Abschnitte enden mit Fragen zur persönlichen Betrachtung. Es finden sich auch immer wieder ganz praktische Ratschläge und Lebenshilfen, zum Beispiel, dass wir zwar vieles an unserer Situation nicht ändern können, wir aber selbst in der Hand haben, womit wir uns in unseren Gedanken beschäftigen. Ein weiteres Beispiel, das mir als begeisterte Leserin besonders gut gefällt, „Das Lesen, als individuelles Erlebnis und tiefgreifender Vorgang, kann zu einer heilenden Disziplin werden.“

Fazit: Persönlich, fundiert und gut recherchiert, bietet dieses wertvolle Buch eine Schatztruhe voller Fakten und Tipps rund um das Thema Hochsensibilität, mit einem Schwerpunkt auf das christliche Leben. Sehr empfehlenswert!

Veröffentlicht am 28.02.2022

Eine Meisterleistung, die unsere Sprache prägte

Martin Luthers Bibel
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Dieses liebevoll gestaltete Buch nimmt den Leser mit auf eine lange geschichtliche Reise, die vor tausenden von Jahren mit den ersten Niederschriften der Bibel beginnt. Mit Tierhäuten und Pergamenten fängt ...

Dieses liebevoll gestaltete Buch nimmt den Leser mit auf eine lange geschichtliche Reise, die vor tausenden von Jahren mit den ersten Niederschriften der Bibel beginnt. Mit Tierhäuten und Pergamenten fängt diese faszinierende Geschichte an. Anschließend erfährt der Leser von der Entstehung des biblischen Kanons, also der Festlegung welche Schriften zur Bibel gehören, und lernt von wem die ersten Übersetzungen, die Septuaginta und Vulgata, stammen. Und schon geht es um Übersetzungen ins Deutsche, denn schon vor Luther gab es vereinzelte Bibel-Teilausgaben. Der Schwerpunkt des Buchs liegt auf der Bibelübersetzung Martin Luthers und den anderen Übersetzern seiner Zeit. Zum Schluss erfährt der Leser von Revisionen und neuen Ausgaben der Lutherbibel.

Besonders aufschlussreich sind die Hinweise auf das Leben Luthers, vor allem seine Einstellung zu bestimmten biblischen Büchern und den Apokryphen. Lesenswert ist auch der Abschnitt über die neue Buchdruckindustrie, die nicht nur auf Gutenberg zurückgeht. Interessant ist auch das Kapitel über die deutsche Sprache, denn Luther hat ja bekanntlich, „dem Volk aufs Maul geschaut“.

Entgegen landläufiger Meinung übersetzte Luther die Bibel nicht allein, sondern gemeinsam mit mehreren guten Freunden. Bei jeder neuen Drucklegung überprüfte er nochmals sorgfältig den Text und nahm Änderungen vor. Das Ergebnis ist die wohl bekannteste deutsche Bibelübersetzung, deren Worte in den Herzen vieler Menschen wohnen.

Es macht Spaß in diesem großformatigen Buch mit seinen vielen Kunstdrucken zu blättern. Die Texte enthalten zwar viele Details und Namen, sind aber trotzdem leicht verständlich. Man spürt beim Lesen die Liebe des Autors zu diesem besonderen Buch, der Bibel. Und trotzdem berichtet er sachlich, selbst über theologische Differenzen. So kann der Leser sich selbst eine Meinung bilden.

Fazit: Dieses ausführliche Buch enthält viel mehr Hintergrundinformation als die Beschreibung vermuten lässt. Wunderschön gestaltet und mit aufschlussreichen Texten, wird es Bibelliebhaber begeistern. Sehr zu empfehlen!

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Veröffentlicht am 27.02.2022

Wenn sich zwei vielseitig interessierte Theologen unterhalten

Der Ideen-Entzünder
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In der christlichen Szene Deutschlands kennen viele den Namen Ulrich Eggers, entweder als Herausgeber christlicher Zeitschriften, als Verlagsleiter oder als Willow Creek Vorsitzenden. Vielleicht auch wegen ...

In der christlichen Szene Deutschlands kennen viele den Namen Ulrich Eggers, entweder als Herausgeber christlicher Zeitschriften, als Verlagsleiter oder als Willow Creek Vorsitzenden. Vielleicht auch wegen einer seiner vielen anderen Aufgaben und Positionen. Denn er ist ein Mann, der vor Ideen und Initiativen übersprudelt. Die Aufgabe eine Biografie über solch ein vielfältiges und bewegtes Leben zu schreiben, ist eine herausfordernde Aufgabe.

Dieses Buch im Interview-Stil zeigt eine ungewöhnliche, einmalige Lösung. Der Leser darf einem vertrauten Gespräch zwischen zwei Freunden lauschen. Beide Interviewpartner, Thomas Härry, Theologe und Psychologe, und Ulrich Eggers sprechen über viel mehr als nur die schillernde Ereignisse in einem reich gefüllten Leben. Härry versteht es an spannenden Stellen nachzufragen, tieferzubohren, nach Motiven und Hintergründen zu fragen. Das Ergebnis ist ein spannendes und aufschlussreiches Gespräch über den Glauben, das gelebte Christsein und die bunte Welt der christlichen Denominationen in Deutschland. Auch umstrittene und heikle Themen werden angesprochen, wie Ökumene, die charismatische Bewegung oder die Frauenfrage.

Ein Thema kommt zieht sich durch das ganze Buch, Authenzität, denn das ist Ulrich Eggers ein Herzensanliegen. Er weiß, dass vieles in christlichen Kreisen Schein ist. Christen geben einen idealen Ist-Zustand vor, der nicht wirklich vorhanden ist. Wie befreiend wäre es, wenn Menschen den Mut hätten über Zweifel und Versagen zu sprechen. Eggers macht selbst den Anfang. Er erzählt offen von Glaubensfragen und Konflikten.

Die Gestaltung dieses Buchs ist sehr schön. Viele passende Bilder zeigen die jeweilige Lebensphase. Die Kapitel beginnen mit einem kurzen Beitrag, der Fragen aufwirft, und enden mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Gedanken. Ein Plus für Lesebegeisterte sind die Gespräche über Bücher und die Buchempfehlungen.

Fazit: Eine super Idee, überzeugend umgesetzt. Diese Biografie im Dialog ist spannend und mit seinen vielen wertvollen Gedankenanstöße regt es zum Nachdenken an. Sehr empfehlenswert!

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Veröffentlicht am 01.02.2022

Familie ist da, wo man vermisst wird

Durchbrecherin
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Die kleine Florida kennt als Kind keine Sicherheit. 1975 geboren, erlebt sie den Bürgerkrieg im Libanon hautnah mit. Ihre alleinerziehende Mutter ist eine rebellische Muslimin, die wechselnde Männerbekanntschaften ...

Die kleine Florida kennt als Kind keine Sicherheit. 1975 geboren, erlebt sie den Bürgerkrieg im Libanon hautnah mit. Ihre alleinerziehende Mutter ist eine rebellische Muslimin, die wechselnde Männerbekanntschaften hat. Florida wird oft entwurzelt; mal lebt sie bei Verwandten, mal bei ihrer Mutter, einige Zeit sogar in Deutschland und Kuwait.

Als 9jährige ist sie bereits eine begeisterte Anhängerin der Amal Miliz, einer bewaffneten Widerstandsbewegung im Libanon. Sie lernt schießen und darf einmal sogar einen Wachposten mit ihrer eigenen Waffe bewachen. In dieser Zeit bemüht sie sich alle Regeln des Islams einzuhalten, doch sie verzweifelt daran, dass sie trotzdem nicht die Gewissheit hat, dass Gott sie annimmt.

Kurze Zeit später darf sie alleine in die Schweiz reisen, zu einer befreundeten Familie, die sie als Pflegetochter aufnimmt. Die Umstellung fällt ihr schwer, doch insgesamt genießt Florida ihr neues Leben. Dort erfährt sie auch, dass Gott ein liebender Vater ist. Wie sehr freut sich das vaterlose Kind, dass sie einen Vater im Himmel hat, der gut für sie sorgt.

Und doch sind da so viele Lebenswunden, die Florida nach und nach mühsam aufarbeitet. Sie stürzt in Krisen, erfährt in allem aber, dass sie von Gott getragen ist. Die Erfahrung, dass ihr mit ihrer Pflegefamilie eine neue Familie geschenkt wurde, lässt eine Vision in ihr entstehen. Sie möchte heimatlosen jungen Menschen ein Zuhause bieten. So entsteht ein offenes Haus, in dem junge Erwachsene für Monate oder Jahre Teil ihrer Familie werden. „Zuhause ist, wo du geliebt bist. Wo du sein darfst, wie du bist, und vermisst wirst, wenn du fehlst.“

Die Autorin dieses Buchs hat viel erlebt. Es ist faszinierend von der fremdartigen Kultur des Libanons zu lesen und interessant zu sehen, wie ein junges Mädchen den Neuanfang in einer ganz fremden Welt erlebt. Was sie über ihre seelischen Verletzungen und deren Aufarbeitung schreibt, ist wertvoll und hilfreich. Sie berichtet nicht nur, sie sucht Zusammenhänge und Erklärungen für ihr Verhalten und Denken. Und schließlich ist es einfach beeindruckend, wie sie und ihr Mann ihr Zuhause öffnen, um Liebe ganz praktisch weiterzugeben.

Obwohl die Autorin in einigen Punkten zu anderen Glaubensentscheidungen kommt als ich, spüre ich, dass ihre Gottesbeziehung und Liebe zu Jesus echt sind und ihr Leben prägen, und ich denke darauf kommt es vor allem an.

Fazit: Die spannende Lebensgeschichte einer Frau, die als bewaffnetes Kind ihr Land verteidigen will, später eine Lebenswende erlebt, und als Erwachsene ihr Haus öffnet, um seelisch verwundeten Menschen ein Zuhause zu geben. Sehr empfehlenswert!