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Veröffentlicht am 02.09.2022

Auftakt am Puls der Zeit

Stille blutet
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„Stille blutet“ von Ursula Poznanski sowie „Blutige Stufen“ von Chris Carter: ähnliche Titel, ähnlicher Inhalt. Es war eher zufällig, dass ich die beiden nahezu parallel konsumiert (eins via Hörbuch und ...

„Stille blutet“ von Ursula Poznanski sowie „Blutige Stufen“ von Chris Carter: ähnliche Titel, ähnlicher Inhalt. Es war eher zufällig, dass ich die beiden nahezu parallel konsumiert (eins via Hörbuch und das andere gedruckt) habe, aber irgendwie machte es auch genau Sinn, wo ich sie nun beide beendet habe. Denn trotz eines gleichen inhaltlichen Schwerpunkts, war es doch auch fasziniert, welche unterschiedlichen Geschichten sich daraus entwickeln können und dass man so die jeweiligen Vor- und Nachteile noch besser ins Auge fassen kann. Diese Rezension zu „Stille blutet“ soll nun aber kein Vergleich werden, aber es war dennoch mal ganz interessant, solche Parallelen direkt hintereinander wegzulesen.

Ich habe „Stille blutet“ als Hörbuch zwischen gehabt und war mit der Stimme von Julia Nachtmann wirklich sehr zufrieden, da sie vor allem zu Hauptfigur Fina Plank sehr gut passte. Aber auch die anderen Stimmfarben hat die Sprecherin mit Überzeugung rübergebracht, weswegen es wirklich ein gutes Gleiten durch die einzelnen Kapitel war. Dennoch war ich dann über die Stimme aus dem Off erst etwas erschrocken, weil sie relativ ‚spät‘ das erste Mal auftaucht und damit echt eine Überraschung war, die mein Herz erstmal ins Stolpern gebracht hat. Für ein Hörbuch im Bereich Thriller natürlich ein echt gutes Gimmick. Obwohl die Inhalte wahrlich nicht alle schaurig waren, die die Stimme von sich gegeben hat, sondern fast schon philosophisch, war es durch diese veränderte Stimme aber definitiv etwas für eine Gänsehaut. Genialer Kniff hier.

Nun zum Inhalt: auch wenn ich wahrlich keine Poznanski-Expertin bin, weil ich bislang von ihr nur „Erebos“ und „Erebos 2“ gelesen habe, so erkennt man vor allem in der Thematik doch ganz klar ihren Stil heraus. Denn die Art und Weise, wie die Opfer ihre eigenen Ermordungen ankündigen und wie schließlich der unschuldige Tibor immer mehr als Täter inszeniert wird und nur hilflos zugucken kann, wie öffentlichen Maschinerien gegen ihn arbeiten, das ist ihre typische Betrachtung von Öffentlichkeit, wie leicht Menschen manipulierbar sind und wie weit andere zu gehen bereit sind. Dazu hat Poznanski aber auch noch andere gesellschaftskritische Themen untergebracht und das hier innerhalb der Wiener ‚Mordgruppe‘, denn Fina hat als Frau und dazu auch etwas übergewichtig ganz ordentlich unter Vorurteilen zu leiden. Diese Mischung hat mir auf jeden Fall schon einmal gefallen, weil die Kritik an Realität und Inszenierung und wie fließend die Grenzen oft sind, das ist ein spannendes Thema, aber eben auch Sexismus ist eine Debatte, die niemals alt werden wird, wenn sich nichts ändert.

Bei Fina merkt man noch deutlich, dass sie in dieser Reihe noch wird wachsen müssen. Die Sympathien sind definitiv mit ihr, weil man auch merkt, dass sie eine wirklich gute Ermittlerin ist, die neben den Beweisen auch ihrem inneren Gespür führt, aber dennoch ist sie auch noch nicht so selbstbewusst, dass sie sich gegen Chef Oliver entschieden wehren konnte. Sie muss also ganz klar durch die Arbeit überzeugen und das ist hier schon auf dem richtigen Weg. Ich kann mir jedenfalls schon jetzt richtig vorstellen, wie sie innerhalb der Reihe immer weiter reifen wird. Spannend ist natürlich auch, dass die Stimme aus dem Off der Reihe erhalten bleibt. Man ahnt noch gar nicht, was es damit auf sich hat, aber es ist ein prickelnder Gedanke, dass es sich möglicherweise über die ganze Thrillerreihe zieht und damit ein langfristiger Plan verfolgt wird. Und es scheint eben auch eine Verbindung zu Fina zu geben, was dann doppelt vielversprechend ist.

Neben der Ermittlungsgruppe ist ein großer Faktor eben auch Tibor gewesen, der zu den Ermittlungen fast genauso viel beiträgt, nur eben aus einer anderen Motivation heraus, denn es soll ihm an den Kragen gehen. Ich fand ihn als wichtige Perspektive des ersten Bandes gut, denn man wusste ja, er ist es nicht, obwohl sich die Beweislast gegen ihn immer mehr anhäufte und das war ein vielversprechender Gegensatz, weswegen man seine zunehmende Verzweiflung sehr gut nachvollziehen konnte. Die eigentliche Täterschaft war sicherlich überraschend und hatte definitiv sehr interessante Ansätze, aber am Ende wurde Tibors Opferrolle doch etwas zu leicht aufgelöst, gerade weil der Job so gut gemacht worden war, ihn wie den Täter aussehen zu lassen. Dennoch war es sicherlich mutig für den ersten Fall und eben auch gut strukturiert. Das sah ich alles nicht so kommen.

Fazit: Die neue Thrillerreihe von Ursula Poznanski, die mit „Stille blutet“ losgeht, legt einen vielversprechenden Start hin, denn die Themen sind aktuell und entsprechen ganz ihrer Stilistik. Zudem ist Fina eine Ermittlerin mit großem Potenzial. Auch jemanden im Hintergrund werkeln zu lassen, der wohl der ganzen Reihe erhalten bleiben wird, funktioniert hier schon gut und wird sicherlich auch weiterhin Spannung garantieren. Am Ende war es vielleicht alles ein bisschen schnell gelöst, aber dennoch ein sehr gut konstruierter Fall.

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Veröffentlicht am 01.09.2022

Voll auf die 12?!

Blutige Stufen (Ein Hunter-und-Garcia-Thriller 12)
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Wow, schon der zwölfte Band von Chris Carter zu Robert Hunter, das ist wirklich ein sehr beeindruckender Zeitraum, wie lange mich diese Thrillerreihe nun schon begleitet und es ist für mich auch wirklich ...

Wow, schon der zwölfte Band von Chris Carter zu Robert Hunter, das ist wirklich ein sehr beeindruckender Zeitraum, wie lange mich diese Thrillerreihe nun schon begleitet und es ist für mich auch wirklich die beständigste. Ich bin zwar auch bei anderen Krimi- oder Thrillerautoren eine treue Seele, aber hänge dennoch immer etwas nach. Carter ist aber immer sofort ein Muss, denn er schreibt einfach so, dass man flott durch ist und das ist einfach auch mal ein Geschenk. Auch wenn die letzten Bände mich aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr so überzeugt haben, so würde ich Carter wohl nie im Stich lassen. Wie ist also Band 12, „Blutige Stufen“?

Kommen wir erst zum üblichen Augenverdreher. Ich finde es schade, dass weiterhin immer sprachlich betont werden muss, wie die Fälle immer nur noch brutaler sind. Empfindet Carter das wirklich so? Oder ist es schon ein Scherz, bei dem ich nur noch nicht mitbekommen habe, dass er in der Fangemeinschaft schon ein Muss ist? Ich habe über die zwölf Bände verteilt jedenfalls schon sehr viel Schlimmes zu lesen bekommen. Wir haben sehr unterschiedliche Tätertypen kennengelernt, aber immer sind Menschen auf brutale Weise ums Leben gekommen und wie man da noch unterscheiden will, was brutaler war, also ich weiß nicht… Vor allem finde ich es gerade in diesem Band sehr unpassend, denn letztlich haben wir ein Täterprofil, bei dem es weniger um Brutalität ging, so zumindest meine Einschätzung. Denn es ging eben nicht um absurde Tätertriebe, sondern um Worte, die einfach nur exakt nachgestellt wurden. Da wird das Wort ‚brutal‘ dann doch sehr relativ.

Aber nach dieser wiederholenden Generalkritik kommen wir zum Buch an sich. Schon bei Band 11, „Bluthölle“, hatte ich den Eindruck, dass es mehr zu den Wurzeln zurückgeht und das ist auch hier der Fall. Wir erleben wirklich sehr viel klassische Polizeiarbeit. Die obligatorischen Gespräche mit Captain Blake im Büro sind etabliert, aber ansonsten waren die beiden viel unterwegs, immer in Befragungen, immer in Nachforschungen und eben bei der Tatortbegehung. Auch die Erzählweise war ganz geschickt gemacht, denn zunächst erleben wir immer nur kurz ein Opferkapitel, später erleben wir ein Opferkapitel noch vor der Tat zusätzlich, dann taucht auch was zum Täter auf. Folglich steigerte es sich immer mehr, es wurde immer dichter und auch wenn es für mich kein Thriller zum Mitraten war, weil doch alles sehr gut verschleiert erzählt worden ist, ist so der Puls gleich in die Höhe gegangen, denn man hat gemerkt, jetzt gleich der erste entscheidende Zipfel da. Wie immer war die Spannung stetig vorhanden und die Kapitel sind auch in sich nach wie vor fesselnd und antreibend geschrieben. Dazu kommen eben doch ein paar Fragen, die für uns Leser gestreut wurden, aber es ging weniger darum: wer war es, sondern wie hängen die Opfer zusammen?

Mit diesem etwas veränderten Schwerpunkt war die Enthüllung hinterher natürlich eine große Überraschung, aber auch eine schlüssige? Den Fall an sich finde ich tip, top konstruiert, denn am Ende führte eins zum anderen und ich habe auch keine logischen Fehler gefunden. Wirklich bis zum Schluss waren auch noch kleine Wendungen drin, was eben echt eine gewisse Kunst ist. Aber passt die Tat zum letztlich Täter? Ich glaube, dass es innerhalb der zwölf Bände mit einer der menschlichsten Täter war, was ich insofern schon sehr spannend fand, weil so Hunters psychologischen Fähigkeiten noch besser zur Geltung kommen konnten und weil ich auch bei mir als Leserin Verständnis finden konnte. Dennoch wird hier eben zum Problem, dass vorher wie immer betont werden musste, wie brutal die Tatorte doch waren. Und auch wenn meine Vorstellungskraft leider weiterhin zu wünschen übrig lässt, so entstehen selbst bei mir gewisse Bilder und ich habe mich die ganze Zeit gefragt: wie kann das sein? Wie konnte der letzte Schritt hin zu solchen Morden vollzogen werden? Diese Fragen lässt der Thriller hier unbeantwortet und das ist diesmal der qualitative Abstrich.

Fazit: „Blutige Stufen“ ist für mich ein sehr solider Thriller, den ich besonders gut geheißen habe, weil die letzten Bände für mich kleinere qualitative Dämpfer waren. Hier wird aber ein spannender Fall geboten, der auch über die Erzählweise genau den richtigen Aufbau hat. Die ganze Auflösung fand ich auch sehr spannend, nur zum Täter bleibt für mich einiges noch offen und ob es wirklich das richtige Täterprofil für diese spezielle Mordserie war, aber das sind nur so kleine Fragezeichen am Ende gewesen, die das davor nicht entscheidend schmälern können.

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Veröffentlicht am 05.08.2022

Kehrt wieder mehr zu den innigen Wurzeln zurück

Bridgerton - Ein hinreißend verruchter Gentleman
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Band 6 der Bridgerton-Saga von Julia Quinn war für mich als Leserin der bislang größte Angang, auch wenn das bei einer Reihe seltsam formuliert klingt, denn ich hätte den Band schließlich so oder so gelesen. ...

Band 6 der Bridgerton-Saga von Julia Quinn war für mich als Leserin der bislang größte Angang, auch wenn das bei einer Reihe seltsam formuliert klingt, denn ich hätte den Band schließlich so oder so gelesen. Aber als jemand, der die Reihe erst durch die Netflix-Adaption kennengelernt und sich dann auch auf die Bücher eingelassen hat, ist Francesca bislang noch nicht die Figur gewesen, die einen bahnbrechenden Eindruck hinterlassen hat. In der Serie ist sie in den bislang veröffentlichten zwei Staffeln auch wegen Terminschwierigkeiten sehr selten zu sehen gewesen und erst für Staffel 3 kommt nun ein etwas älterer Recast. Aber auch in der Buchreihe war sie bislang nicht die Figur, die wirklich in Erscheinung getreten ist, da ist es doch eher Hyacinth, die als Nesthäkchen mit ihrer großen Klappe in Erinnerung bleibt. Zudem ist auch der männliche Protagonist, Michael, bislang eine völlig unbekannte Figur, was dementsprechend aus „Ein hinreißend verruchter Gentleman“ ein kleines Überraschungspaket gemacht hat.

Was mir von Anfang an gefallen hat, dass der sechste Band auch um eine neue Geschichte bemüht ist. Das habe ich zuvor schon angesprochen, dass aufgrund der sehr viel strengeren gesellschaftlichen Konventionen im frühen 19. Jahrhundert die Möglichkeiten nicht so groß sind, außer dass es gleich skandalös geworden wäre. Das hat die Reihe zwar auch in Kauf genommen, aber es ist eben nicht unendlich viel möglich. Demnach ist eine verwitwete Frau durchaus ein Aspekt, der etwas Interessantes mit sich bringt. Es war auch gut, dass das Buch zu einem Zeitpunkt ansetzt, als Francesca noch in erster Ehe verheiratet ist, um sie so als sehr junge Frau kennenzulernen und so auch ein Gespür für ihren ersten Mann zu bekommen. Zwar ist vieles vom Anfang aus Michaels Sicht erzählt, um seine unglückliche Verliebtheit in die Frau seines Cousins zu unterstreichen, und doch bekommt man einen Eindruck von dieser innigen Liebe. Aber auch Francescas Profil wird schnell geschärft und es passt zu dem bisherigen Eindruck. Sie ist zwar keine schüchterne Person, aber sie ist sehr bedacht auf ihre Unabhängigkeit. Auch wenn sie ihre große Familie liebt, so ist sie auch froh, wenn sie ihre Ruhe hat und ihren eigenen Weg gehen kann. Diese Merkmale merkt man ihr wirklich gut an und gerade dann nach Johns Tod, als Michael als neuer Lord erstmal Indien bereist und sie als Witwe sich um alles kümmert, zeigt sich auch ihre Selbständigkeit und ihr Wille, für sich selbst zu stehen. Was in der Serienversion bislang vor allem durch Eloise verkörpert wird, scheint in der Buchreihe Francesca zu sein und das hat mir wirklich gut gefallen.

Etwas unglücklich finde ich dagegen die zeitliche Einordnung des Bandes, denn sowohl die ersten Kapitel, als Francesca noch jung mit John verheiratet ist, aber auch nach dem Zeitsprung befinden wir uns parallel zu den Entwicklungen der Bände rund um Eloise und Penelope und Colin. Damit ist klar, dass Lady Whistledown zu dem Zeitpunkt noch aktiv ist, weswegen ich es schade finde, dass auf sie nicht gesetzt wurde. Selbst wenn man aufgrund der Reihenfolge der Bücher inzwischen weiß, wer sich hinter dem Alias verbirgt, so hätte es von der Nutzung ihrer Kommentare sicherlich nichts ans Charme weggenommen. Stattdessen wird auf Briefausschnitte von Michael und Francesca gesetzt, die ich persönlich aber wahrlich nicht so unterhaltsam fand. Zwar ist das Geschehen zwischen Michael und Francesca weit ab von gesellschaftlichen Veranstaltungen und viel hätte Lady Whistledown also nicht spitzfündig beisteuern können und doch ist es seltsam, dass sie nicht mal namentlich erwähnt wird. In dem Sinne ist es von Quinn einfach etwas inkonsequent.

Aber zurück zur eigentlichen Liebesgeschichte, die durch den Zeitsprung einen angemessenen Abstand bekommt, wo man versteht, dass sich Francesca wieder auf den Heiratsmarkt stürzen will. Aber es geht ihr weniger um den Mann als vielmehr um eigene Kinder und das ist sicherlich auch der Aufhänger, warum es dann mit Michael so schwierig wird, denn im Geiste hat sich bei Francesca einfach festgesetzt, dass John ihre große Liebe ist und sie sich auf einen angenehmen Mann einlässt, der ihn aber nie ersetzen wird. Michael war aber schon eine enorm wichtige Person für sie, bevor John gestorben ist, was alles durchkreuzt. Ich fand das Hin und Her zwischen den beiden dementsprechend sehr nachvollziehbar, weil sie auch beide ihren Grund hatten, sich zuerst zurückzunehmen und erst unterschwellig eifersüchtig zu reagieren, bis es dann eben immer intensiver wird und zu der langen Episode beim schottischen Landsitz führt. Auch wenn Michael bei mir als Figur keinen besonders bleibenden Eindruck hinterlassen hat und definitiv hinter Francesca für mich zurücksteht und es auch wieder Passagen in dem Buch gibt, die ich etwas seltsam finde, aber was für die Reihe fast schon typisch ist, so ist es doch eine Liebesgeschichte, die mir wieder besser gefallen hat als die zuvor, denn sie war insgesamt intimer von der ganzen Atmosphäre her, die Charakterarbeit war gut und die inneren Prozesse sowie auch das unerwartete Thema Unfruchtbarkeit waren gut dargestellt.

Fazit: „Ein hinreißend verruchter Gentleman“ bringt Francesca das große Glück, die bislang doch eine große Unbekannte war. Aber sie hat sich für mich als positive Überraschung entpuppt und ich habe ihre Geschichte gerne verfolgt. Insgesamt wirklich eine solide Unterhaltung wieder, die sich wieder mehr auf das Zentrale besinnt und einfach eine schöne und für die Reihe anders gestaltete Liebesgeschichte.

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Veröffentlicht am 27.07.2022

Wichtiges Thema mit kleineren Schwächen

Alles, was du von mir weißt (Alles-Trilogie, Band 2)
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Ich finde es gut, dass auch Kyra Groh mit ihrem Stil nun dem New Adult-Genre als Autorin beigetreten ist und dieses mit wichtigen Themen aber auch ihrem unverwechselbaren Humor anreichert. Auf Band 2, ...

Ich finde es gut, dass auch Kyra Groh mit ihrem Stil nun dem New Adult-Genre als Autorin beigetreten ist und dieses mit wichtigen Themen aber auch ihrem unverwechselbaren Humor anreichert. Auf Band 2, „Alles, was du von mir weißt“, habe ich dabei besonders gefreut, denn es ist doch leider immer noch viel zu selten, wenn die Protagonistin oder auch der Protagonist übergewichtig ist. Es gab zwar schon Versuche, aber so richtig überzeugt hat mich in dieser Richtung wenig. Deswegen war ich hier bei Polly sehr gespannt, denn sie ist uns in Band 1 als sehr selbstbewusst und als ein gewisses Großmaul vorgestellt worden, weswegen ich gespannt war, wie wir alles durch ihre Perspektive wahrnehmen werden und was dann thematisch hängen bleibt.

Zunächst kann ich sagen, dass die Darstellung der übergewichtigen Polly durchaus sehr gut gelungen ist. Man hat deutlich gemerkt, dass sie mit sich eigentlich völlig im Reinen ist, dass sie aber auch nicht ewig mit ihrer humorvollen Mauer gegen die Spitzen ihrer Mutter und gegen Außenstehende vorgehen kann. So ist Polly trotz ihrer ersehnten Selbständigkeit in Köln in einen Strudel geraten, den es kaum noch aufzuhalten möglich war, denn sie hat das Denken übernommen und es sogar im Vorfeld gedacht, um sich im Grunde in einem Worst-Case-Szenario selbst zu schützen. Ich kenne solche Prozesse wirklich gut, weswegen mir einige Szenen auch wirklich weh getan haben, weil ich sie vielleicht so oder so ähnlich auch schon erlebt habe. Ich fand es auch gut, dass Pollys Selbstbewusstsein irgendwann auch nicht mehr funktionierte und sie nur noch wie ein Fisch den Mund auf- und zumachen konnte, denn das hat es sehr, sehr realistisch gemacht. Dennoch war es mit Polly auch anstrengend, denn manchmal waren diese düsteren Gedanken dann zu viel, ihr Schutz-Humor zu bissig und es blieb nur noch wenig Raum für kleine glückliche Momente.

Ein Problem durch diese Sichtweise auf Polly war auch – und das war schon meine Kritik im ersten Band bezogen auf Fynn – dass Jonas kaum Persönlichkeit entwickeln durfte. Und da wären wir dann auch wieder beim Knackpunkt, dass die Liebesgeschichte für mich leider etwas blass gewesen ist. Das, was geboten wurde, war nett und vielversprechend, aber ich glaube, dass wir mit einer intensiveren Betrachtung von Jonas und seiner Gefühlswelt noch viel mehr hätten erreichen können. Denn man hat als LeserIn ja immer gemerkt, dass etwas bei ihm los ist, aber Polly war so mit sich selbst beschäftigt, dass es immer wieder aufgeschoben wurde. Ich weiß nicht, ob Groh es hier als Überraschungseffekt geplant hat, dass Jonas selbst unter einem toxischen Selbstbild leidet, aber für mich war es das wert, dass es ebenfalls intensiv hätte beleuchtet werden müssen. Dann hätten wir zu Polly und Jonas ein gleichermaßen intensives Bild gehabt und schon wäre ihre gemeinsame Geschichte eine andere gewesen. So ist es einfach etwas schade, weil die Ansätze alle wunderbar sind, aber die letzten 15 % fehlen.

Fazit: Kyra Groh hat in „Alles, was du von mir weißt“ sehr, sehr gute Ansätze, denn ich habe mich oft genug selbst wiedererkannt und es tat auch weh, die eigenen Erlebnisse so schonungslos ehrlich verarbeitet zu sehen. Dennoch fehlt auch etwas, weil gerade Jonas als Gegenpart zu uneigenständig als Figur blieb, weswegen die Liebesgeschichte noch den besonderen Faktor mehr verpasst hat. Dennoch gibt es definitiv eine Leseempfehlung, weil es viel zu wenig thematische Auseinandersetzung mit Übergewicht bei New Adult gibt.

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Veröffentlicht am 20.07.2022

Mehr von diesen Geschichten

Was niemand von uns weiß - Burlington University
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Von Sarina Bowen hat mich nach True North keine Reihe mehr so durchgängig berührt. Größere Probleme hatte ich auch mit Ivy Years-Reihe sowie mit den Brooklyn Years, es gab immer die Highlight-Bände, aber ...

Von Sarina Bowen hat mich nach True North keine Reihe mehr so durchgängig berührt. Größere Probleme hatte ich auch mit Ivy Years-Reihe sowie mit den Brooklyn Years, es gab immer die Highlight-Bände, aber ansonsten waren die Schwächen für mich oft zu deutlich. Bei der Reihe an der Burlington University wiederum war ich etwas besorgt, dass wir im Alter wieder etwas zurückgehen, weil Bowen auch gerade bei den intimen Szenen eine eher ‚versautere‘ Gangart bevorzugt, die ich dann eher bei älteren Figuren deutlich passender finde. Der erste Band war dann leider auch sehr oberflächlich, der zweite war aber schon deutlich besser, weil auch wieder genau das Maß an persönlichem Drama geboten wurde, was ich bei Bowen liebe und was sie definitiv immer drauf hat. Beim dritten Band nun wiederum fragt man sich, warum es überhaupt unter Burlington University läuft, da es erst ganz am Ende an die Uni geht, aber sei es drum, denn es war zum Glück wieder ein gutes Buch der Reihe.

Ich finde es löblich, dass sich etablierte NA-Autorinnen inzwischen auch immer mehr homosexuellen Liebesgeschichten in ihren Reihen widmen. Während das für die einen vielleicht ein Diskussionspotenzial ist, ob nur die diverse Liebesgeschichten erzählen sollten, die sich auch selbst der LGBTQ+ Community zugehörig fühlen, sehe ich das stellvertretend für die anderen etwas entspannter, denn zum einen hat es der Buchmarkt – auch international – nicht zugelassen und zum anderen haben möglicherweise deswegen genau die entsprechenden Autorinnen deswegen jahrelang nur strikt heterosexuelle Liebesgeschichten erzählt und höchstens im Nebenplot gleichgeschlechtliche Liebe eingebaut. Aber im Grunde ist all das völlig egal, es ist wichtig, dass wir in allen Ländern viel mehr damit konfrontiert werden, denn Liebe ist Liebe und jede Möglichkeit, diese Botschaft in die Welt hinauszutragen, sollte gerne gesehen sein. Gerade in diese Reihe passt es sehr gut hinein, denn das Geschehen spielt sich im ländlichen Vermont ab, wo die Vorurteile definitiv viel größer sind als in Großstädten wie New York, Los Angeles oder hierzulande Berlin und da ist es gut möglich, den Finger in die Wunde zu legen.

Mit Roderick und Kieran haben wir zwei Figuren, die zwar von der Karriere, dem Alter und anderen oberflächlichen Faktoren her an einem ganz ähnlichen Punkt in ihrem Leben zu sein scheinen, aber gerade was ihre Sexualität und dem Platz im Leben finden, sind sie an völlig verschiedenen Stellen und das macht sie in der Kombination natürlich reizvoll, weil sie sich so gegenseitig beistehen und sich herausfordern können. Mit Kieran konnte ich als Figur mehr anfangen, denn auch abseits seiner anfänglichen Weigerung, sich zu outen konnte ich seine ganzen Sorgen um die Familie, die Verantwortung für den Betrieb und dabei sich selbst irgendwie treu zu bleiben, sehr gut nachvollziehen. Spätestens als spät herauskommt, was er immer mit sich geschleppt hat, erklärt er sich noch besser, aber auch so fand ich ihn gut von Bowen gezeichnet. Er ist damit zwar kein Charmebolzen, weil er sehr zurückhaltend ist und generell immer andere die Führung in die Hand nehmen müssen, aber er ist so wenigstens authentisch. Roderick dagegen ist laut, frech, aber so liebesdürftig, dass er sich oft in gefährliche Abhängigkeiten begibt. Ich fand es gut, dass er so im Einklang mit seiner Sexualität aber auch so einen Unsicherheitsfaktor bekommen hat, denn so war eben das Gleichgewicht hergestellt.

Ich mochte die beiden zusammen auch sehr gerne, auch weil durch die gemeinsame Geschichte in der Schule die sexuelle Anziehung von Anfang an als gegeben da war und sich das ganz langsam steigern konnte. Auch dass Kieran zunächst alles abgeblockt hat, um dann nach und nach sich zu öffnen, auch weil er einfach ein guter Mensch ist, hat gut gepasst. Bei Roderick fand ich die Gedankengänge zwischendurch etwas herausfordernd. Dass er sich nach Kierans offensichtlicher Weigerung mit dem Coming-Out zurückgezogen hat, das war einwandfrei verständlich, weil das genau die Selbstachtung war, die ihm gut gestanden hat, aber dazwischen war er für mich nicht immer klar zu verstehen. Insgesamt hatte ich auch eher den Eindruck, dass es eher Kierans Geschichte war. Wir hatten bei Roderick zwar auch die Eltern und den Ex-Freund, aber die Themen sind nicht besonders intensiviert worden. Es mag daran liegen, dass Kieran der Shipley ist, aber es war dennoch auffällig. Es ist im Grunde auch nicht völlig schlimm, aber vielleicht ist das auch der Grund, dass es mit Roderick etwas schwieriger mit dem Verständnis war. Da es möglicherweise nun tatsächlich der letzte Ausflug in die Welt von Vermont ist, kann ich auch sagen, dass es ein runder Abschluss ist. Wir sind wieder sehr, sehr vielen Figuren aus der geliebten Reihe begegnet und es ist immer wie nach Hause kommen und das gelingt Bowen wirklich immer gut.

Fazit: Der (wohl vorläufige) Abschied aus True North und Burlington University ist noch einmal gut gelungen, weil die gleichgeschlechtliche Liebesgeschichte zwischen Kieran und Roderick charakterlich individuell aber auch mit ihnen zusammen zu überzeugen weiß. Wichtige Themen werden angesprochen und ich habe dem gerne beigewohnt. Generell mehr davon in der Buchwelt!

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