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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.06.2022

Nicht für jeden die richtige Lektüre ...

Ein wenig Leben
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Was für ein Werk, der für mich bis zu diesem (Hör)buch ungekannten Autorin Hanya Yanagihara. Knapp 40 Stunden Hörzeit bescherte mir diese Geschichte, die übrigens hervorragend vorgetragen wurde von Torben ...

Was für ein Werk, der für mich bis zu diesem (Hör)buch ungekannten Autorin Hanya Yanagihara. Knapp 40 Stunden Hörzeit bescherte mir diese Geschichte, die übrigens hervorragend vorgetragen wurde von Torben Kessler, der mich u. a. bei den Joel Dicker Vertonungen beeindrucken konnte.

Mit „Ein wenig Leben“ hingegen war ich als Story an sich fast etwas überfordert. Wo schon das Cover eine traurige und brutale Geschichte suggeriert, setzt der Inhalt dem Ganzen die Krone auf. Immer wieder wird man als Hörer in die abgrundtief schwarze Welt des Jude St. Francis geschleudert, der schon als Kind eigentlich nie eine Chance hatte normal, geschweige denn glücklich zu sein. Zu viel wurde in seinem jungen Leben körperlich aber vor allem seelisch zerstört. Immer wieder kämpft er, rappelt sich auf, macht weiter und hat in seinem erwachsenen Leben das Glück von Menschen umgeben zu sein, die es gut mit ihm meinen. Immer wieder zitternd man als Hörer, ob und wie lange er es schaffen wird, sein Leben und seinen Körper aufrecht zu erhalten. Dieses Buch hat mich schockiert und wütend gemacht auf Typen, die sich das Recht anmaßen, andere Menschen zu zerstören. Es hat aufgerüttelt und zeigt Tiefgang, dennoch wird es für mich das einzige Buch von Hanya Yanagihari bleiben. Ihre Schreibkunst deprimiert, das möchte ich nicht. Ich vergebe für den Stil an sich vier von fünf Sternen, verkneife mir diesmal aber eine Hör- bzw. Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 31.05.2022

She's dancing as fast as she can ...

Die Tänzerin von Paris
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Ich bin ja generell ein großer Fan von historischen Romanbiografien und so kam ich natürlich auch an Lucia Joyce und ihrem Leben nicht vorbei. Auf zwei Zeitebenen dürfen wir sie kennenlernen, sie, die ...

Ich bin ja generell ein großer Fan von historischen Romanbiografien und so kam ich natürlich auch an Lucia Joyce und ihrem Leben nicht vorbei. Auf zwei Zeitebenen dürfen wir sie kennenlernen, sie, die Anfangs noch so voller Leben und am Schluss so desillusioniert war, dass ihr großer Zusammenbruch für uns Außenstehende unvermeidbar gewesen zu sein schien. Sie lebt für ihren Tanz und gibt alles und mehr, um ein paar kleine körperliche Mängel wettzumachen. Doch der große Schatten ihres berühmten Vaters, dem Schriftsteller James Joyce, aber auch ihrer recht dominanten Mutter, lastet schwer auf ihr. Ein Entkommen scheint unmöglich. Und so verliert sie sich schließlich in ihrer Liebe zu einem weiteren Schriftsteller, dem jungen Samuel Beckett. Sie fällt in ein tiefes Loch als sie erkennen muss, dass dieser sich nur mit ihr beschäftigt hat, um sich im Dunstkreis ihres Vaters sonnen zu können …

Der Schreibstil dieses über 500 Seiten starken Buchs ist flüssig, an manchen Stellen geradezu mitreißend. Der Roman macht neugierig auf das Leben in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts und ich habe mich gefreut, immer mal wieder auf weitere Persönlichkeiten, wie z. B. Zelda Fitzgerald zu stoßen, deren Schicksal in Teilen ähnlich tragisch, wie das von Lucia Joyce war. Auch sie erlitt immer wieder psychische Tiefpunkte, die später mit einer Schizophrenie-Diagnose in Verbindung gebracht wurden und verbrachte die letzten Jahre bis zu ihrem Tod überwiegend in psychiatrischen Kliniken.

„Die Tänzerin von Paris“ ist keine leichte Kost aber dennoch angenehm zu lesen und es verführte dazu mich immer wieder eigene Recherchen im Internet anzustellen. Ich vergebe gerne verdiente vier von fünf Sterne verbunden mit einer Leseempfehlung. Mir gefällt die Reihe „Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe“ in der dieses Buch der dritte Band ist. Sie macht definitiv Lust auf mehr.

Veröffentlicht am 09.05.2022

Auftakt zu einer spannenden Saga ...

Rückkehr nach Somerton Court
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Eine gefühlte Ewigkeit schon schlummerte Band eins der Somerton Court Trilogie auf meinem SUB. Dem musste Abhilfe geschaffen werden und so begab ich mich dann auch gemeinsam mit Lord Westlake und seinen ...

Eine gefühlte Ewigkeit schon schlummerte Band eins der Somerton Court Trilogie auf meinem SUB. Dem musste Abhilfe geschaffen werden und so begab ich mich dann auch gemeinsam mit Lord Westlake und seinen beiden Töchtern Ada und Georgiana auf die Heimreise von Indien zurück nach England. Während der Überfahrt macht Lady Ada eine Begegnung macht, die ihr Gefühlsleben auf den Kopf stellt. Doch viel Zeit hat sie nicht darüber zu sinnieren, denn kaum zu Hause angekommen, sorgt die neue Ehefrau des Vaters mit ihren drei Kindern für genug Trubel und einige Unstimmigkeiten. Es ist der Klassiker schlechthin: Er hat den Adelstitel und sie das Geld. Ergo sind seine Kinder eher bescheiden, die drei Stiefgeschwister dagegen verwöhnt und verzogen bis in die Haarspitzen! Spannende Lesestunden scheinen vorprogrammiert …
Natürlich ist die Idee einer Geschichte rund um den Adel in England keine neue, dennoch war ich auch diesmal wieder sehr neugierig auf das Leben der Reichen und Schönen vor über hundert Jahren. Während die Umsetzung in diesem ersten Band an manchen Stellen noch ein wenig unrund war, hat mir besonders gut gefallen, dass auch die Dienerschaft zu Wort kam. Es erinnerte mich ein wenig an die wunderbare Serie „Das Haus am Eaton Place“ (original: „Upstairs, Downstairs“), die in den 70er Jahren auch in Deutschland ausgestrahlt wurde und die ich geliebt habe.
Alles in allem habe ich mich auf Somerton Court gut unterhalten gefühlt und vergebe hiermit gerne vier von fünf Sternen mit ein wenig Luft nach oben für den nächsten Teil.

Veröffentlicht am 24.04.2022

Kein Mensch darf sich anmaßen zu bestimmen, welches Leben lebenswert ist ...

Das Leben wie sie es liebten
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Eigentlich mag man in diesen Tagen gar nicht mehr von Krieg, Vertreibung und Ungerechtigkeit lesen, doch wenn die Geschichte so interessant verpackt ist wie „Das Leben, wie sie es liebten“ von Anni Bürkl ...

Eigentlich mag man in diesen Tagen gar nicht mehr von Krieg, Vertreibung und Ungerechtigkeit lesen, doch wenn die Geschichte so interessant verpackt ist wie „Das Leben, wie sie es liebten“ von Anni Bürkl (manchen von euch vielleicht auch unter ihrem Pseudonym Katharina Schöndorfer bekannt), dann lässt man sich gerne einladen auf eine Reise in die Vergangenheit. In diesem Roman durfte ich Loretta, die nach dem verlorenen Krieg als verhasste Deutsche aus Reichenberg, dem heutigen Liberec in der Tschechischen Republik, vertrieben wurde und bei ihrer Tante Emmy in Wien unterkommt. Während Loretta wie getrieben ist ihren Mann Marek wiederzufinden, stoßen bald drei weitere Frauen in ihr Leben: Die etwas naive Paula, deren gewalttätiger Mann ihr schwer zu schaffen macht, die starke Ursula, die selbst einen vermissten Mann zu beklagen hat und die undurchschaubare Ingrid, der wohl nicht so ganz über den Weg zu trauen ist. Sie raufen sich zu einer starken Gemeinschaft zusammen, bekämpfen Hunger und Krankheit und hoffen wie so viele andere im Jahr 1946, dass das Leben bald wieder bergauf gehen wird …

In Annis Buch „Dieser letzte Tanz“ durfte ich zum ersten Mal Wien in der frühen Nachkriegszeit kennenlernen und war damals begeistert. Auch dieser Roman führt mich wieder dorthin zurück und lässt mich die Not spüren, die diese armen Menschen in der von vier Besatzungsmächten besetzten Stadt erleiden mussten. Sehr anschaulich zeichnet die Autorin ein lebendiges Bild, das Kopfkino für mich abspielen ließ und der leichte aber niemals seichte Schreibstil ließ mich schnell eintauchen in die Welt von gestern. Da ich beim Lesen schon wusste, dass ein zweiter Teil in Arbeit ist, war ich gespannt, wie sich das Ende gestalten würde. Lasst mich nur soviel sagen, am Ende gibt Anni nochmal richtig Gas und macht mich neugierig auf Band zwei. Mit ein klein wenig Luft nach oben für genau diesen nächsten Band vergebe ich hier gerne solide vier von fünf Sternen mit einer absoluten Leseempfehlung. Ich freue mich sehr auf mehr von dir, liebe Anni, und danke dir von Herzen für diesen spannenden Querschnitt eines dunklen Teils unserer Geschichte, der nicht nur land- sondern leider auch sehr menschenvernichtend war.

Veröffentlicht am 08.04.2022

Ernste Themen, die dennoch ein wenig Hoffnung verbreiten wollen ...

Palast der Erinnerungen
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Als Leser erleben wir die Hauptperson Marina in jungen Jahren in Leningrad und auch in der Gegenwart, in der das Einzige, was noch in ihrer Erinnerung verblieben scheint, die Vergangenheit ist. Diesen ...

Als Leser erleben wir die Hauptperson Marina in jungen Jahren in Leningrad und auch in der Gegenwart, in der das Einzige, was noch in ihrer Erinnerung verblieben scheint, die Vergangenheit ist. Diesen Roman über die deutsche Besetzung Leningrads während des Zweiten Weltkriegs zu lesen, ist kein leichtes Unterfangen in der jetzigen Zeit, in der die Ukrainer gnadenlos von russischen Angriffen gebeutelt werden. Nichts aber auch gar nichts haben die Menschen aus der Vergangenheit gelernt! Doch auf wundersame Weise erfahre ich auch Positives über die damalige Zeit des Grauens. „Schaffe dir einen Ort der Erinnerungen, der nur in deinem Kopf existiert“ rät eine der Museumsbabuschkas der jungen Marina, als diese langsam zu verzweifeln scheint und so verbringen die Beiden die kältesten Tage fast ohne Nahrung oder Wärmequellen in der Eremitage und kreieren Schönheit, wo keine mehr ist.

In der Gegenwart versucht Marianas Tochter Helen zu begreifen, was mit ihrer Mutter los ist. Ihr Vater Dmitri hat sie lange verschont und den unaufhaltbaren Verfall vor ihr ferngehalten, doch das Offensichtliche ist nicht zu übersehen. Marina lebt nur noch in Erinnerungen und nimmt ihre Umwelt kaum noch wahr …

Debra Dean hat mit „Palast der Erinnerungen“ einen Roman erschaffen, der zugleich Hoffnung und Sorge in mir schürte. Die vielen Erwähnungen über Gemälde, Skulpturen und andere Kunstgegenstände schmälerten ein wenig meinen Lesefluss, doch gleichzeitig sah ich mich auch selbst wieder vor einigen Jahren durch die wundervollen Hallen des Winterpalasts wandeln. Ich vergebe für das Buch solide vier Sterne aber eine Leseempfehlung nur für diejenigen, die mit den Themen fertig werden können und wollen.