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Veröffentlicht am 18.04.2022

Wenn dein Mann der Mörder ist

Wenn unsere Welt zerspringt
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In einem idyllischen französischen Bergdorf wird eine fünfköpfige Familie auf brutale Weise ermordet. Das ganze Dorf ist fassungslos. Die Tat ist unbegreiflich. Ganz besonders für Anna, die Frau des Mörders. ...

In einem idyllischen französischen Bergdorf wird eine fünfköpfige Familie auf brutale Weise ermordet. Das ganze Dorf ist fassungslos. Die Tat ist unbegreiflich. Ganz besonders für Anna, die Frau des Mörders.
Die Erzählperspektive ist, was diesen Roman so interessant macht. Konsequent erzählt die Autorin Samira Sedira in „Wenn unsere Welt zerspringt“ die Geschichte aus Annas Sicht, sei es bei der Gerichtsverhandlung, der sie beiwohnt, sei es in Rückblenden auf ihr bisheriges gemeinsames Leben. War die Tat in irgendeiner Weise absehbar? Was hat ihren Mann dazu getrieben? Indem wir Annas Blickwinkel auf das Geschehen einnehmen, ist es auch für uns schwierig, im Täter eindeutig das Monster zu sehen, das hinter einer solchen Tat doch stecken muss.
Auf gerade einmal 176 erzählt Samira Sedira, die auf einer wahren Begebenheit beruhende Geschichte, so eindringlich von den Abgründen, die wir selbst in den Menschen, die uns nahe stehen, womöglich nicht erkennen, dass man das Buch nicht aus der Hand legen kann.
Eine absolut empfehlenswerte Lektüre.

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Veröffentlicht am 03.04.2022

Mehr als nur ein Krimi

Nebeltage
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Der Titel “Nebeltage” von Kaja Malankowska lässt einen nicht sofort an einen Krimi denken. Ich war auch gar nicht auf der Suche nach besonders spannender Lektüre, hatte ich doch in letzter Zeit so einige ...

Der Titel “Nebeltage” von Kaja Malankowska lässt einen nicht sofort an einen Krimi denken. Ich war auch gar nicht auf der Suche nach besonders spannender Lektüre, hatte ich doch in letzter Zeit so einige Thriller gelesen. Stattdessen war ich bei der Auswahl meines nächsten Romans erneut dem Prinzip “welterlesen“ gefolgt und hatte beschlossen, dass meine literarische Reise nach Polen gehen sollte. Dank meines neuen Auswahlverfahrens habe ich wieder einmal eine wahre Perle gefunden, die ich sonst wahrscheinlich nie entdeckt hätte.
Die Krimihandlung ist schnell erzählt:
Eine junge Frau wird ermordet aufgefunden. Für Nachbarn und die wenigen Freunde ist das mehr als überraschend, war das Mordopfer doch eine unauffällige, nette Person. Spuren führen in allerlei Richtungen, verlaufen meist jedoch im Sand. Bis hierhin solide Krimiunterhaltung, lesenswert und gut erzählt.
Was mich aber wirklich begeistert hat, ist wie die Autorin auf fast knapp 700 unterschiedliche Themen, die die polnische Gesellschaft (und nicht nur diese) bewegen, mit der Krimihandlung verflicht. Sexismus bei der Polizei wird ebenso verhandelt wie allgemeine Fremdenfeindlichkeit, psychische Krankheiten und fanatische Religiosität. In all diese Richtungen führen Spuren, denen Kommissar Marcin Sawicki, Macho mit Eheproblemen, und seine neue ehrgeizige, undurchschaubare Kollegin Ada Rochniewicz folgen.
Ein Krimi so hervorragend geschrieben, dass sogar die polnische Literaturpreisträgerin Olga Toarczuk eine Lesempfehlung gegeben hat. Ein Gesellschaftsroman so spannend, dass man ihn nicht aus der Hand legen kann.

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Veröffentlicht am 26.03.2022

Tag des Umbruchs

Zukunftsmusik
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Es ist der 11. März 1985. Sowjetische Radiosender spielen Chopins Trauermarsch. Untrügliches Zeichen für die Bürger, dass jemand aus dem Politbüro gestorben ist. Es wird der Tag des Umbruchs sein, der ...


Es ist der 11. März 1985. Sowjetische Radiosender spielen Chopins Trauermarsch. Untrügliches Zeichen für die Bürger, dass jemand aus dem Politbüro gestorben ist. Es wird der Tag des Umbruchs sein, der Tag, an dem Michail Gorbatschow das Amt des Generalsekretärs übernimmt, der Tag, der letztendlich das Ende des Kalten Kriegs einläutet.
Doch die Protagonisten des Romans wissen das nicht. Auf engem Raum leben Großmutter, Mutter, Tochter und Enkelin in einer Kommunalka, einer Gemeinschaftswohnung mit fünf weiteren Mietparteien irgendwo in Sibirien, weit weg von Moskau. Große Hoffnungen auf Veränderung haben sie alle nicht, auch wenn sie ihren kleinen Träumen in ihrem Alltag nachhängen. Katerina Poladjan erzählt von ihren Protagonisten so warmherzig, dass sie einem alle ans Herzen wachsen, wie schrullig sie auch sein mögen. Fast schon möchte man den Tag mit ihnen in der Kommunalka verbringen. Man wird beim Lesen bzw. Hören dieser Geschichte fast ein wenig nostalgisch, auch wenn man diesen im Westen aufgewachsen ganz anders erlebt hat. Am 11. März 1985 wussten wir alle noch nicht, welche positiven Veränderungen dieser Tag bringen würde, welche Möglichkeiten sich insbesondere Deutschland und Europa eröffnen würde. Gerade deswegen stimmt es gerade traurig, dass die Zukunftsmusik von 1985 inzwischen fast schon eine Weise aus alten Tagen ist.
Eine wunderschöne Geschichte einer großartigen Autorin, hervorragend von Ulrich Noethen vorgetragen.
Uns bleibt im Moment nur zu hoffen, dass wir ganz bald einen Tag wie den 11. März 1985 erleben.

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Veröffentlicht am 17.03.2022

Neues Leben, neues Glück?

Das gekaufte Leben
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Bei Clemens Freitag läuft es nicht rund. Freunde hat er nicht viele und bei den wenigen, die er hat, ist er auch noch verschuldet. So richtig kriegt er sein Leben seit dem Tod seiner Eltern nicht auf die ...

Bei Clemens Freitag läuft es nicht rund. Freunde hat er nicht viele und bei den wenigen, die er hat, ist er auch noch verschuldet. So richtig kriegt er sein Leben seit dem Tod seiner Eltern nicht auf die Reihe. Welch glücklicher Zufall, dass ein gewisser Götz Dammwald nicht nur sein Haus samt Boot und Bootshaus am See verkauft, sondern als Zugabe gleich noch seine Freunde und seinen Job mit dazu.
Mit dem bis dahin unangetasteten Erbe seiner Eltern kauft sich Clemens Freitag vermeintlich ein besseres Leben als sein bisheriges.
Und zunächst sieht alles auch hervorragend aus: Luxuriöses Haus am See, unkomplizierte Freunde, die ihn sogleich in ihre Clique aufnehmen und angenehmer Job mit ausgesprochen reizender Kollegin.
Clemens Freitags neue Leben ist wirklich wunderbar. Da kann man schon mal ignorieren, dass jemand im See statt eines Fisches einen Finger an der Angel hatte.
Doch langsam schleichen sich bei Clemens Freitag Zweifel ein. Dammwalds Gehalt ist zwar nicht schlecht, doch wie konnte er sich so ein Lebensunterhalt leisten? Warum glauben ehemalige Feriengäste, das Haus am See wäre abgebrannt? Und wieso würde jemand überhaupt ein so perfektes Leben verkaufen?
Ein absolut empfehlenswerter Roman, der nahezu unmerklich immer mehr an Spannung aufnimmt und sich mehr und mehr zu einem Krimi entwickelt.

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Veröffentlicht am 14.03.2022

Interessant, spannend und brilliant geschrieben - Mein erstes Highlight 2022

Die Kinder sind Könige
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Mélanie Claux hat es Anfang der 2000er nicht geschafft, in einem Big Brother ähnlichen Format groß herauszukommen. Ihre zweite Chance auf Ruhm verwirklicht sie nun mittels Social Media und ihrer Kinder ...

Mélanie Claux hat es Anfang der 2000er nicht geschafft, in einem Big Brother ähnlichen Format groß herauszukommen. Ihre zweite Chance auf Ruhm verwirklicht sie nun mittels Social Media und ihrer Kinder Sammy und Kimmy, die Stars ihres Youtube- und Instagram-Kanals sind und der Familie dadurch zu einem mehr als komfortablen Leben verhelfen.

Doch auf einmal ist Kimmy wie vom Erdboden verschluckt. Gibt es Neider, vielleicht gar Betreiber weniger erfolgreicher Vlogs, die ihr den Erfolg nicht gönnen? Die Polizei steht vor einem Rätsel, da auch eine Lösegeldforderung auf sich warten lässt. Und schon wähnt man sich als Leser*in mitten in einem spannenden Krimi, bei dem die Schattenseiten und Absurdität der Omnipräsenz in den sozialen Medien beleuchtet werden, und aufgezeigt wird, welch enormem Druck gerade Kinder durch Eltern ausgesetzt sind, die diese lukrative Art der Vermarktung des eigenen Lebens als Einkommensquelle entdeckt haben.

Und während man noch rätselt, wer die kleine Kimmy entführt haben könnte, löst sich der Fall relativ unvermittelt und abrupt und der Roman entwickelt sich vom Krimi zu, ja wozu eigentlich. Wir werden auf einmal ins Jahr 2031 katapultiert, eine Art Dystopie also? Eher nicht. Die Zukunft, die ausgemalt wird, ist allzu plausibel. Der Zeitsprung ist dennoch notwendig, werden in diesem Teil doch die möglichen Auswirkungen aufgezeigt, die die ständige mediale Präsenz auf die jungen Youtube-Stars haben kann.

Ein großartiger, brillant geschriebener Roman, den man nicht aus der Hand legen kann. Als einzigen winzig kleinen Kritikpunkt möchte ich anmerken, dass ich den Übergang von der „Krimihandlung“ ins Jahr 2031 etwas unvermittelt fand und mich zunächst fragte, ob der Roman schon beendet sei und ich vielleicht die Leseprobe zu einem anderen Buch vor mir liegen habe. Andererseits ist es doch gerade hervorragend, wenn eine Autorin nicht die eigenen Leseerwartungen erfüllt und einen überrascht. Der Roman hat mich allerdings mehr als nur überrascht, sondern wirklich begeistert und wird für das Lesejahr 2022 ganz sicher ganz oben in der Liste meiner Lieblingsbücher sein.

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