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Veröffentlicht am 20.11.2022

Klub der Spinnerinnen

Tea Time
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Sie haben alle eine kleine Marotte, deshalb könnten sich die sechs Freundinnen glatt Klub der Spinnerinnen nennen. Nina fotografiert zum Beispiel gerne kleine Unkräuter, die sie eigentlich lieber Kräuter ...

Sie haben alle eine kleine Marotte, deshalb könnten sich die sechs Freundinnen glatt Klub der Spinnerinnen nennen. Nina fotografiert zum Beispiel gerne kleine Unkräuter, die sie eigentlich lieber Kräuter nennen würde. In regelmäßigen Abständen treffen sie sich, um über ihre Spleens oder den neuesten Klatsch zu plaudern. Im Alltag stehen sie alle ihre Frau und doch gibt es auch mal kleine Probleme. Als Nina bei einem Spaziergang ihre Handtasche vergisst nimmt jedoch eine Art Unheil seinen Lauf. Denn ausgerechnet der unsympathische Ex-Mann von ihrer Klub-Freundin Jelena findet die Tasche und setzt alles daran, die Situation weidlich auszunutzen..

Recht ruhig verläuft das Leben der sechs Frauen um Nina, die in einer Apotheke arbeitet. Nina meint ihr Grüppchen ist in Paare aufgeteilt. Denn irgendwie haben sie sich paarweise zusammen gefunden. Franzi wohnt im gleichen Haus wie Nina und da bot es sich natürlich an. Und ähnlich ist es auch mit den anderen. Jelena ist die einzige von ihnen, die ihre Kinder alleine erzieht. Manchmal muss sie schon einiges organisieren, um an den Treffen teilnehmen zu können. Ihr Ex-Mann hat sich nach dem Verlust seiner Arbeit nicht zum Besseren verändert, deshalb ist er auch ein Ex.

Oberflächlich betrachtet wirken die Frauen etwas lieblich. Schnell merkt man jedoch, dass sie nicht zu unterschätzen sind. Schließlich stehen sie mit beiden Beinen im Leben und haben ihre speziellen Hobbys und geheimen Wünsche. Aus der Art, wie sie sich ausdrücken und wie sie beschrieben werden, würde man sie für ältlich und abgeklärt halten. Doch auch das erweist sich als Trugschluss. Spätestens wenn man das noch junge Alter von Jelenas Kindern bemerkt, kommt man auf den Gedanken, dass sie wohl eher um die Dreißig sind. So führt man sich selbst manchmal zu falschen Annahmen und darf sich alsbald von der Autorin eines Besseren belehren lassen. Und noch etwas: Diese nett dahin mäandernde Handlung ist doch manchmal ganz schön fies. Aus diesen Gegensätzen speist sich aus der Sicht der Leserin der Reiz dieses Romans, der sich kurzweilig liest und ob der freundlich geäußerten kleinen Gemeinheiten immer wieder überrascht und aufmerken lässt.

Veröffentlicht am 13.11.2022

Hohe Politik

Die Erweiterung
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Bei der EU-Behörde in Brüssel bearbeiten einige der Beamten den Beitrittsprozess einiger Balkanstaaten. Allerdings geht es nicht so schnell voran wie von den Kandidaten insbesondere Albanien gewünscht. ...

Bei der EU-Behörde in Brüssel bearbeiten einige der Beamten den Beitrittsprozess einiger Balkanstaaten. Allerdings geht es nicht so schnell voran wie von den Kandidaten insbesondere Albanien gewünscht. Der Präsident Albaniens hat gewissermaßen die Schnauze voll. Er will doch derjenige sein, der sein Land nach Europa führt. Doch der Apparat ist so langsam und immer gibt es neue Forderungen. Der Pole Adam, der kurz bevor das sozialistische Regime in Polen viel im Widerstand war, hofft in seinem Freund Mateusz, der inzwischen Staatsführer von Polen ist, einen Verbündeten zu haben. Doch weit gefehlt. Mateusz verfolgt andere Ziele.

Mit diesem Roman hat der Autor eine Fortsetzung seines preisgekrönten Romans „Die Hauptstadt“ geschaffen. Und dieser Band ist für den Österreichischen Buchpreis nominiert. Man begibt sich erneuten in die Mühlen der Brüsseler Europapolitik. Strukturen, die nicht leicht zu durchschauen sind. Klare Worte spricht am ehesten der Präsident Albaniens, dem der Verhandlungsprozess zu langsam geht. Er muss seinem Volk etwas bieten. Welche Idee einer seiner Berater, ein Dichter, ein Quereinsteiger, hervorbringt, ist beinahe unglaublich und schräg und gerade damit einnehmend. Dass sich daraus ein Kriminalfall entwickeln kann, war wirklich nicht vorhersehbar. Die diplomatischen Kanäle laufen heiß und größerer Schaden muss abgewendet werden.

Vermutlich konnte der Autor beim Schreiben des Romans nicht wissen, welche Bedeutung die Beitrittsersuchen der Balkanstaaten inzwischen gewonnen haben. Es wäre einem beim Lesen sicher nicht so gegenwärtig gewesen, wie hingehalten sich die Staaten vorkommen, wenn es nicht in der derzeitigen politischen Situation noch einmal deutlich geworden wäre. Gerade deshalb ist die Lektüre von besonderem Interesse. Die Trägheit des Prozesses, die Eigenheiten der Beamten hier und dort, Ausschnitte aus der Geschichte Albaniens. Gerne liest man von ungewöhnlichen Persönlichkeiten. Intrigante Staatenlenker, denen wenigstens relativ aufrechte Beamte gegenüber stehen, die sich wie im wahren Leben meist nicht durchsetzen können. Besonders zu Beginn ist es eine Freude vom Aberwitz des Beamtenapparates zu lesen und so manches Mal zu schmunzeln. Ein wenig fraglich ist es allerdings, ob der weitere Verlauf so gelungen ist, denn auch da könnte die Entwicklung inzwischen weiter sein. Vielleicht könnte sich die Frage stellen, ob gewisse Absichten anderer Staaten hinter den Ereignissen liegen, nur ein vager Gedanke, der vielleicht etwas weit hergeholt ist. Unter dem Eindruck des gesamten Werkes handelt es sich jedoch um eine tolle Groteske über den Politikbetrieb, dessen Ausuferung sich irgendwie nicht wieder einfangen lässt.

Veröffentlicht am 12.11.2022

Nachbarn und andere

Kummer aller Art
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Frau Wiese kann nicht schlafen. Nicht einmal die Schafe, die auf grünen Wiesen über Zäune hüpfen, helfen. Herr Pohl braucht machmal Hilfe, damit sein Hund Lori an die Luft kommt. Er wünscht sich, die Beruhigungshalsbänder ...

Frau Wiese kann nicht schlafen. Nicht einmal die Schafe, die auf grünen Wiesen über Zäune hüpfen, helfen. Herr Pohl braucht machmal Hilfe, damit sein Hund Lori an die Luft kommt. Er wünscht sich, die Beruhigungshalsbänder für Hunde gäbe es auch für Menschen. Und das sind nur zwei der Nachbarn der Autorin, deren Verwandte viel mit Psychoanalyse zu tun haben und damit auch einige Schrullen aufzuweisen haben. Und es gibt natürlich auch die Nachbarschaft des Elternhaus, wo es schon etwas schockiert, wenn der Briefkasten der Kindheit nicht mehr da ist.

Mit dieser Sammlung kleiner Geschichten, die zuerst als Kolumnen in der Zeitschrift Psychologie Heute erschienen sind, gibt die Autorin einen kleinen Einblick in die Lebenswelt einer meist freundlichen Nachbarschaft. Obwohl das Verhältnis untereinander nicht unbedingt eng ist, so tauscht man sich doch aus. Auch bei kleinen Problemen, zum Beispiel der fehlende Zucker oder eben der Hund, der mal vor die Tür muss, hilft man sich. Die Erzählerin bewegt sich auch darüberhinaus, so hat sie gelernt, auf Lesereisen mit den Verspätungen der Bahn klarzukommen und sich auf Bahnhofstoiletten umzuziehen. Auch Begegnungen mit pubertierenden Teenagern können durchaus bereichern.

Ob man diese humorvollen und doch auch nachdenklich stimmenden kleinen Ausschnitte aus dem wirklichen Leben am Stück lesen möchte oder jeden für sich, muss man für sich entscheiden. So oder so wird man gut unterhalten, denkt, so ist es oder so würde man es sich wünschen würde. Die Geschichten sind manchmal so lebensnah, dass man hin und wieder meint, man könnte sich selbst daran erinnern oder zumindest an etwas ähnliches. Und so ist die Zeit, die man mit diesem Büchlein verbringt schnell verflogen, doch einzelne Geschichten oder Sätze, die man sofort unterschreiben würde, bleiben.

Veröffentlicht am 11.11.2022

Sehnsucht

Unsre verschwundenen Herzen
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In einer nicht allzu fernen Zukunft lebt der zwölfjährige Noah, der von seiner Mutter immer Bird genannt wurde, mit seinem Vater im Wohnheim einer Uni. Seine Mutter ist vor einigen Jahren verschwunden. ...

In einer nicht allzu fernen Zukunft lebt der zwölfjährige Noah, der von seiner Mutter immer Bird genannt wurde, mit seinem Vater im Wohnheim einer Uni. Seine Mutter ist vor einigen Jahren verschwunden. Sie gehörte zur Gruppe der asiatisch-stämmigen Amerikaner, die seit der Krise großen Repressalien ausgesetzt sind. Bird lebt nun allein mit seinem Vater, der in der Bibliothek arbeitet. In der Öffentlichkeit wird Bird Noah genannt und er soll sich möglichst unauffällig verhalten. Am besten sollte er garnicht zu sehen sein, damit seine asiatische Herkunft nicht auffällt. Doch der Junge vermisst seine Mutter. Gibt es keine Möglichkeit, mit ihr Kontakt aufzunehmen.

Bekommt Bird eine Möglichkeit, seine Mutter wiederzusehen. Manchmal fragt er sich, ob er sich überhaupt noch richtig an sie erinnert. Und sein Vater spricht nicht. Immer mahnt er zur Vorsicht. Natürlich wissen sie in der Schule, dass Birds Mutter Asiatin war und so ist sein Stand in der Klasse nicht besonders. Während einer kurzen Phase war seine Klassenkameradin Sadie ein Lichtblick in seinem Leben. Doch Sadie, in einer ähnlichen Situation wie er, verschwand von einem Tag auf den anderen. Nach einem winzigen Zeichen beginnt Bird gegen alle Widerstände nach seiner Mutter zu suchen.

Dieser dystopische Roman erzählt von einem Amerika, von dem man hofft, dass es so nie oder nie wieder bestehen möchte. Auch wenn man sich gerade in der heutigen Zeit mit Hoffnungen etwas schwer tut. Gerade zu Beginn des Buches fällt es einem schwer sich in Birds Lage zu versetzten. Etwas Ungläubig steht man davor und denkt, eigentlich kann es das nicht geben im Land der Freien. Wieso sind sie so? Schnell kommt die Überlegung, sind wir anders? Fast schon erleichtert macht man sich mit dem gewitzten Bird auf die Suche. Doch irgendwann ändert sich der Tonfall und die Erzählung wirkt mehr wie ein Bericht. Dieser kühle Ton macht es noch schwerer zu ertragen, was man vorgesetzt bekommt. Geradezu herzzerreißend wird die Handlung zum Ende hin. Dieser Roman angesiedelt in einer bedrückenden Welt hat doch auch etwas hoffnungsvolles.

Veröffentlicht am 09.11.2022

Hitzesommer

Kant und der Schachspieler
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Es ist heiß im Sommer 2018 in München. Da ist es nicht so angenehm für Kommissar Joachim Kant zu einem Leichenfund gerufen zu werden. Gemeinsam mit seinem Kollegen Rademacher begibt er sich auf den Weg ...

Es ist heiß im Sommer 2018 in München. Da ist es nicht so angenehm für Kommissar Joachim Kant zu einem Leichenfund gerufen zu werden. Gemeinsam mit seinem Kollegen Rademacher begibt er sich auf den Weg zu einer alten Farbenfabrik, die schon lange geschlossen ist. In einem riesigen Metallbehälter liegt ein Toter, der wohl vor längerer Zeit verstarb. Die Beamten rechnen mit Schwierigkeiten bei der Identifizierung. Doch ihre neue Kollegin Hanna Weiß erweist sich in diesem Punkt als Joker. Da der Tote eine Schachfigur in der Hand hielt, versucht sie, ob dieser Hinweis zu einem Vermissten passen könnte. Und sie wird fündig.

In diesem zweiten Band um Kommissar Kant und sein Team gibt es einen rätselhaften Todesfall aufzuklären. Was die Sache nicht einfacher macht: die Leiche muss schon länger auf dem Fabrikgelände gelegen haben. Erst jetzt, als mit Abrissarbeiten begonnen wurde, wurde der Tote von einem Bauarbeiter entdeckt. Die Ermittler wollen herausfinden, warum der eher einfach gekleidete Tote eine so teure Jacke getragen hat. Doch wo anfangen, nur der Eigentümer der Anlage kann vielleicht ein paar Hinweise geben. Die neue Hanna Weiß macht sich gut und sein Partner Anton Rademacher hat immer gute Ideen, nur momentan hält er sich etwas zurück.

Es ist immer schön, wenn man mal wieder einen richtigen Kriminalroman zu lesen bekommt. Kommissar Kant und seine Kollegen ermitteln zielstrebig und akribisch. Schnell werden sie dem Leser sympathisch. Sie haben ein Privatleben, das eine gewisse Wichtigkeit hat, aber dennoch kommt der Fall nicht zu kurz. Manchmal ist einfach Klinken putzen angesagt und gerade dieses Unaufgeregte macht Spaß beim Lesen und es fördert die Lust am miträtseln. Und Rätsel gibt dieser Todesfall genug auf. Schon was es mit dieser Schachfigur auf sich hat, ist nicht so leicht festzustellen.

Ein ausgesprochen lesenswerter klassischer Krimi, der durch seine Schnörkellosigkeit besticht mit einem Ermittlerteam, von dem man gerne mehr lesen möchte.