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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.11.2022

Ein dunkles Kapitel unserer Vergangenheit

Feldpost
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Inhalt: In einem Café setzt sich eine ältere Dame zu der Anwältin Cara Russo an den Tisch. Die Frau macht auf Cara einen verwirrten Eindruck und spricht von einer Adele, die sie nicht finden kann. Kurz ...

Inhalt: In einem Café setzt sich eine ältere Dame zu der Anwältin Cara Russo an den Tisch. Die Frau macht auf Cara einen verwirrten Eindruck und spricht von einer Adele, die sie nicht finden kann. Kurz darauf steht sie auf und verschwindet überraschend aus dem Café. Zurück lässt sie einen alten Koffer mit Feldpostbriefen, sowie Unterlagen über den Verkauf einer Villa in Kassel-Wilhelmshöhe zu einem symbolischen Preis und einige Fotos. Cara ist neugierig und beginnt zu recherchieren. Bald kommt sie einer überaus tragischen Geschichte auf die Spur.

Meine Meinung: Mechthild Borrmann erzählt in ihrem neuen Roman „Feldpost“ aus verschiedenen Perspektiven und auf zwei Zeitebenen. In den Jahren 1935 - 45 geht es um die beiden befreundeten Familien Martens und Kuhn und zudem um eine tragische Liebesgeschichte. Im Jahr 2000 versucht die Anwältin Cara mit Hilfe von Richard Martens - dem Absender der berührenden Briefe, den sie ausfindig machen konnte - herauszufinden, was damals geschehen ist. Der Autorin gelingt es wunderbar beide Zeitebenen miteinander zu verknüpfen und von Anfang an konnte mich die Geschichte fesseln. Schon nach kurzer Zeit gibt es eine Wendung, mit der ich überhaupt nicht gerechnet hatte und die die Geschichte von den üblichen Liebesgeschichten, die wir aus der NS-Zeit kennen, etwas abhebt. Denn diese Liebe war in der damaligen düsteren Zeit verboten und äußerst gefährlich. Aber nicht nur die Liebesgeschichte ist hier ein Thema, sondern es geht auch um Flucht, Verrat und eine nicht wieder gutzumachende Entscheidung. Die oft dunkle und bedrohliche Atmosphäre gibt glaubwürdig den Zeitgeist des Krieges und des Nazi-Terrors wieder und auch die Charaktere habe ich als authentisch beschrieben empfunden.
Mich hat dieser Roman durch viele unvorhersehbare Wendungen immer wieder überrascht und von der ersten bis zur letzten Seite sehr berührt.

Fazit: Ein spannendes und bewegendes Buch, das ich sehr gerne weiterempfehle.

Veröffentlicht am 06.10.2022

Keine leichte Lektüre

Turmschatten
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Inhalt: Zur Zeit des Holocaust war Ephraim Zamir ein kleines Kind, doch die grausamen Taten der Nazis und der Verlust seiner gesamten Familie haben sein weiteres Leben stark geprägt und ihn zu einem unerbittlichen ...

Inhalt: Zur Zeit des Holocaust war Ephraim Zamir ein kleines Kind, doch die grausamen Taten der Nazis und der Verlust seiner gesamten Familie haben sein weiteres Leben stark geprägt und ihn zu einem unerbittlichen Mann werden lassen, der seinen Schmerz und den Gedanken an Rache nie überwinden konnte. Nun ist er nach langer Zeit wieder nach Deutschland zurückgekehrt und lebt zusammen mit der jungen Esther Goldstein, die für ihn wie ein Familienmitglied ist, in einem alten massiven Turm, der bereits im 2. Weltkrieg als sicherer Bunker diente.
Als drei Neonazis ihn in seinem Turm überfallen wollen, gelingt es ihm, sie zu überwältigen und als Geiseln zu nehmen. Er verhört einen Mann nach dem anderen und macht so ihre bisherigen Gewalttaten, die von Antisemitismus und Rassismus zeugen, deutlich. Das Ganze überträgt er live im Internet und fordert die Zuschauer auf abzustimmen, ob die Männer leben dürfen oder von ihm hingerichtet werden sollen.
Schnell beginnt ein großes Medienspektakel und viele Schaulustige sammeln sich vor dem Turm, während für die Polizei ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt.

Meine Meinung: Peter Grandl erzählt diese spannende fiktive Geschichte mit dem brisanten und aktuellen Hintergrund aus sehr vielen verschiedenen Perspektiven. Zudem tragen viele Rückblicke zum besseren Verständnis und Kennenlernen der einzelnen Charaktere und vor allem der Protagonisten bei, wobei einige Passagen in der Gegenwart, sowie auch in der Vergangenheit, für meinen Geschmack zu ausführlich und damit etwas langatmig sind. Durch den flüssigen und packenden Schreibstil des Autors lässt sich das Buch jedoch trotz einiger Längen gut lesen. Natürlich trägt auch der ständig steigende Spannungsbogen dazu bei, dass die knapp 600 Seiten nur so verfliegen.
Ungläubig habe ich verfolgt, wie brutal sich der 72-jährige Ephraim Zamir den Männern gegenüber verhält - so dass Gut und Böse irgendwann verschwimmen - , wie relativ hilflos die Polizei agiert und wie die Live-Übertragung zu einem riesengroßen Medienspektakel wird. Da geht es nur um die Quote und es werden Vergleiche zum Geiseldrama von Gladbeck (1988) gezogen, das ich noch immer in schrecklicher Erinnerung habe. Ich fand es erschreckend zu lesen, wie Menschen sich verhalten, wie sensationsgierig und manipulierbar sie (ja eigentlich wir alle) sind! Zudem lässt die Anonymität des Internets bekanntlich alle Hemmschwellen schwinden.
Das Ende hat mich sehr überrascht und mir gut gefallen.

Fazit: „Turmschatten“ ist keine leichte Lektüre, sondern ein sehr spannender und komplexer Gesellschaftsthriller mit interessanten Protagonisten, der wegen seiner aktuellen Thematik betroffen macht und zum Nachdenken anregt.

Veröffentlicht am 21.09.2022

Toller Schwedenkrimi

Schärennacht
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„Schärennacht“ ist der 1.Teil der neuen Reihe um die schwedische Kommissarin Sofia Hjortén und ich freue mich schon jetzt auf Sofias 2.Fall.
Lina Areklew erzählt die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven. ...

„Schärennacht“ ist der 1.Teil der neuen Reihe um die schwedische Kommissarin Sofia Hjortén und ich freue mich schon jetzt auf Sofias 2.Fall.
Lina Areklew erzählt die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven. Zudem gibt es zwischendurch immer wieder Rückblicke in das Jahr 1979, als Pastor Aaron Dirk ein Sommerlager mit einer Gruppe Jugendlicher auf der Insel Ulvön leitete. Diese Passagen habe ich düsterer als den Rest der Handlung empfunden.
Sofia mochte ich als Protagonistin wirklich gern. Sie ist sympathisch und vor allem sehr menschlich. Ihre Beziehung zu dem Tatverdächtigen belastet sie sehr und der Autorin ist eine gute Mischung aus Sofias Privatleben und ihrer Dienstzeit gelungen. Fredrik konnte ich erst nicht so gut einschätzen. Er hat ein wirklich schlimmes Schicksal zu verarbeiten, aber sein leichtsinniger Umgang mit Medikamenten in Verbindung mit Alkohol hat mich gestört. Aber alle Charaktere werden lebendig und authentisch beschrieben.
Das Tempo des Krimis ist ruhig und die Spannung steigt nur langsam, aber ich war trotzdem durchgängig von dem Buch gefesselt. Die Morde werden nicht detailiert beschrieben, sonder eher angedeutet, was mir persönlich mehr zusagt. Fredriks Recherchen zu der Jugendgruppe fand ich insgesamt interessanter als die Ermittlungsarbeit der Polizei zu dem Mord.
Der Schauplatz, eine kleine malerische Insel im Schärengarten, auf der die wenigen Einwohner sich untereinander gut kennen, wird sehr anschaulich beschrieben und hat eine tolle stimmungsvolle Atmosphäre.
Bis kurz vor der Auflösung konnte ich die Zusammenhänge noch nicht klar erkennen, so dass ich schließlich wirklich überrascht war. Etwas „drüber“ fand ich die Beziehung zu dem Gegenstand, den der/die Täter*in immer dabeihatte. Das wäre gar nicht nötig gewesen.

Fazit: „Schärennacht“ ist ein ruhiger, aber durchaus fesselnder Schweden-Krimi mit einer sympathischen Protagonistin und einem wunderschönen Setting.

Veröffentlicht am 15.08.2022

Humorvoller Sommerroman

Neuanfang auf Whale Island
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Inhalt: Stella Minetti kommt als Restaurantmanagerin viel in der Welt herum. Jetzt hofft die Halbitalienerin zusammen mit ihrer 13-jährigen Tochter Feli auf einen Neubeginn in dem charmanten Inselhotel ...

Inhalt: Stella Minetti kommt als Restaurantmanagerin viel in der Welt herum. Jetzt hofft die Halbitalienerin zusammen mit ihrer 13-jährigen Tochter Feli auf einen Neubeginn in dem charmanten Inselhotel der Familie Cameron auf Whale Island. Nach einem Vorfall in Bangkok hat Feli eine schwere Zeit hinter sich. Seitdem leidet sie unter mangelndem Selbstbewusstsein und zieht sich ziemlich zurück.
Von Anfang an gerät die temperamentvolle Stella immer wieder mit dem aufbrausenden Chefkoch Aidan Cameron aneinander, obwohl sie sich eigentlich zu ihm hingezogen fühlt. Dann taucht auch noch der bekannte Sänger Jackson Porter auf und bringt noch mehr Unruhe…

Meine Meinung: „Neuanfang auf Whale Island" ist bereits der 2. Teil der Whale-Island Reihe, aber ganz problemlos ohne Vorwissen zu lesen (ich kenne den 1. Teil auch nicht). Möchte man allerdings alle drei Teile lesen, würde ich wegen der Weiterentwicklung einiger Charaktere empfehlen, bei Teil 1 zu beginnen.
Ich bin überhaupt kein Fan von Liebesromanen, aber die Romane von Miriam Covi lese ich immer sehr gerne. Ihr Schreibstil ist absolut mitreißend und sehr humorvoll, an einigen Stellen habe ich laut lachen müssen. Außerdem beschreibt sie ihre Charaktere so warmherzig und liebevoll, dass man fast den Eindruck hat, man würde sie persönlich kennen. Die Geschichte wird hauptsächlich aus Stellas Perspektive erzählt, doch einige Kapitel auch aus Aidans Sicht. So bekommt man Einblick in die Gedanken und Gefühle von beiden, was ich sehr gelungen finde.
Natürlich ist schon nach dem Lesen des Klappentextes klar, wie das Buch endet, aber der Weg dorthin, der amüsante Schlagabtausch zwischen Stella und Aidan, hat mir viel Spaß gemacht, auch wenn ich einige Szenen doch etwas überzogen fand.
Es werden aber auch ernste Themen angesprochen, wie z.B. Mobbing oder Bodyshaming.
Insgesamt hätte der Roman für mein Empfinden durchaus um einiges kürzer sein können. Nach etwa 400 Seiten fand ich die Geschichte etwas zu gewollt in die Länge gezogen, was aber auch dran liegen kann, dass ein Liebesroman nicht mein bevorzugtes Genre ist.

Fazit: Ein sehr unterhaltsamer und humorvoller Sommerroman mit einem wunderschönen Setting und liebenswerten Charakteren. Perfekt für den Urlaub oder für ein paar entspannte Stunden auf der Terrasse.

Veröffentlicht am 28.07.2022

Sprachlosigkeit

Die Ewigkeit ist ein guter Ort
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Inhalt: Elke ist Ende zwanzig, hat Theologie studiert und arbeitet im Albertusstift in Köln. Den ehrenamtlichen Seelsorge-Dienst im Seniorenheim mag sie besonders gern. Als sie eines Tages am Sterbebett ...

Inhalt: Elke ist Ende zwanzig, hat Theologie studiert und arbeitet im Albertusstift in Köln. Den ehrenamtlichen Seelsorge-Dienst im Seniorenheim mag sie besonders gern. Als sie eines Tages am Sterbebett einer alten Dame das Vaterunser sprechen soll, fehlen ihr die Worte. Ihr fällt der seit ihrer Kindheit bekannte Text nicht mehr ein und sie stammelt unzusammenhängende Worte. Genauso ist es bei anderen Gebeten und bei einer von ihr vorbereiteten Andacht. Sie nennt es Gottdemenz. Und da ihre Sprachlosigkeit anhält, wird sie kurzerhand suspendiert.
Elke fährt zu ihren Eltern nach Norddeutschland. Aber auch ihr Vater, der selber Pastor ist, hat Erwartungen an sie. Er möchte, dass sie möglichst bald seine Nachfolge antritt, damit er sich zurückziehen kann. Und dann gibt es in ihrem Elternhaus noch den leeren Platz am Tisch, wo früher ihr Bruder Chris saß, der vor 15 Jahren im See ertrunken ist.

„Die Ewigkeit ist ein guter Ort“ wird aus der Sicht von Elke erzählt. Aber obwohl es um sehr ernste und traurige Themen, wie Glaube, Tod, Trauerbewältigung und Selbstfindung geht, habe ich die Atmosphäre des Romans in großen Teilen eher als heiter empfunden. Allerdings gibt es auch traurige, berührende und nachdenklich machende Passagen.
Elke mochte ich sehr gern. Trotz aller Probleme verliert sie nicht ihren Humor. Sie zweifelt an ihrem Glauben und auf der Suche nach dem Grund ihrer Sprachlosigkeit muss sie sich zuerst mit dem frühen Tod ihres Bruders auseinandersetzen. Ihr Freund Jan ist Atheist und ihr keine große Hilfe. So richtig verstehen kann er Elke nicht und die beiden reden auch viel zu wenig miteinander. Das wirklich Wichtige behält Elke für sich. Eigentlich leben die beiden nebeneinander her, jeder hat seine eigenen Interessen und seinen eigenen Freundes- und Bekanntenkreis.
Dann ist da noch Gertrude, der alte und nervige Papagei, sowie einige andere tolle Nebencharaktere, die sehr zur Auflockerung der Geschichte beitragen.
Auch das Ende hat mir sehr gut gefallen. Es ist zwar offen, aber voller Hoffnung.

Das Buch ist tiefgründig, berührend und humorvoll und ich empfehle es gerne weiter.