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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.12.2022

Sehr lesenswert

Der rote Seidenschal
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„...“Ann, halt dich gerade!“ „Ja, Tante Adele.“ „Leg die Beine nicht übereinander!“ „Ja, Tante Adele.“...“

Mit diesen Worten beginnt ein spannender Roman. Ann ist seit ihrem 11ten Lebensjahr Waise und ...

„...“Ann, halt dich gerade!“ „Ja, Tante Adele.“ „Leg die Beine nicht übereinander!“ „Ja, Tante Adele.“...“

Mit diesen Worten beginnt ein spannender Roman. Ann ist seit ihrem 11ten Lebensjahr Waise und bei ihrer Tante Adele in Arizona aufgewachsen. Nun sind sie zu einer alten Dame unterwegs, die Tante Adeles Hilfe braucht. Glücklicherweise sitzt im Abteil eine weitere Frau, die Ann ihre Zeitschriften leiht, sehr zum Unmut von Tante Adele. Als diese Frau in Mesilla aussteigt, lässt sie ihren roten Seidenschal unter dem Platz liegen. Ann findet ihn und steigt aus dem Zug, um ihn ihr zu bringen.. Damit beginnt das Abenteuer ihres Lebens.
Die Autorin hat eine spannende Geschichte geschrieben. Es ist eine vorsichtige Neubearbeitung ihres Erstlingswerks. Informationen zu diesem Prozess gibt es im Nachwort.
Der Schriftstil lässt sich flott lesen. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen.
Natürlich hat Ann den Zug verpasst. Der nächste fährt erst in drei Wochen. Was nun? Sie will ihre Freiheit genießen, sieht aber noch nicht die Gefahren. Da reitet ihr der Halbindianer Chee über den Weg, gerade als sie in einer kritischen Situation ist. Er will zu seiner Mutter, die zum Stamm der Apachen gehört. Ann überredet ihn, sie mitzunehmen.
Sehr bildhaft beschreibt Chee die Landschaft in den Jahreszeiten, als sich Ann zur Hitze äußert.

„...Der Winter ist sogar rau. Es schneit, es hagelt, eisiger Wind schneidet in die Haut wie mit Messern. Auf den Felsen liegt hoher Schnee...“

Was Ann so auf der Reise erlebt, soll nicht Inhalt dieser Rezension sein. Die Abenteuer sorgen für den hohen Spannungsbogen. Es sind aber die vielen Gespräche und die Emotionen der Protagonisten, die das Buch auszeichnen. So erklärt Chee Ann:

„...Wir sind hier in einer sehr unsicheren Gegend. In diesem Land ist jeder jedem verdächtig. Vorsichtig ist geboten bei jedem Wort, bei jeder Bewegung...“

Man kann es auch anders ausdrücken: Zuerst wird geschossen und dann gefragt, falls das noch möglich ist. Auch in der Tierwelt lauern Gefahren.
Chee ist der Sohn eines Amerikaners und einer Indianerin. Er lebt im Prinzip zwischen den Völkern. Das macht es für ihn nicht einfach. Gerade, wenn es mal wieder Kämpfe gibt, muss er sich entscheiden.
Ann erweist sich als zäh, mutig und entscheidungsfreudig. Doch es ist eine Freiheit auf Zeit. Ihr Zusammensein mit Chee hat keine Zukunft. Das wissen beide.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Neben der fesselnden Handlung macht die Autorin auch deutlich, dass Kriege nie die Lösung für das Zusammenleben von Völkern sind. Es sind nur wenige Gedanken dazu, die aber besonders eindringlich.

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Veröffentlicht am 05.12.2022

Wenn alte Wunden aufbrechen...

Weltfrieden
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„...Und mit den Erinnerungen war auch wieder etwas von damals zu spüren, etwas, womit sie nicht mehr gerechnet hatte: die Angst der Ohnmacht...“

Wir befinden uns 10 Jahre nach der Wende in einem kleinen ...

„...Und mit den Erinnerungen war auch wieder etwas von damals zu spüren, etwas, womit sie nicht mehr gerechnet hatte: die Angst der Ohnmacht...“

Wir befinden uns 10 Jahre nach der Wende in einem kleinen Dorf in Brandenburg. Das Grundstück des ehemaligen Kindergartens soll verkauft werden. Erika und Hermann kümmern sich seit einiger Zeit um die Ferienhäuser am See. Ihnen wird angeboten, auch den Kindergarten und dessen Umfeld in Ordnung zu bringen. Und plötzlich ist die Vergangenheit wieder lebendig, eine Vergangenheit, die tiefe Wunden geschlagen hat.
Die Autorin hat einen sehr stimmigen Roman geschrieben. Sie lässt dabei verschiedene Genrationen zu Wort kommen und zeigt auf, was damals alles schief gelaufen ist.
Der Schriftstil gibt die Gefühle der Protagonisten sehr gut wieder.

„...Systeme kamen und gingen. Sie kannte Menschen, die in der DDR glücklich gewesen waren, und sie kannte welche, die das System erdrückt hatte. Wozu darin rumwühlen?...“

Joppe gehörte zu den Menschen, die auch in der DDR den Finger in die Wunde legten. Trotzdem stand er seinen Mann im Betrieb. Doch nach der Wende sprach er kaum noch. Dafür gab es mehrere Gründe.
Die Protagonisten haben im alten Laborwerk gearbeitet. Das wurde von heute auf morgen geschlossen. Die Leute standen auf der Straße, egal, ob Arbeiter oder Wissenschaftler. Erika und Hermann gehören zu denen, die geblieben sind und sich eine neue Existenz aufgebaut haben. Els war gegangen – und ist zurückgekommen, um andere zurück zu holen. Ihr Kiosk ist Anlaufpunkt für alle, die reden wollen. Ihre Maxime lautet:

„...Wo nüscht is, kann immer noch viel entstehen!...“

Heike, die Tochter von Erika und Hermann, ist nach Berlin gegangen.
Beim Aufräumen des Grundstücks entdecken sie eine alte Grube. Dort kommen Dokumente zutage, die ein völlig neues Bild ergeben. Das Ende des Werkes hat einigen Leuten viel Geld in die Taschen gespült. Es wurde betrogen und getrickst.
Diejenigen, die von der alten Belegschaft noch da sind, setzen sich zusammen. Als einer der damaligen Gewinner vor dem Haus steht, nimmt der Fall eine unerwartete Wendung. Wieder bringt es Els auf den Punkt:

„...Wer über Leichen geht, muss auch damit rechnen, dass sie einen eines Tages am Knöchel packen...“

Die Geschichte über weite Strecken sehr realistisch erzählt. Deutlich wird, dass auch diejenigen, die gegangen sind, ihre Probleme hatten. Jeder Neuanfang wird auf seine Art von der Vergangenheit geprägt. Bei Joppe klingt das so:

„...Wir wollten keinen Wohlstand geschenkt. Wir wollten eine Chance...“

Und die haben sie sich nun genommen. Plötzlich ist der alte Stolz wieder da. Sie sehen ihre Zukunft mit neuen Augen. Äußerlich hat sich nicht viel geändert, aber im Innern eines jeden.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen.

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Veröffentlicht am 03.12.2022

Gelungene Fortsetzung

Die Hafenärztin. Ein Leben für das Recht auf Liebe (Hafenärztin 3)
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„...Anne vertraute ihren Vater Roger van der Zwaan nicht mehr. Sein Wort war ihr kein Pfifferling wert, sie hatte traurigen Anlass, ihn für einen Menschen zu halten, der über Leichen ging...“

Warum, wird ...

„...Anne vertraute ihren Vater Roger van der Zwaan nicht mehr. Sein Wort war ihr kein Pfifferling wert, sie hatte traurigen Anlass, ihn für einen Menschen zu halten, der über Leichen ging...“

Warum, wird im Band 2 der Reihe deutlich. Jetzt aber braucht Anne den Anwalt ihres Vaters, um in London reinen Tisch zu machen, bevor sie nach Hamburg zurückkehrt.
Die Autorin hat erneut einen spannenden und gut recherchierten historischen Roman geschrieben. Zu Beginn gibt es einen kurzen gedanklichen Rückblick von Anne auf das bisherige Geschehen.
Der Schriftstil ist ausgereift. Er passt sich der jeweiligen Situation an.
Anne untersucht in einem chinesischen Bordell regelmäßig die jungen Frauen. Bei einem ihrer Besuche erlebt sie, wie ein junges Mädchen erstochen wird. Der Fall landet bei Kommissar Berthold Rheydt. Er trifft auf eine Mauer des Schweigens.Trotzdem gelingt es ihm, die Leiche des Mädchens zu finden.
Als Leser bekomme ich einen Einblick in das chinesische Viertel von Hamburg. Gleichzeitig erfahre ich, dass man vermutet, dass dort Vertreter der Triaden das Sagen haben.
Die Autorin versteht es, die Handlungsorte sehr bildhaft zu beschreiben. Berthold vermutet den Mörder im Hafenviertel.

„...Und erst die Gerüchte! Taue und Seile, die rochen wie feuchtes, muffiges Gras. Pech und Werg, mit dem die Nähte in den Planken der Decks geflickt wurden, stachen ebenso in die Nase wie der brenzlige Geruch, der vom Köhlbrand herüberwehte...“

Berhold weiß mittlerweile, dass es sich um alten Bekannten handelt. Er will ihn nicht wieder entwischen lassen.
Anne fragt sich zunehmend, wie ihr Vater wieder einen Fuß in den Hamburger Hafen bekommen will. Nicht ohne Grund baut er dort die Ruinen wieder aus.
Ein weiteres Thema ist die Veränderung auf dem Gebiet der Drogen. Bisher wurde Heroin als Tablette verabreicht, um die Abhängigkeit von Opium in den Griff zu bekommen. Langsam aber macht sich die Erkenntnis platz, dass auch Heroin eine Droge ist.
Sehr behutsam entwickelt sich die Beziehung zwischen Helene und Berthold. Erste hat ihre Lehrerausbildung abgeschlossen, als Berthold ihr endlich seine Liebe gesteht. Dabei hat Helene ein weiteres Problem. Ihre Freundin Pauline hat geheiratet. Doch die lebenslustige junge Frau ist nach der Hochzeit nur noch ein Schatten ihres Wesens. Sie konnte nicht ahnen, dass ihr Mann gern zuschlägt.

„...Eine Scheidung würde uns ruinieren. Und aus welchem Grund sollte ich mich scheiden lassen? Franz hat nichts Verbotenes getan...“

Stimmt! Das Züchtigen der Ehefrau ist legitim. Auf ihre Familie kann Pauline nicht hoffen. Seitdem sieht Helene auch Ida, Paulines Mutter, mit anderen Augen. Deren großzügiger Lebensstil hat die Familie an den Rand des Ruins gebracht. Der neue Schwiegersohn gilt als Retter.
Im Buch gibt es viele Rückblenden in die Vergangenheit der Protagonisten, aber auch in das Geschehen der ersten zwei Bände. Dabei werden deren lose Handlungsfäden aufgegriffen und zum Ergebnis geführt.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Zwar kommt der Spannungsbogen nicht an die beiden ersten Bände heran, aber dafür hat die Geschichte nun ein rundes Ende.

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Veröffentlicht am 30.11.2022

Schöne Weihnachtsgeschichten

Ein Engel vor dem Fenster
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„...Sie wusste nicht, ob sie überhaupt wollte, dass ihr Vater da war. Sie hatte ihn so lange nicht gesehen, dass sie kaum noch wusste, wie er aussah...“

Nachdem sich Emmas Mutter das Bein gebrochen hat, ...

„...Sie wusste nicht, ob sie überhaupt wollte, dass ihr Vater da war. Sie hatte ihn so lange nicht gesehen, dass sie kaum noch wusste, wie er aussah...“

Nachdem sich Emmas Mutter das Bein gebrochen hat, steht die Fürsorgerin nun mit ihr vor der Tür des Vaters. Der kommt ihr sehr jung vor. Es handelt sich um die dritte Geschichte in der Anthologie. Emma lernt die Freunde ihres Vaters kennen und erlebt dort ein besonderes Weihnachten.
Insgesamt 11 Geschichten wurden im Buch zusammengefasst. Alle befassen sich auf die eine oder andere Art mit Weihnachten, mal besinnlich mal mit feinem Humor.
Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Er passt in die Zeit und lässt Raum für Emotionen. Da gibt es den älteren Herrn, der auf den Friedhof einen Engel vom Schmutz befreit. In einer anderen Geschichte wartet Oskar auf die Geburt des Urenkels. In der Zeit lässt er sich für den Adventskranz was ganz Besonderes einfallen.

„...Ein Tag beginnt frühmorgens klein und grün wie die Brombeeren, schwillt mit dem Sonnenstand an, füllt sich fast unverschämt mit Leben und einzelnen Begegnungen, so wie die reife Beere verlockend zu duften beginnt...“

Fips ist unterwegs zur seinen Freunden, um dort Weihnachten zu feiern. Da sieht er einen Angler am See sitzen. Der angelt aber nicht. Zwischen beiden entwickelt sich ein tiefgründiges Gespräch.
Die Anthologie hat mir ausgezeichnet gefallen. Die Geschichten gehen in die Tiefe und sind doch aus dem Leben gegriffen.

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Veröffentlicht am 29.11.2022

Gelungene Anthologie

Der Mops, der Weihnachten verschlief
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„...Konkreter bitte, Rudi. Das mit dem Herzen nehmen wir ernst, ja. Die Knochen sind das eine, die Pumpe ist dein Lebenselixier...“

Das Zitat könnte durchaus von einer Ärztin zu einem betagten Herrn gesagt ...

„...Konkreter bitte, Rudi. Das mit dem Herzen nehmen wir ernst, ja. Die Knochen sind das eine, die Pumpe ist dein Lebenselixier...“

Das Zitat könnte durchaus von einer Ärztin zu einem betagten Herrn gesagt werden. Dem ist auch so. Nur ist die Ärztin eine Elfe und der betagte Herr das Rentier Rudi. Auch Rentiere kommen in die Jahre und brauchen kurz vor Weihnachten eine Frischekur. Und dann erscheint noch ein junges Rentier, was dieses Jahr am Flug teilnehmen soll. Rudi ist sauer. Deshalb lässt er sich eine Menge einfallen.
Die erste Geschichte in der Anthologie wird humorvoll erzählt. Parallelen zur Menschenwelt sind nicht zu übersehen. Und das Fazit ist wie so oft: Man hätte gleich miteinander reden sollen.

„...Menschen sind halt nicht so gebildet wie Hunde. Dafür habe ich Verständnis, aber es nervt...“

Der Mops ist sauer. Er fühlt sich als Beschützer seines Herrchens und kann nicht verstehen, dass der jeden Auftrag seines Chefs erfüllt, auch wenn er eigentlich schon Dienstschluss hat. Also darf er seinem Herrchen erneut durch den Ort hinterherhecheln, denn auf dem Fahrrad ist kein Platz für in. Die Geschichte wird aus Sicht des Hundes erzählt. Es gibt manch amüsante Episode und ein unerwartetes Ende.

„...Peter hätte mitrauchen sollen. Dann hätte sich die Situation beruhigt, und alles wäre gut gewesen...“

Hat er aber nicht! Er hat Rohrreiniger Eymer wegen Rauchens von Haschisch entlassen. Das Arbeitsamt hat ihn den Job eines Weihnachtsmannes vermittelt. Doch die Adresse ist falsch. Statt im Kinderheim landet er bei einer Familie, bei der es sehr steif zugeht.
Hier zieht der Autor alle Register eines Humors, der fast an Slapstick erinnert. Das kann man nicht beschreiben, das muss man auf sich wirken lassen.

„...Wisst ihr eigentlich, wie magisch Weihnachten für mich damals war?...“

Diese Zeilen stehen in einem Brief, den Melissa an ihre Eltern schreibt. Wegen einer politischen Streitigkeit aber ist seit Jahren Onkel Walt nicht mehr zur Familienweihnacht dabei. Der aber sorgte für die Magie der Weihnacht.
Hier dominieren besinnlichen und melancholische Töne. Melissa macht unbewusst einen Fehler beim Versenden der Post und sie erlebt erneut eine magische Weihnacht.

„...Wie zwei kleine Jungs waren sie mit Feuereifer dabei, jedes einzelne Stück auszupacken und aufzustellen...“

Julia hat sich in den Dänen Thore verliebt. Kurz vor Weihnachten ziehen sie zusammen. Julia freut sich auf gemeinsame Stunden. Sie ahnt nicht, was eine dänischen Weihnacht bedeutet. Das geht schon damit los, dass Thores Bruder Lasse mehr bei ihnen als in seiner Wohnung ist. Aber die Verwandtschaft ist wesentlich umfangreicher.
Hier wird mit feinem Humor erzählt, wie schwierig es sein kann, sich von jetzt auf gleich an andere Sitten und Gebräuche anzupassen.

„...Auch Olafur ließ traurig die Zweige hängen, da traf ihn der Strahl einer Taschenlampe...“

In der letzten Geschichte wird Weihnachtsbaum Olafur doch noch gekauft. An der Heizung aufgestellt, kommt er heftig ins Schwitzen. Kurzerhand verlässt er die Wohnung. Die Reise eines Weihnachtsbaums führt mich bis an die See. Mir hat die Idee und die Umsetzung gefallen.
Wie die Rezension zeigt, bietet die Anthologie für jeden etwas. Gerade diese unterschiedlichen Geschichten machen sie zu einem gelungenen Buch.

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