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Veröffentlicht am 19.06.2022

Schiebt nie einander die Schuld zu, sondern nehmt euch auf, wie ihr seid. (Dietrich Bonhoeffer)

Der Sommer danach
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1945 Potsdam. Die 20-jährige Karla ist vom Krieg gezeichnet, denn sie wurde mit ihrem Geschwistern von der Gestapo in Sippenhaft genommen und als Namenlose in ein Heim gesteckt, weil ihr Vater sich politisch ...

1945 Potsdam. Die 20-jährige Karla ist vom Krieg gezeichnet, denn sie wurde mit ihrem Geschwistern von der Gestapo in Sippenhaft genommen und als Namenlose in ein Heim gesteckt, weil ihr Vater sich politisch gegen Hitler stellte, an einem Attentat auf ihn mit beteiligt war und dafür hingerichtet wurde. Ihre Mutter und ihre jüngeren Geschwister haben immer noch mit den Nachwirkungen zu kämpfen und ihr ältester Bruder Konrad gilt als verschollen. Durch Zufall lernt die arbeitssuchende Karla die britische Joan Bright kennen, die für Churchills Delegation anlässlich der Berliner Alliierten Konferenz arbeitet. Die beiden Frauen verstehen sich auf Anhieb gut, so dass Joan Karla als Dolmetscherin einstellt, weil diese neben Englisch auch Russisch und Französisch spricht. An der Seite von Joan schwebt Karla immer wieder in Gefahr, aber sie erlebt auch das Misstrauen sowohl der Alliierten als auch der Deutschen, die sie für die Tochter eines Verräters halten. Über Joan lernt sie auch den Techniker Ray kennen, der ihr aber mit großer Ablehnung entgegentritt…
Elisabeth Büchle hat mit „Der Sommer danach“ einen wunderbaren historischen Roman vorgelegt, der den Leser nicht nur eine Zeitreise zum Ende des Zweiten Weltkrieges machen lässt, sondern auch sehr empathisch und eindrucksvoll die Lage im zertrümmerten Deutschland sowie deren Bewohner widerzuspiegeln und dabei auch die Ansicht der Alliierten mit einzubinden. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser schon mit den ersten Zeilen in die Handlung eintreten, um nicht nur die Nachkriegszeit und die Aufklärung der Naziverbrechen durch die Alliierten mitzuerleben, sondern auch die Geschichte von Karla und ihrer Familie aus erster Hand zu erfahren. Dabei hat die Autorin ihre Haupthandlung, die im Jahr 1945 stattfindet, in einen Gegenwartsrahmen um eine gealterte Karla und ihrer Urenkelin Nina eingebunden, so dass die Geschichte auf unterschiedlichen Zeitebenen stattfindet und dem Leser so immer wieder in der Gegenwart etwas Entspannung gönnt, da der Handlungsrahmen in der Vergangenheit sehr emotional und oftmals schrecklich ans Herz gehen. Karla, geschunden von der Gestapo, findet sich in einem Trümmerland wieder, dass unter den Alliierten aufgeteilt wird. Bei ihrer Arbeit als Dolmetscherin bekommt sie schonungslos die Gräueltaten der Nazis präsentiert, die ihr regelrecht die Luft zum Atmen nehmen. Einerseits hofft sie auf einen Neuanfang und die Verarbeitung des Erlebten, andererseits sind da diese abscheulichen Dinge, die sie als Deutsche mit zu verantworten hat, obwohl gerade ihr Vater ein absoluter Gegner des Regimes war. Nebenbei treibt sie die Suche nach ihren verschollenen Geschwistern um und die unpassende Liebe zu einem Briten. Büchle verbindet mit akribischer Recherche politische Fakten, historisches Geschehen und die emotionale Zerrissenheit von Karla wunderbar miteinander, so dass der Leser während der Lektüre das Gefühl hat, in Karlas Haut zu stecken, ihren Zwiespalt durch jede Pore zu spüren und dabei Geschichte leibhaftig mitzuerleben.
Die Charaktere sind sehr facettenreich und detailliert ausgearbeitet und lebensnah in Szene gesetzt. Der Leser findet sich sofort in ihrer Mitte wieder, schaut ihnen über die Schulter und darf ihre Gedanke- und Gefühlswelt genau erkunden. Karla wirkt zu Beginn mutlos und verängstigt, doch je mehr man sie beobachtet, umso stärker tritt sie hervor, gewinn an Kraft und Hoffnung. Gleichzeitig wird ihre innere Zerrissenheit ob der ganzen Tatsachen, die auf sie einprasseln, deutlich. Joan ist eine selbstbewusste Frau, die ihre Geheimnisse hat. Ray ist ein empfindsamer Kerl, der schwer mit dem zu kämpfen hat, was er von den deutschen Gräueltaten gesehen hat. Auch die politischen Strategen Churchill, Stalin und Truman wurden wunderbar Leben eingehaucht, so dass sie für die Zeit der Lektüre für den Leser sehr präsent sind.
„Der Sommer danach“ ist einzigartig! Ein großartiger historischer Roman, der den Leser nicht nur in der Seele trifft, sondern neben der Potsdamer Konferenz auch die Schicksale und die Schuldfrage hervorhebt. Besser geht es nicht – absolute Leseempfehlung! Chapeau!!!

Veröffentlicht am 18.06.2022

Das Schönste, was wir erleben können, ist das Geheimnisvolle. (Albert Einstein)

Das Geheimnis von Ardmore Castle
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Versicherungsdetektivin Ivy Ferugson wird von ihrem Londoner Arbeitgeber ins Admore Castle auf die Isle of Skye entsandt, um dort die Echtheit eines alten Sekretärs zu prüfen. Ivy ist gar nicht begeistert, ...

Versicherungsdetektivin Ivy Ferugson wird von ihrem Londoner Arbeitgeber ins Admore Castle auf die Isle of Skye entsandt, um dort die Echtheit eines alten Sekretärs zu prüfen. Ivy ist gar nicht begeistert, denn sie hat keine schönen Erinnerungen an die Insel, wo sie einst ihre Kindheit verlebt hat. Admore Castles Schlossherr Ross MacKenzie allerdings macht Ivy schon bei ihrer Ankunft das Leben schwer, denn ihren Fragen möchte er sich nicht stellen. Viel hilfreicher ist da sein Neffe Calum, der sich ebenfalls auf dem Schloss aufhält und sich um seinen schroffen, kauzigen Onkel kümmert. Ivy, die gleichzeitig mit den Erinnerungen an ihre Vergangenheit zu kämpfen hat, lässt sich nicht entmutigen und will ihren Auftrag schnellstmöglich abschließen. Schon bald stößt sie in dem alten Gemäuer auf ein geheimes Zimmer und bekommt bei ihren Nachforschungen nicht nur Unterstützung von Calum, sondern verliert dabei auch ihr Herz…
Constanze Wilken hat mit „Das Geheimnis von Admore Castle“ einen wunderschönen und unterhaltsamen Roman vorgelegt, der den Leser nicht nur in die raue Schönheit der schottischen Insel Isle of Skye entführt, sondern auch an der Seite von Ivy ein altes Geheimnis ans Tageslicht bringen lässt. Der flüssige, bildgewaltige und gefühlvolle Erzählstil weiß den Leser von der ersten Zeile an zu fesseln, der sich schnell als unsichtbarer Gefährte Ivys mit ihr gemeinsam in ein Abenteuer stürzt. Über wechselnde Zeitebenen lässt die Autorin den Lesern nicht nur die Gegenwart um Ivy und ihrem Besuch auf Skye miterleben, sondern lässt ihn über einen Sprung ins 19. Jahrhundert auch Henry Ferguson und Shona MacKenzie kennenlernen. Ivy selbst hat aufgrund der nicht gerade schönen Erinnerungen ihrer Kindheit auf der Isle of Skye gemischte Gefühle, was ihren dortigen beruflichen Einsatz angeht. Gekonnt verwebt die Autorin ihre beiden Handlungsstränge und lässt mit farbenfrohen, bildhaften Beschreibungen die zauberhafte schottische Insellandschaft vor dem inneren Auge des Lesers entstehen. Während der Leser gemeinsam mit Ivy und Calum nach und nach ein altes Geheimnis offenlegt, erfährt er auch viel über die schottische Geschichte und die Verflechtungen zwischen den MacKenzies und Fergusons, die Wilkens sehr spannend an den Leser zu bringen weiß. Überraschende Wendungen sowie der Wechsel der Zeiten lassen die Spannung stetig ansteigen und den Leer konstant an den Seiten kleben, bis das finale Ende erreicht und alles aufgedeckt ist.
Die Charaktere sind lebendig inszeniert und in Szene gesetzt, mit ihren glaubwürdigen menschlichen Ecken und Kanten wachsen sie dem Leser schnell ans Herz, der sich nur zu gern unter sie mischt und mit ihnen fiebert. Ivy ist eine offene und feinsinnige Frau, die ihren Mitmenschen viel Einfühlungsvermögen entgegenbringt. Zudem hat sie ein Gefühl für Antiquitäten und ihre dahintersteckenden faszinierenden Geschichten. Calum ist ein freundlicher und tatkräftiger Mann, der zugleich fürsorglich und empathisch ist. Ross MacKenzie ist ein alter Knurrhahn, dessen Sturheit einiges an Geduld erfordert. Aber auch Angus, Alfred, Colin, Henry und Shona dürfen mit ihren gewichtigen Rollen nicht fehlen, denn sie machen die Geschichte rundum sehr unterhaltsam.
„Das Geheimnis von Admore Castle“ ist ein wunderbarer, packend erzählter Roman, dessen Handlung von gut recherchiertem historischem Hintergrund, liebevoll geschaffenen Charakteren, einer spannenden Handlung mit einem alten Familiengeheimnis sowie einer Liebesgeschichte durchweg aufs Beste unterhält. Besser geht es nicht – Chapeau! Absolute Leseempfehlung für ein Highlight dieses Jahres!

Veröffentlicht am 18.06.2022

Glück ist der Duft von frisch gebackenem Brot

No-Knead-Brote
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Als begeisterte Hobbybäcker stehen mein Mann und ich jeden Freitagnachmittag in der Küche und backen Brot, Brötchen und Muffins für das Wochenende. Obwohl wir auch eine Knetmaschine besitzen, machen wir ...

Als begeisterte Hobbybäcker stehen mein Mann und ich jeden Freitagnachmittag in der Küche und backen Brot, Brötchen und Muffins für das Wochenende. Obwohl wir auch eine Knetmaschine besitzen, machen wir das meiste per Hand, was meist eine mühselige Angelegenheit ist und neben viel Zeit zudem auch jede Menge Kraft benötigt. Das Buch „No Knead-Brote“ von Valesa Schell hat uns sehr neugierig gemacht, denn es verspricht, Teige für Brot, Brötchen und andere Leckereien ohne langes Kneten herstellen zu können, die dann auch noch sehr schmackhaft sind.
Schon die Aufteilung des Buches ist sehr übersichtlich, denn zuerst werden dem Leser die notwendigen Utensilien genannt, die er für die Herstellung seines Backwerkes benötigt. Die eine oder andere Anschaffung macht sich auf jeden Fall bezahlt, wenn man zukünftig seine Brote selber backen will. Nach Tipps für Geh-/Gärzeiten und Backen im Urlaub wird auf die Zutaten und Zubereitungsschritte eingegangen. Hat man diese genau studiert, stößt man dann auf die reichhaltige Rezeptauswahl, die für jeden Geschmack etwas enthält. Sehr gelungen ist die Aufstellung der einzelnen Rezepte, die nicht nur Stock- und Stückgare beinhalten, sondern neben der Backzeit auch die Stückzahl der Brote enthält, die man am Ende aus den aufgelisteten Zutaten bekommt.
Unter den Hefe-Rezepten finden sich u.a. Semola-Panini, Sonntagsbrötchen, Rotkorn-Kissen oder auch die Saaten-Box – alle Brote/Brötchen sind vom Geschmack her hervorragend und wurden von den Genießern schnell verkostet. Auch das Kapitel über Sauerteigrezepte, das auch das Ansetzen und Weiterführen von Sauerteig veranschaulicht, beinhaltet u.a. Bauern-Weißbrot, Goldkrüstchen sowie Dreikornkruste mit Joghurt, die allesamt geschmacklich zum Niederknien sind und auf Anhieb gelangen. Der Abschnitt über Brote/Brötchen mit Lievito Madre (ein fest geführter, milder Sauerteig) ist schon etwas anspruchsvoller, doch auch Anfänger finden hier bestimmt das ein oder andere Rezept, was ihnen auf Anhieb gelingen wird. Uns hat es vor allem das Rezeptkapitel mit Voll- und Urkorn angetan, da wir gern Körnerbrot essen. Unsere Favoriten sind die Rotkornkruste, das Urkorn-Zwirbel, das Vollkorn-Mischa und die Körner-Box, die sich zudem auch recht lange halten.
Die letzten Kapitel sind für alle Freunde von Pizza, Flammkuchen und süßem Gebäck, wobei wir hier vor allem das Bubble Bread, das Rosinenbrot und die Orangen-Brioche sehr empfehlen können.
„No-Knead-Brote“ von Valesa Schell ist für alle, die gern Brot und Brötchen backen, ein echter Geheimtipp. Unkomplizierter geht es kaum! Anfänger kommen hier schnell auf ihr Erfolgserlebnis und auch erfahrene BäckerInnen werden dieses Buch mit seiner Rezeptauswahl sehr zu schätzen lernen. Wir sind begeistert! Daumen hoch und absolute Empfehlung!

Veröffentlicht am 18.06.2022

Ein Kind ist eine sichtbar gewordene Liebe. (Novalis)

Die Hafenärztin. Ein Leben für das Glück der Kinder (Hafenärztin 2)
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1911 Hamburg. Die Auswandererhallen des Hafens sind neben ihrer eigenen Praxis und dem Frauenhaus das Wirkungsviertel der Ärztin Anne Fitzpatrick, wo sie sich gemeinsam mit der angehenden Lehrerin Helene ...

1911 Hamburg. Die Auswandererhallen des Hafens sind neben ihrer eigenen Praxis und dem Frauenhaus das Wirkungsviertel der Ärztin Anne Fitzpatrick, wo sie sich gemeinsam mit der angehenden Lehrerin Helene Curtis vor allem um die traumatisierten Flüchtlingskinder kümmert. Als es immer mehr Todesfälle unter den jüdischen Kindern gibt, will Anne der Ursache auf den Grund gehen. Als sie ihren Bekannten, den zuständigen Kommissar Berthold Rheydt, einschaltet, ist dieser sich ziemlich schnell sicher, dass es sich bei den Todesfällen um Giftmorde handelt. Aber wer sollte unschuldige Kinder auf so perfide Art töten und warum?
Henrike Engel hat mit „Ein Leben für das Glück der Kinder“ den zweiten Band ihrer Hafenärztin-Reihe vorgelegt, der dem Vorgängerband an Spannung und interessant eingewebter Historie in nichts nachsteht. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser mit den ersten Zeilen eine Zeitreise ins Hamburg des vergangenen Jahrhunderts antreten, wo er Anne und Helene bei ihrer Arbeit über die Schulter sehen darf. Sowohl mit den beiden Frauen als auch mit Kommissar Rheydt darf der Leser anhand der bildgewaltigen Beschreibungen durchs alte Hamburg streifen, lernt die unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten kennen, besucht die Auswanderungshallen im Hamburger Hafen sowie ein Fußballmatch des alteingesessenen Vereins FC St. Pauli und die Demos am ersten Weltfrauentag. Wechselnde Perspektiven eröffnen dem Leser unterschiedliche Sichtweisen, Gedankenspiele und Einblicke ins Seelenleben der jeweiligen Protagonisten. Erschreckend sind die Schilderungen der Zustände in den Auswanderungshallen, wo die Menschen mehr oder weniger zusammengepfercht auf ihre Ausreise aus Deutschland waren. Auch zu jener Zeit handelte es sich ausschließlich um jüdische Familien, die sich zu diesem Schritt gezwungen sahen, was einmal mehr deutlich macht, dass der Antisemitismus schon vor dem Zweiten Weltkrieg Alltag war. Ärztin Anne stößt mit ihrer Neugier wieder einmal in ein Wespennest und erhält bei der Aufklärung der Todesfälle nicht nur Unterstützung durch Lehrerin Helene sondern auch durch Kommissar Rheydt, der nebenbei einen weiteren brisanten Fall zu bearbeiten hat. Mit unvorhergesehenen Wendungen weiß die Autorin die Spannung ihrer Handlung immer weiter zu steigern und den Leser regelrecht an die Seiten zu fesseln, während er ein tolles Kopfkino erlebt.
Die Charaktere sind facettenreich ausgestaltet und lebendig in Szene gesetzt. Sie lassen den Leser mit authentischen menschlichen Eigenschaften sehr nahe an sich heran, der ihnen nur zu gern auf den Fersen folgt, um mit ihnen ein Abenteuer zu erleben. Anne ist eine starke, emanzipierte und mutige Frau, die sich vor allem für die Ärmsten der Armen engagiert und dabei immer empathisch bleibt. Dabei hat sie ihre eigenen Geheimnisse, die sie mit sich herumträgt. Helene ist selbstbewusst, fleißig, wissbegierig und hilfsbereit. Sie stammt aus gutbürgerlichem Hause, was sie nicht davon abhält, gemeinsam mit Anne für Freiheit und Frauenrechte zu kämpfen. Berthold Rheydt hat immer noch mit Geistern aus der Vergangenheit zu kämpfen. Bei den Ermittlungen geht er analytisch und bedacht vor, um nicht nur die Fälle zu lösen, sondern auch seine Position zu festigen.
„Ein Leben für das Glück der Kinder“ ist eine sehr gelungene und spannende Mischung aus gut recherchierter Historie, Gesellschaftsroman und Krimi, der nicht nur zwei starke Frauen präsentiert, sondern die Entwicklung in punkto Ermittlungsmethoden und weitere interessante Themen in den Fokus rückt. Fesselnd erzählt, ist hier eine absolute Leseempfehlung mehr als verdient!

Veröffentlicht am 11.06.2022

Tanz ist die verborgene Sprache der Seele. (Martha Graham)

Tanz bis ans Ende der Welt
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20er Jahre Berlin. Die junge Zhang Penjun, genannt Susan, verlässt ihr wohlhabendes Zuhause in Shanghai, um gegen den Willen ihrer Eltern zu ihrem Verlobten nach Berlin zu reisen. Doch dort erwartet sie ...

20er Jahre Berlin. Die junge Zhang Penjun, genannt Susan, verlässt ihr wohlhabendes Zuhause in Shanghai, um gegen den Willen ihrer Eltern zu ihrem Verlobten nach Berlin zu reisen. Doch dort erwartet sie eine bittere Enttäuschung, denn der hat sich inzwischen bereits für eine andere Frau entschieden. Die Zufallsbekanntschaft mit Anna verhilft Susan nicht nur zu einer Unterkunft, sondern es entsteht eine enge Freundschaft zwischen den beiden Frauen, und schon bald haben beide auch als Duo mit ihrem Sangestalent Erfolg auf der Bühne. Doch die Nationalsozialisten gewinnen immer mehr an Einfluss, was zusehends das Leben von Susan und Anna beeinträchtigt, sogar unmöglich macht, denn während Susan durch ihre chinesische Abstammung Ablehnung erfährt, bangt Anna um ihre große Liebe, denn er ist Jude…
Tereza Vanek hat mit „Tanz bis ans Ende der Welt“ einen sehr unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, der den Leser zu einer Zeitreise ins vergangene Jahrhundert einlädt, um dort zwei außergewöhnliche Frauen und ihr Schicksal kennenzulernen. Der flüssige, farbenfrohe und fesselnde Erzählstil lässt den Leser schnell in die Geschichte eintauchen. Eingebettet in eine Rahmenhandlung, die in den 60er Jahren von Annas Nichte Klarissa bestritten wird, eröffnet sich dem Leser eine völlig neue Welt des damaligen Berlins. Die Autorin hat gut recherchiert und lässt nicht nur die Weimarer Republik und später die Naziherrschaft lebendig werden, sondern erzählt auch von einer chinesischen Gemeinschaft, die es damals in Berlin gegeben hat. Während Klarissa aufgrund eines alten chinesischen Tagebuchs und eines Fotos von Anna und Susan deren Vergangenheit nach und nach auf die Spur kommt, bekommt der Leser gleichzeitig durch die wechselnden Zeitebenen und Perspektiven einen Einblick in Welt der beiden doch so unterschiedlichen Frauen. Jede von ihnen hat mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen. Die Chinesin Susan hat völlig falsche Vorstellungen vom Leben in Deutschland und muss schnell lernen, sich ihren eigenen Lebensunterhalt zu verdienen, wenn sie nicht in der Gosse landen will. Das immer stärker werdende Naziregime macht ihr dann das Leben als fremdländisch aussehende Frau das Leben beinahe unerträglich. Vanek webt ein buntes und doch auch sehr reales Bild der 20er und 60er Jahre, die beide Parallelen aufweisen und die Handlung deshalb auch so spannend gestalten.
Die Charaktere sind facettenreich und lebensnah ausgestaltet und in Szene gesetzt. Ihre glaubwürdigen Ecken und Kanten lassen sie den Leser sehr nahe an sich herankommen und geben ihm so die Möglichkeit mit ihnen zu hoffen, zu bangen und zu fiebern. Wirkt die Chinesin Susan zu Beginn noch sehr naiv, lernt sie schnell die Realität kennen. Aus einem strengen, aber wohlbehütetem Elternhaus stammend, steht sie in Berlin praktisch vor dem Nichts und muss sich alles selbst erarbeiten. Sie ist freundlich und intelligent. Anna ist eine offene und hilfsbereite Frau, die keinerlei Standesdünkel hegt. Klarissa hat ihre eigenen Träume und will diese unbedingt in die Tat umsetzen. Während die weiblichen Protagonisten sich durch Stärke auszeichnen, sind es vor allem die männlichen Charaktere, die das alte Rollenbild wiederspiegeln und die Frauen unter ihrer Knute wissen wollen.
„Tanz bis ans Ende der Welt“ ist eine spannende Geschichte über drei Frauen, die sich auf ihre Weise ihren Platz in der Welt suchen müssen. Eingebettet in den sehr gut recherchierten historischen Kontext der 20er bis 40er und 60er Jahre erlebt der Leser nicht nur eine wunderbar erzählte Handlung, sondern erfährt auch viel Neues der damaligen Zeit. Absolute Leseempfehlung!