Profilbild von yesterday

yesterday

Lesejury Star
offline

yesterday ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit yesterday über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.09.2016

Licht am Ende des Buches

Skin
0

Mit einem guten Protagonisten muss sich der Leser identifizieren können. Was Bücher betrifft, ist das eine Binsenweisheit. Aber muss das so sein? Veit Etzold wagt hier mit dem Unternehmensberater Christian ...

Mit einem guten Protagonisten muss sich der Leser identifizieren können. Was Bücher betrifft, ist das eine Binsenweisheit. Aber muss das so sein? Veit Etzold wagt hier mit dem Unternehmensberater Christian König viel, denn mit dessen naiv-nerviger Art können sich wohl die wenigsten Leser identifizieren. Aber: Christian bleibt im Gedächtnis. Bekommt man aufgrund seines Verhaltens auch des Öfteren Kopfweh vom vielen Schütteln desselben, so setzt man sich dennoch mit der Person auseinander, überlegt, was an ihm so stört. König ist auf jeden Fall ein Charakter, der nicht kalt lässt und das zeichnet eine gut gestrickte Hauptperson auch irgendwie aus.
Ähnlich ambivalent kann man dem Hauptermittler, Frank Deckhard, gegenüberstehen. Er scheint zu Beginn ein umsichtiger, verlässlicher Typ zu sein. Als das Team dann mehrere Leichenfunde zu bearbeiten hat und seltsame Verbindungen zu König auftauchen, riskiert er Kopf und Kragen, weil er so sehr von der Schuld des Beraters überzeugt ist.
Zwischen diesen beiden Persönlichkeiten ist wenig Platz für einen packenden Thriller, zumal noch viele Details und allgemeines Wissen über die Wirtschaftswelt und die Beraterbranche Buchseiten belegen. Wer das mag oder wer gut damit klarkommt, dem eröffnet sich ein Fall, währenddessen Christian König von unbekannter Seite Taten angelastet und erschreckende Botschaften zugesendet werden. Die Schlinge, die ohnehin eng ist, wird durch Königs Verhalten leider auch nicht weiter, er manövriert sich mit Lügen und Fluchtversuchen immer tiefer in die Sache hinein.
Statt sich über Christian zu ärgern, kann man sich als Leser auch die Zeit damit vertreiben, mitzuraten, wer denn der Täter sein könnte und bekommt gegen Ende des Buches noch eine schöne Portion Spannung geboten. Das Ende kann somit noch einiges wiedergutmachen; wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Christians Vater noch einen Stein ins Rollen bringen kann?
Ich werde, was Veit Etzold betrifft, aber bei der Reihe um Clara Vidalis bleiben, da mich da die eine oder andere Leseprobe schon sehr angesprochen hat und man über diese Bücher viel Gutes hört.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Spannung
  • Recherche
  • Schreibstil
  • Handlung
Veröffentlicht am 14.05.2022

Ein Student ermittelt

FROST
0

Mit “Dunkel”, “Insel” und “Nebel” kannte ich vor diesem schon drei Krimis von Ragnar Jónasson. Diese drei bilden eine Trilogie um Kommissarin Hulda Hermannsdóttir. Mir gefielen die Bände und ich war überrascht, ...

Mit “Dunkel”, “Insel” und “Nebel” kannte ich vor diesem schon drei Krimis von Ragnar Jónasson. Diese drei bilden eine Trilogie um Kommissarin Hulda Hermannsdóttir. Mir gefielen die Bände und ich war überrascht, den Namen Hulda im Zusammenhang mit “Frost” noch einmal zu lesen, da die Trilogie abgeschlossen war. So hatte ich das verstanden.

Also war ich neugierig, ob “Frost” so eine Art Hulda-4 werden könnte. Die Geschichte ist an sich in Ordnung und teilweise auch spannend, aber für mich ist sie deutlich schwächer als die Hulda-Bücher. Hulda selbst kommt vor aber nur sehr wenig.

2012 steht sie kurz vor ihrer Pensionierung und trifft auch nie auf den Protagonisten in “Frost”. Dieser ist Helgi, ein Kriminologiestudent der kurz vor seinem Abschluss steht und dessen schriftliche Arbeit sich um einen - seiner Meinung nach - ungelösten Fall von 1983 dreht.

Damals gab es in einem nicht mehr betriebenen Sanatorium eine Leiche. Nur wenige Personen hatten Zugang zum Gebäude, doch die Polizei fand nichts heraus. Damals ermittelte Hulda als Kollegin des Ermittlungsleiters. Sie wäre also die perfekte Ansprechpartnerin für Helgi.

Doch dieses Zusammentreffen fehlt leider. Helgi spricht mit den noch lebenden Beteiligten und ermittelt auf eigene Faust. Der für eine Hauptperson doch recht unspektakuläre Charakter soll durch einen bestimmten Kniff spannender gemacht werden, doch auch das gelingt nicht sehr gut.

Die 300 Seiten hat man dennoch schnell durch. Dem Vergleich mit den anderen Krimis kann dieser nicht standhalten und auch ohne die “Hulda-Trilogie” wirkt diese Geschichte seltsam vereinfacht und nicht recht glaubwürdig. Island als Schauplatz kommt leider auch nicht zur Geltung.

Veröffentlicht am 20.11.2020

Kein Buch für Metzger-Fans

Die Djurkovic und ihr Metzger
0

Zwar hab ich schon mehrere Metzger-Krimis gelesen, aber so eine absonderliche Geschichte war noch nicht dabei.

Auch der Aufbau des Buches trägt nicht zur besseren Bewertung bei. Zuerst gibt es die Unterhaltung ...

Zwar hab ich schon mehrere Metzger-Krimis gelesen, aber so eine absonderliche Geschichte war noch nicht dabei.

Auch der Aufbau des Buches trägt nicht zur besseren Bewertung bei. Zuerst gibt es die Unterhaltung der Personen mit Decknamen über Funk, dann die Erinnerungen von Anjeza und noch die Kapitel mit den eigentlichen Handlungssträngen, Danjela, der Metzger, das albanische Kartell. Alles wechselt ständig durcheinander, man muss da definitiv gut konzentrieren.

Bald weiß man zwar wer die Füchsin und der Dachs, die so geheim beobachtet werden, sind, aber Sinn lässt sich in der Geschichte lange nicht erkennen. Es herrscht viel Durcheinander, ein Polizist erschießt seinen Chef, wer sind nun die Bösen und die Guten?

Dann der alles auflösende Showdown im Zelt, die Einsatzkräfte erzeugen ein ordentliches Tohuwabohu, die Bösen werden alle erschossen und irgendwie überleben Danjela und der Metzger den ganzen Wahnsinn. Müssen sie ja, sie haben noch einen Plan.

In den früheren Krimis dieser Reihe liebte ich die wortgewandten Formulierungen des Autors. Die Geschichten enthielten jede Menge Wortwitz und humorige Beschreibungen. Doch im aktuellen Buch wirkt vieles zwanghaft formuliert. Schade.

Das Ende deutet dann für mich sogar auf ein gesamtes Ende der Reihe hin. Wenn weitere Bände so wären wie dieser, dann ist das sicher gut.

Veröffentlicht am 14.06.2017

Abstraktes biologisches Weltuntergangszenario – Teil 1

Die Brut - Sie sind da
0

Klappentext und Kurzzusammenfassungen wurden für diesen Thriller clever gewählt, sodass es passieren kann, dass man sich im Vorfeld ein etwas anderes Buch erwartet, als es schlussendlich wird. Für Fans ...

Klappentext und Kurzzusammenfassungen wurden für diesen Thriller clever gewählt, sodass es passieren kann, dass man sich im Vorfeld ein etwas anderes Buch erwartet, als es schlussendlich wird. Für Fans von leicht apokalyptischen Horror-Blockbustern ist dieser Thriller – der sich eher wie ein ausgebautes Drehbuch für einen solchen Film liest – sicher das richtige.
Für einen gut und spannend aufgebauten Thriller war über große Strecken für mich einfach zu vieles vorhersehbar und weder besonders gruselig noch fesselnd geschrieben. Zu weit ab von Wahrscheinlichkeiten und biologischen Gegebenheiten agiert hier die Bedrohung, die die Menschheit in Geiselhaft nimmt. Durch diese unwirklichen Beschreibungen ergibt sich eine emotionale Distanz, die verhindert, dass der Leser vollkommen im Buch versinkt. Natürlich liest sich die Geschichte flott und kurze Abschnitte halten das Tempo hoch. Doch das reicht nicht. Der schnelle Ortswechsel, die vielen Charaktere die teilweise nur kurz auftreten und auch die, die wiederkehrend sind, können kaum Bindung zum Leser aufbauen.
Zu unnahbar und wenig mitleiderregend bleiben die handelnden Personen, da die Gesamtsituation einfach den gesamten Raum einzunehmen scheint. Bleibt dann Platz für ein paar persönliche Gedanken und Geschichten, scheinen sie fast schon deplatziert zu sein, an falscher Stelle angesprochen zu werden.
Hinzu kommen noch zwei sehr wesentliche Punkte: die Grundidee, die hinter dem Thriller zu stecken scheint und an oben erwähnte Filme erinnert, ist für mich zusätzlich noch mit einer Novelle von Jeremias Gotthelf verknüpft (wer das Buch liest, wird die passende schnell erraten). Somit ist nichts an diesem Plot eine komplett neue Erfindung. Alles wirkt bekannt, was auch nicht zur Spannung beiträgt. Der zweite Punkt: Dieses Buch ist in sich nicht abgeschlossen, es wird keinerlei Lösung der scheinbar ausweglosen Situation angeboten. Dieses Buch ist Teil 1 einer Trilogie. Schwer vorstellbar, wie der eher dünne, sich wiederholende Plot, noch zwei Mal 400 Seiten füllen soll.

Veröffentlicht am 02.02.2017

Gute Ideen, aber zu viel gewollt

Never Say Anything
0

Politthriller können sehr packend sein. Jeder kenn Autoren, denen Geheimdienstgeschichten leicht gelingen. Michael Lüders ist – zumindest nach diesem Buch beurteilt – keiner davon. Er ist Orientalist und ...

Politthriller können sehr packend sein. Jeder kenn Autoren, denen Geheimdienstgeschichten leicht gelingen. Michael Lüders ist – zumindest nach diesem Buch beurteilt – keiner davon. Er ist Orientalist und schreibt bekannte Sachbücher zu diesem Thema. In „Never say anything“ versucht er, den Orient mit Amerikas (teils fragwürdigem) Kampf gegen den Terror und den Ermittlungsmethoden der NSA und anderen Behörden zu verbinden.
Wohl, um auf sicheres Terrain zu kommen, startet die Geschichte im Orient, in Marokko. Dieser Teil macht Lust auf mehr und man hat das Gefühl, dass aus den ersten Abschnitten ein packender Thriller werden kann. Zu Beginn werden Drohnenattacken in den Mittelpunkt gestellt und die Arbeitsweise amerikanischer Truppen angeprangert. Soweit so gut. Mit der Verlage der Handlung nach Deutschland ändert sich der Eindruck, den man von dem Buch bekommt. Die Geschichte wandelt sich oft, flacht teilweise ab, zieht dann wieder an und wird aber mit zunehmender Länge immer verwirrender und unlogischer.
Das liegt nicht zuletzt an der Wahl der Hauptperson. Sophie Schelling ist Mitte 30 und Journalistin. Doch sie handelt fast das ganze Buch über zu naiv und impulsiv. Sie steht sich durch ihre falsch eingesetzten Emotionen (zu viel, wo es unnötig ist, zu wenig, wo jeder andere emotional wäre) selbst im Weg. Wie ein Wunder überlebt sie die psychische und physische Hetzjagd, die auf sie gemacht wird, weil sie in Marokko Zeugin eines illegalen Angriffs der Amerikaner auf ein unbescholtenes Dorf wird.
Mit seinem – wohl auch von bisherigen Veröffentlichungen geprägten – nüchternen, verkürzenden Schreibstil versucht der Autor wohl, nicht von der Geschichte abzulenken. Leider gelingt das nur teilweise, denn durch die Verknappung gibt es verwirrende Sprünge in der Handlung, Charaktere werden nicht oder kaum greifbar. Leider bleibt vieles (unter anderem das Ende) offen, Schicksale werden nicht geklärt, keine Begründungen für Handlungsweise oder anderes eingebracht.
Gegen Ende hat man das Gefühl, dass noch viele Ideen auf wenige Seiten gequetscht wurden, außerdem wird es ganz plötzlich noch actionlastig, was auch nicht nötig gewesen wäre und nicht so recht in die Geschichte passen will.
Die Grundideen sind interessant und könnten durchaus einen guten Thriller abgeben, leider wurde bei der Umsetzung zu viel gewollt. Weniger (unwichtige) Handlungsstränge und Personen hätten es möglich gemacht, sich besser mit den Geheimdienst- und Cybermachenschaften zu befassen und ohne Action nur durch diesen Wettlauf der Institutionen und der Aufdecker den Thrill entstehen zu lassen (vgl. Edward Snowden, Julian Assange).
Das Cover ist passend, auch der Titel wird gegen Ende des Buches erklärt.