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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.06.2017

Der Papst hat einen Traum

Der Teufel in der Weihnachtsnacht
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„Der Teufel in der Weihnachtsnacht“ ist eine humorvolle und zugleich bitterböse Erzählung auf knapp 60 Seiten: In der Nacht vor Weihnachten schläft der Papst recht schlecht – er hat wieder einmal zu viel ...

„Der Teufel in der Weihnachtsnacht“ ist eine humorvolle und zugleich bitterböse Erzählung auf knapp 60 Seiten: In der Nacht vor Weihnachten schläft der Papst recht schlecht – er hat wieder einmal zu viel von Schwester Innocentias Christstollen genascht, der ihm jetzt schwer im Magen liegt. Plötzlich steht der Teufel an seinem Bett und kaum hat sich der Papst versehen, sitzt er schon neben Satan in dessen rotem Ferrari, braust durch die Nacht und erhält Nachhilfe in Sachen Betriebswirtschaft, Marketing und innovativer Personalführung. Denn der Teufel weiß natürlich wo der Schuh drückt: Der Kirche laufen die Schäfchen weg, das Image bröckelt, die Einnahmen sinken. Und so präsentiert der Teufel dem Papst eine Reihe von Ideen, mit denen das Image der Kirche aufpoliert werden könnte: vom Musical über den elektrischen Beichtstuhl bis hin zu Werbespots, die die Menschen wieder zum Beten animieren sollen. Zum Glück ist aber alles nur ein Traum – oder vielleicht doch nicht? Lewinsky erzählt frech, mit Tiefgang und mit ganz viel schwarzem Humor. Eine hochamüsante Erzählung, die kritisch Bezug auf die katholische Kirche in der heutigen Zeit nimmt, aber auf keinen Fall beleidigend ist.

Veröffentlicht am 04.06.2017

Spannend und bewegend

Das Echo der Schuld
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Spannend, raffiniert und bewegend: Und wieder einmal hat mir ein Roman von Charlotte Link unheimlich gut gefallen. In „Das Echo der Schuld“ werden zunächst zwei Handlungsstränge nebeneinander erzählt: ...

Spannend, raffiniert und bewegend: Und wieder einmal hat mir ein Roman von Charlotte Link unheimlich gut gefallen. In „Das Echo der Schuld“ werden zunächst zwei Handlungsstränge nebeneinander erzählt: Zum einen steht die Engländerin Virginia Quentin im Mittelpunkt der Geschichte. Sie führt ein schönes Leben als Gattin eines erfolgreichen und wohlhabenden Besitzers einer Bank. Die meiste Zeit des Jahres verbringt sie recht abgeschottet mit ihrer kleinen Tochter auf dem Landsitz der Familie in King´s Lynn. Trotzdem gibt es etwas in ihrer Vergangenheit, das ihr Leben überschattet und sie innerlich nicht zur Ruhe kommen lässt. Als Virginia eines Tages zwei deutschen Touristen, deren Segelschiff vor der Küste Schottlands gekentert ist, hilft, gerät ihr Leben aus den Fugen. Auf der anderen Seite geht in dem kleinen Örtchen King´s Lynn ein pädophiler Massenmörder um. Charlotte Link erzählt sehr vereinnahmend und verwebt die beiden Handlungsstränge gekonnt zu einer aufwühlenden, spannenden und logisch durchdachten Geschichte. Auch die Charaktere sind wieder so detailliert und authentisch gezeichnet, wie man das von Charlotte Link gewohnt ist. Sogar die Nebenfiguren sind psychologisch so ausgeklügelt, dass man ihnen nahezu auf den Grund ihrer Seele blicken kann. Das Ende lässt einen mit einer Gänsehaut zurück. Wieder einmal gute, spannende Unterhaltung.

Veröffentlicht am 04.06.2017

Woher kommt der Hype?

Meine geniale Freundin
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An Elena Ferrante und ihrer Saga um die Freundinnen Lila und Elena im Neapel der Nachkriegszeit kam man in den letzten Monaten ja nur sehr schwer vorbei: Die halbe Welt schien den Roman zu lesen und davon ...

An Elena Ferrante und ihrer Saga um die Freundinnen Lila und Elena im Neapel der Nachkriegszeit kam man in den letzten Monaten ja nur sehr schwer vorbei: Die halbe Welt schien den Roman zu lesen und davon zu schwärmen, dazu kamen noch die Spekulationen über die wahre Identität der Autorin. Was hat dieser Roman, warum begeistert er die lesende Welt so restlos? Das wollte ich nun auch herausfinden und hab mich an „Meine geniale Freundin“ gewagt, den ersten Teil der vierteiligen Saga. Und ja, dieser erste Teil war in der Summe ein wirklich gutes Buch – so ganz kann ich den Hype allerdings noch nicht verstehen.

Der Auftakt beziehungsweise die Rahmenhandlung der Geschichte ist schon mal recht effektvoll: Eine Frau namens Lila, schätzungsweise um die 70, ist spurlos verschwunden – sie will das Leben, das hinter ihr liegt, komplett auslöschen. Ihre langjährige beste Freundin Elena, die Ich-Erzählerin in Ferrantes Roman, beginnt nun die Geschichte ihrer Freundschaft aufzuschreiben. Eine innige Freundschaft, die aber auch immer von Konkurrenzkampf geprägt ist.

Im ersten Teil der Saga geht es um die Kindheit und frühe Jugend der Freundinnen. Die Erinnerungen führen zurück in das Neapel der 1950er und 60er, in den Rione, das ärmste Viertel der Stadt. Es ist eine Welt in der Armut, Enge und Gewalt herrschen. Eine Welt in der Männer ihre Frauen schlagen, in der kriminelle Familienclans das Sagen haben und Töchter an den Freier verschachert werden, der gerade das meiste Geld besitzt. Lila und Elena begegnen sich zum ersten Mal in der Grundschule. Die stille Elena fühlt sich sofort angezogen von der frechen Lila, die noch dazu einen extrem wachen Verstand hat, ja fast schon hochbegabt ist. Gemeinsam versuchen sie den Kosmos, in dem sie leben, zu verstehen und merken bald, dass sie ihm entkommen müssen, wollen sie es später zu etwas schaffen. Es ist dann aber Elena die den Bildungsweg wählt, um aus dem Rione rauszukommen. Lila wird die Schulausbildung verwehrt.

Die Geschichte bietet viel: es ist eine zwischenmenschliche Studie, es ist ein Bildungsroman und nicht zuletzt ein Sittengemälde Neapels in der Nachkriegszeit. Die Figuren – vor allem Elena und Lila – sind wie aus Fleisch und Blut geschaffen. Es ist erschreckend zu lesen, mit welch Selbstverständlichkeit die beiden jungen Mädchen die Gewalt und die Zustände im Rione zunächst hinnehmen. Man versteht diese Gier nach Bildung, die das Leben der Freundinnen vorantreibt. Und man leidet mit der wissbegierigen Lila, der diese Bildung verwehrt bleibt. Ferrantes Sprache ist dazu noch schön und elegant. Trotzdem fehlte mir gerade in literarischer Hinsicht etwas, um restlos begeistert zu sein. Zu ruhig, zu brav, zu chronologisch wird die Geschichte erzählt. Zu sehr ist die Geschichte für mich noch eine Chronik, zu wenig Roman. Trotzdem werde ich auf jeden Fall weiterlesen und mir hoffentlich bald den zweiten Teil zulegen. Wahrscheinlich muss man die Saga am Ende auch als Gesamtkonstrukt bewerten.

Veröffentlicht am 04.06.2017

Mord in der Psychiatrie

Stimmen
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Ihr dritter Fall führt das Salzburger Ermittler-Duo Beatrice Kaspary und Florin Wenninger in die Psychiatrie: Auf der Trauma-Station des Klinikums Salzburg Nord wird ein junger Psychiater ermordet aufgefunden. ...

Ihr dritter Fall führt das Salzburger Ermittler-Duo Beatrice Kaspary und Florin Wenninger in die Psychiatrie: Auf der Trauma-Station des Klinikums Salzburg Nord wird ein junger Psychiater ermordet aufgefunden. Wer war der Mörder? Ein Kollege oder einer der Patienten? War der Jungarzt dabei, Machenschaften in der Klinik aufzudecken? Während die Ermittler noch dabei sind, das Pflegepersonal zu befragen und Informationen aus den Patienten herauszulocken, geschieht schon das nächste Unglück und bald befindet sich Beatrice selbst in höchster Gefahr. Der dritte Teil der Beatrice-Kaspary-Reihe ist meiner Meinung nach zwar ein kleines bisschen schwächer ausgefallen als seine beiden Vorgänger, in der Summe hat mich aber auch dieser Teil wieder sehr gut unterhalten. Poznanski erzählt sehr lebendig und fesselnd und hat auch diesmal wieder bewiesen, dass sie ein extrem gutes Gespür für außergewöhnliche Plots hat.

Das Setting war interessant gewählt und gerade diese Szenen in der Psychiatrie hat Poznanski auch sehr überzeugend und atmosphärisch inszeniert. Die Schicksale der einzelnen Patienten machen einen betroffen und beklommen. Zwar fand ich den Thriller recht spannend, allerdings drehen sich die Ermittlungen diesmal ein bisschen zu oft im Kreis und zum Schluss hin zieht sich die Geschichte ein bisschen. Auch den Masterplan des Täters fand ich diesmal etwas zu arg konstruiert und unglaubwürdig. Etwas spannender ging es da zum Teil fast in Beatrices Privatleben zu. Sie hat mit einigen Problemen zu kämpfen und scheint sich endlich auch privat auf Florin einlassen zu können.

In der Summe ein unterhaltsamer, spannender Thriller mit zwei tollen Hauptfiguren.

Übrigens rate ich dazu, die Reihe in der richtigen Reihenfolge zu lesen. Die Fälle sind zwar in sich abgeschlossen, aber das Privatleben der Figuren geht ja weiter und viele Anspielungen versteht man nur, wenn man die Vorgängerbände kennt.

Veröffentlicht am 05.06.2017

Mehr Liebesgeschichte als historischer Roman

Das Haus in der Löwengasse
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In ihrem Roman „Das Haus in der Löwengasse“ entführt Schier den Leser ins Köln des 19. Jahrhunderts und erzählt die Geschichte der Waisen Pauline, die nach dem Tod ihres Onkels als Gouvernante in Bonn ...

In ihrem Roman „Das Haus in der Löwengasse“ entführt Schier den Leser ins Köln des 19. Jahrhunderts und erzählt die Geschichte der Waisen Pauline, die nach dem Tod ihres Onkels als Gouvernante in Bonn eine Anstellung findet. Nachdem der Hausherr Pauline aber vergewaltigt, verliert sie ihre Stelle und landet schließlich mittellos in Köln. Dort kommt ihr das Glück zu Hilfe: Der Fabrikant Julius Reuther stellt sie ein und verliebt sich in sie. Leider konnte mich mein erster historischer Roman von Petra Schier nicht wirklich überzeugen. Den Schreibstil fand ich noch ganz gut. Sehr locker, kurzweilig und angenehm, aber auch nicht zu modern – also für einen historischen Roman gerade richtig. Auch ihre Charaktere hat Schier sehr lebendig und detailliert gezeichnet. Gehapert hat es an der Geschichte selbst. Diese ist mehr als vorhersehbar und zum Teil ein wenig flach. Vieles geschieht nach Schema F und im Grunde besteht der ganze Roman aus sehr wenig Handlung. Auch das Historische kommt bei diesem Roman ein wenig zu kurz. Man erfährt zwar schon ein kleines bisschen über die Situation der Dienerschaft und die Methoden der Kindererziehung im 19. Jahrhundert, aber eher am Rande. Im Grunde hätte der Roman in jedem anderen Zeitalter spielen können. Im Großen und Ganzen ist „Das Haus in der Löwengasse“ eine recht vorhersehbare, wenn auch gut erzählte, verträumte Liebegeschichte. Wer einen komplexen bzw. gut recherchierten, authentischen historischen Roman über ein bewegendes Frauenschicksal erwartet, wird wohl eher enttäuscht sein. Vielleicht liegt es auch daran, dass der Roman mit 350 Seiten recht kurz ist und sich die Geschichte so einfach nicht richtig entwickeln konnte.