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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.12.2022

Eine starke poetische Stimme

Der längste, strahlendste Tag
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Benjamin Myers, der Autor von Offene See, hat mit „“Der längste, strahlendste Tag“ ein beeindruckendes Erzählungsband vorgelegt.
Es enthält auch einige Kurzgeschichten, die nur 1-2 Seiten lang sind.
Hier ...

Benjamin Myers, der Autor von Offene See, hat mit „“Der längste, strahlendste Tag“ ein beeindruckendes Erzählungsband vorgelegt.
Es enthält auch einige Kurzgeschichten, die nur 1-2 Seiten lang sind.
Hier ist die poetische Stimme ganz im Vordergrund, dennoch handelt der Autor einiges auch in diesem geringen Raum ab.
Weiterhin überzeugen gerade die etwas längeren Texte aufgrund der Themen und Originalität.
Das spürt man schon in der ersten Story Tausend Morgen englische Erde, die gleichermaßen Mensch und Maschine wie Tier und Natur betrachtet.
Auch die Titelgeschichte ist unbedingt erwähnenswert.
Oft sind die Erzählungen nicht sehr handlungsreich, aber sie entwickeln schnell ihren eigenen Zauber.
Auch in den anderen Geschichten werden immer wieder besondere Momente von Bedeutung herausgearbeitet.
Viele Sätze sind auch hier wie reinste Poesie.
Dazu passt auch, dass das Buch insgesamt schön und sauber gestaltet ist, z.B. mit dem malerischen Cover.

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Veröffentlicht am 30.11.2022

Klare Analyse

Wir und die Flüchtlinge
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Wir und die Flüchtlinge ist in der Reihe Auf dem Punkt! erschienen und erfüllt dieses Aspekt voll und ganz.

Der russische Angriffskrieg könnte und wird wahrscheinlich zu einer steigenden Flüchtlingszahl ...

Wir und die Flüchtlinge ist in der Reihe Auf dem Punkt! erschienen und erfüllt dieses Aspekt voll und ganz.

Der russische Angriffskrieg könnte und wird wahrscheinlich zu einer steigenden Flüchtlingszahl diesen Winter führen. Damit muss Europa umgehen, eine Strategie finden und sich vorbereiten.

Das Buch ist informativ, spannend wie bedrückend. Es arbeitet mit klaren Fragestellungen und wendet Szenen wie in einem Film an.
Durch Interviewauszüge mit diversen Politikern zum Thema bringt der Autor Nachweise und stellt Bezüge her.

Diese Ansätze des Migrationsforschers Gerald Knaus halte ich für zwingend.

Veröffentlicht am 18.11.2022

Karibische Geschichten

Antillengeschichten
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Das Buch Antillengeschichten enthält 8 Erzählungen der Dichterin Hilde Domin, die auch Prosa geschrieben hat.
Die Erzählungen sind mehr oder weniger zusammenhängend und berichten von Hilde Domins Exilerfahrungen ...

Das Buch Antillengeschichten enthält 8 Erzählungen der Dichterin Hilde Domin, die auch Prosa geschrieben hat.
Die Erzählungen sind mehr oder weniger zusammenhängend und berichten von Hilde Domins Exilerfahrungen in der Dominikanischen Republik. Das dieses Exil natürlich nicht freiwillig war, liest man im Hintergrund mit. Doch auf der Oberfläche sind die Geschichten sehr amüsant und unbedingt lesenswert. Da ist z.B. die bauernschlaue Köchin Vitalia dabei.
Sie dominiert die ersten beiden Geschichten und ist auch später gelegentlich weiterhin dabei.
Großartig die Geschichte über den einohrigen Kater Gogh. Bewegend das Ende der letzten Geschichte.

Hilde Domin war eine große Dichterin und ein großartige Person, die in Heidelberg sehr beliebt war. Auch ich habe sie da mehrfach gesehen.
Dieses Buch ist gewissermaßen ein Schatz, denn das mir noch unbekannte Prosa von ihr auftauchen würde, damit habe ich nicht gerechnet.

Veröffentlicht am 03.11.2022

eine romantische Stoikerin

Elizabeth Finch
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Ein neuer Roman von Julian Barnes ist schon etwas besonderes. Er ist einer der wichtigsten englischen Schriftsteller neben Ian McEwan.

Das Buch wird von seiner Erzählart geprägt. Der Erzähler Neil berichtet ...

Ein neuer Roman von Julian Barnes ist schon etwas besonderes. Er ist einer der wichtigsten englischen Schriftsteller neben Ian McEwan.

Das Buch wird von seiner Erzählart geprägt. Der Erzähler Neil berichtet in bewundernder Art von seiner Dozentin Elizabeth Finch, mit der er sich viele Jahre lang trifft.
Elizabeth Finch, auch nur EF genannt, gibt geschichtliche Vorlesungen für einen Erwachsenen-Fortbildungskurs. Sie ist unkonventionell, originell und bewahrt immer Haltung.

Neil ist eine leicht gescheiterte Existenz. Er war früher Schauspieler, bis er kein Engagement mehr bekommen hatte.
Er sonnt sich ein wenig in Elizabeth Anwesenheit.
Anfangs war ich sehr begeistert, doch mich störte dann, dass man an EF als Leser einfach nicht herankommt. Sie bleibt stets beherrscht und distanziert.
Doch dann gibt es einen Bruch in der Geschichte. EF stirbt und erst durch ihren Nachlaß an Notizbüchern kommt man ihr etwas näher.

Der Mittelteil besteht dann aus einem langen Essay, ausgehend von dem römischen Kaiser Julian und den Äußerungen von Milton, Voltaire und Ibsen.

Im dritten Teil des Buches ist Neil wieder auf den Spuren Elizabeth und versucht ihre Biografie zu rekonstruieren. Aber sie bleibt ein Rätsel.
Man merkt schließlich, dass es in dem Buch auch viel um Neil geht, seine Hoffnungen, Sehnsüchte und Enttäuschungen.

Elizabeth Finch ist ein geschickt gemachter Roman, wie man es von Julian Barnes gewohnt ist.

Veröffentlicht am 30.10.2022

Von Sprache, Körpern, Verlusten und so viel mehr

Innigst / Dearly
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Ein neuer Gedichtband der großen Kanadischen Autorin.
Übersetzt wurde es von Büchner-Preisträger Jan Wagner, der mir zuletzt mehrfach als mutiger Übersetzer aufgefallen ist.
Es ist sehr zu loben, dass ...

Ein neuer Gedichtband der großen Kanadischen Autorin.
Übersetzt wurde es von Büchner-Preisträger Jan Wagner, der mir zuletzt mehrfach als mutiger Übersetzer aufgefallen ist.
Es ist sehr zu loben, dass es sich um eine zweisprachige Ausgabe handelt.
Manche Gedichte habe ich im Original gelesen, andere auf Deutsch und manchmal beide Versionen.

Nicht unwichtig auch der Untertitel Gedichte eines Lebens / Poems of a Lifetime.
Das Buch besteht aus 5 Abschnitten.
Es beginnt mit „Late Poems“, es folgt Ghost Cat Für mich ist der erste Teil ein starker Beginn des Buches, da man in den gewählten Motiven viel privates spürt.

Ein Liederzyklus, fällt auf: Lieder für ermordete Schwestern.
Es gibt mehrfach feministische Einschläge, z.B. in Werwölfe, letzter Stand, in dem man nicht mehr nur männlichen Werwölfen begegnet.

Dann auch das neunteilige Die Außerirdischen landen - neun Spätfilme.

Erst das vorletzte Gedicht im Band ist das Titelgedicht, dass alten Wörtern, wie innigst, nachspürt. Sie werden nicht mehr so häufig verwendet, haben aber noch Bedeutung.
So viele Gedichte müsste man noch erwähnen.
Sehr oft geht es um Sprache, oft auch um Körperlichkeit. Nicht selten gibt es Anspielungen auf mythisches, das macht das Buch interessant.

Ich mag an Atwoods Gedichten, das sie zwar manchmal rätselhaft sein können, aber nicht unzugänglich. Dieses Buch wird mich noch lange begleiten.