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Veröffentlicht am 22.11.2022

Wie lebt es sich mit lebenslangen Schuldgefühlen?

Als die Welt zerbrach
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“Als die Welt zerbrach“ ist die Fortsetzung von John Boynes berühmtem Roman “Der Junge mit dem gesteiften Pyjama“ aus dem Jahr 2006, den man kennen sollte, denn der Autor bezieht sich hier immer wieder ...


“Als die Welt zerbrach“ ist die Fortsetzung von John Boynes berühmtem Roman “Der Junge mit dem gesteiften Pyjama“ aus dem Jahr 2006, den man kennen sollte, denn der Autor bezieht sich hier immer wieder auf Personen und Episoden aus dem Vorgänger. Im neuen Roman steht nicht der Bruder, sondern seine Schwester Gretel im Mittelpunkt. Sie ist inzwischen knapp 92 Jahre alt und lebt seit Jahrzehnten in ihrer Wohnung im vornehmen Londoner Viertel Mayfair. Nach dem Krieg floh sie mit ihrer Mutter von Polen nach Frankreich, wo sie schnell enttarnt wurden und in eine gefährliche Situation gerieten. Gretel lebte danach kurze Zeit in Australien, später dann dauerhaft in London, wo sie den Historiker Edgar Fernby heiratete und einen Sohn bekam. Inzwischen ist sie seit vielen Jahren Witwe. Ihr Leben gerät aus den Fugen, als ein Ehepaar mit Kind einzieht. Der 9jährige Henry erinnert sie an ihren Bruder Bruno, und ihre Vergangenheit droht ans Licht zu kommen. Ihr geliebter Vater war Kommandant von Auschwitz, und die Frage der Schuld hat sie ihr ganzes Leben lang gequält, auch ihre eventuelle Mitschuld am Tod des jüngeren Bruders. Jetzt bekommt sie schnell mit, dass der neue Mieter, der bekannte Filmproduzent Alex Darcy-Witt, Frau und Sohn schlägt und dabei erheblich verletzt. Wenn sie nicht handelt, macht sie sich wieder schuldig, aber kann sie den Jungen retten, ohne ihre eigene Sicherheit zu kompromittieren? Kann sie ihr Eingreifen als Buße für ihr Verhalten in der Vergangenheit rechtfertigen? Das Ende ist spektakulär und etwas unglaubwürdig und passt eigentlich nicht wirklich zum Charakter der Figur.
Mir hat der Roman dennoch gut gefallen, obwohl er nicht ganz an den Vorgänger heranreicht. Der Autor setzt sich gekonnt mit den dunkelsten Aspekten der menschlichen Natur auseinander und macht deutlich, dass das Vergangene nie vorbei ist und man sich ihm stellen muss. Ein empfehlenswertes, wichtiges Buch über ein finsteres Kapitel der deutschen Geschichte.

Veröffentlicht am 16.10.2022

Japanisches Ambiente in (m)einer deutschen Küche

Tohrus Japan
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Ich besitze eine reichhaltige Kochbuchbibliothek und habe noch kein Kochbuch, das so ist wie "Tohrus Japan - Alles außer Sushi" des Sternekochs Tohru Nakamura. Das ausgesprochen ansprechende, mit attraktiven ...

Ich besitze eine reichhaltige Kochbuchbibliothek und habe noch kein Kochbuch, das so ist wie "Tohrus Japan - Alles außer Sushi" des Sternekochs Tohru Nakamura. Das ausgesprochen ansprechende, mit attraktiven Fotos der verschiedenen Gerichte bebilderte Kochbuch aus dem Gräfe und Unzer Verlag ist von der Gestaltung her hervorragend gelungen. Der Leser erfährt sehr viel aus dem Leben des Sternekochs, und dieser nimmt dem Hobbykoch gleich in seinem Vorwort die Angst, dass man ein Profikoch sein muss, um mit unbekannten Gewürzen unbekannte Gerichte zu kochen. „Mut dagegen ist beim Kochen ganz essenziell.“ (S. 9) Da bin ich dabei. Das Rezeptregister ist bei diesem Kochbuch anders gegliedert, als man es sonst gewohnt ist. Die Unterteilung erfolgt nach den Zutaten, so z.B. Sesam, Ei, Koji, Reis, Katsuobushi und jeder Rezeptteil beginnt mit der Warenkunde. Dies ist ausgesprochen hilfreich, da in meiner Küche sehr wenig z.B. mit Koji - eine Art Schimmelpilzkultur - gearbeitet wird. Die 60 Rezepte sind beeindruckend, die Erklärungen zur Zubereitung sind gut verständlich, jedoch wie ich finde, nicht in Windeseile auf den Teller gezaubert. Hier sind erst umfangreiche Vorarbeiten notwendig, da einige Zutaten wie u.a. Hijiki-Algen oder Bonitoflocken bei mir nicht auf Vorrat liegen. Wenn man sich als Hobbykoch etwas Zeit nimmt, die Einkäufe gut plant und sich dann an das Nachkochen heranwagt, bin ich mir sicher, wird sehr schmackhaftes und ausgefallenes Essen auch zu Hause gut gelingen. Dieses etwas andere Kochbuch gefällt mir ausgesprochen gut.

Veröffentlicht am 03.09.2022

Russische Oligarchen leben gefährlich

Die Cellistin
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In “Die Cellistin“, Gabriel Allons 21. Fall, geht es um den russischen Oligarchen Viktor Orlov, der im Londoner Exil mit Nervengift ermordet wird. Gabriel Allon vom israelischen Mossad schaltet sich ein, ...


In “Die Cellistin“, Gabriel Allons 21. Fall, geht es um den russischen Oligarchen Viktor Orlov, der im Londoner Exil mit Nervengift ermordet wird. Gabriel Allon vom israelischen Mossad schaltet sich ein, denn Orlov war sein Freund. Orlov waren Informationen über die Aktionen der Mächtigen in Moskau zugespielt worden. Da geht es um Geldwäsche und andere unsaubere Finanzgeschäfte. Schlüsselfigur ist hier die Cellistin Isabel Brenner aus dem Titel. Sie war zuvor bei einer zwielichtigen Bank tätig, die Geldwäsche praktiziert. Jetzt hat sie den geldgierigen Oligarchen den Kampf angesagt, die der zentralen Figur des obersten Machthabers zuarbeiten und riskiert dabei ihr Leben.
Silva schreibt wieder eine interessante Geschichte mit zahlreichen Bezügen zur Realität – von Corona über die Ermordung von Oppositionellen im Exil bis zu Geldwäsche und Korruption und aktuellen geopolitischen Themen, wie sie die Bedrohung der westlichen Demokratien darstellt. Der Roman liest sich gut, ist aber vielleicht nicht ganz so spannend wie einige seiner Vorgänger. Das mag daran liegen, dass zum Beispiel Geldwäsche als Thema nicht sonderlich viel Spannungspotential bietet. Die Vielzahl der Personen verlangt die Aufmerksamkeit des Lesers. Das ändert nichts an der Tatsache, dass ich ein Silva-Fan bin und bleibe. Mir hat der Roman gefallen.

Veröffentlicht am 17.07.2022

Wer hat Poppy entführt und warum?

Poppy. Dein Kind verschwindet. Und die ganze Welt sieht zu. (Die Emer-Murphy-Serie 1)
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Der Debütroman der gebürtigen Norwegerin Kristine Getz, die in Colorado lebt, spielt in Oslo. Es geht um den Fall eines kleinen Mädchens, das spurlos aus dem Haus der Großeltern verschwunden ist. Das Besondere ...

Der Debütroman der gebürtigen Norwegerin Kristine Getz, die in Colorado lebt, spielt in Oslo. Es geht um den Fall eines kleinen Mädchens, das spurlos aus dem Haus der Großeltern verschwunden ist. Das Besondere daran ist, dass die niedliche Zweijährige dem ganzen Land bekannt ist, weil ihre Eltern Jens und Lotte Wiig im Netz ihren Lebensunterhalt mit ihr verdienen. Sie haben das Kind durch dessen ständige Präsenz in große Gefahr gebracht. Es könnte also sein, dass ein Pädophiler Poppy entführt hat. Als die Ermittlerin Emer Murphy von diesem Fall hört, setzt sie die nach einem psychischen Zusammenbruch sechs Wochen zuvor verordneten Psychopharmaka ab und beginnt mit den Ermittlungen, obwohl sie viel zu labil ist, um schon wieder zu arbeiten. Es dauert sehr lang, bis Murphy durchschaut, was wirklich passiert ist, denn nichts ist so, wie es scheint, und in der Familie gibt es tiefgreifende Konflikte. Keiner ist hier ehrlich, auch Lotte nicht, die ihrem Mann ihre problematische Vergangenheit bis jetzt verheimlicht hat. Sie wurde nicht nur vergewaltigt, sondern hat auch mit Hilfe ihrer Schwester Alex als Cam-Girl Charlie im Netz perversen Männern ihre Dienste für viel Geld angeboten.
Die aus verschiedenen Perspektiven erzählte Geschichte ist sehr kompliziert und undurchschaubar. Ich habe die Auflösung nicht erraten und fand den Roman sehr spannend und auch sprachlich gelungen. Mir gefiel vor allem, wie die Autorin sich mit der Vermarktung von Kindern in den sozialen Medien auseinandersetzt und die Komplexität von familiären Beziehungen darstellt. Ich werde die Fortsetzung der Emer Murphy-Reihe auf jeden Fall im Auge behalten.

Veröffentlicht am 26.05.2022

Das Vergangene ist nicht tot

Freunde. Für immer.
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In Kimberly McCreights Roman treffen sich fünf Freunde Jahre nach dem Collegeabschluss wieder, um den Junggesellenabschied von einem aus der Gruppe zu feiern. Sie treffen sich in einem Wochenendhaus in ...

In Kimberly McCreights Roman treffen sich fünf Freunde Jahre nach dem Collegeabschluss wieder, um den Junggesellenabschied von einem aus der Gruppe zu feiern. Sie treffen sich in einem Wochenendhaus in den Catskills, das dem Gastgeber Jonathan gehört. Als sie sich zehn Jahre zuvor am Vassar College zuletzt gesehen haben, ist ein Unglück passiert, über das sie immer Schweigen bewahrt haben, um die Beteiligten zu schützen. Nun geschehen wieder unvorhergesehene Dinge. Zwei aus der Gruppe verschwinden, und im Auto wird eine Leiche mit zerschmettertem Gesicht gefunden, die zunächst nicht identifiziert werden kann. Die Polizistin Julia Scutt ermittelt und wird dabei schmerzlich an den nie aufgeklärten Mord an ihrer Schwester Jane vor 20 Jahren erinnert, der Ähnlichkeiten mit dem aktuellen Fall aufweist. Damals verschwand auch Janes beste Freundin Bethany spurlos. Es passieren weitere merkwürdige Dinge. Mitglieder der Gruppe erhalten verstörende Nachrichten – „Ich weiß, was du getan hast“ -, und Jonathan wird von der Baufirma, die sein Haus renovieren soll, unter Druck gesetzt. Es zeigt sich, dass die Freunde Geheimnisse vor einander haben, die allmählich ans Licht kommen. Erzählt wird aus den kapitelweise wechselnden Perspektiven der Freunde und der Ermittlerin.
Der spannende Roman lässt den Leser darüber nachdenken, wie gut wir den anderen kennen können, wie loyal wir sein können und sollten. Eine echte Freundschaft ist ohne Aufrichtigkeit nicht möglich. Sonst zerbricht sie irgendwann unter dem Druck der Ereignisse.
Mir hat auch der neue Roman von McCreight wegen seines raffinierten Plots und seiner sprachlichen Qualität sehr gut gefallen. Ich empfehle ihn gern weiter.