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Veröffentlicht am 15.09.2016

Ein gefühlvoller Roman zwischen Schmerz und Freude, Krieg und Liebe.

Und sie werden nicht vergessen sein
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Die Handlung dieses Romans spielt zum größten Teil in Berlin und London. In Berlin im Jahr 1938 lernen wir Eva Löbel kennen. Eine lebenslustige junge Künstlerin, die eigentlich alles in ihrem Leben erreicht ...

Die Handlung dieses Romans spielt zum größten Teil in Berlin und London. In Berlin im Jahr 1938 lernen wir Eva Löbel kennen. Eine lebenslustige junge Künstlerin, die eigentlich alles in ihrem Leben erreicht hat, was sie sich wünscht. Sie hat einen tollen Beruf und ist liiert mit dem erfolgreichen Schauspieler Martin Serner. Sie hat wunderbare Freunde und mit Martin Serner zusammen eine kleine Tochter, Chaja. Alles scheint perfekt, bis ein Aspekt an ihrer Person an Bedeutung gewinnt, der für sie noch nie relevant war. Eva Löbel ist Jüdin.
In London treffen Leser, die bereits den Roman „Die Stadt der schweigenden Berge“ von Carmen Lobato gelesen haben, auf alte Bekannte. Amarna und Arman Artsruni sind verheiratet. Arman hat es als gefeierter Bildhauer zu einem gewissen Wohlstand gebracht. Amarna arbeitet als Kunsthistorikerin und führt ein warmes, offenes Heim, wo Freunde und Nachbarn stets willkommen sind. Das einzige was noch fehlt ist ein eigenes Kind.
Die beiden Erzählstränge finden eine Verbindung in jüdischen Kindern, die mit den Kindertransporten aus Berlin in London ein Heim gefunden haben.

Es fällt mir nicht leicht, meine Eindrücke und Gefühle, die ich bei der Lektüre dieses Buches durchlebt habe, in Worte zu fassen. Die einzelnen Schicksale sowohl der Hauptfiguren wie auch von Nebenfiguren sind sehr lebensnah erzählt und gehen einem richtig zu Herzen. Ich habe schon viele Bücher gelesen, die zur Zeit des Nationalsozialismus und des 2. Weltkrieges spielen und sie haben alle ihre Berechtigung und ihre Qualitäten. Mir ist es aber noch selten so ergangen wie mit diesem Buch, dessen Szenen teilweise so lebensnah präzise beschrieben sind, dass sich einem die beklemmende Stimmung in einem Luftschutzbunker während eines Bombenangriffs förmlich auf die Brust legt. Wie im Vorgängerband wird auch hier der Genozid am Armenischen Volk im Jahr 1914 thematisiert. Die schrecklichen Geschehnisse prägen sich einem tief ein, man sieht aber auch, dass es trotzdem ein Weiterleben gibt. Und das ist eine weitere Qualität des Romans. Carmen Lobato drückt eine wunderbare Trotzhaltung aus, gegenüber allem Schrecklichen, gegenüber Krieg, gegenüber Hitler, gegenüber Bombern.... Wir leben trotzdem und wir haben Spaß am Leben und der Liebe und wenn es etwas nicht mehr gibt, dann wird es halt „ersetzt“. Zu dieser Disziplin des Ersetzens hat die Autorin eine herrliche Nebenfigur geschaffen, Amarnas Nachbarin Doris Taylor, die unentwegt ihre Einmachgläser füllt, Kartoffeln in der Badewanne zieht und alle möglichen mangelnden Lebensmittel durch irgendwas anderes ersetzt.
Was mich am meisten beeindruckt hat, war die Art und Weise, wie in diesem Buch Kunstwerke statt in Stein geschlagen in Worte gegossen werden und trotzdem vor dem inneren Auge so genau erscheinen, als ob man sie im Museum gesehen hätte.
„Und sie werden nicht vergessen sein“ kann ohne Vorkenntnisse von „Die Stadt der schweigenden Berge“ gelesen werden. Alle Informationen, die zum Verständnis nötig sind, stehen im Buch, das mit einem informativen Glossar ausgestattet ist. Wenn man den Vorgängerband nicht kennt, ist man vielleicht anfangs mit der Person des Arman etwas überfordert, weil er wirklich einen sehr komplexen Charakter und eine prägende Vergangenheit hat. Aber es klärt sich im Laufe des Buches alles.

Sprachlich ist das Buch ein einziger Genuss, ganz in der Tradition der Bücher von Carmen Lobato, die auch als Charlotte Roth schon Bestseller gelandet hat.
Für mich ist dieses Buch ein absoluter Volltreffer!
Ein Kaleidoskop aus widersprüchlichsten Empfindungen, von menschlichem Leid, Lebensfreude, Ängsten, den Widerstand trotz allem zu leben, Kunstwerken, herrlich lieben lebensechten Charakteren... Ich kann es nur empfehlen zu lesen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Wiedersehen mit Waringham

Der Palast der Meere
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Mit dem 5. Band der Waringham-Saga, der zeitlich zwischen 1560 und 1588 situiert ist, führt uns Rebecca Gablé weit in die Zeit der Renaissance hinein. Bereits der 4. Band spielte nicht mehr im Mittelalter, ...

Mit dem 5. Band der Waringham-Saga, der zeitlich zwischen 1560 und 1588 situiert ist, führt uns Rebecca Gablé weit in die Zeit der Renaissance hinein. Bereits der 4. Band spielte nicht mehr im Mittelalter, aber erst in „Der Palast der Meere“ kommt das freiere Denken der Renaissance so richtig deutlich zum Tragen.
Eleanor of Waringham, die mit der Königin Elizabeth ihre Kindheit verbrachte, lebt als engste Vertraute der Königin am Hof. Als „Auge“ der Königin, wie die Spionin gerne genannt wird, ist sie stets über Intrigen und politische Schachzüge informiert.

Ihr Bruder Isaac of Waringham beschließt, dass ein beschauliches Leben auf dem Gestüt von Waringham nichts ist für ihn und er begibt sich als blinder Passagier auf ein Schiff, das Richtung Teneriffa unterwegs ist. Er verbringt eine harte Zeit als Sklave auf einer Zuckerrohrplantage bevor er sich zu einem richtigen Seebären mausert und als gefürchteter Freibeuter die Weltmeere besegelt und die Spanier bekämpft.

Lappidot, der jüngste Spross des Hauses Waringham erkrankt an den Pocken als er 6 Jahre alt ist und erblindet als Folge der Krankheit. Er verfügt über ein erstaunliches musikalisches Talent und wird von Königin Elizabeth an den Hof geholt, wo er in der königlichen Kapelle große Erfolge feiert.

Die Beschaulichkeit von Waringham, wie man es vor allem aus den ersten drei Bänden kennt und liebt, spielt in diesem Band keine so große Rolle. Die Handlung orientiert sich an Figuren aus der fiktiven Familie Waringham, findet aber zum Großteil bei Hofe, in London und in der Welt der Seefahrt statt.
Der Roman wird durch zwei Handlungsstränge dominiert. Einmal wird die Geschichte von Isaac erzählt. Dabei erfährt man viel über den Handel zwischen England und der Neuen Welt, aber auch vom Leben der Sklaven auf Zuckerrohrplantagen und der Entwicklung des Sklavenhandels.

In einem anderen Handlungsstrang, in dem Eleanor die Hauptfigur ist, sind wir in London am Puls der Politik. Eleanor verliebt sich in den König der Diebe und führt ein höchst spannendes Leben hart an der Grenze zwischen ihrem Dasein als treue Dienerin der Königin und der Illegalität der Londoner Unterwelt.

Mir hat dieser Roman sehr gut gefallen. Der historische Hintergrund ist sehr interessant dargestellt. Die Landschaften, der Prunk in den Schlössern, aber auch das Leben auf den Schiffen lädt zum Tagträumen ein. Besonders gut konnte ich eintauchen in die Abenteuer, die Isaac erlebte. Aber auch die Geschehnisse und Charaktere um Königin Elizabeth haben mich sehr gut unterhalten.
Von mir erhält dieser Roman eine Leseempfehlung mit 5 Sternen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Schöner Einstieg in eine Krankenhausserie

Die Nightingale-Schwestern
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Der Roman „Die Nightingale Schwestern – Freundinnen fürs Leben“ ist der Auftakt zu einer Serie, die im Umfeld des fiktiven Nightingale Lern-Krankenhaus im Londoner East End spielt.
Wir sind im Jahr 1934. ...

Der Roman „Die Nightingale Schwestern – Freundinnen fürs Leben“ ist der Auftakt zu einer Serie, die im Umfeld des fiktiven Nightingale Lern-Krankenhaus im Londoner East End spielt.
Wir sind im Jahr 1934. Die junge Dora Doyle ist überglücklich, als sie ein Angebot für eine Krankenschwesterausbildung am Nightingale Krankenhaus erhält. Dora stammt aus einfachen Arbeiterverhältnissen und lebt mit ihrer Familie im East End. Da sie für ihre Ausbildung ins Schwesternhaus des Krankenhauses ziehen muss, bedeutet die Ausbildung auch eine Möglichkeit, aus beengten Wohnverhältnissen und von ihrem Stiefvater, zu dem sie keine gute Beziehung hat, zu entkommen.
Ihr Zimmer im Krankenhaus teilt sie mit 2 anderen Lernschwestern mit völlig unterschiedlichem familiären Hintergrund. Helen ist eine sehr ernsthafte, strebsame junge Frau, die völlig unter der Kontrolle ihrer strengen Mutter steht. Amelia Benedict, Millie genannt ist die dritte im Bunde. Sie stammt aus einer sehr wohlhabenden Familie von altem Adel. Wenn es nach ihrer Großmutter ginge, müsste sie sich eher mit Heiratsplänen befassen als einen Beruf zu erlernen, bei dem man sich die Hände schmutzig macht. Doch Millie hat eine sehr starke Persönlichkeit und will unbedingt Krankenschwester werden.
Der Roman handelt viel vom Arbeiten auf den verschiedenen Stationen des Krankehauses, so dass man eine gute Vorstellung gewinnt von der Situation der jungen Lernschwestern und deren Eingliederung in die Krankenhaushierarchie. Daneben geht die Autorin auch ausführlich auf das Familienleben der Hauptfiguren ein, sodass man Einblicke gewinnt über die verschiedenen Klassen der Bevölkerung in den dreißiger Jahren.
Ich habe dieses Buch sehr gerne gelesen. Für mich vereint es etwas vom East End Hinterhofcharme aus „Call the Midwife“ mit den Erb- und Heiratsproblemen der Oberschicht aus „Downton Abbey“. Ich könnte mir gut vorstellen, dass man auf der Grundlage dieses leicht zu lesenden Buches eine schöne Fernsehserie drehen könnte. Ich würde sowas auf jeden Fall gerne sehen. Einen ganz kleinen Abzug gibt es von mir, weil ich gerne noch etwas mehr von den Arbeiten und den medizinischen Behandlungen der Krankenschwestern gelesen hätte. Ich vergebe 4,5 Sterne.

Veröffentlicht am 16.02.2024

Das Leben geht weiter

Kinderklinik Weißensee – Geteilte Träume (Die Kinderärztin 4)
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Ich habe die ersten drei Bände der Serie mit großem Interesse verfolgt. Die beiden Schwestern Marlene und Emma führen ein unterschiedliches Leben, beide sind aber eng verbunden mit der Kinderklinik Weißensee, ...

Ich habe die ersten drei Bände der Serie mit großem Interesse verfolgt. Die beiden Schwestern Marlene und Emma führen ein unterschiedliches Leben, beide sind aber eng verbunden mit der Kinderklinik Weißensee, wo sie ihre Ausbildung gemacht haben. Marlene ist inzwischen Ärztin und Emma Pflegedienstleiterin.
Der vierte Teil, der meiner Meinung nach den sehr passenden Titel “Geteilte Träume” trägt, spielt in den Jahren 1948 bis 1950. Der zweite Weltkrieg ist vorbei. Berlin ist in Sektoren aufgeteilt. Gleich zu Beginn muss Marlene mit Maximilian aus dem sowjetischen Sektor fliehen, weil man ihnen Kollaboration mit den Nationalsozialisten unterstellt. Fortan leben die beiden Schwestern in der gleichen Stadt und dennoch in zwei komplett verschiedenen Welten. Die Autorin versteht es, die Spaltung Deutschlands anhand der Familien um Marlene und Emma sehr anschaulich darzustellen.
In den Jahren 1947/48 grassiert eine Polioepidemie. Die Abschnitte, die über den Umgang mit den erkrankten Kindern handeln, habe ich sehr gerne gelesen. Was für ein Segen, dass wir heutzutage eine Impfung haben, die die Kinder vor diesem Schicksalsschlag bewahren.
Was mir in diesem Band nicht so gut gefallen hat, ist die Entwicklung von Emma und Marlene. Sie sind inzwischen in den Fünfzigern, aber leider vermisse ich jegliche Reife. Sie agieren, wie wenn sie noch Mitte zwanzig wären. Auch Lissi, Emmas Tochter, erscheint mir wie ein Teenager. Das hat für mich die Glaubwürdigkeit an diesem Band etwas beeinträchtigt.
Auch wenn es für mich etwas zu sehr um Herz-Schmerz ging, ist das Buch ein guter Abschluss der Serie. Von mir erhält es eine Leseempfehlung mit 4 Sternen.

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Veröffentlicht am 12.09.2023

Eine Lüge mit langen Beinen

Verlogen
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„Verlogen“ ist der zweite Band einer Serie der Autorin Eva Björg AEgisdottir. Er wird in drei Handlungssträngen erzählt, die sich immer abwechseln, was die Spannung durchgehend hoch hält. Wir sind einmal ...

„Verlogen“ ist der zweite Band einer Serie der Autorin Eva Björg AEgisdottir. Er wird in drei Handlungssträngen erzählt, die sich immer abwechseln, was die Spannung durchgehend hoch hält. Wir sind einmal bei einer jungen Mutter mit Schwierigkeiten, eine Beziehung zu ihrer kleinen Tochter aufzubauen. Die Mutter lebt mit ihrer Tochter in einer Wohnung und hat zwischendurch Beziehungen zu Männern.
In der Haupthandlung ermittelt die Kriminalpolizistin Esma mit ihrem Kollegen Saevar an einem Fall. Die Leiche einer Frau wird in einer Höhle in einem Lavafeld gefunden. Es stellt sich heraus, dass es sich um die vermisste Marianna handelt, einer alleinerziehenden Mutter, die eine Tochter, Hekla zurücklässt.
Eine dritte Perspektive wird aus der Sicht der jungen Hekla erzählt. Da ihre Mutter persönliche Schwierigkeiten hatte, verbringt Hekla jedes zweite Wochenende bei einer Pflegefamilie.
Ich hatte die ersten 100 Seiten etwas Schwierigkeiten in die Geschichte reinzufinden. Das Personenverzeichnis hinten, hat mir dabei etwas geholfen. Die Abschnitte, wo es um die polizeilichen Ermittlungen geht, haben mir sehr gut gefallen. Die Abschnitte in der Mutter-Tochter Konstellation fand ich etwas anstrengend. Die zweite Hälfte nimmt dann deutlich an Fahrt auf und der Krimi entwickelt sich in eine unerwartete Richtung.
Ich habe den Krimi in der Printversion gelesen. Das Buch ist sehr schön gestaltet mit einem für Island stimmungsvollen Cover und sehr schönen farbigen Landkarten von Island in den Klappen, auf denen man die Handlung sehr schön nachvollziehen kann.
Ich empfehle dieses Buch Island-Liebhabern von ruhigeren und atmosphärisch dichten Krimis.
Ich vergebe 4 Sterne.

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