Profilbild von Hyperventilea

Hyperventilea

Lesejury Star
offline

Hyperventilea ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Hyperventilea über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.06.2022

Ein altes Haus und die Geister der Vergangenheit - düster und atemberaubend spannend

Das Haus der stummen Toten
0

„Ich bin es so leid, Angst zu haben.“

Eleanor erlebt Unvorstellbares: Als sie ihre Großmutter Vivianne besuchen möchte, findet sie diese tot, ermordet, vor. Der Täter hält sich noch im Haus auf, begegnet ...

„Ich bin es so leid, Angst zu haben.“

Eleanor erlebt Unvorstellbares: Als sie ihre Großmutter Vivianne besuchen möchte, findet sie diese tot, ermordet, vor. Der Täter hält sich noch im Haus auf, begegnet Eleanor sogar noch, doch die junge Frau ist aufgrund ihrer Gesichtsblindheit nicht in der Lage, ihn zu identifizieren. Monate danach fahren Eleanor und ihr Freund Sebastian auf das Gut Solhöga, das Vivianne Eleanor vererbt hat. Gemeinsam mit ihrer Tante Veronika und dem Notar Rikard sollen vor Ort alle Details zur Erbschaft geklärt werden. Doch im Haus geht es nicht mit rechten Dingen zu. Irgendjemand scheint sich dort heimlich zu verstecken und die Anwesenden zu jagen. Was geht hier vor?

Camilla Sten schreibt abwechselnd auf zwei Ebenen. Sie schildert chronologisch aus Eleanors Sicht in Ich-Form, wie Eleanor die Ermordung ihrer Großmutter erlebt und was aktuell auf dem Gut passiert. Der zweite Erzählstrang umfasst die Tagebucheinträge des polnischen Hausmädchens Annuschka. Annuschka verbringt Mitte der 1960er Jahre Zeit mit ihren Arbeitgebern Vivianne und Evert auf Solhöga. Erst später wird klar, wie beide Handlungsstränge wirklich zusammenhängen. Die einzelnen Kapitel sind recht kurz, der ständige Perspektivwechsel erhöht immer wieder die Spannung.

Die Figuren kamen mir nicht nah. Zwar gewährt Eleanor den Lesern durch die Erzählweise in der ersten Person Einblick in ihre Gedanken und Gefühle. Dennoch wirkt sie auf mich seltsam fremd, distanziert und wenig greifbar. Dass die Personen meist keine Identifikationsfiguren sind, schafft eine kalte, unheimliche Atmosphäre. Die Leser sind bloße Beobachter, fühlen sich zwar nicht als Teil der Handlung, können sich der unangenehmen Stimmung dennoch nicht entziehen. Mit Eleanor, die aufgrund ihrer Gesichtsblindheit im sozialen Umgang stark beeinträchtigt und anderen hilflos ausgeliefert ist und nicht weiß, wem sie vertrauen kann, hatte ich durchaus Mitleid. Nicht nur sie hat Schwierigkeiten, die anderen Personen richtig einzuschätzen. Ich hatte es auch. Alle Charaktere haben etwas Dubioses. Niemand ist hier mit sich und den Umständen im Reinen: Weder Eleanor, die sich in psychotherapeutischer Behandlung befindet, noch die unerbittliche, unberechenbare Vivianne oder Veronika, die eigentlich gar nicht da sein sollte. Genausowenig der blasse, rationale Sebastian, der Unvorhersehbares hasst, oder Notar Rikard, der ein Geheimnis zu hüten scheint, und schon gar nicht Annuschka, die nicht die sein darf, die sie wirklich ist.

Ein Haus, in dem die Geister der Vergangenheit wohnen und in dem ein unbekannter, gefährlicher Feind lauert. Tödliche Geheimnisse, die kurz vor der Enthüllung stehen. Eine hilflose, unberechenbare Hauptfigur und Personen, die sich äußerst unwohl fühlen.
Eine schrecklich Vorstellung, hier involviert sein. Aber genau diese Atmosphäre stellt Camilla Sten in „Das Haus der stummen Toten“ überdeutlich und fast spürbar dar. Sie hält ihre Figuren und die Leser in der Szenerie gefangen. Gleichermaßen wirkt das alles furchtbar abstoßend und fesselnd-faszinierend. Man möchte sofort schreiend wegrennen und sich gleichzeitig nicht von der Stelle rühren und weiter stumm beobachten, kann man sich doch einfach nicht vom Geschehen lösen und muss einfach erfahren, wie es weitergeht.
Ein atemberaubend spannender, über weite Teile geschickt und raffiniert konstruierter Thriller, der mich in seinen Bann gezogen hat. Die Auflösung ist zwar nachvollziehbar und erklärt vieles, nicht alles, ist aber für mich nicht hundertprozentig logisch und befriedigend. Einerseits wirklich überraschend, andererseits doch vorhersehbar und ein bisschen enttäuschend. Dennoch kann ich das Buch allen, die Thriller mit viel Nervenkitzel und frostiger Atmosphäre mögen, weiterempfehlen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.06.2022

Ein folgenreiches Beziehungsdreieck - packend erzählter historischer Roman mit spannender Figurenkonstellation

Berlin Friedrichstraße: Novembersturm
0


Seit ihrer Kindheit sind Luise, Robert, Johannes und dessen Schwester Ilse eng befreundet. Doch der Erste Weltkrieg, in dem Johannes und Robert an der Front für Deutschland kämpfen, ändert alles. Johannes ...


Seit ihrer Kindheit sind Luise, Robert, Johannes und dessen Schwester Ilse eng befreundet. Doch der Erste Weltkrieg, in dem Johannes und Robert an der Front für Deutschland kämpfen, ändert alles. Johannes gilt nach Kriegsende als vermisst, Robert ist seit dem Krieg völlig verändert. Als Robert 1920 den Auftrag bekommt, an der Neugestaltung des Bahnhofs Friedrichstraße mitzuarbeiten, fasst er sich ein Herz und macht Luise einen Heiratsantrag. Doch es gelingt ihm nicht, die schlimmen Erfahrungen der Vergangenheit hinter sich zu lassen. Über der Beziehung zu Luise liegt daher ein Schatten. Und dann taucht plötzlich Johannes wieder auf…

Autorin Ulrike Schweikert erzählt flüssig und klar aus der Sichtweise ihrer verschiedenen Figuren in der dritten Person. Sie schildert verschiedene zentrale Momente aus dem Leben ihrer Protagonisten, erläutert aber immer wieder auch historische und gesellschaftliche Ereignisse, die ihre Figuren miterleben und die sie prägen. Sprecherin Sabine Arnold liest gut betont, beherzt-resolut und mit angenehm klingender Stimme. Ihrem fesselnden Vortrag hörte ich gerne zu.

Die Hauptfiguren sind ganz unterschiedlich. Luise ist eine mitfühlende und leidenschaftliche Frau. Sie hat Spaß an ihrem Beruf als Sekretärin bei der Polizei, arbeitet gerne direkt am „Puls der Zeit“, mag es das Leben der Stadt „in sich aufzusaugen“. Robert wirkt etwas ernster als sie, ist er doch von den Erfahrungen des ersten Weltkriegs sehr beeinflusst und leidet an Schuldgefühlen. Sein aus Kindertagen bester Freund Johannes kehrt verwundet aus dem Krieg zurück. Die Pläne seiner Jugend gehören nun der Vergangenheit an, er muss sich völlig neu orientieren. Johannes Schwester Ilse bewegt sich in der Kulturszene Berlins, hat Kontakte zu vielen Kulturschaffenden wie Claire Waldoff, Marlene Dietrich oder Erich Kästner. Sie hat ein besonders Talent für Mode. Dann gibt es noch Ella aus dem Hinterhaus, die nie richtig zum engen Freundeskreis dazugehörte, nicht so begütert aufwuchs wie die anderen, sich um ihren Bruder Paul, der auf die schiefe Bahn gerät, kümmern muss und die stets finanzielle Sorgen plagen.
Die vielfältige, abwechslungsreiche Personenkonstellation mit ihren konfliktbehafteten Beziehungen umfasst Figuren aus verschiedenen Schichten und Kreisen, das gestaltet die Geschichte sehr interessant.

Autorin Ulrike Schweikert nimmt ihre Hörer mit auf eine Reise ins Berlin der 20er und 30er Jahre, lässt die pulsierende, facettenreiche Stadt lebendig werden. Sie fängt die Atmosphäre der Metropole treffend ein, gibt Einblick in die schillernde Kulturszene und vermittelt gleichzeitig, welche politischen und gesellschaftlichen Fragen die Leute damals bewegten. Vor diesem Hintergrund entwickeln sich die komplexen Beziehungen ihrer Hauptfiguren weiter, die alle von den Ereignissen ihrer Zeit geprägt sind. Männer und Frauen müssen sich nach den aufwühlenden Ereignissen „neu finden“. Wie auch ihre Roman um die Berliner Charité hat mich die Autorin mit dem Auftakt „Novembersturm“ aus der Reihe „Berlin Friedrichstraße“ überzeugt. Mir hat das Aufeinandertreffen aus realen und fiktiven Charakteren, die vielfältigen Figuren, ihre interessanten Geschichten und die Einbindung historischer Ereignisse gut gefallen. Ein Schmöker ganz nach meinem Geschmack, ich freue mich schon auf die Fortsetzung.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 25.05.2022

Unterricht mal anders - kunterbuntes, magisches Schulabenteuer mit einzigartiger Lehrerin

Madame Kunterbunt, Band 1: Madame Kunterbunt und das Geheimnis der Mutmagie
0

„Sie ist wie ein lebender Pinsel und macht nicht nur die Welt ein bisschen bunter. Die Menschen in ihrer Nähe werden auch fröhlicher.“

In der Nacht vor dem ersten Schultag nach den Ferien beobachtet Nicky ...

„Sie ist wie ein lebender Pinsel und macht nicht nur die Welt ein bisschen bunter. Die Menschen in ihrer Nähe werden auch fröhlicher.“

In der Nacht vor dem ersten Schultag nach den Ferien beobachtet Nicky etwas sehr Merkwürdiges im Garten des bisher leerstehenden Nachbarhauses. Mitten in der Nacht scheint eine Gestalt einen Regenbogen heraufzubeschwören. Am nächsten Tag erleben Nicky, ihr Cousin Nick und die anderen Kinder der Klasse 3a eine weitere Überraschung. Ihre neue Lehrerin Madame Kunterbunt ist die neue Nachbarin von Nicky und Nick und sie ist so ganz anders als alle anderen Lehrer. Ihre Worte klingen wie die schönste Melodie. Sie erfüllt jeden Raum mit guter Laune, bringt auch die schüchternsten Kinder zum Reden und macht das Leben viel bunter und zauberhafter. Ihre zwei geheimen Begleiter die Chamäleons Cilly und Rosso haben magische Fähigkeiten, müssen aber leider immer streiten. Eines Tages eskaliert die Situation. Ob nun zur Abwechslung einmal die Klasse Madame Kunterbunt helfen kann?

Autor Thilo erzählt lebendig, kindgemäß, humorvoll und anschaulich. Wenn er die einzigartige Madame Kunterbunt beschreibt, trifft er schöne, passende sprachliche Vergleiche, malt mit Worten ein bezauberndes Bild von ihr. Bille Weidenbach hat zur Geschichte kleine ansprechende Schwarz-Weiß-Illustrationen gezeichnet, die die Seiten motivierend und abwechslungsreich gestalten. Die Schrift ist etwas größer gedruckt als normal, der Zeilenabstand ist etwas weiter. So ist der Text angenehm zu lesen. Das Buch richtet sich an Kinder ab acht Jahren zum Selberlesen und ist für jüngere Kinder ab sechs Jahren zum Vorlesen geeignet.

Madame Kunterbunt ist -wie schon ihr Name verspricht- eine ganz außergewöhnliche Persönlichkeit, die auf ihre Schüler eingeht, ihnen Selbstvertrauen vermittelt und jeden Tag gute Laune verbreitet. Sie drückt sich lustig und unterhaltsam aus, sagt z.B. oft „Brat mir doch einer einen Storch“ oder nennt die Kinder „Kinderinnen und Kinder“, für mich eine erfrischende, amüsante Formulierung. Ihre Schüler mögen Madame Kunterbunt sehr, sie ist aber nicht bei allen Mitmenschen gleichermaßen beliebt.
Die Chamäleons Cilly und Rosso haben ebenfalls eine drollige Art zu sprechen. Sie sorgen für zauberhafte Überraschungen, aber auch für allerhand Turbulenzen. Nicky und ihr Cousin Nick sind nette, aufgeweckte, neugierige Kinder, mit denen sich die Leser bestimmt gut identifizieren können. Dass ihre Namen so ähnlich klingen, stellte für mich beim Vorlesen eine größere Herausforderung dar.

Madame Kunterbunt macht die Schule zu einem besonderen, farbenfrohen und sehr lebenswerten Ort. Jeder Schultag mit ihr ist anders, aber stets aufregend, phantastisch und zauberhaft. Eine solche Lehrerin, die die Kinder so liebevoll bestärkt, hätte wohl jedes Kind gerne. Doch auch Madame Kunterbunt ist nicht unfehlbar und kann von ihren Schülern noch etwas lernen. Neben den Themen Selbstbewusstsein, Freundschaft und Zusammenhalt wird auch das Thema Streit auf differenzierte Weise betrachtet. Die Handlung nimmt erst gegen Ende so richtig Fahrt auf, der Mittelteil hat für mich ein paar Längen. Dennoch ein lesenswertes, unterhaltsames, humorvolles Schulabenteuer mit originellen, ungewöhnlichen Charakteren und einer ordentlichen Prise (Mut-)Magie.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.05.2022

Ein phantastisches Freundschaftsabenteuer voller Magie und Spannung

Sea Monsters – Ungeheuer weckt man nicht (Sea Monsters 1)
0

Finn lebt auf der Insel Haimsend und mag die Sonne nicht. Er wurde bei sonnigem Wetter einmal von einer kräftigen Welle erfasst und wäre dabei fast ertrunken, wenn ihn nicht der Fischer Connor gerettet ...

Finn lebt auf der Insel Haimsend und mag die Sonne nicht. Er wurde bei sonnigem Wetter einmal von einer kräftigen Welle erfasst und wäre dabei fast ertrunken, wenn ihn nicht der Fischer Connor gerettet hätte. Als die anderen Inselkinder Finn und Poppy, die gerade erst auf die Insel gezogen ist, überreden, auf der kleinen Felsengruppe vor der Insel, dem Verbotenen Fleck, zu übernachten, passiert etwas extrem Gefährliches und gleichzeitig Unglaubliches. Die Felsen entpuppen sich als Seeungeheuer, das jahrelang schlief und nun wieder erwacht ist. Finn gelingt es, eine besondere Verbindung zu dem Geschöpf aufzubauen. Zunächst will dem Jungen niemand glauben, doch dann kommt es zu einer hochdramatischen Situation.

Barbara Iland-Olschewski erzählt klar, kindgemäß, lebendig und gut verständlich in der Vergangenheit. Timo Grubing hat zur Geschichte passende, ansprechende und motivierende Bilder gezeichnet, die wichtige Aspekte der Handlung darstellen. Die Schrift ist normal groß gedruckt und recht gut lesbar. Die Kapitel haben eine übersichtliche Länge und teilen das Buch in Leseabschnitte ein, die die Kinder nicht überfordern. Kinder ab neun Jahren werden die Geschichte ohne Probleme selbstständig lesen können.

Finn hat es nicht leicht. Wegen eines furchteinflössenden Erlebnisses hat er Angst vor dem Meer, die anderen Kinder hänseln ihn deswegen. Statt zu spielen, liest Finn lieber Comics, flüchtet sich in fremde Welten. Fischer Connor hat Verständnis für Finn. Er versucht, Finn Schritt für Schritt unter Leute zu bringen. So hofft er darauf, dass Finn sich mit Poppy anfreundet, die mit ihren Eltern neu auf der Insel ist und ihre alte Heimat sehr vermisst. Als beide Kinder unfreiwillig auf dem Verbotenem Fleck festsitzen, werden sie durch diese Erfahrung eng miteinander verbunden.
Neben echten Menschen wartet das Buch noch mit ausgesprochen beeindruckenden, phantastischen Figuren auf.

Finn lässt sich nicht träumen, wie sich sein Leben in kürzester Zeit ändert. Er erlebt ein außergewöhnliches, die Vorstellung übersteigendes Abenteuer, stellt sich dabei seiner größten Angst und erfährt verschiedene Arten von Freundschaft. Manchmal braucht Freundschaft keine Worte und manchmal schweißen gemeinsame Erlebnisse für immer zusammen. Der Schauplatz der Geschichte, eine kleine schottische Insel, ist faszinierend und steckt voller Geheimnisse. Der runde, stimmige Aufbau der Geschichte hat mich überzeugt. Das erste Kapitel bezieht sich auf das letzte, dazwischen steigt der Spannungsbogen kontinuierlich und wird erst zum Ende hin aufgelöst.
Ein magisches Freundschaftsabenteuer für alle, für die es nicht dramatisch und geheimnisvoll genug sein kann.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.05.2022

Klufti goes Social Media - solider Klufti mit altbekannten skurrilen Figuren und fulminantem Finale

Affenhitze (Kluftinger-Krimis 12)
0

Priml! Kommissar Kluftinger hat bei der aktuell herrschenden Hitze eigentlich schon genug zu tun mit Schwitzen. Aber leider halten die hohen Temperaturen die Kriminellen nicht vom Verbrechen ab. Professor ...

Priml! Kommissar Kluftinger hat bei der aktuell herrschenden Hitze eigentlich schon genug zu tun mit Schwitzen. Aber leider halten die hohen Temperaturen die Kriminellen nicht vom Verbrechen ab. Professor Brunner, der für die Ausgrabungen des Urzeitaffen Udos im Allgäu-Ort Pforzen verantwortlich ist, wird ermordet unter einem Bagger aufgefunden. Klufti soll den prekären Fall aufklären und stößt dabei u.a. auf einen Konkurrenten des Professors und eine dubiose, sektenähnliche Gemeinschaft, die in der Nähe der Ausgrabungsstätte lebt. Auch privat geht es turbulent zu: Klufti goes Facebook, er wird von seinem Lieblingsfeind in die Kunst des Drohnenfliegens eingeweiht, observiert die neue Nanny seines Enkelkinds und versucht sich als Händler.

Das Autorenduo Volker Klüpfl und Michael Kobr schreibt im gewohnt amüsanten Kluftinger-Stil. Jede Figur drückt sich auf ihre eigene Art aus, bekommt von den Verfassern eine individuelle Sprache verliehen, Klufti selbst gerät beispielsweise beim Reden manchmal ins Stocken, nennt seine Gesprächspartner schon mal „Herr Dings“ und spricht in Halbsätzen, Dr. Langhammers Ausdrucksweise wirkt etwas gekünstelt und überkandidelt, der ehemaliger Polizeipräsident Lodenbacher spricht tiefstes Niederbayrisch.
Das Cover reiht sich nahtlos in die Titelbilder der Vorgänger ein, das Buch ist sofort als neuer Kluftinger zu erkennen.

Kluftinger ist ein ganz spezieller Charakter, er hat mindestens zwei Gesichter. Wenn es um das Lösen seiner Fälle geht, zeigt er sich scharfsinnig, beobachtet und kombiniert genau und beweist viel Intuition und Gespür für Menschen und ihre Verbrechen. Im privaten Leben lässt er dieses Gespür häufig vermissen, kommt oft ziemlich tollpatschig, unbeholfen und plump daher. Dass er sich immer wieder in peinliche, absurde Situationen hineinmanövriert, macht den Kommissar aus. Zwei Figuren bringen ihn immer wieder an seine Grenzen, der eitle Dr. Langhammer, mit dem es oft zu amüsanten Wortduellen kommt und Richard Maier, der Technikfreak, der Klufti mit seiner überkorrekten, gründlichen und penetranten Art und seiner recht speziellen Redseligkeit oft gehörig auf die Nerven fällt. Langhammer und Maier gehören zu Kluftinger-Krimis genauso dazu wie der Kommissar selbst.
Diesmal bekommt es Klufti zudem mit einer besonderen Ältesten und einer Kinderfrau mit festen pädagogischen Überzeugungen zu tun.


Dass neben dem eigentlichen Fall viel Drumherum passiert, ist typisch für die Reihe. Nicht nur der Mord am Paläontologie-Professor Brunner beschäftigt Kluftinger, er hat dazu noch einige private Herausforderungen zu meistern. Mit Kluftinger ist eine Pizzabestellung genauso ein Abenteuer, wie ein Flohmarktbesuch oder ein scheinbar profanes Mitagessen. Und dann versucht Klufti noch mit der Zeit zu gehen und über soziale Medien zu kommunizieren. Die Handlung plätschert daher zunächst dahin, das aber zugegebenermaßen schon sehr unterhaltsam. Erst gegen Ende entwickelt sich der Fall richtig rasant und spannend. Wie immer sind manche Kluftimoment einzigartig komisch, beispielsweise wenn sich der Kommissar mit Dr. Langhammer ein Verkaufsduell auf dem Flohmarkt liefert. Manche Szenen sind meiner Meinung nach aber auch etwas „drüber“, zu sehr Fremdschämen und übertriebener Klamauk. Kluftis Reise in die Welt von Social Media hat Klufti für mich beispielsweise viel dümmer dastehen lassen, als er ist. Hier wurde es mir persönlich etwas zu albern. Aber zweifelsohne: Klufti kanns immer noch. Für mich nicht der allerbeste, aber auch bei weitem nicht der schwächste Band der insgesamt sehr lesenswerten Reihe: ein solider Klufti, der alles bietet was ein echter Klufti halt so braucht, einen nachvollziehbaren Kriminalfall, die gewohnten skurrilen Figuren und viel Witz. Unterm Strich: Daumen hoch für den Kult-Kommissar.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere