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Dominik_Hellenbeck

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Veröffentlicht am 04.10.2022

Flott geschrieben, aber die Verantwortlichen des Attentats bleiben weiter im Dunkeln...

Libra
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Das Buch ist ein weiterer Ausdruck der fortdauernden Fixierung der amerikanischen Öffentlichkeit auf „sieben Sekunden, die dem amerikanischen Jahrhundert das Kreuz gebrochen haben", wie DeLillo auf Seite ...

Das Buch ist ein weiterer Ausdruck der fortdauernden Fixierung der amerikanischen Öffentlichkeit auf „sieben Sekunden, die dem amerikanischen Jahrhundert das Kreuz gebrochen haben", wie DeLillo auf Seite 234 schreibt. In besagten sieben Sekunden, welche dem Buch seinen Titel gaben, fielen die Schüsse auf US-Präsident Kennedy in Dallas, dem wirklichen „Nightmare on Elm Street". Politisches und historisches Wissen ist bei der Lektüre m. E. nach unabdingbar. Wer wenig von den 60ern in den USA weiß, Francis Gary Powers nicht kennt und U-2 für die irische Rock-Band hält, wird sich kaum zurecht finden.
Viel selbst erfinden muß er dabei nicht, so hat man wohl tatsächlich den Kennedy-Attentäter Lee Harvey Oswald als Mitglied der USMC-Reserve ungehindert in die Sowjetunion ausreisen lassen, obwohl er in Japan auf dem Stützpunkt Atsugi Dienst tat, auf dem die U-2 landete. Als deren Pilot Powers über der Sowjetunion abgeschossen wurde, reiste Oswald wieder unbehelligt in die USA zurück - finanziert durch ein US-Regierungsdarlehen. Powers schrieb in seinem Buch „Operation Overflight" später, er ginge von Geheimnisverrat durch Oswald aus.
DeLillo beschreibt Oswald als Person, bei der Realität und Selbstwahrnehmung diametral auseinanderfallen. Von seiner eigenen Großartigkeit restlos überzeugt, denkt er, wenn er handelt, bereits daran, wie zukünftige Historiker dies wohl einordnen werden. Er sieht in seinem Leben überall (skurrile) Parallelen zu John F. Kennedy und Fidel Castro und träumt von einem politikwissenschaftlichen Studium, da er sich bereits als Analytiker des Sozialismus betrachtet. Auf dem Bild, auf dem er mit einem Gewehr posiert, hält er allerdings gleichzeitig sowohl eine stalinistische und eine trotzkistische Zeitschrift in Händen, was nun wirklich nicht für seine Sachkenntnis spricht. Zudem sieht er für sich als einfachen Marineinfanteristen in Castros Kuba eine Karriere als Militärberater – als ob man dort mit einem Gewehr nicht zurecht kommen könnte. In der Realität ist Oswald lediglich ein bizarrer Egomane, brach die High School nach einem Monat ab und beherrscht die eigene Muttersprache nur unzulänglich. Seine Arbeitsmoral ist niedrig, daher verliert er, ob in der USA oder der UdSSR, seine Arbeit, er ist „in dem System eine Null“, wie der Autor auf Seite 453 beschreibt. Und das in jedem System, sei es sozialistisch oder kapitalistisch organisiert. Dabei möchte er durchaus „eine Struktur spüren, die ihm einen Platz zuweist“, sobald dies allerdings geschieht, fühlt er sich sofort unter Wert behandelt.
Der Autor zimmert sich aus den nicht weniger als 23 Bänden (!) des Berichts der sog. „Warren-Kommission“ eine durchaus flotte Story der Marke „so oder ähnlich könnte es gewesen sein“: Ein Ex-CIA-Agent plant nach dem Schweinebucht-Desaster einen (auf Castros Kuba hinweisenden) Pseudo- Attentatsversuch auf den Präsidenten, welcher die Nation aufrütteln soll, damit ein erneuter Invasionsversuch Kubas unternommen wird. Ein Mafia-Capo hilft verdeckt bei der Finanzierung, weil der Kennedy-Clan deren Wahlschiebung gegen Nixon nicht honorieren will. Oswald schlittert in die Sache eher hinein, wird als vorgeschobenes Bauernopfer benutzt, während US-Rechtsextremisten die Fäden ziehen und exilkubanische Söldner und Veteranen von „Alpha 66“ und der „Intercontinental Penetration Force“ das erfolgreiche Attentat verüben.
Die realen Strippenzieher sind im Buch ehemalige CIA-Agenten, exilkubanische Splittergruppen und ein regionaler Mafia-Pate, nicht „offizielle Strukturen“ wie Castros Geheimdienst, die CIA oder von der Cosa Nostra beauftragte Killer. Diese - in der Regel die „üblichen Verdächtigen" der gängigen Verschwörungshypothesen – scheiden als Verantwortliche bei DeLillo aus.

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Veröffentlicht am 25.06.2022

Gute Story-Sammlung, aber kein Thriller

McCreadys Doppelspiel
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Ein Buch von Altmeister Frederick Forsyth aus dem Jahr 1991, welches durch den Kunstgriff von vier Rückblenden allerdings überwiegend in den Tagen des Kalten Krieges der 1980er spielt- als „gut“ und „böse“ ...

Ein Buch von Altmeister Frederick Forsyth aus dem Jahr 1991, welches durch den Kunstgriff von vier Rückblenden allerdings überwiegend in den Tagen des Kalten Krieges der 1980er spielt- als „gut“ und „böse“ noch klar anhand der Blockzugehörigkeit erkennbar schienen. Ein in sich geschlossener „Super-Thriller“, wie der Klappentext behauptet, liegt daher nicht vor, die einzelnen vier Stories, „Grenzgänge“ (116 Seiten), „Der Brautpreis“ (120 Seiten), „Ein Kriegsopfer“ (100 Seiten) und „Skorpione im Paradies“ (121 Seiten) sind thematisch nicht verbunden, demzufolge gibt es weder eine durchgehende Storyline noch einen Spannungsbogen.

Sie haben einzeln nicht den nötigen Umfang für einen eigenständigen Roman und wurden anscheinend mit Hilfe der Person „Sam McCready“ als eine Art „Scharnier“ zu einem Roman von 494 Seiten addiert. Aufbau, Thema und Atmosphäre der ersten beiden Geschichten ähneln m. M. nach stark den Spionage-Romanen von John le Carré. So beinhalteten „Grenzgänge“ und „Der Brautpreis“ die beiden klassischen Roman-Themen im Kalten Krieg: Informationsbeschaffung im feindlichen Territorium und ein überlaufender KGB-Offizier. McCready agiert in ihnen wie George Smiley als schroffer Gegensatz zur - mühsam um etwas Noblesse bemühten – geschmeidigen SIS-Führung. Beide haben sich abseits der etablierten Old-Boy-Netzwerke im Dienst nach oben gearbeitet, achten wenig auf ihr Äußeres, sind kerzengrade und loyal und haben somit für opportune „Bauernopfer“ nichts übrig. Beide werden am Ende als nützliche, aber überständige Relikte behandelt, die nie „richtig“ zum Establishment gehörten und daher am besten geräuschlos in den Ruhestand entsorgt werden sollten. Der SIS wird realistisch, wie bei le Carré, als starrer, unflexibler und daher kaum steuerbarer Verwaltungsapparat geschildert. Rivalisierende Behörden wie der MI5 und bürokratische Lähmungen und Knebelungen nach den Verrats-Skandalen der Cambridge Five lassen oft nur Zufallserfolge zu.

Der Autor nutzt die nach Ende des Kalten Krieges stark verbesserte Quellenlage und kann so die inneren Strukturen und die Arbeitsweise von KGB und Staatssicherheit präzise darstellen. So wird HVA-Chef Markus „Mischa“ Wolf und die beliebte „Romeo-Methode“ ebenso korrekt beschrieben wie die unterschiedlichen Grüntöne in den Uniformfarben von NVA und Volkspolizei. Über kleinere Schnitzer wie die Verwendung des Begriffs „ostdeutsch“ durch das KGB in der offiziellen Kommunikation mit der „Stasi“ (völlig undenkbar) kann man da getrost hinweg sehen. Interessant nebenbei, dass wohl 1991 die übliche Bezeichnung der Volkspolizei durch DDR-Bürger (nämlich „VP“) noch nicht landläufig bekannt war und vom Autor daher einer DDR-Lehrerin stattdessen der westdeutsche Jargon-Ausdruck „Vopo“ in den Mund gelegt wurde. Gleiches gilt für den Staatssicherheitsdienst der DDR, der wurde nur von Westdeutschen mit „SSD“ abgekürzt, in der DDR mit „MfS“ (Ministerium für Staatssicherheit).

„Ein Kriegsopfer“ behandelt hingegen das Thema internationalen Terrorismus, hier anhand der IRA und Libyen. Man erfährt etwas über das Warum und Wie, bei Lichte besehen ist die Story aber ziemlich beliebig und oberflächlich. Liest sich eher wie eine Rahmenskizze und fällt hinter den ersten beiden Geschichten dramaturgisch deutlich ab.

Die letzte der vier Geschichten, „Skorpione im Paradies“ , erinnert mit seinen lakonischen Bemerkungen und trockenem Humor an Tom Sharpes „Klex in der Landschaft“. Sie ist durchgehend mit Understatement geschrieben und hebt sich dadurch von ihren drei Vorgängern deutlich ab. Dadurch verringert sie die einsetzende Ermüdung etwas, vier inhaltlich nicht verbundene Geschichten hintereinander zu lesen, verstärkt aber den Eindruck, dass mehr oder weniger wahllos Geschichten zusammengefügt wurden, bis man halt auf die erforderliche Seitenanzahl für einen Forsyth-Roman kam.

Fazit: Gut lesbare Geschichten aus dem Kalten Krieg, stellenweise qualitativ hochwertig, sehr gut recherchiert.

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Veröffentlicht am 13.07.2022

Folletts bestes Buch, es ist aber nur die gekürzte Ausgabe empfehlenswert.

Die Nadel
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Ken Folletts (m. M. nach bestes) Buch, „Die Nadel“ (1978) beinhaltet die Jagd nach einem deutschen Spion in England 1944, der kriegsentscheidende Informationen über die geplante alliierte Invasion nach ...

Ken Folletts (m. M. nach bestes) Buch, „Die Nadel“ (1978) beinhaltet die Jagd nach einem deutschen Spion in England 1944, der kriegsentscheidende Informationen über die geplante alliierte Invasion nach Berlin bringen muß. Die Parallelen zum Roman „Der Schakal“ (1971) von Frederick Forsyth sind dabei auffallend: Hier wie dort jagt der Staatsapparat eine Zielperson, welche der Regierung gefährlich werden kann. Nach beiden muß am Anfang aus politischen Gründen mühsam verdeckt gefahndet werden, erst nach begangenen Morden ist eine öffentliche Mörder-Fahndung möglich. Auch Forsyths Schilderung, dass man sich in England problemlos falsche Papiere beschaffen konnte, findet man in der Nadel wieder.

In seinen besten Momenten schildert der Roman die aufreibende minutiöse Puzzle-Arbeit bei der beinahe aussichtslosen Fahndung nach einer anfangs noch namen- und gesichtslosen Zielperson, die auf Anordnung der Regierung festzunehmen ist, ohne jedoch die atmosphärische Dichte und das erzählerische Niveau des Schakals zu erreichen. Wo sich Forsyth nämlich strikt auf seinen Attentäter, den ihn jagenden Staatsapparat und den Ablauf der Ereignisse fokussiert, verliert sich Follett nach meinem Geschmack zu oft in Nebensächlichkeiten, da ufern Schilderungen von Nebenfiguren regelrecht in Psychogramme aus, da wird die Vorgeschichte des Finales auf Storm Island geradezu in epischer Breite entfaltet. Zumindest in der „vollständig überarbeiteten und ungekürzten“ Jubiläumsausgabe von 1995, die über 400 Seiten umfaßt.

Wenn man Wikipedia glauben darf, arbeitet Follett „mit einem zwanzigköpfigen Mitarbeiterstab, den er als Follett Office bezeichnet“. Mein Eindruck, seine Bücher seien auf Massentauglichkeit gestylt und am Reißbrett entworfene Konglomerate aus vorgefertigten Teilen, wird von Wikipedia nicht entkräftet, wenn man dort liest: „Er gibt für seine Projekte acht Monate für Recherche und Planung, acht Monate für den ersten Entwurf und weitere acht Monate für die Überarbeitung an. Danach wird fristgerecht an den Verlag geliefert. Zu seiner Schreibphilosophie gehört das Ansprechen einer möglichst breiten Leserschaft.“

Empfehlenswert, lieber zur gekürzten Ausgabe zu greifen, da Die Nadel eine durchaus interessante Geschichte erzählt und flüssiger zu lesen ist als etwa „Dreifach“. Von der kaum lesbaren Lobhudelei „Auf den Schwingen des Adlers“ mal ganz abgesehen...

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Veröffentlicht am 25.06.2022

Etwas bemüht, stellenweise hilfreich

Die Kraft des Chōwa
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Das Buch gibt einen groben Überblick über einzelne Aspekte des japanischen Denkens und Fühlens, mehr aber auch nicht. Frau Tanaka empfand offenbar als Japanisch-Lehrerin in Europa das Bedürfnis, etwas ...

Das Buch gibt einen groben Überblick über einzelne Aspekte des japanischen Denkens und Fühlens, mehr aber auch nicht. Frau Tanaka empfand offenbar als Japanisch-Lehrerin in Europa das Bedürfnis, etwas über Japan und seine Kultur mitzuteilen. Inwiefern sie dafür inhaltlich gerüstet war, mag jeder selbst beurteilen. Viele Gesichtspunkte hat der interessierte Leser auf jeden Fall bereits woanders und besser formuliert vorgefunden. Hilfreich sind ihre Ausführungen über die Kommunikation am Arbeitsplatz und in der Familie, die Betrachtungen der Finanzen unter „Chowa-Gesichtspunkten“ wirkt dagegen etwas gezwungen, so ist das Führen eines Haushaltsbuches wohl allseits bekannt. Der Abschnitt bezüglich Beziehungen und Liebe wirkt beiläufig und oberflächlich, am interessantesten wird das Buch, wenn es um die persönliche Sicht und die Sicht anderer geht, die „Perspektive des unbeteiligten Zuschauers“. Allerdings findet sich gerade dies in der ausufernden Zen-Literatur zur Genüge.

Ihre Profession als Lehrerin vermag die Autorin nicht immer hintan zustellen, oftmals klingt ein etwas schulmeisterlicher Ton durch. Wenn Sie kein ausgesprochenes „Frauenbuch“ schreiben wollte, wäre ein Eingehen auf die Männer-Perspektive hilfreich gewesen, seitenlange Ausführungen über Frauenmode, Kimonos und die Stellung der Frau in Japan ermüden den nach Philosophie suchenden Leser schnell.

Alles in allem ein stellenweise hilfreiches Buch, von dem man aber nicht zu viel erwarten sollte.

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Veröffentlicht am 25.06.2022

Liebe, Triebe, Hiebe...

Operation Romanow
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Meade schrieb Operation Romanow offenkundig in der Tradition antiquierter Illustrierten- Fortsetzungsromane - in dieser grell bunten Mantel- und- Degengeschichte tummeln sich finstre Schurken und unüberwindbare ...

Meade schrieb Operation Romanow offenkundig in der Tradition antiquierter Illustrierten- Fortsetzungsromane - in dieser grell bunten Mantel- und- Degengeschichte tummeln sich finstre Schurken und unüberwindbare Helden, mit Lydia Ryan gibt es auch eine Art „Piratenbraut“, atemberaubend schön und tough. Überhaupt begegnet der Leser allerlei Gestalten in Russland, Irland und England, bevor Handlungsstränge sichtbar werden.

Entzweite Brüder, Liebe, Triebe, Hiebe - gefühligen Herz-Schmerz gibt es satt. Wer Kolportageromane des 19. Jahrhunderts liebt, kommt hier voll auf seine Kosten, wer an Meade's schnörkellos-stringenten Unternehmen Brandenburg Gefallen fand, eher weniger.

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