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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.06.2022

Ein lesenswerter Klassiker

Die Forsyte Saga
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Ich hatte zur Abwechslung mal wieder Lust auf einen richtigen Klassiker mit Anspruch. Und mit der „Forsyte Saga“ habe ich da eine gute Wahl getroffen. Ich bin ehrlich, ich hatte von dem Werk von Literatur-Nobelpreisträger ...

Ich hatte zur Abwechslung mal wieder Lust auf einen richtigen Klassiker mit Anspruch. Und mit der „Forsyte Saga“ habe ich da eine gute Wahl getroffen. Ich bin ehrlich, ich hatte von dem Werk von Literatur-Nobelpreisträger John Galsworthy vorher so gut wie nichts gehört. Aber genau das war auch der Grund, warum ich völlig unvoreingenommen an die Trilogie herangegangen bin.

Der lange Atem beim Lesen hat sich auf jeden Fall gelohnt, denn der Autor hat eine beeindruckende Familien-Saga erschaffen. Dennoch fällt es mir gar nicht so leicht, die drei Bände als Gesamtwerk zu beurteilen. Meiner Meinung nach hebt sich besonders der erste Band von den beiden anderen ab. Teilweise hatte ich fast das Gefühl, dass der erste Teil Jahrzehnte vorher oder gar von einem anderen Autor geschrieben wurde. Sprache, Stil und Inhalt sind anders. Gerade im ersten Teil gibt es wahnsinnig viele Längen, seitenlange innere Monologe, es passiert dagegen vergleichsweise wenig (auch wenn das Geschehen der weiteren Bände auf die Ereignisse des ersten Teils aufbaut). Da viel es mir teilweise nicht leicht, weiterzulesen. Andererseits passt auch gerade dieser Schreibstil zu den Protagonisten und der Epoche des ersten Teils.

Die Art des Erzählens ändert sich dagegen im zweiten und dritten Teil, in dem die Folgegenerationen der Forsytes in den Fokus rücken. Endlich nahm die Geschichte an Fahrt auf, wurde greifbarer, lebendiger. Die Charaktere bekamen für mich endlich ein Gesicht, gewannen an Sympathie. Interessanterweise machten vor allem ein paar Hauptfiguren eine Art Wandlung durch und wurden zu Lieblingscharakteren. Und vor allem: die Längen und Monologe nahmen deutlich ab. Ich war froh, mich durch den ersten Teil durchgekämpft zu haben und wurde belohnt. Das Werk von Galsworthy hätte es verdient, mehr Beachtung zu finden. Ich fand besonders beeindruckend, wie der Autor die unterschiedlichen Denkweisen und Prioritäten der einzelnen Generationen herausgearbeitet hat. Während sich bei der ersten Generation alles um das Thema Eigentum dreht, nehmen die nachfolgenden Generationen von diesem Denken immer mehr und mehr Abstand.
Ich war übrigens sehr dankbar (vor allem beim ersten Teil), dass bei der Neuübersetzung, die vor ein paar Monaten bei Reclam herauskam, eine Karte mit dem kompletten Stammbaum dabei war. Ich wäre sonst tatsächlich zeitweise verloren gewesen! Gerade im ersten Teil finden so viele Personen Erwähnung, dass es unmöglich ist, den Überblick zu behalten. Während des Lesens des ersten Teils lag der Stammbaum aufgeklappt die ganze Zeit griffbereit neben mir.

4 von 5 Sternen

Zum Inhalt: Eine Familie der oberen Mittelschicht, Intrigen und Schicksale – das ist der Stoff, aus dem der Literatur-Nobelpreisträger John Galsworthy seine monumentale Romantrilogie spinnt. Beginnend im viktorianischen London der 1880er Jahre und endend in den frühen Goldenen Zwanzigern beschreibt Galsworthy über mehrere Generationen hinweg den Zerfall der Familie Forsyte: Der erfolgreiche Anwalt Soames Forsyte kauft ein Stück Land, um darauf ein Haus für sich und seine Frau Irene zu bauen, doch anders als die frisch hochgezogene Fassade des Hauses beginnt die eheliche Fassade zu bröckeln. Irene möchte aus der Ehe raus, liebt Soames nicht, hat sich stattdessen neu verliebt. Soames hält krampfhaft an der Beziehung fest, bezeichnet Irene als sein Eigentum. Es kommt zu einem dramatischen Zerwürfnis, zu einer generationsübergreifenden Familienfehde.

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Veröffentlicht am 29.05.2022

Konnte mich nicht vollkommen überzeugen

Die hundert Jahre von Lenni und Margot
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Die 17-jährige Lenni leidet unter einer unheilbaren Krankheit, es bleibt ihr nur noch wenig Zeit. Unzählige Fragen beschäftigen sie und zwar ganz andere als Jugendliche ihres Alters. In einem Malkurs lernt ...

Die 17-jährige Lenni leidet unter einer unheilbaren Krankheit, es bleibt ihr nur noch wenig Zeit. Unzählige Fragen beschäftigen sie und zwar ganz andere als Jugendliche ihres Alters. In einem Malkurs lernt sie die 83-jährige Margot kennen und es entsteht eine ganz besondere Freundschaft, die beide an alle kostbaren Augenblicke ihres Lebens zurückdenken lässt. Beiden wird klar, dass jeder Moment im Leben zählt!

100 Bilder für 100 Jahre Leben: Was für eine schöne Idee. Schade dabei ist nur, dass die Hauptperson des Buches, die ja erst 17 ist, im Vergleich zur 83-jährigen Margot ziemlich in den Hintergrund gerät. Weite Teile des Buches beschäftigen sich aus diesem Grund mit der Lebensgeschichte von Margot. Lennis Leben wirkt dagegen häufig nur wie eine Randgeschichte, ohne schöne Momente, an die es sich zu erinnern lohnt. Auch empfand ich die Rückblicke in die 100 Jahre Leben häufig als zu oberflächlich. Es wurde erzählt, was passiert war, aber es gab nur selten eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit in der Gegenwart. So wurde auch nur wenig gemeinsam über das Erzählte gesprochen oder gar eine Erkenntnis oder ein Fazit gezogen. Dafür, dass Lenni sonst so viele Fragen hat, bleibt sie in Gegenwart von Margot vergleichsweise sprachlos. Vielleicht ist das der Grund, warum mich die doch eigentlich sehr traurige Geschichte nur selten berührt hat.

Und auch wirklich in den Bann gezogen, hat mich die Geschichte nicht. Keine Frage, das Buch ist lesenswert und die Idee dahinter wunderschön, aber nicht fesselnd. Ich hatte nicht das Bedürfnis unbedingt zu erfahren, wie es weitergeht. Oder Probleme damit, das Buch aus der Hand zu legen. Irgendwie fehlte mir etwas. Irgendwie hatte ich mehr erwartet. Hätte mir einen anderen Fokus, mehr Tiefe gewünscht.

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Veröffentlicht am 26.04.2022

Eine besondere Liebesgeschichte

Léon und Louise
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Manche Dinge brauchen ihre Zeit. Und dennoch fragt man sich zuweilen, warum es nicht früher geschehen ist. So habe ich gerade erst meinen ersten Roman von Alex Capus beendet und frage mich eigentlich seit ...

Manche Dinge brauchen ihre Zeit. Und dennoch fragt man sich zuweilen, warum es nicht früher geschehen ist. So habe ich gerade erst meinen ersten Roman von Alex Capus beendet und frage mich eigentlich seit der ersten Seite: „Warum habe ich nicht schon zuvor von ihm etwas gelesen?!“ Ich weiß es nicht. Was ich aber ganz sicher weiß, ist, dass ich auch seine anderen Werke unbedingt lesen muss.
Mir gefällt besonders die mitreißende, intensive Erzählweise dieser besonderen Lebens- und Liebesgeschichte, die einem das Gefühl gibt, dass man als Leser Teil der Geschichte ist und bei der es scheint, als würde man die Hauptcharaktere wirklich kennenlernen. Dabei bleibt der Roman von der ersten bis zur letzten Seite absolut authentisch, kraftvoll und nie rührselig oder kitschig. Ich habe mehrmals während des Lesens infrage gestellt, ob es tatsächlich eine Liebesgeschichte ist, denn eigentlich leben Leon und Luise 2/3 des Buches aneinander vorbei und haben so gut wir keinen Kontakt. Nach Beendigung des Buches und mit etwas Abstand kann ich das aber eindeutig mit einem Ja beantworten. Und ehrlich gesagt, erscheint mir diese Liebesgeschichte noch viel realer und bedingungsloser als sehr viele andere Liebesgeschichten, die ich bisher gelesen habe. Gerade weil sie wie aus dem Leben gegriffen ist, geprägt von einer tiefen Verbundenheit, die nicht darauf basiert, um jeden Preis zusammen zu sein, sondern darauf, dass es dem anderen gut geht, auch wenn dessen Leben ohne einen voranschreitet.

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Veröffentlicht am 20.02.2022

Hat viel Potenzial

Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid
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Ich bin ja ein großer Fan von Geschichten, die auf mehreren Zeitebenen spielen. Und in dieser Hinsicht ist das Buch wirklich eine gute Wahl gewesen. Nach und nach entschlüsselt der Leser zusammen mit der ...

Ich bin ja ein großer Fan von Geschichten, die auf mehreren Zeitebenen spielen. Und in dieser Hinsicht ist das Buch wirklich eine gute Wahl gewesen. Nach und nach entschlüsselt der Leser zusammen mit der Hauptprotagonistin Hannah deren bewegende Familiengeschichte. Das ist gut umgesetzt, auch wenn es mir teilweise an Spannung fehlte. Andererseits lässt genau das die Geschichte realistischer wirken.

Die Themen des Buches sind vielversprechend: Juden-Verfolgung während der Nazi-Zeit, enteignete Kunst, Aufarbeitung der Familiengeschichte über mehrere Generationen hinweg, Muttersein, Beziehungen zwischen Müttern und Töchtern, die Schuld-Frage, fehlende Aufarbeitung, toxische Beziehungen… Vielleicht fehlte mir gerade aufgrund dieser Fülle stellenweise etwas die Tiefe. Die Rückblicke auf Sentas Geschichte sind sehr detailreich, emotional und lebendig geschrieben. Die Gegenwart von Hannah ist mir dagegen häufig eher zu eindimensional, oberflächlich und einfach gestrickt. Hier fehlte mir eine tiefere Auseinandersetzung mit der Familiengeschichte, ein tieferer Einblick und Wandel in Hannahs Seelenleben, ein tieferes Gespräch mit ihrer Großmutter… Das Potenzial war da.

Doch was mir am meisten fehlte, ist ein schlüssiges Ende. Das ist für mich leider gar nicht stimmig. Mehr als 300 Seite wurde darauf hingearbeitet und dann gab es eine Aufschlüsselung aller Erzählstränge, die nicht nur total kurz und lapidar rüberkam, sondern meiner Meinung nach vor allem nicht glaubhaft war. Von dem vorherigen Schreibstil, der zuvor echt überzeigend war, war hier nichts mehr zu spüren. Als hätte es an Zeit und Ideen gefehlt.

Zusammengefasst: Ein lesenswertes Buch, das leider nicht das volle Potenzial ausschöpft und deren Thematik und Schreibstil leider nicht über die Schwachstellen hinwegtrösten können.


⭐⭐⭐⭐

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Veröffentlicht am 20.02.2022

Schön

Ein Winter in Wien
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Trübes und regnerisches Januarwetter, plötzliche Quarantäne, Warten auf das Ergebnis des PCR-Tests… Da musste jetzt etwas Fröhliches fürs Herz daher, das die Laune hebt. Hier kam „Ein Winter in Wien“ von ...

Trübes und regnerisches Januarwetter, plötzliche Quarantäne, Warten auf das Ergebnis des PCR-Tests… Da musste jetzt etwas Fröhliches fürs Herz daher, das die Laune hebt. Hier kam „Ein Winter in Wien“ von Petra Hartlieb aus meinem SUB wie gerufen.

Schon der liebevoll gestaltete Einband hat mich begeistert. Äußeres und Inhalt sind perfekt aufeinander abgestimmt und entführen den Leser in das Wien zur Zeit des Jugendstils. Die Geschichte ist ebenso zauberhaft und lässt sich problemlos in einem Rutsch weglesen. Perfekt für einen regnerischen Nachmittag auf der Couch. Ein wunderschöner Wohlfühl-Roman, herrlich unaufgeregt, dafür aber umso mehr detailreich und liebevoll ausgeschmückt. Perfekt gegen den Winterblues. Ich freue mich jetzt schon auf den Folgeband und den Frühling in Wien.

⭐⭐⭐⭐ (4 von 5 Sternen)

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