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Veröffentlicht am 04.07.2022

Berührende und abwechslungsreiche Geschichte über Liebe, Sehnsucht, verlorene Hoffnungen und zweite Chancen, aber auch über die Geborgenheit in einer Familie und den Mut, seine Träume zu leben.

Als die Zukunft noch vor uns lag
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Catrin arbeitet in einem Bestattungsunternehmen in Atlantic City und ist die Alleinverdienerin in ihrer Familie, wohingegen ihr Vater spielsüchtig ist und ihre Mutter zu schwach ist, sich dagegen zu wehren. ...

Catrin arbeitet in einem Bestattungsunternehmen in Atlantic City und ist die Alleinverdienerin in ihrer Familie, wohingegen ihr Vater spielsüchtig ist und ihre Mutter zu schwach ist, sich dagegen zu wehren. Sam ist auf Druck seines Vaters Anwalt geworden, träumt jedoch davon, Musiker zu sein und reist mit seiner Gitarre durch Amerika. Im März 1983 lernen sich beide auf einer Parkbank in Atlantic City kennen und verlieben sich ineinander. Sie verleben drei Wochen miteinander in dem Wissen, dass der Aufenthalt von Sam aufgrund seines befristeten Visums endlich ist. Sie versprechen, sich wiederzusehen, denn Cat wollte ohnehin schon immer nach London. Zu einer Verabschiedung am Flughafen kommt es nicht und auch Sams Briefe an Cat kommen nie bei ihr an. Beide sind verunsichert, ob der andere es sich anders überlegt hat und scheitern daran, Kontakt aufzunehmen, obwohl Cat tatsächlich neu in London anfängt. Erst sieben Jahre später sehen sich die beiden erstmals wieder, die Gefühle für einander sind noch präsent, die alte Vertrautheit noch da, aber in den Jahren dazwischen ist viel passiert und es stellt sich die Frage, ob die beiden an ihrer romantischen Liebe anknüpfen können.

Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht von Cat und Sam erzählt und handelt im Zeitraum von 1983 bis 2004. Der Plot um ein verliebtes Paar, dass sich aus den Augen verliert und erst Jahre später wieder sieht, ist mit Sicherheit nicht neu, aber "Als die Zukunft noch vor uns lag" ist dennoch abwechslungs- und wendungsreich erzählt.
Es ist von Anbeginn spürbar, dass die beiden Hauptfiguren, die in ihrem Leben schon familiäre Enttäuschungen verkraften mussten und beide kreative Köpfe sind, ihre Leidenschaften aber noch nicht richtig auslebten, auf einer Wellenlänge sind. Die Verliebtheit fühlt sich echt an und umso brutaler erscheint es, dass das Schicksal die beiden zunächst voneinander trennt.
Dennoch bewirkt die Begegnung etwas, denn beide krempeln ihre Leben um und folgen ihren Träumen. Die Sehnsucht nach dem anderen bleibt jedoch, auch wenn sie über die Jahre abebbt und beide auch neue Lieben - zur Musik oder einer Stieftochter - finden. Ein Zweifel bleibt jedoch immer bestehen, denn rundum glücklich sind sie nicht. Gerade Cat scheint nicht das Leben zu führen, das zu ihr passt.
Der Roman ist durch die Erinnerungen an die drei gemeinsam verlebten Wochen und dem Wunsch nach Liebe und Geborgenheit in Teilen melancholisch, jedoch schwingt stets das Quäntchen Hoffnung mit, dass beide sich wiedersehen und eine zweite Chance erhalten könnten, denn sie sind niemals weit auseinander.

Es ist eine berührende und abwechslungsreiche Geschichte über Liebe, Sehnsucht, verlorene Hoffnungen und zweite Chancen, aber auch über die Geborgenheit in einer Familie und den Mut, seine Träume zu leben und an sich selbst zu glauben. Es ist damit noch mehr als nur eine Liebesgeschichte, denn auch die Jahre und der Alltag ohne einander mit all ihren Höhen und Tiefen werden eindringlich beschrieben, so dass man den sympathischen Figuren nahe kommt. Zudem wirken die Hürden, die sie an einem gemeinsamen Leben hindern, authentisch und nicht als Notwendigkeit um ein Happy End künstlich hinauszuzögern.

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Veröffentlicht am 22.06.2022

Vielleicht nicht ganz so emotional, aber dafür mindestens genauso spannend und wendungsreich wie Band 1. Ein Roman um familiäre Wurzeln mit düsteren Elementen der jüngeren deutschen Geschichte.

Was ich nie gesagt habe
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Nach seinem Nervenzusammenbruch ist Anchorman Tom Monderath beruflich kürzer getreten und genießt das ungewohnte Gefühl, frisch verliebt zu sein und zusammen mit Jennys Sohn Carl eine kleine Familie zu ...

Nach seinem Nervenzusammenbruch ist Anchorman Tom Monderath beruflich kürzer getreten und genießt das ungewohnte Gefühl, frisch verliebt zu sein und zusammen mit Jennys Sohn Carl eine kleine Familie zu sein. Durch einen Gentest, durch den er seine amerikanische Halbschwester Marie finden wollte, wird Tom überraschend auf weitere Halbgeschwister, uneheliche Kinder seines Vaters Konrad, aufmerksam. Sein Vater hat nie über seine Vergangenheit gesprochen und auch seine Mutter Greta, deren Alzheimer-Erkrankung fortschreitet, kann Tom nicht fragen. Als er durch eigene Recherchen auf ein Geheimnis seines Vaters stößt, droht ihm erneut alles über den Kopf zu wachsen.
Als kleiner Junge hat Konrad früh seinen Vater verloren und im Verlauf des Zweiten Weltkriegs auch den Rest seiner Familie. Nach zwei Jahren amerikanischer Kriegsgefangenschaft kehrt er nach Deutschland zurück und wird mit Hilfe seines Onkels Arzt. In Heidelberg lernt er Greta kennen und verliebt sich in die burschikose junge Frau. Doch auch wie Konrad hat Greta eine bewegte Vergangenheit und droht immer wieder in Schwermut zu fallen, was die Ehe belastet.

"Was ich nie gesagt habe - Gretchens Schicksalsfamilie" ist Band 2 der "Die Gretchen"-Reihe und setzt nahtlos an den ersten Teil "Stay away from Gretchen - Eine unmögliche Liebe" an.
Auch dieser Roman wird auf zwei Zeitebenen erzählt, wobei Gretchen nur noch eine Nebenrolle hat und stattdessen Toms Vater Konrad "Conny" in den Mittelpunkt rückt.
Die Gegenwart von Sommer 2016 bis Oktober 2018 handelt von Tom, der sich nach Jahren mit nur flüchtigen Beziehungen glücklich schätzt mit Jenny zusammen zu sein. Mit ihrer chaotischen Art ist sie das Gegenteil von ihm, gibt ihm jedoch den Halt und die Sicherheit, die er braucht. Kaum hatte Tom verdaut, dass er eine Halbschwester in Amerika hat, von der ihm seine Mutter Greta nie erzählt hat, wird er damit konfrontiert, dass väterlicherseits noch mehr Halbgeschwister existieren.
In Rückblenden erfährt man mehr über Connys Kindheit, die Jugend im Krieg und die schweren Verluste, die er verwinden musste - Dinge, über die er mit seinem Sohn Tom nie gesprochen hat. Die Kriegsereignisse und insbesondere der Tod seiner Schwester sind erschütternd, aber auch die Jahre nach dem Krieg haben es in sich, als Konrad versucht, mit Greta eine Familie zu gründen und erneut auf die Hilfe seines Onkels setzt.
Was Konrad tatsächlich verbirgt, ist spannend geschildert und offenbart sich durch die Verknüpfung beider Zeitebenen. Wie schon Band 1 ist auch die Fortsetzung sehr lebendig erzählt und lebt durch die facettenreichen und lebensechten Charaktere. Der Fokus liegt auf der Vergangenheit, die den Lebenslauf von Konrad detailliert erzählt, was von einer aufwändigen Recherchearbeit durch die Autorin zeugt. Nicht nur die historischen Ereignisse, der Schrecken des Nationalsozialismus und die Folgen davon sind eindringlich geschildert und gekonnt mit der fiktiven Geschichte der Monderaths verwoben, auch das Lokalkolorit ist durch die bildhaften Ortsbeschreibungen wieder spürbar.

Band 2 ist vielleicht nicht ganz so emotional, aber dafür mindestens genauso spannend und wendungsreich erzählt. Tom Monderath hat mit Greta und Konrad zwei Elternteile, die Schlimmes erlebt haben, Dinge verheimlichten oder nicht darüber sprechen konnten und ihr ganzes Leben damit belastend haben. Die Folgen waren für Tom bereits als Kind spürbar, wenn seine Mutter sich nicht um ihn kümmern konnte und durch das Geheimnis seines Vaters droht ihm als Erwachsener den Boden unter den Füßen zu verlieren.

Der empathische Schreibstil, der die perfekte Balance zwischen tragisch und humorvoll ist, ist genauso packend wie in Band 1. Zunächst hatte ich Bedenken, ob die Fortsetzung an das hochgelobte Debüt heranreichen kann, aber das Herzblut für die Charaktere und ihre Geschichte ist erneut auf jeder Seite spürbar. Zudem wirkt die fiktive Geschichte, die so einige düstere und heikle Elemente der früheren und jüngeren deutschen Geschichte beinhaltet, sehr authentisch und fesselt insbesondere durch die emotionale Involvierung der Charaktere und Auseinandersetzung mit ihrer Vergangenheit und familiären Wurzeln.

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Veröffentlicht am 28.05.2022

Vielschichtiger Roman um eine starke Protagonistin mit einem bewegenden Schicksal. Trotz aller Tragik eine Geschichte mit feinfühligem Humor, die auf zwei Zeitebenen wunderbar unterhält und neugierig auf den Folgeband macht.

Stay away from Gretchen
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Tom Monderath ist Mitte 40 und ein bekannter Nachrichtenmoderator. Seine 84-jährige Mutter, die wie er in Köln lebt, sieht jede Sendung mit Stolz im Fernsehen. Tom ist Perfektionist und stellt seinen Beruf ...

Tom Monderath ist Mitte 40 und ein bekannter Nachrichtenmoderator. Seine 84-jährige Mutter, die wie er in Köln lebt, sieht jede Sendung mit Stolz im Fernsehen. Tom ist Perfektionist und stellt seinen Beruf über alles, privat lässt er nichts anbrennen und führt eher lockere Frauenbekanntschaften ohne Verpflichtungen.
Als seine Mutter unübersehbar an Demenz erkrankt ist und allein kaum noch zurecht kommt, muss Tom handeln und das geregelte Leben des erfolgsverwöhnten Junggesellen gerät allmählich aus den Fugen.
Während Greta sich nur ungern an die Zeit des Zweiten Weltkriegs und die Nachkriegszeit erinnert, findet Tom Fotos in ihrer Wohnung mit Menschen darauf, die er nicht kennt. Greta wird beim Anblick eines kleinen Mädchens mit dunkler Hautfarbe von ihren Gefühlen überwältigt, schweigt jedoch hartnäckig. Tom nimmt dies zum Anlass, um sich nun endlich mit der Vergangenheit seiner Familie auseinanderzusetzen, um letztlich auch verstehen zu können, warum seine Mutter in seiner Kindheit unter Depressionen litt und welche Auswirkungen ihre Vergangenheit auch auf sein Leben haben könnte.
Der Roman wird auf zwei Zeitebenen erzählt, in denen neben der fiktiven persönlichen Geschichte von Tom und Greta Monderath gewichtige Themen von Politik und Gesellschaft zur Sprache kommen. Im Jahr 2015 ist die Flüchtlingskrise auf ihrem Höhepunkt und Tom ist als erfolgreicher Anchorman an vorderster Front, führt Interviews mit Innenminister und Kanzlerin.
In der Vergangenheit erlebt Greta, die als Jungmädel von Hitler schwärmt, die Grausamkeiten des Zweiten Weltkriegs, als ihr Vater in Russland kämpft und die Familie gezwungen ist, von Ostpreußen nach Westdeutschland zu flüchten. Die Familie hat Glück, findet wieder zusammen und kommt bei Verwandten in Heidelberg unter, wo sie sich etwas Neues aufbauen kann. Die junge Greta ist unerschrocken und hilft der Familie mit ihrer burschikosen Art beim Kampf ums Überleben. Dabei lernt sie den GI Bob kennen, der der Familie behilflich ist und dem sie deutsche Wörter beibringt. Die beiden verlieben sich ineinander - eine Liebe, die nicht sein darf, denn Bob hat die falsche Hautfarbe.
Die Geschichte fesselt auf beiden Zeitebenen und ist durch die Parallelen aus Flüchtlingskrise in den Jahren 2015/ 2016 und Flucht und Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg raffiniert aufgebaut. In der Gegenwart bewegt zudem die Erkrankung von Greta, die selbst merkt, wie sich selbst verliert und die es nun nicht mehr schafft, ihre Erinnerungen aus der Vergangenheit, die sie belasten, zurückzudrängen. Auch Tom, der zunächst oberflächlich und arrogant wirkt, ist sichtbar überfordert mit der Situation und zeigt im Verlauf der Geschichte seinen weichen Kern.
"Stay away from Gretchen" - der Appell an die GIs der US-Army, sich von den deutschen Frauen fernzuhalten - ist ein vielschichtiges Buch, das für Jung und Alt gleichermaßen geeignet ist. Es ist eine emotionale Geschichte, die aufgrund des Schicksals der sympathischen Greta bewegend ist. Insbesondere als der Zweite Weltkrieg beendet ist und das Leben wieder aufwärts gehen sollte, ist Greta kein Glück von Dauer beschert. Es sind erschütternde Szenen von Ausgrenzung, Anfeindung und Ausweglosigkeit, als Greta sich aus Armut gezwungen sieht, eine herzzerreißende Entscheidung zu treffen.
Der Roman handelt von einer großen Anzahl ernster Themen wie Flüchtlingsproblematik, Rassismus, "Brown Babies", Demenz, Einsamkeit im Alter, Sehnsucht und Liebe, die aber so locker in die Erzählung eingebunden sind, dass diese zu keinem Zeitpunkt niederschmetternd ist. Der subtile Humor auf beiden Zeitebenen - Toms Ausraster über nervige Musik im Radio, Gretas gewitzte Art als junges Mädchen sowie ihre markigen Sprüche als ältere Dame sorgen für gute Unterhaltung und lindern die bedrückende Stimmung. Die Balance aus Ernsthaftigkeit und Humor sowie historischen und gegenwärtigen Problemfeldern und fiktiver Geschichte ist der Autorin wunderbar gelungen.
Auch wenn der Roman in sich geschlossen ist, geht die Geschichte um Tom und Greta Monderath weiter. Ich freue mich schon sehr auf die Fortsetzung "Was ich nie gesagt habe - Gretchens Schicksalsfamilie", die Mitte Juni 2022 erscheinen wird.

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Veröffentlicht am 14.05.2022

Bildgewaltige Geschichte über ein einfaches, einsames Leben eines Mädchens im Einklang mit der Natur - voller Schwermut, Leid und Melancholie, aber am Ende kraft- und hoffnungsvoll.

Der Gesang der Flusskrebse
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Kya Clark wächst zusammen mit ihren vier Geschwistern im Marschland in North Carolina auf. Als sie sechs Jahre alt ist, verlässt die Mutter 1952 ihren gewalttätigen Ehemann und lässt ihre Kinder zurück. ...

Kya Clark wächst zusammen mit ihren vier Geschwistern im Marschland in North Carolina auf. Als sie sechs Jahre alt ist, verlässt die Mutter 1952 ihren gewalttätigen Ehemann und lässt ihre Kinder zurück. Als die älteren Geschwister die erste Gelegenheit ergreifen wegzuziehen, ist Kya allein mit ihrem Vater. So gut es geht, kümmert sie sich um den Haushalt und versorgt sich weitestgehend selbst, da ihr Vater sich zeitweise gar nicht sehen lässt. Als er endgültig nicht mehr in den Sumpf zurückkehrt, ist Kya ganz auf sich alleingestellt.
Die Schulbehörde kümmert sich zu wenig, so dass Kya nach einem einzigen Schultag verängstigt zu Hause bleibt. Sie sammelt Muscheln und angelt, um durch den Verkauf ihre Existenz zu sichern. Ein ehemaliger Freund ihres Bruders Jodie, Tate Walker, bringt ihr Lesen und Schreiben bei. Durch ihn lernt sie die Liebe kennen und was es heißt, eine Frau zu sein.
Doch sie bleibt das seltsame Marschmädchen, das von den Einwohnern des nächstgelegenen Ortes argwöhnisch betrachtet wird. Auch Tate steht nicht zu ihr und wendet sich mit Beginn seines Studiums von ihr ab. Kya erforscht weiterhin die Natur, sammelt Federn, Muscheln und Pilze und macht Aufzeichnungen dazu. Nach dem Verlust Tates macht ihr die Einsamkeit umso mehr zu schaffen und so lässt sie sich auf Chase Andrews ein, der ihr sogar verspricht, sie zu heiraten. Chase hält keine seiner Versprechungen und so bleibt Kya isoliert und allein mit ihren Seevögeln und Pflanzen. Für ihre Aufzeichnungen bekommt sie später die Anerkennung, die ihre Existenz sichert. Doch dann wird Chase im Jahr 1969 tot aufgefunden und Kya gerät unter Mordverdacht.
Der Roman wird auf zwei Zeitebenen erzählt, wobei sich die Vergangenheit, die das isolierte Leben von Kya in den Sumpfgebieten ab 1952 beschreibt, auf die Gegenwart im Jahr 1969 zubewegt, als Chase tot unter dem Feuerwachturm am Strand aufgefunden wird. Die Kriminalgeschichte tritt im Vergleich zu Kyas Leben und den Naturbeschreibungen in den Hintergrund. Sie ist auf die Ermittlungen des Sheriffs und auf nur wenige kurze Kapitel beschränkt.
Der Roman lebt von der Atmosphäre des Sumpfgebietes, von der kaum vorstellbaren Isolation Kyas, insbesondere in Kindertagen, und dem Einklang ihres Lebens mit der Natur. Ihr einfaches Leben und die Einsamkeit, die ihr erst als junge Frau nach den gescheiterten Beziehungen zu Tate und Chase richtig bewusst wird, ist anschaulich beschrieben. Gleichzeitig ist auch ihre Angst nachvollziehbar, in einem Ort umgeben von Menschen zu leben, denen sie nicht vertraut. Nur zu den notwendigsten Erledigungen sucht sie in den frühen Morgenstunden einen schwarzen Händler auf, der ein gutes Herz hat.
"Der Gesang der Flusskrebse" - der Titel bezeichnend für das Ende der Welt - ist eine bildgewaltige Geschichte über ein einfaches, einsames Leben eines Mädchens, das nur die Natur, die Pflanzen und Tiere zu ihren Freunden zählt. Es ist ein Buch voller Leid und Schmerz, aber auch voller Liebe und Kraft, so dass trotz der Melancholie und der Schwermütigkeit, die sich düster auf die Szenerie legt, stets ein Hoffnungsschimmer und der Ausblick auf ein besseres Leben bleibt. Der Mordfall und insbesondere der Gerichtsprozess am Ende verleihen der atmosphärischen Geschichte das nötige Quäntchen Spannung.

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Veröffentlicht am 10.05.2022

Neun alternative Leben um die Entscheidung, Mutter zu werden - originell, emotionsgeladen, glaubwürdig. Hier gibt es kein richtig oder falsch.

Die neun Leben der Rose Napolitano
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Rose Napolitano hatte bereits im Alter von 14 Jahren entschieden, später keine Kinder haben zu wollen. Ihrem Ehemann Luke hatte sie dies schon vor der Hochzeit zu verstehen gegeben und er war mit ihrer ...

Rose Napolitano hatte bereits im Alter von 14 Jahren entschieden, später keine Kinder haben zu wollen. Ihrem Ehemann Luke hatte sie dies schon vor der Hochzeit zu verstehen gegeben und er war mit ihrer Entscheidung, ihrer Karriere als Wissenschaftlerin den Vorzug zu geben, einverstanden. Als Luke nach einigen Jahren umschwenkt und Rose drängt, ihre Entscheidung zu überdenken, gerät die Ehe in eine Schieflage. Rose verspürt nach wie vor keinen Mutterinstinkt und möchte keine Kinder. Ihr wird jedoch bewusst, dass sie Luke verlieren wird, wenn sie seinem Wunsch nicht nachgibt.

"Die neun Leben der Rose Napolitano" beginnt mit einem Streit zwischen Rose und ihrem Ehemann Luke um fruchtbarkeitsfördernde Vitaminpillen am 15. August 2006 und zeigt sodann neun mögliche Wege auf, wie es nach dem Streit weitergegangen sein könnte.
Es sind neun ganz unterschiedliche Leben für Rose - mal mit, mal ohne Kind, mal mit, mal ohne Luke, mal mit der Entscheidung, für sich und seine Wünsche einzustehen, mal mit der Entscheidung, zurückzustecken und ein Leben zu leben, das Rose eigentlich niemals wollte. Der Roman dreht sich dabei weniger um die Frage, ob nur ein Leben mit Kind lebenswert ist, sondern vielmehr um die Angst, sich selbst zu verlieren, das Hadern, eine lebensverändernde Entscheidung treffen zu müssen und mit den Auswirkungen, die sich daraus ergeben.

Die Lektüre verlangt Konzentration, denn die unterschiedlichen Lebenswege werden nicht in abgeschlossenen Kurzgeschichten erzählt, sondern peu à peu kommt ein Leben hinzu, bis sich die Leben 1 bis 9 unregelmäßig abwechseln. Dabei sind die alternativen Leben trotz Wiederholungen, die sich durch das Ausgangsszenario ergeben, nicht eintönig, sondern jedes auf seine Weise interessant. Es ist regelrecht spannend, wie viele Möglichkeiten sich aus einer Entscheidung für oder gegen Nachwuchs ergeben - für Rose persönlich und für ihre Beziehung zu Luke.
Gleichbleibend ist der Druck, der auf Rose lastet. Für ihren Mann, ihre Eltern und Schwiegereltern scheint ein Leben ohne Kinder oder Enkel leer und Rose wird mit ihrer Entscheidung dagegen einerseits nicht wirklich ernst genommen, andererseits als eigenartig niedergemacht, so dass sich Rose wie ein Ungeheuer fühlt. Eine Frau, die keine Kinder möchte, gilt gesellschaftlich als exotisch, eine Ausnahmeerscheinung, wie dieser Roman sehr deutlich zeigt. Gleichzeitig steht diese Ablehnung für den Mut, unpopuläre Entscheidungen zu treffen und noch mehr, auch dazu zu stehen.

Das Buch ist emotionsgeladen und sicher polarisiert Rose in der ein oder anderen Version, denn jede Entscheidung macht etwas aus Rose, das nicht immer sympathisch wirkt.
Der Roman handelt von Selbstbestimmung und der Rolle der Frau, die nicht (mehr) vorbestimmt ist, Mutter zu sein. Er liefert tiefgehende Erkenntnisse zu Mutterschaft, aber vor allem auch zu Ehe und Partnerschaft, so dass man sich selbst in der ein oder anderen Situation wiederfinden kann.

Die neun alternativen Leben zeigen eindringlich, dass es letztlich kein richtig oder falsch gibt und dass selbst die Entscheidung, für seine eigenen Bedürfnisse einzustehen und sich selbst treu zu bleiben, nicht unbedingt DIE Lösung ist. Rose macht eine glaubhafte Entwicklung durch und erkennt, dass es verschiedene Arten gibt, eine Mutter zu sein und Frieden mit ihrer jeweiligen Entscheidung zu schließen.
Der Roman überzeugt durch seine originelle, fordernde Erzählart und die substantiellen Fragen, die er aufwirft.

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