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Veröffentlicht am 12.06.2022

Wolf nicht Fuchs

Harriet Wolfs siebtes Buch der Wunder
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Nach ihrer Geburt schreit Harriet Wolf nicht, sie ist blass, fast durchscheinend. Es wird befürchtet, dass sie nicht lange überlebt und wenn doch, dass sie sehr eingeschränkt sein wird. Ihrer Mutter wird ...

Nach ihrer Geburt schreit Harriet Wolf nicht, sie ist blass, fast durchscheinend. Es wird befürchtet, dass sie nicht lange überlebt und wenn doch, dass sie sehr eingeschränkt sein wird. Ihrer Mutter wird daher erzählt, sie sei tot geboren. Harriet wird in ein Kinderheim für zurückgebliebene, körperlich oder geistig behinderte Kinder gebracht. Harriet ist allerdings eine echte Kämpfernatur. Sie überlebt. Im Heim ist ihr bester Freund Epitt Clapp, der Probleme mit der Lunge hat und manchmal ganz Worte verschluckt. Als Harriet das Heim verlassen darf, weil ihre Mutter herausgefunden hat, dass sie lebt, ist Epitt derjenige, den sie schmerzlich vermisst.

Das Leben der Vorfahren ist manchmal interessanter und turbulenter als die Nachkommen es sich vorstellen können. Harriet Wolf wird nach ihrem nicht so vielversprechenden Beginn des Lebens eine gefeierte Romanschriftstellerin. Doch erst ihre Enkelin Tilton, die selbst unter verschiedenen Krankheiten und Allergien leidet und deshalb von ihrer Mutter über die Maßen behütet wird, widmet sich den Geheimnissen ihrer Oma. Gibt es vielleicht ein weiteres Buch? Tilton, deren Schwester Ruth schon mit sechzehn von zu hause abgehauen ist, hat die Gelegenheit, sich dem wahren Leben zu stellen, weil ihre Mutter unerwartet ins Krankenhaus gekommen ist.

Zu Beginn dieses Romans muss man sich erstmal sortieren. Aus vier verschiedenen Sichtweisen kann man Harriet Wolf, ihre Tochter und ihre Enkelinnen kennenlernen. Sich an die sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten anzunähern, fällt manchmal nicht leicht, obwohl sich die Beweggründe der Frauen im weiteren Verlauf gut erschließen. Schließlich versteht man die große tragische Liebe Harriets und ihre Auswirkungen auf ihre Nachkommen. Dann kann man eintauchen in spannende, vielfältige und ungewöhnliche Lebensläufe. Wieso ein Fuchs über das Cover des Buches schleicht, in dem an Tieren eher Katzen, Hunde und Löwen auftauchen, erschließt sich nicht. Ansonsten ist der Umschlag ausgesprochen schön gestaltet. Auf der Suche nach Harriets siebten Wunder kann man die Zeit vergessen.

Veröffentlicht am 09.06.2022

Die Autorin

Die Ladys von Somerset – Die Liebe, der widerspenstige Ambrose und ich
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Die junge Emma Smart nach dem Tod ihrer Eltern zum Glück einen freundlichen Vormund, der ihr ein ruhiges Leben sichert. Insgeheim möchte Emma Theaterautorin werden und sie arbeitet an einem Stück. Ungewollt ...

Die junge Emma Smart nach dem Tod ihrer Eltern zum Glück einen freundlichen Vormund, der ihr ein ruhiges Leben sichert. Insgeheim möchte Emma Theaterautorin werden und sie arbeitet an einem Stück. Ungewollt jedoch bricht das Leben über sie herein. Ihr Vormund hat über seine Verhältnisse gelebt und sitzt nun im Gefängnis. Emma ist verzweifelt, wie soll sie sich und ihren Onkel nur durchbringen. Zum ersten Mal im Leben muss sie ihren Lebensunterhalt selbst verdienen. Das Glück ist ihr hold, sie findet eine Stelle als Gesellschafterin für die junge Anthea, deren Mutter sie unbedingt gut verheiraten will.

Im London des Jahres 1807 haben Frauen wie Emma Smart es nicht leicht, ein eigenes Leben zu führen. Sie müssen zusehen, dass sie die Aufmerksamkeit eines Mannes auf sich ziehen, der am besten noch angesehen und reich sein soll. Der Traum als Autorin tätig zu werden, wird wohl in den meisten Fällen ein Traum bleiben. Männer, die derartige Wünsche unterstützen, sind ebenfalls rar gesät. Emmas Situation ist nach der Pleite ihres Vormundes alles andere als rosig. Doch als sie in ihrer neuen Eigenschaft als Gesellschafterin den arroganten Ambrose Beauchamp wiedertrifft, ist Emma nicht begeistert. In ihrer Vorstellung sollte ein Mann doch bessere Qualitäten haben als dieser Schönling.

Emma Smart ist gewitzt wie ihr Name schon sagt. Aus einer fast aussichtslosen Situation heraus bekommt sie mit Glück eine Stelle. Auch wenn ihre Schutzbefohlene keinesfalls beabsichtigt, ihrer Mutter zu Willen zu sein, so ist sie doch umgänglich. Emmas Gegenpart Ambrose ist auf den ersten Blick hinreichend oberflächlich und auf Geld aus, auf den zweiten Blick hat er auch etliche freundliche Züge. Allerdings ist er von Stand und Emma kommt zwar aus einem guten Haus, mehr aber auch nicht. Werden die beiden eine Chance haben? So wie sie sich manchmal kabbeln scheint dies fast unausweichlich. Doch manche Verwirrungen können durchaus Zweifel hieran wecken. Dieser sonnige Roman über alte Zeiten unterhält bestens. Gerne liest man Kapitel für Kapitel und freut sich, dass Emma damals ihrer Zeit voraus ist und ihre Frau steht. Die Möglichkeit, freie Entscheidungen zu treffen, würde man ihr und eigentlich allen Frauen auch in der heutigen Zeit gerne gönnen.

Veröffentlicht am 06.06.2022

Die Campingclique

Ein unendlich kurzer Sommer
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Lale muss einfach mal raus. Ohne jemanden zu benachrichtigen, setzt sie sich in den Zug und fährt. So landet sie bei Gustav und seinem in die Jahre gekommenen Campingplatz. Gustav ist ein mürrischer alter ...

Lale muss einfach mal raus. Ohne jemanden zu benachrichtigen, setzt sie sich in den Zug und fährt. So landet sie bei Gustav und seinem in die Jahre gekommenen Campingplatz. Gustav ist ein mürrischer alter Knochen, doch irgendwie gibt er Lale genau die richtige Ansprache und sie beginnt bei der Renovierung des Platzes zu helfen. Bald taucht der Nachbarsjunge Flo immer häufiger auf. Zu dem Grüppchen stößt Christophe, der auf den Spuren seiner jüngst verstorbenen Mutter wandelt. Den schmeißt Gustav aber erstmal raus, bis er feststellt, dass er den ersten Touristen im Dorf wohl doch beherbergen sollte.

Ein paar Sommerwochen auf einem heruntergekommenen Campingplatz am See. Eigentlich nichts Besonderes, außer wenn die Menschen etwas daraus machen. Auf ihre Art haben sie alle ihre Geheimnisse, ihre Verletzungen, die sie mit sich herumtragen. Und doch wird dieser Sommer so als würden sie aus der Zeit heraustreten, in eine Welt, in der sich die Stunden gleichzeitig ewig und endlich anfühlen. Mit den Tagen wird Gustav umgänglicher, Lale gesprächiger, Flo erwachsener und in Chris wächst der Wunsch, von seiner Mutter zu erzählen und dem Brief. So ein Sommer darf eigentlich nie zu Ende gehen. Doch irgendwann ist er vorbei und das Leben hat sich verändert.

Man glaubt der Autorin gerne, dass sie so manche Tage auf verschiedenen Campingplätzen zugebracht hat. Sehr gut ist die Stimmung eingefangen, die dort herrscht. Wie in einem kleinen Mikrokosmos interagieren die handelnden Personen jeder auf seine spezielle Art. Schnell werden sie einem sympathisch. Auch wenn bald schon klar wird, dass es nicht nur um neue Ufer geht, sondern dass es auch gilt, sich zu stellen, so freut man sich doch, an diesem Sommer teilzuhaben, der die Campingclique für immer verändert. Ein sehr berührender Roman, der viel mehr bietet als das zugegebenermaßen schöne, auffällige und doch entspannende Cover.

Veröffentlicht am 03.06.2022

Der rote Faden

So tun, als ob es regnet
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Während des ersten Weltkriegs muss Jacob den Krieg bestehen. Eigentlich dachten er und seine Kameraden, es ginge nach Budapest, doch sie landen in der Einöde. Dennoch ist das Leben durch die Kämpfe immer ...

Während des ersten Weltkriegs muss Jacob den Krieg bestehen. Eigentlich dachten er und seine Kameraden, es ginge nach Budapest, doch sie landen in der Einöde. Dennoch ist das Leben durch die Kämpfe immer bedroht. Jacob hinterfragt den Sinn, findet jedoch keine Antwort. Eine Erleichterung ist daher die zeitweilige Unterbringung auf einem Hof. Einige Jahre später erlebt Henriette, die sich durch ein außergewöhnliches Wesen und eine besondere Schönheit auszeichnet, eine ruhige Zeit zwischen den Kriegen. Im Jahr 1968 entkommt Vicco nur knapp dem Tod. In Rumänien hat er sich seine eigenen kleinen Freiheiten genommen. Über vierzig Jahre später, überlegt Hedda, ob sie heimkehrt.

Vier Geschichten, vier Menschen, die auf ihre Art einsam sind. Vier Lebensabschnitte, die sich auf besondere Art ergänzen. Der Soldat Jacob möchte eigentlich keine Soldat sein. Er zeichnet sich durch Menschlichkeit aus. Henriette hat ein unabhängiges und ruheloses Wesen. Sie wirkt aufgeschlossen und manchmal träumt sie. Vicco braust mit dem Trabi schon mal sechshundert Kilometer ans Meer, doch er versucht, sich mit den Einschränkungen einen kommunistischen Landes abzufinden. Hedda hat es auf eine Insel gezogen, sie ist der Stadt entflohen und doch zieht es sie zurück.

In vier Erzählungen lernen die Leser und Leserinnen vier besondere Menschen kennen, über vier Generationen sind sie doch lose verbunden. Auf welche Art gilt es zu entdecken. Mit zarten Worten erzählt die Autorin von ihren Protagonisten, die alle auf ihre jeweilige Art besonders sind. Vor dem Hintergrund der zeitgeschichtlichen Ereignisse machen die Vier emotional aufwühlende Zeiten durch. Sie werden geprägt von der Zeit, in der sie leben und auch von ihren Familien. Über Generationen spüren sie die Auswirkungen vergangener Jahre. Obwohl nicht sehr umfangreich, sind die Erzählungen doch sehr präzise und inhaltsreich. Vielleicht kann nicht jeder rätselhafte Satz entschlüsselt werden, doch mit mit ihren prägnanten Beschreibungen schafft die Autorin stimmungsvolle Beschreibungen, die ihre handelnden Personen sehr lebendig werden lassen.

Veröffentlicht am 29.05.2022

Mordsspannend

Leichenblume
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Vor einigen Jahren wurde der Anwalt Christoffer Mossing getötet. Die mutmaßliche Täterin ist seitdem verschwunden. Doch nun hat die Journalistin Heloise Kalden, die gerade um ihre Karriere bangen muss, ...

Vor einigen Jahren wurde der Anwalt Christoffer Mossing getötet. Die mutmaßliche Täterin ist seitdem verschwunden. Doch nun hat die Journalistin Heloise Kalden, die gerade um ihre Karriere bangen muss, einen Brief erhalten. Einen Brief von einer Mörderin? Wie kommt die dazu, sich zu melden und ausgerechnet bei Heloise? Nach einigen Überlegungen meldet Heloise sich bei Kommissar Erik Schäfer, der den Fall damals bearbeitete. Überraschend für ihn, dass damit schon ein zweiter Hinweis auf die vermeintliche Mörderin auftaucht. Eine Touristin will sie in Frankreich gesehen haben und die Person auf dem Foto sieht der Gesuchten doch sehr ähnlich.

Bei diesem Kriminalroman handelt es sich um den ersten Teil einer Reihe um Kommissar Schäfer und die Journalistin Kaldan. Obwohl sie sich hier zum ersten Mal begegnen, sind sich der etwas ältere Polizist und die Mittdreißigerin gleich sympathisch. Nein, nein, nicht so. Auf beruflicher Ebene eben. Aber dennoch können sie nicht völlig offen sein, das bringen die Jobs so mit sich. Erik Schäfer will die Täterin fassen und er möchte ihre Motive ergründen. Sollte sie wirklich so gestört sein, wie sie beschrieben wird? Heloise dagegen braucht eine Story, mit der sie eine Scharte wieder auswetzen kann. Und wie es manchmal so ist, die Journalistin hat mitunter die Nase vorn.

Aus dem Rätsel um die Motivation der Verdächtigen entwickelt sich ein Fall, der es in sich hat. Vergangenheit und Gegenwart, Täter, Opfer, Beteiligte - alles hängt irgendwie zusammen. Sehr geschickt zusammengefügt und damit nicht so schnell durchschaubar. So wie man es sich von einem Krimi wünscht. Mit Schäfer und Kaldan hat man zudem ein sympathisches Team, das eigentlich kein Team sein kann. Die Berufe sind einfach zu unterschiedlich. Trotzdem oder gerade deswegen funktioniert die Story, man ist gefesselt. Hinzu kommt noch die direkte Sprache, der neben aller Dramatik und Ernsthaftigkeit auch ein gewisser Humor innewohnt.