Platzhalter für Profilbild

mabuerele

Lesejury Star
offline

mabuerele ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit mabuerele über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.04.2022

Spannende Fortsetzung

Das Herz des weißen Ahorns
0

„...Krieg ist nie vernünftig, und diejenigen, die ihn zu verantworten haben, werden sich hüten, selbst in die Schlacht zu ziehen...“

Diese Worte in einem Brief der Verwandten aus Amerika erreichen Felix ...

„...Krieg ist nie vernünftig, und diejenigen, die ihn zu verantworten haben, werden sich hüten, selbst in die Schlacht zu ziehen...“

Diese Worte in einem Brief der Verwandten aus Amerika erreichen Felix im Lazarett im Jahre 1918
Er hat die Schlachten des ersten Weltkriegs überlebt und ist an einen Arzt geraten, der ihn körperlich unversehrt lässt. Es drohte eine Amputation.
Die Autorin hat eine spannende Fortsetzung ihrer Familiensaga geschrieben. Sie schließt relativ zeitnah an den letzten band an.
Der Schriftstil ist ausgereift. Er sorgt für einen zügigen Lesefluss. Das Besondere daran ist, dass die einzelnen Kapitel immer aus der Sicht unterschiedlicher Personen geschrieben werden.
Caroline ist zurück in Deutschland. Zusammen mit Isa leitet sie die Firma, die verpflichtet wurde, Militärgüter herzustellen. Der Herr Ministerialrat macht ihnen das Leben so schwer wie möglich. Fast könnte man glauben, er hat es auf die Familie abgesehen. Caroline muss sich sehr zusammen nehmen, um ihm nicht gehörig die Meinung zu sagen.

„...Bitte vergessen sie nicht, dass es Menschen sind, die diese Maschinen bedienen, Menschen, denen das Recht auf vernünftige Arbeitsbedingungen zusteht...“
Die Familie hat für eine Betreuung der Kinder der Arbeiter gesorgt. Gleichzeitig bietet sie mit der Suppenküche eine warme Mahlzeit an. Georg geht ungewöhnliche und nicht ganz ungefährliche Wege, um für die nötigen Lebensmittel zu sorgen.
Felix ringt im Lazarett mit heftigen Entzugserscheinungen, nachdem das Morphium abgesetzt wurde. Währenddessen gebiert seine Frau Emilie eine kleine Tochter. Bald kann Felix sie in die Arme schließen. Doch die physischen und psychischen Spuren des Krieges sind nicht zu übersehen. Aber ein Breitenbach kämpft und weiß seine gesamte Familie hinter sich.

„...Felix ist ein anderer geworden, Liebes. Der Krieg hat aus ihm einen in sich gekehrten Mann gemacht, der sich weigert, über seine Erlebnisse in Frankreich zu sprechen...“

Der amerikanische Teil der Familie erlebt, dass die Regeln für die First Nations gelockert werden. Bei Julias Eltern macht sich jedoch zunehmend das Alter bemerkbar. Im Gegensatz zu Deutschland sorgt der Krieg in Amerika für einen Aufschwung, der Julia und ihrer Familie zugute kommt.
In Deutschland wird die harte Zeit nach dem Krieg gut beschrieben. Gesellschaftliche Ereignisse, wie Arbeiteraufstände und Spanische Grippe, werden gekonnt eingeflochten.
Mit Blick auf die zukünftige Entwicklung fällt Felix eine folgenschwere Entscheidung.
Interessant sind die Heilmethoden des Medizinmannes, auch wenn manches davon im Dunkeln bleibt. Und als es bei den Ute darum geht, zwei Jugendliche zu bestrafen, fällt denen eine sehr wirksame Methode ein. Erziehung durch handeln, würde ich das nennen.
Ein Personenregister und ein informatives Nachwort ergänzen das Buch.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Ich bin schon gespannt auf die Fortsetzung.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 13.04.2022

Spannendere historischr Roman

Töchter der Speicherstadt – Der Duft von Kaffeeblüten
0

„...Die Fazenda war ihr Zuhause! Wie konnte ihr Vater die Plantage nur verkaufen! Maria sog die schwüle Luft so tief in ihre Lungen, als könne sie damit die wilden Teufel in ihrem Inneren beruhigen...“

Maria ...

„...Die Fazenda war ihr Zuhause! Wie konnte ihr Vater die Plantage nur verkaufen! Maria sog die schwüle Luft so tief in ihre Lungen, als könne sie damit die wilden Teufel in ihrem Inneren beruhigen...“

Maria ist sauer. Eines aber ahnt sie nicht. Ihr Vater ist schwer krank. Deshalb kann er die Plantage nicht länger behalten. Dann aber kommt alles ganz anders. Der Kaffeehändler Johann Behmer kauft nicht die Plantage, sondern er heiratet Maria und nimmt seine junge Frau mit nach Hamburg. Mit der Hochzeit wird er der Besitzer der Fazenda.
Die Autorin hat einen spannenden und abwechslungsreichen historischen Roman geschrieben. Die Geschichte beginnt 1889 und endet im Jahre 1918.
Der Schriftstil ist ausgereift. Er sorgt außerdem für einen zügigen Lesefluss.
Johann und sein Zwillingsbruder Alfons gehört das Handelshaus Brehmer & Söhne. Kurz nach Johanns Rückkehr aus Brasilien stirbt seine Mutter. Dass ihr Tod Jahre später zu einer Zerreißprobe zwischen den Söhnen werden wird, ahnt jetzt noch niemand. Ich als Leser allerdings kenne die Vorgeschichte aus dem Prolog.
Gertrud, Alfons Frau, lässt Maria von Anfang an spüren, dass sie unerwünscht ist. Doch die junge Frau ist eine Kämpferin Einerseits wurde sie sehr selbstbewusst erzogen, andererseits hat sie auf der Fazenda des Vaters eine Menge über Kaffeeanbau und dessen Zubereitung gelernt.

„...Der Anbau von Kaffee ist eine Kunst, die nicht jeder beherrscht. Guter Kaffee verlangt Respekt vor der Natur. Wussten Sie, dass ein junger Strauch seine ersten Früchte nach drei Jahren trägt, aber erst im fünften Jahr geerntet werden kann?...2

Sie hatte nie vor, nur Hausfrau und Mutter zu sein, Das aber passt nicht in Gertruds Weltbild, die sich über ihre Kinder definiert. Als Gertrud Frauen der besseren Gesellschaft ins Haus Brehmer einlädt, erklärt ihnen Maria, was bei Kaffee zu beachten ist.

„...Und er darf niemals bitter werden. Es ist ein weitverbreiteter Irrglaube, dass Zucker und Sahne dem Geschmack zuträglich seien. Sie können einen ruinierten, falsch gerösteten übersäuerten Kaffee nicht retten. Sie sind nur Verzierungen, die eine schlechte Bohne verbergen sollen...“

Gertrud versucht außerdem, in der Ehe von Johann und Maria Unfrieden zu säen. Maria aber lotet ihre Möglichkeiten aus.
Gekonnt werden die gesellschaftlichen Ereignisse in die Handlung geflochten. Dazu gehört die Choleraepedemie in Hamburg. Mit ihrem Einsatz für die Bewohner des Gängeviertels verschafft sich Maria Respekt und Anerkennung.
An vielen Stelen fällt die bildhafte Sprache der Autorin auf.

„...Liebe war ein flüchtig Ding, vergänglich wie die Schönheit des Kirschbaums dort hinter dem Haus, aus dem jetzt eine Windböe ein Meer aus Blüten löste...“

Es sind die verschiedenen Gespräche, die einen Einblick in die Zeitverhältnisse geben. Mancher hängt mit allen Fasern am Althergebrachten, andere zeigen sich für Marias Ideen aufgeschlossen. Der eine oder andere Satz klingt fast philosophisch.

„...Bedenken Sie, dass aus jeder Option zwar Möglichkeiten entstehen, aber auch andere verwehrt werden. Was Sie heute beschließen, wird Ihren Weg auf Jahre bestimmen. Der Zug des Lebens geht immer nur voraus, nie zurück...“

Und dann kommt der Erste Weltkrieg. Danach ist nichts mehr, wie es war. Fehlentscheidungen rächen sich bitter, Lebensträume zerbrechen. Maria aber hat die Kraft für einen Neuanfang.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Ich möchte mit einem Zitat enden, das nichts von seienr Realität verloren hat.

„...Kriege haben die Angewohnheit, ein gefährliches Eigenleben zu führen. Vor allem, wenn unbeugsame Selbstüberschätzung auf allen Seiten im Spiel ist...“

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 11.04.2022

Vom Dunkel ins Licht

Scherben
0

„...Jeder Tag ist so schwer zu überstehen. Dabei wussten wir doch alle schon seit Jahren, was auf uns zukommt. Es hat sich immer so weit weg angefühlt, so surreal...“

Diese Worte stammen aus dem Tagebuch ...

„...Jeder Tag ist so schwer zu überstehen. Dabei wussten wir doch alle schon seit Jahren, was auf uns zukommt. Es hat sich immer so weit weg angefühlt, so surreal...“

Diese Worte stammen aus dem Tagebuch von Fiona. Die 17jährige ist in ihrer Trauer gefangen wie in einem Kokon. Sie lässt nichts und niemand an sich heran.
Die Autorin hat einen bewegenden Jugendroman geschrieben. Die Geschichte ist tiefgründig und voller Emotionen. Sie wird von Fiona erzählt.
Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Er passt zur Zielgruppe. Die Autorin versteht es, Verletzlichkeit, Wut und Trauer in die richtigen Worte zufassen. Doch es sind nicht nur die Worte, sondern auch die Taten der Protagonisten, die deren Gefühle ausdrücken.
Fionas Vater ist Pfarrer. Er redet nicht nur von der Liebe Gottes, sondern mit seiner Frau beweist er sie ebenfalls durch Taten. Dazu gehört, dass die Familie immer mal wieder Kinder und Jugendliche aufnimmt, die kurzzeitig aus ihren Umfeld genommen werden. Momentan ist der 17jährige Milan bei ihnen. Er weist nicht nur körperliche, sondern ebenfalls seelische Narben auf. Fionas erste Reaktion ist abwartend.

„...Egal, wie schwer es für mich war, es musste einen Grund geben, warum Milan nicht mehr bei seiner Familie war. Ich wünschte ihm wirklich, dass er in unserem Haus Frieden finden würde – aber bitte so, dass mir meiner nicht genommen würde...“

Doch Fiona hat nicht nur mit ihrer Trauer zu kämpfen. Sie hat den Glauben verloren. Außerdem wird sie in der Schule gemobbt. Und dann begeht Milan einen Fehler, der Fiona am Boden zerstört.

„...Ach, ich hätte auf mein Bauchgefühl hören sollen, anstatt einfach darauf zu vertrauen, dass alles gut gehen würde. Natürlich ging nie alles gut...“

Anderseits ist dieser Moment ein Wendepunkt. Plötzlich erhält Milan einen Blick für Fionas Verletzungen. Außerdem rüttelt ihn ein Gespräch mit seiner Therapeutin auf.
In entscheidenden Momenten verwendet die Autorin eine kurze und punktgenaue Sprache. Dann gibt es kein wort zu viel.

„….Ich hielt Milan. Er hielt mich. Ich machte ihn stark. Und er mich...“

Erstaunlich ist das unbedingte Vertrauen, dass die Eltern in Fiona und Milan setzen. Sie sehen, wie beide miteinander ringen, aufeinander zugehen. Sie bekommen das Auf und Ab zwischen ihnen mit. Sie begleiten sie dabei, unauffällig und leise. Gerade der Vater ist als Gesprächspartner da, wenn er angesprochen wird. Er drängt sich nicht auf.
Amely, Fionas beste und einzige Freundin, ist aktiv im Hauskreis. Sie versucht, Fiona dazu zu bewegen, sich ihnen anzuschließen. Es ist ein Jugendgottesdienst, der die Wende bringt.

„...Wir brauchen diese Stürme in unseren Leben. Sie lassen uns wachsen und machen uns stärker. An Gott zu glauben, wenn alles glatt läuft und dein Leben super ist, ist nicht gerade schwer, oder?...“

Das Besondere des Buches besteht auch darin, dass jedes Kapitel anders endet. Mal ist es ein Gebet, mal eine Therapiesituation. Es sind diese Momente, die tiefen Einblick in das Seelenleben der Menschen geben, dir sich um Fiona befinden.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es ist sicher keine leichte Kost, denn es wühlt stellenweise auf.Trotzdem ist es ein Buch voller Hoffnung.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.04.2022

24 Geschichten aus der Zukunft

Einmal kurz die Welt retten
0

„...Können wir diese Welt noch retten? Das betrifft nicht nur das Klima und die Umwelt, sondern auch unseren Umgang miteinander. Werden wir jemals das Rechthaben. Streiten und Kriegeführen beenden? Werden ...

„...Können wir diese Welt noch retten? Das betrifft nicht nur das Klima und die Umwelt, sondern auch unseren Umgang miteinander. Werden wir jemals das Rechthaben. Streiten und Kriegeführen beenden? Werden wir aufhören, die Erde auszubeuten, ohne die wir nicht leben können?...“

Die Herausgeberin der Anthologie hat den Geschichten sehr persönliche Worte vorangestellt. Daraus stammt das obige Zitat.
Die Anthologie enthält 24 Geschichten, gegliedert in 12 Themenbereiche. Es geht unter anderem um das kostbare Gut Wasser, um Krieg, um die Cyberwelt, die Ernährung und die Medizin. Die meisten der Erzählungen führen uns in die Zukunft, etwa ab dem Jahr 2050 und zeigen ein Leben auf, das geprägt wird von den Folgen der Klimakatastrophe. Es sind also häufig düstere Dystonien mit einer Spur Krimi.
In die Anthologie haben sich 23 Autoren eingebracht. So unterschiedlich wie die Thematik, so unterschiedlich ist der Schriftstil. Manche arbeiten mit Ich – Erzählern, andere sogar mit Monologen.
Ab und an findet sich ein feine Prise Humor. Einige sind sehr makaber. Spannend sind fast alle der Geschichten. In einigen wird mit viel Fantasie wird ein Endzeitszenarium aufgebaut. Andere vermitteln zumindest leichte Hoffnung auf eine Besserung der Verhältnisse. Neid, Missgunst, Ich – Bezogenheit fehlen nicht.
Auf eine kleine Auswahl möchte ich näher eingehen:

„...Spontane Schwangerschaften traten dieser Tage mit derselben Seltenheit auf wie Eisbären am Nordpol. Denn parallel zu den Polkappen waren in den vergangenen Jahrzehnten die kleinen Schwimmer in den Hoden der Männer verschrumpelt...“

Der Einstieg in die Geschichte ist relativ amüsant, wie das Zitat zeigt. Dann aber wird es heftig. Lösung aus dem Dilemma ist Leihmutterschaft. Der Körper als Ware – für den, der das Geld braucht. Leider ist das kein Thema der Zukunft. Es ist schon gegenwärtig.

„...In elf Meter Tiefe kamen die ersten Gebäude in Sicht. Wie riesige, unheimliche Schatten schälten sich die Umrisse der Ruinen Kiels aus dem Dunkel...“

Die Geschichte hätte auch ein Krimi der heutigen Zeit sein können. Kiel ist zwar im Wasser versunken, aber Hass, Untreue und Eifersucht prägen noch immer das Leben der Menschen.

„...Kein Schwert kann diesem Unsinn Einhalt gebieten. Keine Waffe bietet Schutz vor der Dummheit, dem Neid, der Gier...“

Drei Kaiserinnen treten vor das Volk mit einem völlig neuen Anzug. Die Speichellecker überbieten sich mit Lobpreisungen. Nur ein Kind offenbart die Wahrheit. Diese Geschichte benutzt ein Märchen als Grundlage und offeriert die Idee für eine neue Welt.

„...“Es würde dir aber gut tun. Reden.“ „Woher willst du das wissen?“ Der Toaster seufzte. „Ich kenne dich sehr gut, Klaus. Besser als du glaubst.“...“

Das kurze Gespräch dürfte genügen, um zu erkennen, hier wurde smarthome auf die Spitze getrieben. Nicht nur hier allerdings spielt die gekonnte Allzeitüberwachung eine Rolle.

„...Die Welt hier ist ein gewaltfreier Ort. Jeder teilt mit dem anderen, was er hat. Und wenn man etwas braucht, tauscht man...“

Das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus der letzten Erzählung. Sie ist anders, denn hier wird eine Welt mit paradiesischen Zuständen beschrieben. Die Menschen haben begriffen, dass sie nur gemeinsam überleben können.
Die Auswhl der Zitate und der Geschichten sit nicht als Wertung zu verstehen. Jede ist auf ihre Art etwas Besonderes und ich hätte die Reihe getrost weiter fortsetzen können. Das aber hätte den rahmen der Rezension gesprengt.
Neben den eigentlichen Geschichten sind noch zwei Dinge erwähnenswert. Jeder der 12 Abschnitte beginnt mit je einem Zitat der beiden vertretenen Autoren oder Autorinnen. Nach jeder Erzählung gibt es Hintergrundinformationen, welche Fakten genau zu dieser Geschichte geführt haben.
Vor jedem Abschnitt ist eine Zeichnung eingefügt. Außerdem trennen stilisierte Bilder, die zum Thema passen, die Texte von den Hintergrundinformationen.
Ein Nachwort rundet das Buch ab.
Die Anthologie hat mir sehr gut gefallen. Sie bietet viele Themen zum Nachdenken.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 08.04.2022

Brunos zweiter Fall

Caffè in Triest
0

„...Nicht mehr lange. Sie hatten es fast geschafft. Im Osten war bereits ein Silberstreif am Horizont zu erkennen, in einer Stunde würde sich der Golf von Triest mit dem Rot der Morgensonne füllen...“

Mit ...

„...Nicht mehr lange. Sie hatten es fast geschafft. Im Osten war bereits ein Silberstreif am Horizont zu erkennen, in einer Stunde würde sich der Golf von Triest mit dem Rot der Morgensonne füllen...“

Mit diesen Sätzen beginnt ein fesselnden historischer Krimi. Es ist die zweite Geschichte um Inspector Bruno Zabini.
Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Er unterstützt die spannenden Szenen und lässt Raum für Informationen zur Entwicklung der Technik und wichtige Ereignisse der Zeitgeschichte. Durch die Einbeziehung antiquierter Wörter wirkt das Geschehen sehr authentisch. Schon das obige Zitat zeigt, dass der Autor gekonnt mit Metaphern spielt.
Triest im Jahre 1907 ist eine Stadt, in der viele Nationalitäten leben. Dementsprechend fällt ab und an ein Fremdwort oder ein bisschen österreichischer Dialekt. Sehr gut hat mir Elenas Aussage über ihre Heimatstadt gefallen.

„...Aber Triest liegt nicht in Italien, sondern in Österreich – Ungarn. Hier leben Menschen vieler Völker, darin spiegelt sich unsere Heimat wider….“

Damit nimmt sie Dario den Wind aus den Segeln, der italienischer Nationalist ist.
Das Eingangszitat beschreibt die Ankunft von Jure Kuzmin in Triest. Mit dem Dampfer Argo hat der Slowene den Aufstieg zum Kaffeeimporteur geschafft. Als er aber ein Auge auf Elena, die Tochter eines italienischen Kaufmanns wirft, trachtet ihm eine Nebenbuhler nach dem Leben. Der Italiener Dario, Sohn eines Fabrikanten, arbeitsscheu und Dandy, ist der Meinung, dass er Elena heiraten wird. Was sie meint, interessiert ihn dabei weniger.
Als ein toter Italiener gefunden wird, muss Bruno schnell den Fall lösen. In der Stadt wird hoher Besuch erwartet. Da kann man keine Unruhen brauchen. Gleichzeitig erreicht die Polizei ein Drohbrief. Auch hier gilt es, den Verfasser zu finden. Bruno geht dabei strategisch klug vor und nutzt nach Möglichkeit neue Erkenntnisse der Kriminalität. Geduld gehört ebenfalls zu seinen Tugenden.

„...Nämlich immer dann, wenn er bei einem Einsatz lange Zeit still und bewegungslos warten musste. Ja, es glich der Starre einer Katze, die vor einem Mauseloch auf der Lauer lag...“

Allerdings muss er aufpassen, dass ihm sein Privatleben nicht auf die Füße fällt. Das entspricht nicht den Normen der Zeit. Und er hat einen Feind, der das auszunutzen gedenkt.
Ich erfahre einiges über den Kaffeehandel. Als Neuling hat es Jure nicht einfach. Ein Gesprächspartner lässt ihn wissen:

„...Interesse ist im Geschäftsleben immer ein zweischneidiges Schwert. Was der eine mit Wohlwollen betrachtet, mag bei anderen Groll hervorrufen...“

Im Gegensatz zu den anderen Importeuren setzt Jure nicht auf südamerikanischen, sondern auf afrikanischen Kaffee. Ganz nebenbei lerne ich einige Kaffeehäuser in Triest kenne.
Mir gefällt, wie die Entwicklung der Stadt und des Hafens beschrieben wird.

„...Um den Hafen […] vor Flutwellen zu schützen, waren in mühsamer Arbeit drei Wellenbrecher aufgeschüttet worden. Unzählige Felsbrocken waren bewegt worden, um das Bauwerk zu errichten...“

Auch technische Innovationen bekommen viel Raum im Buch, seien es die neuesten Dampfer oder eine besondere Schreibmaschine.
Ein Personenverzeichnis ergänzt das Buch.
Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen. Das liegt nicht nur an den hohen Spannungsbogen und den technischen Details, sondern auch an der Person des Inspectors. Der hat zwar Ecken und Kanten, ist aber mit sich im Reinen. Und wann findet man schon einen Inspector, der von seiner Mutter die Leviten gelesen bekommt, weil sie andere Meinung ist als er.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere