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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.05.2022

Weil ich ein Mädchen bin

Die Gezeiten gehören uns
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Wie ist es wohl, als junges Mädchen aus betuchtem Haus in den 80er Jahren an der Westküste in San Francisco aufzuwachsen? Wenn man den Schilderungen von Eulabee folgt, ist es gar nicht so anders als überall ...

Wie ist es wohl, als junges Mädchen aus betuchtem Haus in den 80er Jahren an der Westküste in San Francisco aufzuwachsen? Wenn man den Schilderungen von Eulabee folgt, ist es gar nicht so anders als überall sonst auch.

Eulabee wächst eigentlich recht behütet auf. Sie und ihre drei Freundinnen gehen auf eine Privatschule im Viertel, verbringen ihre Freizeit am Strand über Felsen kletternd und schnappen hier und da die spannendsten Gerüchte über die Nachbarn auf. Bis eines Tages eine winzige Meinungsverschiedenheit ihre Clique zerrüttet.

Eulabee ist ein ganz normales Mädchen, das mit ganz normalen Mädchenproblemen zu kämpfen hat. Und doch ärgere ich mich, noch während ich diese Rezension schreibe, dass ich ihre Probleme als normal bezeichne. Denn Vendela Vida zeichnet ein ziemlich ernüchterndes Frauenbild. Sexuelle Übergriffe und die Herabwürdigung der Mädchen und Frauen tauchen in beinahe jedem Kapitel auf die eine oder andere Art und Weise auf. Das sollte nicht als normal und gegeben hingenommen werden, wird in diesem Roman aber ohne Aufregung normalisiert.

Dadurch entsteht eine Coming-of-Age Geschichte, die mich zeitweise ziemlich wütend macht, ohne das sie sonderlich viel Spannung aufbaut. Man könnte fast sagen, dass der rote Faden manchmal verschwimmt. Wenn man aber genauer hinschaut ist es eben der immer wieder aufblitzende Blick auf das Frauenbild, was einen durch die Geschichte führt.

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Veröffentlicht am 06.05.2022

Wie man eine Geschichte erzählt

Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße
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Geschichte schreibt sich leider nicht von selbst. Wie sehr sie im Nachhinein verfälscht wird oder wie ihr Grundtenor klingt, hängt immer von demjenigen ab, der sie niederschreibt.

Diese Erfahrung macht ...

Geschichte schreibt sich leider nicht von selbst. Wie sehr sie im Nachhinein verfälscht wird oder wie ihr Grundtenor klingt, hängt immer von demjenigen ab, der sie niederschreibt.

Diese Erfahrung macht auch Hartung, als ein Journalist bei ihm auftaucht und ihn über einen bestimmten Abend vor der Wende interviewen möchte. Den Abend, an dem Hartung einen Bolzen an der Weiche im Stellwerk Friedrichstraße abbrach und so einem Zug voller Menschen die Flucht in den Westen ermöglichte.

Was als Unfall begann wird dank eines Zeitungsartikels plötzlich zur organisierten Massenflucht und Hartung ungewollt zum Helden. Der macht das beste aus der Situation...

Maxim Leo greift in seinem Roman so manche Themen auf, Geschichtsfälschung und Interpretation von Zeitdokumenten, modernes Heldentum und streut sogar ein bisschen Liebe dazu.

Allem voran konzentriert er sich aber auf das Thema Ost-West, mit all seinen Vorurteilen. Viele davon kennt man, mit einigen ist man aufgewachsen, manche davon bekommt man heute noch zu hören. Das wird auf die Dauer vielleicht ein wenig ermüdend.

Mit Hartung hat der Autor aber gleichzeitig einen Helden auf Augenhöhe geschaffen. Der Mann hatte nicht immer Glück im Leben, ist aber auch kein Vollversager. Eigentlich ist er sogar ziemlich klug und dazu noch nicht vollkommen gewissenlos, hat aber nie wirklich etwas aus sich machen können. Das macht ihn nahbar und seine Erlebnisse und Entscheidungen nachvollziehbar, wenn auch nicht immer sympathisch.

Insgesamt liest sich das Buch flott, macht ein Stückchen Geschichte erlebbar und lässt einen auch einen winzigen Blick hinter deutsche Politikkulissen werfen.

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Veröffentlicht am 29.04.2022

Etwas schwächelnd

Oxen. Noctis
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Um dieses Buch in voller Länge genießen zu können, sollte man die ersten vier Bände über den Kriegsveteranen Niels Oxen gelesen haben.

Dieses Mal wird er als Berater zu einer Mordserie hinzugezogen, bei ...

Um dieses Buch in voller Länge genießen zu können, sollte man die ersten vier Bände über den Kriegsveteranen Niels Oxen gelesen haben.

Dieses Mal wird er als Berater zu einer Mordserie hinzugezogen, bei der ein Heckenschütze sieben Kriegsveteranen erschossen hat. Gemeinsam mit Margrethe Franck sucht er nach einer Verbindung zwischen den Männern und gerät dabei selbst in die Schusslinie.

Dieser Band ist insofern eine Neuerung für die Reihe, weil dieses Mal Franck im Vordergrund steht und beweisen kann, was sie drauf hat. Oxen und Mossman agieren eher im Hintergrund. Ich finde es zwar großartig, dass diesesmal die weiblichen Figuren mehr Spielraum bekommen, hätte mich aber auch über etwas mehr Oxen gefreut.

Die Story an sich fängt stark an, bekommt aber vor allem im Mittelteil ein paar Längen, die nicht hätten sein müssen. Das Ende ist etwas offen gestaltet und lässt meine Hoffnung blühen, dass es bald ein Wiedersehen mit meinem dänischen Lieblings-Veteranen geben wird.

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Veröffentlicht am 25.04.2022

Tiefgründiger als erwartet

Das Fundbüro der verlorenen Träume
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Das Äußere zeigt nicht immer, wie es innen drin aussieht. Das trifft sowohl auf Menschen als auch auf Bücher zu. Zugegeben, das Cover hat mich angezogen, habe ich doch auf eine locker-leichte Unterhaltungslektüre ...

Das Äußere zeigt nicht immer, wie es innen drin aussieht. Das trifft sowohl auf Menschen als auch auf Bücher zu. Zugegeben, das Cover hat mich angezogen, habe ich doch auf eine locker-leichte Unterhaltungslektüre gehofft. Frau Paris hat dann aber doch ein wenig mehr abgeliefert.

Dot arbeitet im Fundbüro, gehört anders als das ständig wechselnde Personal zum festen Stamm und geht in ihrem Job auf. Sachen sortieren, katalogisieren und mit ihren Besitzern zusammenbringen, das macht sie glücklich. Oder zumindest bietet es ihr Sicherheit und Halt in ihrer kleinen, gut organisierten und strukturierten Welt. Doch dann geschehen auf einmal mehrere Dinge gleichzeitig, die ihr kleines Kartenhaus zusammenstürzen lassen.

Man muss ganz klar sagen, dass es in diesem Buch weniger um das Fundbüro als um die gute Seele desselben geht. Denn Dot steht ganz klar im Mittelpunkt der Erzählung. Auch wenn Fundsachen und die damit verbundenen Erinnerungen und Träume eine große Rolle spielen, so steht doch alles im Zusammenhang mit der innerlich gebrochenen Frau und ihrer unverarbeiteten Vergangenheit.

Dot ist eine großartig gezeichnete Hauptfigur, ihr Denken und Fühlen wird auf eindringliche Art und Weise dargestellt und man fiebert förmlich mit ihr mit. Auch die Nebenfiguren haben mir gefallen, wenn auch nicht alle unbedingt sympathisch wirkten.

Leider entstehen vor allem im Mittelteil gewisse Längen, dafür hat mich das überraschende Ende dann aber doch noch entschädigen können.

Ja, in gewisser Weise ist es ein Wohlfühlroman, da es einen zuletzt mit einem wohligen Gefühl in der Brust verabschiedet. Bis dahin muss man aber einige emotionale Tiefen überwinden.

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Veröffentlicht am 05.04.2022

Kulturschock

Die Tochter
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Dieses Buch hat auf jeden Fall tiefe Spuren bei mir hinterlassen. Der asiatische Raum allgemein, aber auch (Süd-)Korea im Besonderen war in meinem Lexikon der Allgemeinbildung bisher ein blinder Fleck. ...

Dieses Buch hat auf jeden Fall tiefe Spuren bei mir hinterlassen. Der asiatische Raum allgemein, aber auch (Süd-)Korea im Besonderen war in meinem Lexikon der Allgemeinbildung bisher ein blinder Fleck. Man kennt so einige schwammige Allgemeinplätze und -phrasen, das Bild das sie zeichnen, ist aber sehr trübe und nur schwer zu erkennen. Dank "Die Tochter" habe ich nun aber zumindest einen tiefen Einblick in die gesellschaftlichen Strukturen und Wertevorstellungen Südkoreas erhalten und es hat sich wie ein ziemlicher Kulturschock angefühlt.

Das Buch erzählt von einem namenlosen Mutter-Tochter-Gespann. Die Ältere besitzt ein Haus, muss aber auch in relativ hohem Alter noch für ihren Lebensunterhalt als Pflegerin in einem Seniorenheim arbeiten. Ihre Tochter arbeitet an der Universität, steckt aber aufgrund gewisser Umstände in finanziellen Schwierigkeiten und zieht nun mit ihrer Freundin wieder bei ihrer Mutter ein.

Die Erzählung, aus Sicht der Mutter mit ihren alten Wertevorstellungen geschildert, betrachtet zum einen die Arbeitssituation und den Umgang mit älteren, pflegebedürftigen Menschen, zum anderen die eigene Einstellung und mangelnde Akzeptanz zur/ der Homosexualität ihrer eigenen Tochter. Die Umstände im Pflegeheim sind erheblich auf Profit bzw Sparsamkeit ausgelegt, zu Lasten der Angestellten und vor allem der Bewohner. Die Alten werden ohne Anstand und Respekt behandelt, das Altern wird als etwas wenig erstrebenswertes dargestellt (zumindest solange man keine Familie hat, die sich um einen kümmern kann oder will).

Im krassen Kontrast dazu steht die Homosexualität der Tochter, die in Korea offenbar immer noch nicht akzeptiert wird und sogar als Kündigungsgrund angewendet werden kann.

Die Autorin hat ein einfühlsames Seelen- und Gedankenbild über Generationenkonflikte und Ansprüche im Wandel der Zeit und Gesellschaft gezeichnet. Es ist mit Sicherheit nicht leicht zu lesen, trifft einen mitunter sehr hart, liefert aber genauso auch interessante und wichtige Einblicke in eine so fremde und im Grunde verschiedene Kultur.

Ich habe es sehr gerne gelesen, werde es auch immer wieder in die Hand nehmen und habe viel Denkstoff daraus mitgenommen.

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