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Veröffentlicht am 08.08.2022

Von Basel bis ans Lagerfeuer von Sitting Bull

Susanna
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Susanna Faesch wächst Mitte des 19. Jhd. als 3. Kind einer angesehenen Familie in Basel auf. Als ihre Eltern sich scheiden lassen nimmt ihre Mutter sie mit nach New York, wohin sie dem Arzt Karl Valentiny, ...

Susanna Faesch wächst Mitte des 19. Jhd. als 3. Kind einer angesehenen Familie in Basel auf. Als ihre Eltern sich scheiden lassen nimmt ihre Mutter sie mit nach New York, wohin sie dem Arzt Karl Valentiny, einem Freund ihres Mannes, folgt. Dieser wird Susannas Ersatzvater, ihre beiden älteren Brüder verbleiben in Basel beim Vater. Brooklyn, wo sie nun ihre Kindheit und Jugendzeit verbringt, wird sie für ihr weiteres Leben prägen. Schon früh beginnt Susanna Porträts zu malen und kann auch bald von dem Erlös leben. Sie heiratet einen Kollegen ihres Stiefvaters, hat eine kurze folgenreiche Affäre mit einem anderen Mann und wird daraufhin geschieden. Mit Hilfe ihrer Mutter zieht sie ihren Sohn Christie sehr liebevoll auf. Als dieser sich für die Geschichte der amerikanischen Ureinwohner interessiert, fährt sie mit ihm auf eine abenteuerliche Reise nach Dakota …

Der Autor Alex Capus wurde 1961 in Frankreich als Sohn einer Schweizerin und eines Franzosen geboren. 1966 zog seine Mutter mit ihm in die Schweiz, wo er später an der Universität Basel Geschichte, Philosophie und Ethnologie studierte. Während und nach seinem Studium arbeitete er als Journalist und Redakteur bei verschiedenen Schweizer Zeitungen. 1994 veröffentlichte er seinen ersten Erzählband - Kurzgeschichten, historische Reportagen und Romane folgten, für die er einige Auszeichnungen erhielt. Mit seinem Roman „Léon und Louise“ war er 2011 für den Deutschen Buchpreis nominiert. Geschichtlich überlieferte Tatsachen recherchiert er sorgfältig und verknüpft diese gerne mit fiktiven Geschichten, die oft in der Schweiz spielen. Alex Capus ist verheiratet und Vater von fünf Söhnen, er lebt heute als freier Schriftsteller in Olten in der Schweiz.

Wie oft bei Alex Capus liegt auch hier seinem Roman eine wahre Begebenheit zugrunde, und auch hier verbindet der Autor wieder geschichtlich überlieferte Gegebenheiten mit Erdachtem. Neben den wichtigsten Ereignissen aus dem Leben der Portrait-Malerin und Künstlerin Susanna Faesch (die in den USA als Bürgerrechtlerin Caroline Weldon bekannt ist), bekommen wir ein Sittenbild der schweizerischen Stadt Basel aus der Mitte des 19. Jahrhunderts geboten, erhalten Einblick in die damaligen Gepflogenheiten der französischen Fremdenlegion, erfahren mehr über New York wie es früher war und nehmen teil am Leben der amerikanischen Ureinwohner, der Indianer unter Sitting Bull. Wir sind dabei bei der Einführung der Glühbirne, feiern mit bei der Eröffnung der Brooklyn Bridge und erfahren, wie Susanna den ersten starren Fotographien farbiges Leben einhaucht. Der Schreibstil ist dabei sehr ansprechend, flüssig und erstaunlich lebendig. Ausdrucksstarke Landschaftsbeschreibungen bereichern die Geschichte und machen das Lesen zu einem kurzweiligen Vergnügen.

Fazit: Ein lesenswertes Buch, das ich gerne weiter empfehle.

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Veröffentlicht am 30.07.2022

Die Überlebenden

Der Sturm
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Um seiner Mutter dabei zu helfen den dementen Vater ins Heim umzusiedeln, ist Kieran Elliot nach zwölf Jahren erstmals wieder in seinen Heimatort auf der australischen Insel Tasmanien zurückgekehrt. Vor ...

Um seiner Mutter dabei zu helfen den dementen Vater ins Heim umzusiedeln, ist Kieran Elliot nach zwölf Jahren erstmals wieder in seinen Heimatort auf der australischen Insel Tasmanien zurückgekehrt. Vor zwölf Jahren hat er Evelyn Bay verlassen, nachdem bei einem verheerenden Sturm drei Menschen seinetwegen ihr Leben lassen mussten. Inzwischen hat er sich in Sydney mit Freundin Mia und ihrer gemeinsamen kleinen Tochter Audrey ein neues Leben geschaffen und gehofft, seine alte Schuld zu vergessen. Doch kaum ist er zurück, wird am Strand die Leiche einer jungen Frau gefunden. Es gibt Parallelen zu damals, als am selben Strand ein Mädchen verschwand und nie gefunden wurde. Jetzt brechen die alten Wunden wieder auf und die Wahrheit, was seinerzeit wirklich geschah, muss endlich ans Tageslicht …

Die Autorin Jane Harper wurde 1980 in Manchester (England) geboren. Als sie acht Jahre alt war zog ihre Familie nach Australien, wo sie in einem Vorort von Melbourne lebten und die australische Staatsbürgerschaft annahmen. Später ging die Familie zurück nach England, wo Jane dann an der Universität von Kent Englisch und Geschichte studierte und als Journalistin arbeitete. 2008 zog sie zurück nach Australien, arbeitete dort für die „Herald Sun“ und absolvierte einen Lehrgang über das Schreiben von Romanen. Seither schreibt sie Thriller, für die sie bereits ausgezeichnet wurde und den „Gold Dagger“, den wichtigsten Krimipreis Großbritanniens, erhielt. Jane Harper ist verheiratet, hat eine Tochter und lebt in Melbourne.

Der Schreibstil der Autorin ist sehr ansprechend, angenehm lebendig, flüssig und leicht zu lesen. Leider zieht sich die Handlung anfangs etwas schleppend dahin und der als Thriller ausgelobte Roman „Der Sturm“ wird erst ab der Hälfte richtig spannend und legt an Fahrt zu. Die Handlung ist psychologisch gut durchdacht und die Auflösung des Geschehens vor zwölf Jahren ist stimmig und somit durchaus vorstellbar. Die einzelnen Charaktere in ihrer Vielschichtigkeit sind gut ausgearbeitet und die Beziehungen untereinander absolut nachvollziehbar. Der Schauplatz, die Küste Tasmaniens, ist in ihrer Wildheit großartig beschrieben, so dass man beim Lesen tief in das Geschehen eintauchen kann. Die Geschichte rund um das Monument „Die Überlebenden“ kommt so real und plastisch rüber, dass man bisweilen vergessen kann, dass alles nur Fiktion ist.

Fazit: Ein eher sanfter Thriller, der trotzdem fesselt und erst nach und nach sein Geheimnis preisgibt. Meine Empfehlung!

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Veröffentlicht am 19.07.2022

Vater und Sohn – ein nicht immer einfaches Verhältnis

Die Schuhe meines Vaters
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Wie ist es, wenn man plötzlich über den Tod des Vaters entscheiden soll? Mit dieser Frage sieht sich der Autor Andreas Schäfer konfrontiert, als er den Anruf einer Frankfurter Klinik erhält. Nach einer ...

Wie ist es, wenn man plötzlich über den Tod des Vaters entscheiden soll? Mit dieser Frage sieht sich der Autor Andreas Schäfer konfrontiert, als er den Anruf einer Frankfurter Klinik erhält. Nach einer Biopsie hat sein Vater eine Hirnblutung erlitten und liegt im künstlichen Koma - er wird sterben. Andreas muss nun entscheiden, wann die Maschinen abgestellt werden sollen. Auf dem Weg ins Krankenhaus kommen die Erinnerungen …

Andreas Schäfer ist Journalist und Schriftsteller. Er wurde 1969 in Hamburg geboren, studierte Germanistik, Kunstwissenschaft und Religionswissenschaft in Frankfurt, Kassel und Berlin und war danach bis 2003 fester Mitarbeiter bei der Berliner Zeitung. Seit 2006 schreibt er für den Tagesspiegel und veröffentlichte Beiträge in mehreren Literaturzeitschriften. Darüber hinaus schrieb er einige Romane, für die er verschiedene Auszeichnungen erhielt. Der Autor lebt in Berlin-Kreuzberg.

In aufrichtigen, tief berührenden Worten beschreibt der Autor sein Verhältnis zum Vater und versucht dabei, seine Trauer um ihn zu bewältigen. Im Rückblick auf frühere Begebenheiten benutzt er seine eigenen Erinnerungen und greift auch auf Aufzeichnungen, Briefe und Tagebücher aus dem Nachlass des Vaters zurück. Dabei stellt sich heraus, dass die Beziehung zwischen Vater und Sohn in früheren Jahren, besonders seit der Trennung von der Mutter, nicht immer harmonisch war. Durch diese Art der Trauerbewältigung gelingt es Andreas Schäfer jedoch, die Gedanken an seinen Vater, den vom Krieg traumatisierten, den Vielreisenden, den nach Harmonie strebenden Mann, in geordnete Bahnen zu lenken und seinen Frieden zu finden.

Fazit: Ein Buch das es wert ist gelesen zu werden und das ich gerne weiter empfehle.

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Veröffentlicht am 07.07.2022

Die Vergangenheit aufarbeiten, um die Zukunft zu gestalten …

Die Ewigkeit ist ein guter Ort
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Elke, eine junge Pastorin, wohnt bei ihrem Freund Jan in Köln, wo sie ehrenamtlich den Seelsorge-Dienst im Seniorenheim übernommen hat. Als sie nun am Sterbebett einer alten Dame sitzt um mit ihr zu beten, ...

Elke, eine junge Pastorin, wohnt bei ihrem Freund Jan in Köln, wo sie ehrenamtlich den Seelsorge-Dienst im Seniorenheim übernommen hat. Als sie nun am Sterbebett einer alten Dame sitzt um mit ihr zu beten, hat sie plötzlich das Vaterunser vergessen – und nicht nur das, sondern alle Gebete und alles, was mit Gott zu tun hat. Eine Blockade, die für eine Theologin eine Katastrophe bedeutet. Um Klarheit in ihre Gedanken zu bringen und ihre Zukunft zu ordnen, reist sie zurück in ihre norddeutsche Heimat. Doch auch dort will sich die erlösende Befreiung nicht einstellen. Der vierte Platz am Tisch der Eltern ist leer, das Verhältnis zu ihrer und ihres Bruders früherer Freundin Eva ist gestört – und unten am See kommen die quälenden Gedanken über das damalige Unglück zurück. Doch Elke ahnt, dass sie sich der Vergangenheit stellen muss, um in der Gegenwart den Glauben an Gott wieder zu finden …

Die Autorin Tamar Noort wurde 1976 in Göttingen geboren und wuchs in den Niederlanden auf. Nach dem Studium von Kunst- und Naturwissenschaften absolvierte sie die Masterclass Non-Fiction an der Internationalen Filmschule in Köln und erstellt seit 2009 wissenschaftliche Dokumentationen für ZDF, Arte und 3sat. Für einen Auszug aus ihrem Debüt-Roman „Die Ewigkeit ist ein guter Ort“, der am 19.07.2022 erschienen ist, gewann sie bereits 2019 den Hamburger Literaturpreis. Tamar Noort lebt in der Nähe von Lüneburg.

„Gottdemenz“ nennt die Protagonistin ihre seltsame Störung. Die Autorin lässt diese als Ich-Erzählerin zu Wort kommen und berichten, sodass man als Leser ganz nahe am Geschehen ist. Allerdings dauerte es bei mir eine geraume Zeit, bis ich mich mit den Handlungen der Protagonistin anfreunden und diese auch verstehen konnte, zu seltsam kamen mir anfangs ihre Motivation und ihre Beweggründe vor. Doch dann entwickelte das Buch einen Sog, dem ich mich nicht mehr entziehen konnte. Ein großes Lob gebührt der Autorin dafür, dass sie, obwohl der Roman im kirchlichen bzw. religiösen Milieu handelt, den Fokus auf das weltliche Geschehen mit seinen mannigfachen Problemen gelegt hat. Das Buch kann somit bedenkenlos von jedem gelesen werden, ob Christ oder Atheist, es frömmelt nichts. Auch der Schluss befriedigt - die Vergangenheit ist geklärt, die Zukunft ist offen.

Fazit: Eine gut und fesselnd erzählte Geschichte über Verlust und Verlassen, Hoffnung und zu sich selbst finden. Meine Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 26.06.2022

Der lange Weg zur Selbstfindung

Was man sieht, wenn man über das Meer blickt
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Andrea Luna, 37jähriger Aushilfslehrer für Kunstgeschichte, ist schon länger mit seinem Leben unzufrieden. Als dann seine Frau noch eine Fehlgeburt erleidet und seine Ehe dadurch ein eine Krise gerät, ...

Andrea Luna, 37jähriger Aushilfslehrer für Kunstgeschichte, ist schon länger mit seinem Leben unzufrieden. Als dann seine Frau noch eine Fehlgeburt erleidet und seine Ehe dadurch ein eine Krise gerät, wird es noch schlimmer. Da trifft er zufällig einen alten Freund, mit dem er während des Studiums in New York die beste und glücklichste Zeit seines bisherigen Lebens verbracht hatte. Dieses Gefühl will er zurück haben und beschließt, nach New York zu fliegen. Dort angekommen ist er jedoch genau so unstet wie zuvor. Er versucht sich selbst und was er wirklich will zu verstehen und landet dabei im Metropolitan Museum, wo er seine Tage sinnierend vor einem Gemälde Rembrandts verbringt. Es stellt die Beziehung zwischen Vater und Sohn dar, ein Gefühl, das ihm vom Schicksal verwehrt wurde. So vergeht die Zeit und am Tag seines Rückflugs schafft er es mental nicht, in den Flieger zu steigen. Er lässt sein Ticket verfallen und ist nun ein Gestrandeter, ein Illegaler in den USA …

Der italienische Schriftsteller und Journalist Fabio Geda wurde 1972 in Turin geboren. Er arbeitete als Lehrer im sozialen Bereich und schrieb für Zeitungen, ehe er mit der Veröffentlichung seiner Romane „Im Meer schwimmen Krokodile“ und „Ein Sonntag mit Elena“ zum Bestsellerautor wurde. Fabio Geda lebt in Turin.

„Was man sieht, wenn man über das Meer blickt“ („Se la vita che salvi è la tua“) ist keine leichte Sommerlektüre, wie Titel und Cover evtl. vermuten lassen, sondern die Geschichte eines Mannes, der sich treiben lässt und seine innere Mitte noch nicht gefunden hat. Es ist eine Fülle an Gefühlen, die der Autor dem Protagonisten hier mitgegeben hat und die auf den Leser einstürzen. Andrea Luna handelt meist unüberlegt und impulsiv und ohne darüber nachzudenken, welche Folgen sein Handeln bei seinen Mitmenschen auslöst. Er macht Fehler, trifft falsche Entscheidungen und verletzt dabei unwissentlich die Gefühle derer, die ihn lieben und ihm zugetan sind und bringt dabei sich selbst in Gefahr.

Fabio Gedas Schreibstil ist sehr ausdrucksstark, dabei harmonisch und stimmungsvoll, die Themen sind sehr vielschichtig. In rascher Folge wechseln Tragik und Dramatik, Niedergeschlagenheit und Frustration mit humorvollen und versöhnlichen Szenen, sodass durchweg eine gewisse Spannung vorherrscht. Wir reisen mit Andrea Luna von Italien nach New York, erleben gefährliche Abenteuer in Mexiko, durchqueren die Wüste von Arizona und trampen quer durch die USA - um dann in New York vielleicht das Glück zu finden? Das Ende bleibt der Fantasie des Lesers überlassen.

Fazit: Ein einfühlsamer und außergewöhnlicher Roman über die Psyche eines Mannes in einer Lebenskrise, den ich mit Interesse gelesen habe und sehr gerne weiter empfehle.

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