Profilbild von AnneE

AnneE

Lesejury Profi
offline

AnneE ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit AnneE über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.03.2022

Realitätsnaher Israel-Thriller mit glaubhaften Charakteren und vielen interreligiösen Dialogen

Der Auftrag
0

Die junge Rechtsanwältin Hana Abboud, die arabische Christin ist und aus Nazareth stammt, arbeitet in einer größeren Anwaltskanzlei in Atlanta und zu ihren Hauptaufgaben zählt, die Geschäftsbeziehungen ...

Die junge Rechtsanwältin Hana Abboud, die arabische Christin ist und aus Nazareth stammt, arbeitet in einer größeren Anwaltskanzlei in Atlanta und zu ihren Hauptaufgaben zählt, die Geschäftsbeziehungen zu internationalen Mandanten zu pflegen. Aufgrund ihrer umfassenden Sprach- und Landeskenntnisse wird sie jedoch unerwartet mit einem ganz besonderen Fall betraut:
Der etwas mittellose, jüdische Rechtsanwalt Jakob Brodsky ist auf der Suche nach einer großen Kanzlei, die ihn bei dem Fall „Neumann“ unterstützen. Die 31-jährige Gloria Neumann wurde in Israel im Beisein ihrer Tochter ermordet und Jakob Brodsky schätzt diese Tat als Akt „internationalen Terrorismus“ ein, sodass sein Mandant, Ben Neumann, Anspruch auf Entschädigung für diesen Verlust hätte.
Um zu entscheiden, ob es sich bei der Tat tatsächlich um einen terroristischen Anschlag handelte, kehrt Hana in ihr Heimatland Israel zurück und versucht vor Ort Kontaktpersonen und Ermittler zu treffen und gemeinsam zu ermitteln.
Zeitgleich versucht Jakob Brodsky in Atlanta mehr über die vermeintliche Terrorzelle herauszufinden und befindet sich so sehr schnell selbst in Gefahr…
Auch wenn dieser Thriller nicht unbedingt ein Pageturner ist, gewinnt er doch durch seine Authentizität und die glaubhaften Charaktere.
Als bekennende Christin sind die Entscheidungen von Hana durchweg durch ihren Glauben geprägt und so ist dieser Thriller auch durch viele interreligiöse Dialoge geprägt, die insbesondere im Zusammenhang mit dem Thema „Terror“ sehr zum Nachdenken anregen.
So ist mir beispielsweise folgender Dialog, den Hana mit dem Besitzer ihres Lieblingsrestaurants führt, besonders im Gedächtnis geblieben. Nachdem Mr. Akbar mehr über Hanas Herkunft und ihren Glauben erfährt, sagt er:
"Ich möchte den Glauben Ihrer Väter nicht missachten. Als Junge hatte ich christliche Freunde, wir haben immer zusammen gespielt. Das war zu einer Zeit, als wir noch glaubten, die unterschiedlichen Gruppen könnten zusammenleben" (S. 140).
Nur weil beide offen über den Glauben sprechen und sich gegenseitig wertschätzen, ist dieser Dialog möglich und er verdeutlicht meiner Meinung nach auch, wie sehr Hana und Mr. Akbar durch das Leben im Nahen Osten geprägt sind. Ein friedvoller Umgang wird von beiden sehr geschätzt. Diese demütige Haltung vermisst man besonders in diesen Zeiten oft, obwohl es so ein großes Geschenk ist, in Freiheit und Demokratie leben zu dürfen.
Insofern ist „Der Auftrag“ von Robert Whitlow ein spannendes Leseerlebnis und für alle zu empfehlen, die glaubhafte Protagonist:innen mögen, an authentischen Anwaltsgeschichten interessiert sind und mehr über das religiöse Leben in Israel erfahren möchten.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 19.02.2022

Von der Muse geküsst...

Gala und Dalí – Die Unzertrennlichen
0

Nachdem das Cover durch die Farbgestaltung und Bildelemente ebenso wie der Klappentext so viel Leichtigkeit wie ein frisch verliebt erlebter Frühlingstag ausgestrahlt haben, war ich sehr neugierig auf ...

Nachdem das Cover durch die Farbgestaltung und Bildelemente ebenso wie der Klappentext so viel Leichtigkeit wie ein frisch verliebt erlebter Frühlingstag ausgestrahlt haben, war ich sehr neugierig auf "Gala & Dali" und musste diesen Roman unbedingt lesen.
Und tatsächlich hat mich diese besondere Geschichte des erfolgreichen Autorenduos Sylvia [&] Frank [Meierwert] sofort begeistert, da es sich hier meiner Meinung nach um eine besondere Liebesgeschichte nach wahrer Begebenheit handelt, die so zauberhaft beschrieben ist, dass man von der ersten Zeile an die besondere Atmosphäre in dem kleinen spanischen Fischerdörfchen spüren kann…
Gala und ihr Mann, der Dichter Paul Éluard reisen nach Cadaqués, da Paul hier den aufstrebenden Künstler Salvador treffen möchte. Doch es kommt, wie es kommen muss… Anstelle, dass Èluard von der Verbindung profitiert, verliert der zehn Jahre jüngere Künstler Dali sein Herz an die stilsichere Ehefrau Gala, die für Dali nicht nur ihren Wohlstand, sondern auch die Beziehung zu ihrem Sohn aus der Ehe mit Èluard aufgibt …
Nachdem ich mit Salvador Dali bisher immer seine fließenden Uhren und den extravaganten Schnurrbart verbunden habe, war ich sehr überrascht, dass eine so unkonventionell-verzwickte Liebesgeschichte sein Leben geprägt hat.
Auch wenn der Roman durchgängig an realen Fakten orientiert war, waren die Beschreibungen meiner Meinung nach durchgängig sehr intensiv, sodass ein Eintauchen in die Geschichte möglich war. An manchen Stellen hätte man sich trotzdem noch etwas mehr emotionale Tiefe gewünscht, aber trotzdem habe ich „Gala & Dali“ sehr gern gelesen und bin gespannt auf weitere Bücher aus dieser Reihe!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.01.2022

Kann ein Leben "unwert" sein?

Unwert - Der Weg des Kirschmädchens
0

In „Unwert“ von Yasmin Alinaghi wird die auf einer wahren Begebenheit basierende Geschichte von Käthe Klepper erzählt, die in einem kleinen hessischen Dorf im Rheingau auf einem Obstweinhof aufwächst. ...

In „Unwert“ von Yasmin Alinaghi wird die auf einer wahren Begebenheit basierende Geschichte von Käthe Klepper erzählt, die in einem kleinen hessischen Dorf im Rheingau auf einem Obstweinhof aufwächst. Nachdem ihre Mutter früh verstorben ist und ihr Vater sich aufgrund schweren Alkoholismus sich nicht um sie kümmern kann, sind ihr junger Onkel und seine frisch vermählte Frau Käthes einzige Bezugspersonen. Als Käthes Onkel jedoch als Soldat einberufen wird, sind Käthe und ihre Tante allein auf sich gestellt und benötigen die Hilfe eines Erntehelfers, der jedoch sehr bald beginnt, sich an Käthe zu vergehen.
Doch als wenn dies nicht schlimm genug wäre, wird Käthe schließlich Opfer furchtbarer Intrigen und der schrecklichen Nazi-Ideologie…
Die Geschichte des "Kirschmädchens" hat somit meiner Meinung nach eine große Bedeutsamkeit für die heutige Zeit, da sie sehr zum Nachdenken anregt, denn Käthes Geschichte verdeutlicht einerseits, wie wichtig Bildung ist und andererseits, wie schnell ein Opfer auch zur/zum Täter:in gemacht werden kann. (Nach dem Motto: "Die wollte das doch!") Unbegreiflich schrecklich!
Aufgrund der kurzen Kapitel, der durchgängig das Interesse weckenden Kapitelüberschriften und der authentischen Erzählweise ließ sich das Buch sehr gut lesen. Allerdings musste ich an vielen Stellen immer wieder Innehalten, weil das Beschriebene so unheimlich bedrückend war. Auch wenn ich durch den Klappentext und den Trailer zum Buch eigentlich gut darauf vorbereitet war, gab es doch einige Stellen, die sehr aufrüttelnd waren.
Insofern hat es sich für mich persönlich gut gefügt, dass ich selbst ohne Mundart/Dialekt groß geworden bin, da ich dadurch eher die Rolle einer distanzierten Beobachterin eingenommen habe, weil sonst das Unrecht, das Käthe widerfahren ist, noch schwerer zu ertragen gewesen wären.
Indem „Unwert“ durch seine Authentizität persönlich so unterschiedliche Zugänge eröffnet, leistet dieses Buch meiner Meinung nach einen wichtigen Beitrag dazu, dass derartige Gräuel nicht in Vergessenheit geraten.
Da über bestimmte Jahre aus Käthes Leben in „Unwert“ nicht erzählt wird, hoffe ich, dass eine Fortsetzung dieser Geschichte verwirklicht werden kann.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.01.2022

Was passiert, wenn die Liebe Dich sucht, Du aber (noch) nicht dazu bereit bist?

The Sky in your Eyes
0

Stell Dir vor: Du hast lange Zeit in einer toxischen Beziehung gelebt, die so tiefe Narben auf Deiner Seele hinterlassen hat, dass es Dir schwerfällt, Dich selbst zu mögen. Wie gehst Du damit um, wenn ...

Stell Dir vor: Du hast lange Zeit in einer toxischen Beziehung gelebt, die so tiefe Narben auf Deiner Seele hinterlassen hat, dass es Dir schwerfällt, Dich selbst zu mögen. Wie gehst Du damit um, wenn sich auf einmal ein charmanter, sehr attraktiver Mann für Dich interessiert? Kannst Du es wahrhaben oder zweifelst Du weiter?
In „The Sky in your Eyes“ wird Elín, die Hauptfigur, aus deren Perspektive der Roman erzählt wird, genau mit dieser Frage konfrontiert.
Erfüllt von einer tiefen Traurigkeit teilt sie ihre Gedanken, die nach und nach offenbaren, welche tiefen Wunden sie insbesondere in ihrer letzten Beziehung, aber eigentlich schon von Kindheit an, erfahren hat, nur weil sie nicht dem gängigen Schönheitsideal entspricht. Mit Blick auf die felsige Küste Islands und bei eisigen Temperaturen hängt sie diesen schmerzlichen Erinnerungen nach und reflektiert ihr Leben, das sie nach dem Scheitern der Beziehung wieder zurück in ihr Elternhaus geführt hat, wo sie mit Ende 20 erneut in ihr altes Kinderzimmer gezogen ist.
Und als ob dies nicht schon genug zu tragen wäre, wird Elín auch beruflich bis an die Grenzen herausgefordert, weil der neue Chef sie nach und nach immer mehr zu belästigen versucht.
Einziger Lichtblick ist ein veganer Kochkurs, zu dem sie sich – motiviert durch ihre beste Freundin – eingeschrieben hat. Bei diesem Kochkurs trifft Elín auf den attraktiven Jón, der als einziger Mann diesen Kurs besucht und sichtlich erleichtert ist, dass Elín, die leidenschaftlich gut kocht, ihm zur Seite gestellt wird. Gemeinsam versuchen sie die beschriebenen Gerichte nachzukochen und nähern sich auf diese Weise immer mehr an.
Elín kann ihr Glück kaum fassen und so fällt es ihr unendlich schwer, sich auf diese Beziehung einzulassen…
In „The Sky in your Eyes“ gelingt es Kira Mohn meiner Meinung nach sehr gut, die kontrastreiche Landschaft Islands auch in ihrer Hauptfigur abzubilden. Denn in den Situationen, in denen Elíns Gedanken nicht durch ihre seelischen Verletzungen getrübt sind, ist sie überaus sympathisch und leidenschaftlich.
Insgesamt habe ich die Geschichte von Elín und Jón sehr gerne gelesen, weil der Fokus eben nicht auf ihrer Liebesgeschichte lag, sondern eher darauf, wie es Elín nach und nach immer besser gelingt, ihrer Schwermut zu begegnen. Auch wenn während dieses Prozesses manche Gedanken und Reaktionen vielleicht nicht ganz nachvollziehbar waren, haben sie meiner Meinung nach zu Elín gepasst. Dass zudem so wichtige Themen wie Bodyshaming und Belästigung am Arbeitsplatz aufgegriffen werden, hat darüber hinaus immer wieder zum Nachdenken angeregt, sodass ich schon jetzt sehr gespannt auf den zweiten Teil der Island-Reihe bin.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 31.10.2021

Ehrlicher, fragmentarischer Blick auf die Post-Millenials

Generation Z
0

Da mich das Cover bereits unheimlich angesprochen hat, war ich sehr gespannt auf die Perspektive der Autorin Valentina Vapaux und ihre literarische Umsetzung dieses hochaktuellen Themas.
Und tatsächlich ...

Da mich das Cover bereits unheimlich angesprochen hat, war ich sehr gespannt auf die Perspektive der Autorin Valentina Vapaux und ihre literarische Umsetzung dieses hochaktuellen Themas.
Und tatsächlich bietet dieses Buch durch die einleitenden Gedichte, die prosaischen Beschreibungen und die Auswahl an behandelten Schwerpunkten einen ganz neuen Zugang zur „Generation Z“, über die häufig ja entweder in Form plakativer Artikel oder wissenschaftlicher Beschreibungen zu lesen ist, was die Autorin ebenfalls gekonnt und (selbst-) ironisch aufgreift:
„Texte von Boomern und Gen-X-Autor:innen zeigen, dass Welten zwischen den Generationen liegen. Die Sprache ist ganz anders, irgendwie ulkig. Vor allem, wenn so von oben herab über ´unsere´ Themen geschrieben wird. Und trotz der klaffenden Lücke und des mangelnden Diskurses haben [die Boomer und Gen-X-Autoren] Jürgen und Klaus und all die anderen irgendwie recht […] so sind wir doch vor allem eins: fucking Social-Media-süchtig“ (Vapaux, S. 18).
Beschreibungen wie diese haben das Buch für mich sehr lesenswert gemacht: Ich wurde zum Nachdenken angeregt, musste häufig schmunzeln und habe meinen Wortschatz und Horizont erweitert bzw. verjüngt – und dass, obwohl ich mich zunächst mit den ersten beiden Kapiteln sehr schwergetan habe – zu melancholisch, vielleicht auch zu gewollt kunstvoll. Wie gut, dass das Buch durch die kurzen Kapitel und Interesse weckenden Überschriften zum Blättern und Verweilen einlädt.
Außerdem lese ich dieses Buch wie eine Einladung zum Diskurs: Wie verstanden fühlt sich die „Generation Z“ selbst durch Valentina Vapaux? Wo spricht sie aus, was andere denken? Wo provoziert sie zu sehr? (Und zwar nicht nur die entsetzte Mutter ihrer Mitbewohnerin, die dem stillen Protest in Form sehr offen zelebrierter sexueller Vorlieben und ausgestellter „Sextoys“ unverhofft ausgesetzt war.)
Insofern empfinde ich diesen fragmentarischen Blick auf die Post-Millenials insgesamt als sehr bereichernd, da es der Autorin gelingt, ihre – zumeist sehr provokante Meinung – gekonnt in Worte zu fassen und ihre Argumentation durch die entsprechenden Studienergebnisse zu untermauern.

Ich danke vorablesen und dem Gräfe und Unzer-Verlag für dieses Rezensionsexemplar.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere