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Veröffentlicht am 27.11.2022

Der das Böse bekämpft

Der Mondmann - Blutiges Eis
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Jens Lerby, Profiler in Kopenhagen, behält selten seine Meinung für sich, selbst, wenn es sich um Kollegen oder Vorgesetzte handelt. Nun soll er einen Fall in Grönland übernehmen, was für ihn, der Eis ...

Jens Lerby, Profiler in Kopenhagen, behält selten seine Meinung für sich, selbst, wenn es sich um Kollegen oder Vorgesetzte handelt. Nun soll er einen Fall in Grönland übernehmen, was für ihn, der Eis und Kälte hasst, einer Strafversetzung gleich kommt. Aber wenn Walrosszähne für einen Mord verantwortlich sind, muss ein erfahrener Mann entsendet werden. Dort sieht sich Lerby einer eingeschworenen Gemeinde von Inuit gegenüber, die traditionellerweise fest an Dämonen glaubt.

Schnell ist Jens Lerby charakterisiert, mit seinen Ecken und Kanten ist er ganz gewiss keiner, mit dem man sich anfreunden möchte. Und gerade diese Persönlichkeit verleiht unter anderem den Reiz dieser einnehmenden Geschichte rund um die Frage, ob ein Amarok – ein Mischwesen aus Walross und Wolf – rund um Illokarfiq sein Unwesen treibt. Der störrische Fünfzigjährige jedenfalls stößt mit seinen herkömmlichen Methoden rasch auf Widerstand und kann von Glück reden, dass eine junge Einheimische, Pallaya Shaa, zwischen Lerby und dem alten Schamanen im Dorf vermittelt.

Beeindruckend beschreibt Fynn Haskin die Landschaft des ewigen Eises, das nur für kurze Zeit im Sommer schmilzt und die alten Traditionen der Inuit, die seit viertausend Jahren gepflegt werden. Erst die letzte Generation ist von der westlichen Welt gezwungen worden, die Robbenjagd aufzugeben und neue Wege zu gehen. Während spannender Ermittlungen lässt der Autor den Leser eintauchen in die Welt der Sagen und Mythen, in die Angst der Inuit vor dem tupilaq, dem Dämonen, der Böses über die Menschen bringt. Mit jeder Zeile spürt man, welche Begeisterung Haskin hier für dieses Thema mitbringt und erlebt durch detaillierte Recherche und Erklärungen die Kultur der Ureinwohner Grönlands hautnah. Schon zu Beginn begleitet der Leser Natuk in seinem qajaq, spürt die hervorragend vermittelte Stimmung der Natur durch die bildhafte Beschreibung: „Flach wie ein Blatt lag das Kajak auf dem Wasser, dessen dunkelblaue Farbe zwischen den Schollen von eisiger Tiefe kündete, während es heller und türkisfarben wurde, je näher man dem Eis kam.“ (kindle Pos. 83) Geschickt vermag es Fynn Haskin, Natur und Mensch in ihren von jeher vorgegebenen Einklang zu bringen und die Konflikte mit Jens Lerby herauszuarbeiten, welche klarerweise nicht lange auf sich warten lassen.

Der Spannungsbogen steigt stetig an, rotes Blut färbt Eis und Schnee, aber trotz scheußlicher Verbrechen verzichtet der Autor auf ausführlichen Beschreibungen der Gräueltaten. So ist man als Leser rasch gefangen zwischen Kälte und Eis, alter Kultur und neuen Ermittlungsmethoden, Angst vor Ungeheuern und überheblichem Hinwegsetzen über ebendiese. Ein klassischer Schreibstil in flottem Präteritum lässt die Seiten nur so dahinfliegen, eine logisch aufgebaute Handlung besticht durch geschickt eingeflochtene Informationen, welche die Geschichte authentisch und glaubwürdig werden lassen. Auch die Auflösung führt alle Fragen und losen Enden überzeugend zusammen, sodass man das Buch nur zufrieden aus der Hand legen kann.



Titel Der Mondmann

Autor Fynn Haskin

ISBN 978-3-404-18865-9

Sprache Deutsch

Ausgabe Taschenbuch, 400 Seiten

ebenfalls erhältlich als e-book und Hörbuch

Erscheinungsdatum 25. November 2022

Verlag Lübbe

Veröffentlicht am 24.11.2022

Heiter und besinnlich

Schneeflockenmomente
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Perfekt zu kurzen Tagen und langen Nächten passt dieses Buch mit neun Erzählungen rund um die Weihnachtszeit von ganz unterschiedlichen Autorinnen. Beate Maly, Anne Jacobs, Nicole Steyer, Svenja Lassen, ...

Perfekt zu kurzen Tagen und langen Nächten passt dieses Buch mit neun Erzählungen rund um die Weihnachtszeit von ganz unterschiedlichen Autorinnen. Beate Maly, Anne Jacobs, Nicole Steyer, Svenja Lassen, Ulrike Renk, Rena Rosenthal, Marie Merburg, Jana Lukas und Petra Schier haben hier gemeinsam ein stimmungsvolles Buch zusammengestellt, das man gerne für eine freie Stunde zur Hand nimmt und sich entführen lässt an verschiedenste Orte. Von der Nordsee bis nach Wien erleben wir interessante, winterliche Schauplätze, wo sich unterhaltsame Szenen abspielen. Von duftenden Gänsebraten, alten Gliederpuppen und verletzten Weihnachtsengeln ist hier zu lesen, eine Ankunftshalle am Hafen ist ebenso Kulisse wie ein ungeschmückter Christbaumstand mit Schrottgeräten an der Hüttenwand, duftende Schokolade - individuell zusammengestellt - umweht des Lesers feines Näschen bevor die Erfindung des Fahrrads eine Rolle spielt. Der Traum einer eigenen Eisdiele und ein Besuch beim besten Puppendoktor der Stadt runden den besinnlichen Reigen schließlich ab.

Neun Autorinnen, die jeweils in ihrem eigenen charakteristischen Schreibstil eine in sich abgeschlossene Geschichte erzählen und so für jeden Geschmack etwas bieten, sorgen für unterhaltsame Stunden. Gerne lässt man sich verzaubern von Duft und Glanz und freut sich gemeinsam mit den sympathischen Figuren, wenn am Ende Glück und Friede einkehrt im trauten Heim.

Berührend, lustig, traurig, nachdenklich, so präsentiert sich diese Sammlung voller Vielfalt und weckt durchaus Lust auf mehr von so mancher Autorin, die man vielleicht bisher noch gar nicht gekannt hat. Gerne empfehle ich Schneeflockenmomente allen, die es heiter und gefühlvoll mögen und es schätzen, wenn sie eine komplette Episode am Stück lesen können, aber nicht einen ganzen Tag dafür Zeit haben.





Titel Schneeflockenmomente

Autor Beate Maly u.a.

ISBN 978-3-365-00110-3

Sprache Deutsch

Ausgabe Taschenbuch, 352 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook

Erscheinungsdatum 27. September 2022

Verlag HarperCollins

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 14.11.2022

Für immer jung - zu jedem Preis?

Das Jungblut-Serum
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Lena Bondroit, Verhaltensforscherin und leitende Wissenschaftlerin im Internationalen Institut für Epigenetik in Köln, fliegt nach einer interessanten Anfrage kurzfristig auf eine kleine nordschwedische ...

Lena Bondroit, Verhaltensforscherin und leitende Wissenschaftlerin im Internationalen Institut für Epigenetik in Köln, fliegt nach einer interessanten Anfrage kurzfristig auf eine kleine nordschwedische Insel. Dort häufen sich Fälle von Unfruchtbarkeit bei jungen Frauen und die Einheimischen denken an einen Zusammenhang mit einem speziellen Verjüngungsmittel, welches deren Eltern in einer Langzeitstudie erprobt haben. Eine spannende Reise im Namen der Wissenschaft und der Pharmaindustrie beginnt…

Nach einem kurzen Einblick ins Jahr 2003 schwenkt Thomas Kiehl auch schon in die Zukunft und trifft Lena 2029, wo sie mit Astrid in einem alten Volvo ermüdend langsam über die schmale Landstraße rollt. Kaum steigt die Spannung, befindet man sich in einem Gerichtssaal in Köln: als anerkannte und eloquente Gutachterin vor Gericht lernt man die ehrgeizige junge Lena Bondroit hier kennen. Der Autor versteht es geschickt, an packenden Stellen innezuhalten und die Szene zu wechseln. So ist es kein Wunder, dass man das Buch am liebsten ohne größere Pausen liest, weil man ganz einfach gar nicht anders kann als dranzubleiben.

Das Thema Epigenetik ist ausgesprochen interessant und auch für Laien gut verständlich in die Handlung eingeflochten, sodass der Leser die Grundlagen gut versteht, aber dennoch an keiner Stelle das Gefühl hat, eine Doktorarbeit in Händen zu halten. Der Spagat zwischen notwendiger fachlicher Information und spannendem Thriller ist eindeutig gelungen. Außerdem fesselt Kiehl durch seinen einnehmenden Sprachstil, welcher durchsetzt ist von humorvollen Redewendungen und Wortwitz („... mit den glasigen Augen eines alten, gebrochenen Mannes und einem leeren Blick, der davon zeugte, dass der Mann sich bereits mit einem Fuß auf der anderen Seite des Styx befand.“ S. 24 oder „Sie fühlte sich mit Michael oft wie ein Klavier, bei dem nicht alle Oktaven bespielt wurden.“ S. 89). Durch diese Spielereien mit der Sprache wird Kiehls Individualität vergegenwärtigt und das Buch erst so richtig lebendig. Daneben zeichnet er auch seine Figuren detailliert und bildhaft, recht schnell hat man als Leser die unterschiedlichsten Personen vor Augen.

Die nordschwedische Kulisse im Herbst mit später Dämmerung und frühem Einbruch der Dunkelheit tut ihr Übriges für eine düstere und alptraumhafte Atmosphäre, welche die jungen Familien auf der abgeschiedenen Insel gefangen hält. Ist der Verdacht gegen den Pharmakonzern berechtigt oder reimt man sich einfach nur etwas zusammen, um einen Schuldigen zu finden? Während Bondroit eigentlich nur als hilfsbereite und interessierte Forscherin gekommen ist, findet sie sich schnell zwischen verhärteten Fronten und möchte so schnell wie möglich wieder nach Hause. An der schwedisch-finnischen Grenze ist das aber einfacher gesagt als getan, der Schrecken beginnt erst. Ebenso wie Lena weiß der Leser nicht, wem er trauen kann und welche Wendung ihr Schicksal innerhalb kürzester Zeit noch nehmen wird, die knappen Kapitel, die oftmals Fragen offen lassen, erhöhen das Tempo zunehmend. Nach einigen Überraschungen rund um die Verlockung der ewigen Jugend liefert Thomas Kiehl eine überzeugende und detaillierte Auflösung, die alle Fäden konsequent und logisch zusammenführt, den Leser zufrieden das Buch zuklappen lässt, nicht ohne noch ein letztes Mal das besondere Gefühl der Haptik dieses wunderschönen Einbandes zu genießen.

Ich kann nur eine klare Leseempfehlung aussprechen für diesen fesselnden Wissenschaftsthriller, der nicht mit rohen Gewaltszenen punktet, sondern durch seinen wortgewandten und dynamischen Schreibstil überzeugt sowie mit interessanten biologischen Sachverhalten den Leser vollkommen in seinen Bann zieht.



Titel Das Jungblutserum

Autor Thomas Kiehl

ISBN 978-3-7109-0143-0

Sprache Deutsch

Ausgabe Taschenbuch, 328 Seiten

ebenfalls erhältlich als e-book

Erscheinungsdatum 18. Oktober 2022

Verlag Benevento

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 13.11.2022

Köstlicher Apfelduft

Ein Apfelbaum am Meer
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Die 31jährige Julie ist wieder Single und hat ihren Job als engagierte Physiotherapeutin verloren, da ihre Chefin den Betrieb kurzerhand in eine andere Stadt verlegt hat. Da kommt die Einladung zu Ennas ...

Die 31jährige Julie ist wieder Single und hat ihren Job als engagierte Physiotherapeutin verloren, da ihre Chefin den Betrieb kurzerhand in eine andere Stadt verlegt hat. Da kommt die Einladung zu Ennas 80. Geburtstag nach Juist gerade recht. Oft hat Julie in ihrer Kindheit die liebe Freundin ihrer Oma Giulietta im Sommer besucht und dort auch Freunde gefunden.

Klingt nach einfach gestrickter Ferienlektüre? Ist es aber ganz und gar nicht!

Sympathisch und lebensfroh trotz widriger Umstände beschreibt Anne Barns ihre Hauptfigur Julie, die Deutsche mit italienischen Vorfahren und einem Hang zum Backen. Sowohl in Italien als auch an der Nordsee liegt der Duft von frischen Äpfeln, Zimt und Mandeln, feinem Biskuit und körnigem Mürbteig in der Luft. Zwischen den Zeilen werden die Geschmacksknospen des Lesers berührt, dazu sieht man bildlich die knorrigen Obstbäume vor sich und spürt den weichen weißen Sand am Meer unter den Füßen. Die Autorin versteht es hervorragend, die jeweilige Kulisse so plastisch zu beschreiben, dass man sich sofort an Ort und Stelle wähnt, auch wenn man noch nie in einem umbrischen Obstgarten oder auf der bekannten autofreien Insel gewesen ist.

An diesen wunderschönen Orten treffen wir auf Personen wie aus dem echten Leben gegriffen, ruhig oder quirlig, jung oder alt, aber fast immer mit einem gewissen Zusammengehörigkeitsgefühl und Familiensinn, sodass Julie sich nach den vielen Jahren sofort wieder willkommen fühlt. Und ganz nebenbei entspinnt sich noch eine interessante Geschichte um ein altes Geheimnis, welches Giulietta bis zu ihrem Tod gehütet hat.

Unterhaltsam, inspirierend und ganz und gar nicht kitschig oder oberflächlich legt Anne Barns diesen liebevollen Roman an, sodass man fast traurig ist, am Ende angekommen zu sein. Aber damit der Abschied nicht so schwer fällt, gibt es am Ende noch eine ganze Reihe köstlicher Rezepte, mit denen man sich Julies und Merles Backstubenzauber ins eigene Heim holen kann.

Mein erstes Buch von Anne Barns wird gewiss nicht das letzte sein … von mir gibt’s eine klare Leseempfehlung!



Titel Ein Apfelbaum am Meer

Autor Anne Barns

ISBN 978-3-365-00125-7

Sprache Deutsch

Ausgabe Taschenbuch, 320 Seiten

ebenfalls erhältlich als e-book und Hörbuch

Erscheinungsdatum 25. Oktober 2022

Verlag HarperCollins

Veröffentlicht am 10.11.2022

Im Schwarzwald

Die Kräutersammlerin und der junge Flößer
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Anno 1344: Johanna lebt als Kräutersammlerin und Heilkundige in Schiltach am Rande des Städtles, nahe den Gerbern und Flößern. Als eine junge Schankmagd ermordet aufgefunden wird und im Wirtshaus „Hirsch“ ...

Anno 1344: Johanna lebt als Kräutersammlerin und Heilkundige in Schiltach am Rande des Städtles, nahe den Gerbern und Flößern. Als eine junge Schankmagd ermordet aufgefunden wird und im Wirtshaus „Hirsch“ des Nachts mysteriöse Geräusche zu hören sind, denken die Einwohner, dass sie es mit dem Teufel zu tun haben. Johanna und der Flößer Lukas versuchen, der Wahrheit auf den Grund zu gehen.

Angenehm ruhig im Schreibstil und gleichzeitig fesselnd und bildreich stellt Heidrun Hurst das Leben im Mittelalter dar. Rasch ist der Leser von der einnehmenden Atmosphäre fasziniert und taucht ein in die Kälte des Winters, die Einsamkeit der Wälder. Hervorragend recherchiert und angelehnt an wahre historische Gegebenheiten erweckt die Autorin eine längst vergangene Zeit zum Leben. Interessante Kräuteranwendungen fließen locker ins Geschehen ein und geben detaillierte Einblicke in Johannas Tätigkeit. Überhaupt spielt die Natur im Roman eine wichtige Rolle, ebenso wie Nächstenliebe und Gottvertrauen, obwohl die Kräuterkundige auch manch kritische Frage stellt und aufpassen muss, dass sie nicht selbst ins Kreuzfeuer der Mitbürger gerät. Einfühlsam charakterisierte Figuren prägen die spannende Handlung und lassen den Leser mitfiebern, was wohl noch alles erwartet werden darf und wie die Lösung der beängstigenden Vorgänge im Städtle aussehen mag.

Zwischendurch eingestreute Informationen deuten auf einen Vorgängerband hin, den man aber nicht unbedingt gelesen haben muss, um sich im Buch zurechtzufinden. Da mir dieser Teil Zwei der Kräutersammlerin aber sehr gut gefallen hat, werde ich das nun nachholen. Ich gebe gerne eine Leseempfehlung ab.



Titel Die Kräutersammlerin und der junge Flößer

Autor Heidrun Hurst

ISBN 978-3-7408-1358-1

Sprache Deutsch

Ausgabe Taschenbuch, 320 Seiten

ebenfalls erhältlich als e-book

Erscheinungsdatum 20. Oktober 2022

Reihe Die Kräutersammlerin

Verlag Emons