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Veröffentlicht am 09.11.2022

Kein altes Eisen

Frau mit Messer
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Ein Mann pöbelt in der U-Bahn eine junge Frau an, unangenehm, aber keiner der anderen Fahrgäste greift ein. Dann steigt der Mann aus und bricht tot auf dem Bahnsteig zusammen, die ältere Frau, die direkt ...

Ein Mann pöbelt in der U-Bahn eine junge Frau an, unangenehm, aber keiner der anderen Fahrgäste greift ein. Dann steigt der Mann aus und bricht tot auf dem Bahnsteig zusammen, die ältere Frau, die direkt hinter ihm am Ausgang stand nimmt kaum einer wahr. Warum auch, schließlich würde der grauhaarigen Sechzigjährigen keiner der anderen Fahrgäste zutrauen, dass sie etwas mit dem Tod des Mannes zu tun haben könnte.

Man erfährt im Buch nur den Decknamen der Frau, Hornclaw, von Beruf Auftragsmörderin, oder, wie sie selbst sagen würde, Schädlingsbekämpferin. Seit nunmehr vierzig Jahrten im Geschäft macht sich das Alter bemerkbar, die eiskalte Killerin von einst hadert damit, dass die Reflexe nachlassen, ebenso wie manchmal das Gedächtnis und sie tut dies genauso, wie jeder von uns.

Gu Byeong-Mo's Hauptfigur ist so speziell wie ihr Beruf, ihre Probleme aber ganz profan und wie die Autorin diese beschreibt ist kurzweilig, amüsant, sympathisch, fast erfrischend. Das Buch könnte vom Grundtenor ein Thriller sein, diese Elemente gibt es nämlich durchaus, ist aber letztlich so vielschichtig, dass es in kein Genreschema passen will und auch nicht muss. Genau das macht den Reiz an der Geschichte aus, die hart, stellenweise brutal und blutig daherkommt, aber auch sensibel und emotional, gespickt mit einem unterschwelligen, sehr, sehr schwarzem Humor. Der Leser begleitet Hornclaw durch die Wirren ihrer derzeitigen Situation und erfährt in Rückblicken wie sie zu ihrem außergewöhnlichen Beruf gekommen ist. In Ansätzen erinnert ihr Werdegang fast ein wenig an "Leon-Der Profi"

Generell habe ich Bücher aus dem asiatischen Raum eher nicht so auf dem Schirm, allerdings wurde mir schon bei der Lektüre von Bullet Train klar, dass da echte Perlen schlummern. Auch hier bin ich nicht enttäuscht worden. Manchmal hat es beim Lesen etwas "gehakt", was ich wahrscheinlich am ehesten auf die Übersetzung schieben würde. Ist sicher nicht einfach bei einer Sprache wie koreanisch. Über was ich tatsächlich jedesmal gestolpert bin, ist die Bezeichnung der Figur Worryfixer. Hier wird immer eine besondere Schreibweise verwendet, sprich, es heißt immer ersie, oder ihmihr etc. Ich kann mir natürlich denken, dass dies die Diversität im Bezug auf das Geschlecht der Figur verdeutlichen soll, allerdings war ich erstmal verwirrt davon und bin beim Lesen dann immer kurz daran "hängengeblieben". Ich möchte hier jetz keine Diskussion über Gendern in der Literatur lostreten, ich gebe nur wieder, wie ungewohnt dies für mich gewesen ist.

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Veröffentlicht am 27.09.2022

Überlebenskampf in der Kälte

Eis
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Alex ist Wildtierbiologin und ihren Tieren gilt ihre ganze Leidenschaft. Als sie eher durch Zufall die Möglichkeit bekommt an einer Studie über Eisbären teilzunehmen zögert sie nicht lange. Schon kurz ...

Alex ist Wildtierbiologin und ihren Tieren gilt ihre ganze Leidenschaft. Als sie eher durch Zufall die Möglichkeit bekommt an einer Studie über Eisbären teilzunehmen zögert sie nicht lange. Schon kurz nach ihrer Ankunft in der Forschungsstation wird allerdings ins Labor eingebrochen und ausgerechnet Alex Proben gestohlen. Ein Rückschlag für die engagierte Forscherin, der allerdings nur die Spitze des sprichwörtlichen Eisbergs bildet.

Der Schreibstil der Autorin machte mir den Einstieg in das Buch sehr leicht. Die Beschreibungen der Natur in der Protagonistin Alex unterwegs ist, gekoppelt mit der Begeisterung der Figur für ihre Umwelt ist wirklich gut gelungen. Ohne erhobenen Zeigefinger bringt die Autorin mahnene Worte zum Thema Tier-, bzw Klimaschutz unter, diese ziehen sich auch durch die komplette Story und bringen so einen weiteren Aspekt in den Thriller.

Die Story läuft ziemlich rasant, direkt zu Beginn war ganz kurz etwas Flaute, als die recht eintönige Alltagsarbeit von Alex beschrieben wird. Im Hauptteil wird es dann aber schnell atemberaubend und gefährlich. Die Autorin zeigt hier, dass auch Frauen sehr anschaulich Kampfszenen und Verfolgungsjagden beschreiben können.

Durch den Prolog hab ich eine Weile ein anderes Motiv hinter den ganzen Ereignissen vermutet, allerdings wird hier geschickt eine andere Richtung eingeschlagen. Die letztliche Auflösung könnte man allerdings dann doch als etwas konstruiert bezeichnen. Ganz rund war das Ganze nicht für mich. Zu dem etwas unrunden Gefühl der Geschichte trägt auch der Hintergrund einer weiteren wichtigen Figur der Story bei. Hier war die Autorin vielleicht zu sehr bemüht einen komplizierten Charakter einzubringen, dessen Vehalten ich nur bedingt nachvollziehbar fand.

Das Buch ist bereits das zweite um die Biologin Alex, ich habe das erste nicht gelesen, werde es aber nach dieser Lektüre nachholen.

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Veröffentlicht am 11.09.2022

Tolle Ergänzung

Das Erbe des Weißen Wolfs
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Ich habe, zugegebenermaßen, oft Schwierigkeiten mit dem Fantasy Genre. Einiges liebe ich heiß und innig, während ich Vieles, das hier seine Blüten treibt überhaupt nicht mag. Die Bücher der Hexer Reihe ...

Ich habe, zugegebenermaßen, oft Schwierigkeiten mit dem Fantasy Genre. Einiges liebe ich heiß und innig, während ich Vieles, das hier seine Blüten treibt überhaupt nicht mag. Die Bücher der Hexer Reihe waren mir bisher noch vollkommen unbekannt und auch die Serie habe ich erst relativ spät für mich entdeckt, diese dann aber um so mehr gesuchtet.

In der vorliegenden Sammlung haben 11 polnische Autorinnen und Autoren eine Homage an Andrzej Sapkowski geliefert und neue Geschichten rund um Geralt und Yennefer geschaffen. Jeder von ihnen folgt natürlich einem eigenen Antrieb und legt seinen einigen Stil in die Geschichte, das macht die Sammlung sehr vielschichtig.

In der Natur der Sache liegt es nun auch, dass nicht jede Geschichte mich gleichermaßen begeistern konnte. Während einige sich sehr eng an die Vorlage halten, könnten andere auch in einem völlig eigenen Universum stattfinden. Während ich von einigen Autoren gern noch viel mehr gelesen hätte, haben andere nur wenig bei mir zurück gelassen. In der Summe allerdings muss ich sagen, dass das Buch eine sehr gute Zusammenstellung enthält und gerade für mich als Neuling eine schöne Einstimmung und Ergänzung war. Fans können sich hier die Wartezeit auf die nächste Staffel verkürzen.

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Veröffentlicht am 10.09.2022

Gedankenspiel

Galatea
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Pygmalion ist ein Bildhauer aus der griechischen Mythologie, dessen Geschichte einst von Ovid erzählt wurde. Pygmalion wünscht sich die perfekte Frau, erschafft sie aus Marmor und die Göttin Venus höchstselbst ...

Pygmalion ist ein Bildhauer aus der griechischen Mythologie, dessen Geschichte einst von Ovid erzählt wurde. Pygmalion wünscht sich die perfekte Frau, erschafft sie aus Marmor und die Göttin Venus höchstselbst erhört sein Flehen und erweckt die namenlose Schöne zum Leben. Madeline Miller gibt in ihrer kurzen Erzählung dieser Schöhnheit einen Namen und ersinnt eine Geschichte nach der Geschichte.

Ich liebe Kurt Tucholskys Satz " Und darum wird beim Happy End, im Film gewöhnlich abjeblendt ". Treffender könnte man den Inhalt der Geschichte nicht beschreiben, denn die Autorin erzählt, was passiert sein könnte, nachdem Pygmalion seine perfekte Frau bekommen hat und wie diese sich nun bei der ganzen Sache fühlt, auf ein Podest gestellt, idealisiert und dazu verdammt, die Perfektion in Person zu sein.

Die Autorin betreibt hier ein sehr interessantes Gedankenspiel und hinterfragt gleichzeitig das idealisierte Frauenbild, das bei vielen Männern bis heute vorherrscht. So sollen sie Reinheit und Unschuld verkörpern, gleichzeitig aber ihrem Gatten vollumfänglich zur "Verfügung" stehen und wenn sie dem Ideal nicht mehr entsprechen, ist es dem Mann freigestellt über ihr weiteres Schicksal zu verfügen.

Die kurze Erzählung ist natürlich Fiktion und jetzt sicher auch keine Weltliteratur, aber sie bietet viel Raum für die Interpretation eines klassischen Werkes und regt natürlich zum Nachdenken an, über das Frauenbild der Antike, aber auch der Moderne.

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Veröffentlicht am 03.04.2022

Ironische Selbstreflexion

Lecko mio
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Auch Weltenbummler werden alt und wenn man, wie Helge Timmerberg Schriftsteller ist, dann philosophiert man darüber in einem Buch und teilt so seine Gedanken über das Altern mit der Welt.

Ich habe über ...

Auch Weltenbummler werden alt und wenn man, wie Helge Timmerberg Schriftsteller ist, dann philosophiert man darüber in einem Buch und teilt so seine Gedanken über das Altern mit der Welt.

Ich habe über die Jahre einige von Timmerbergs Büchern gelesen, mit viel Begeisterung, denn seine Art zu schreiben hat mich immer schon mitgenommen. Auch hier ist man sofort drin in seinem Kopf, der zugegebenermaßen oft ziemlich wirres Zeug von sich gibt, aber eben auch total witzig und oft auch durchaus tiefgründig. Die Lektüre gleicht einem wilden Ritt, atemlos versucht man Schritt zu halten mit den bunten Gedankenbildern.

Timmerberg geht hier mit sich selber ins Gericht, kennt seine Fehler und Schwächen genau und bringt sie dem Leser mit einer gehörigen Portion Selbstironie näher. Man erfährt viel persönliches über den Autor, wenn er mit kleinen Anekdoten aus seinem Leben erzählt. Auch im Alter bleibt sich der Autor treu, erzählt unverblümt von seinem Drogen - und Alkoholkonsum, oder seinen Problemen mit dem Gendern. Natürlich kann man ihm jetzt Ignoranz vorwerfen, zu laschen Umgang mit kontroversen Themen, Homophobie, ein nicht mehr zeitgemäßes Frauenbild, allerdings muss ich sagen, der Mann ist siebzig, ein Virtuose auf dem Gebiet der Reiseliteratur, er darf eine eigene Meinung haben, er darf sein Rebellenimage weiter pflegen, er tut dies eh mit einem Augenzwinkern und dafür mag ich ihn.

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