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Veröffentlicht am 12.02.2023

Olivias Weg zur Künstlerin...

Glasgow Girls
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Ich kenne von Susanne Goga jetzt (leider!!!) alle vorhandenen Leo-Wechsler-Romane (Krimi-Reihe aus Berlin der 1920-er Jahre) und einen ihrer historischen Romane „Das Haus in der Nebelgasse“ (ebenfalls ...

Ich kenne von Susanne Goga jetzt (leider!!!) alle vorhandenen Leo-Wechsler-Romane (Krimi-Reihe aus Berlin der 1920-er Jahre) und einen ihrer historischen Romane „Das Haus in der Nebelgasse“ (ebenfalls empfehlenswert!). Nun jetzt also ihr neuestes Buch „Glasgow Girls“…
Schon das Cover empfand ich als wohltuend, es war endlich mal keine Frau von hinten, von vorn, von der Seite auf einem hellblauen Cover mit einer Stadt-Silhouette im Hintergrund, sondern es ist der Ausschnitt eines Gemäldes von John Atkinson Grimshaw (1836 – 1893) und stellt wohl eine Straße in Glasgow in der Dämmerung dar, den genauen Titel habe ich bisher noch nicht herausbekommen – schon einmal der erste Pluspunkt, obwohl ich eigentlich gar kein Cover-Typ bin!
Ich mag historische Romane, bei denen man sich noch weiterführende Informationen einholen kann und dieser Leidenschaft konnte ich ja schon gleich mit dem Cover frönen, aber das Buch ist insgesamt eine gelungene Mischung zwischen Historie und Fiktion, so dass ich häufig weitere Erklärungen lesen konnte.
1892: Olivia ist künstlerisch hochbegabt, aber ihre Chance, an der Glasgow Schools of Art (GSA) studieren zu können, ist äußerst gering, da sie nach dem Tod des Vaters zum Lebensunterhalt für sich und ihre Mutter beitragen muss. Eigentlich soll sie in einer Fabrik arbeiten, aber sie sucht sich gegen den Willen der Mutter eine Stelle als Servierhilfe in Miss Cranstons Teesalon (Kate Cranston: 1849 – 1934, war eine der führenden Persönlichkeiten in der Entwicklung von Teesalons, Olivias Arbeitsplatz hat tatsächlich existiert. Miss Cranston war eine Mäzenin der GSA). Auch Miss Cranston entdeckt Olivias Talent und macht ihr das Angebot, sie finanziell zu unterstützen, während sie das Kunststudium absolviert. Aber trotz allem ist Olivia ihren Mitstudentinnen nicht gleichgestellt, kommen sie doch alle aus wohlhabenden Elternhäusern, während Olivia weiterhin bei Miss Cranston arbeitet, um ihre Mutter zu unterstützen.
Aber Olivia findet im Leiter der GSA, Francis Newbery und seiner Frau Jessie (auch historische Persönlichkeiten), Menschen, die sie in ihrem Weg bestärken und ermutigen.
Wir begleiten Olivia über mehrere Jahre während ihrer Ausbildung, erleben Höhen und Tiefen ihres kreativen Schaffens und ihres persönlichen Lebens, freuen uns über ihre Erfolge, trauern mit ihr bei Misserfolgen. Immer wieder kreuzen Künstler ihren Weg, die es tatsächlich gegeben hat…Aber natürlich: auch schon damals war der Kunstmarkt voll von Fallstricken und Intrigen, in die Olivia naiv und unvorbereitet hineinstolpert und durch die sie sogar fast ihren ehrlichen Ruf verliert.
Ein interessantes, z.T. auch mich berührendes Buch, dass ich von der ersten bis zur letzten Seite mit Spannung gelesen habe. Zum einen fand ich Olivia und ihren Werdegang ausgezeichnet dargestellt, zum anderen faszinierte mich auch die Beschreibung der GSA (teilweise erinnerte mich das Konzept an das „Bauhaus“ in seinen frühen Jahren), für die damalige Zeit unkonventionell und fortschrittlich!
Ich kannte ja schon diverse Romane der Autorin, aber ich war wieder einmal beeindruckt von ihrem anschaulichen und lebendigen Schreibstil, die Personen (egal, ob historisch oder fiktiv) agieren alle vollkommen authentisch, so dass bei mir als Leserin der Eindruck entstand, ich sei mittendrin im Geschehen und könne Olivia zur Seite stehen…
Ein Nachwort rundet das Buch sehr gut ab, dort erfahren wir u.a., dass die Frauen der GSA sich selbst nie als „Glasgow Girls“ bezeichnet haben, dieser Name wurde erst 1990 bei einer Ausstellung von der Kuratorin „erfunden“.
Wieder mal ein Roman von Susanne Goga, der mich begeistert in seinen Bann gezogen hat und den ich selbstverständlich gern weiterempfehle!

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Veröffentlicht am 07.02.2023

Meine Reise mit Prinzessin Therese 1888 auf dem Amazonas...

Die Forscherin. Prinzessin Therese und der Ruf des Amazonas
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Katharina Innig hat mit „Die Forscherin – Prinzessin Therese und der Ruf des Amazonas“ einen hervorragenden Debütroman vorgelegt.
Ich sollte vielleicht kurz gestehen, dass Reiseberichte aus vergangenen ...

Katharina Innig hat mit „Die Forscherin – Prinzessin Therese und der Ruf des Amazonas“ einen hervorragenden Debütroman vorgelegt.
Ich sollte vielleicht kurz gestehen, dass Reiseberichte aus vergangenen Jahrhunderten eigentlich nicht zu meinem bevorzugten Genre gehören – und von Prinzessin Therese (von Bayern) hatte ich als „Nordlicht“ auch bisher nichts gehört...
Aber was interessiert mich mein Geschwätz von gestern? Katharina Innig hat es innerhalb weniger Seiten geschafft, mich zu einer großen Verehrerin von Prinzessin Therese zu verwandeln, ich habe sie kennen und schätzen gelernt (lt. Wikipedia war sie „eine deutsche Ethnologin, Zoologin, Botanikerin und Reiseschriftstellerin. Sie engagierte sich sozial karitativ.“) und an ihrer Expedition auf dem Amazonas 1888 habe ich mit allen Sinnen teilgenommen... Aber das liegt an der ausgesprochen lebhaften und bildhaften Sprache, die die Autorin benutzt, ich konnte gemeinsam mit Therese die exotischen Düfte riechen („Es riecht nach Meer, nach Kaffee, nach Gewürzen, überreifen Bananen und nach dem Staub auf dem sonnendurchglühten Pflaster.“ S. 51), das Licht des Urwalds wahrnehmen („Der Nebel umschließt die Farne und Wurzeln, schleicht lautlos um die Stämme. Manchmal steht er zwischen den riesenhaften Bäumen wie eine wattige weiße Säule, dann tanzt er wie ein zartes Gespinst zwischen den Lianen und um die Sträucher S. 195). Dies nur eine klitzekleine Auswahl, ich habe mir sehr viele Sätze notiert…
Prinzessin Therese war ihrer Zeit weit voraus: anders als es ihr in die Wiege gelegt, verweigerte sie alle Heiratskandidaten, die ihr ihre Familie präsentierte und brachte sich ein großes naturwissenschaftliches Wissen im Selbststudium bei (Frauen waren zu jener Zeit weder an Gymnasien noch Universitäten zugelassen), außerdem sprach sie mindestens 12 Sprachen fließend.
Doch zurück zum Buch: es ist auf zwei Zeitebenen geschrieben, wir lernen Therese 1924 (als 74-jährige) in ihrem Haus in Lindau kennen, Sie hat Veronika, ihre damalige Reisebegleitung an den Amazonas, zu sich eingeladen, um gemeinsam mit ihr Ordnung in ihre Papiere, Unterlagen ,und Reiseandenken zu bringen. Dabei erinnert sich Therese an ihre Reise 1888 (als 38-jährige) zurück…
Gemeinsam mit drei Begleitern (einem Reisemarschall, ihrem treuen Diener Max und eben Veronika) trat sie diese Expedition an (im Nachwort erfahren wir, dass der Reisemarschall und der Diener Max historisch belegte Persönlichkeiten sind, Veronika ist der Fantasie der Autorin geschuldet). Alle drei werden aber authentisch und realistisch geschildert: der Reisemarschall ist ein Kompromiss zwischen Therese und ihrem Vater (Prinzregent Luitpold von Bayern), dass Therese überhaupt diese Reise antreten darf, aber „der sehr penible, sparsame und nicht besonders flexible Freiherr hat sehr wenig mit der impulsiven und bis an die Grenze zum Leichtsinn mutigen Prinzessin gemeinsam.“ (Nachwort, S. 360) Die Dialoge / Diskussionen / Auseinandersetzungen mit ihm haben mich wiederholt zum Schmunzeln gebracht. Max, der treue Diener, kennt Therese seit Kindesbeinen und stellt den „ruhigen Fels in der Brandung“ dar, Veronika verkörpert den damaligen (weiblichen) Zeitgeist, dies wird auch in dem 1924-er Teil deutlich.
Und so reisen wir mit den Augen Thereses durch den Dschungel am Amazonas, erleben Belem und Manaus, sehen verlassene und bewohnte indigene Dörfer, spüren exotische Dschungelnächte, verkraften Stürme, teilen (nicht immer!) ihre Liebe zu den seltenen Lebewesen, lehnen mit ihr gemeinsam die Arroganz der Kolonialmächte ab und sind entsetzt über das Machtgefühl der Kautschukbarone…
Wie schon erwähnt, rundet ein Nachwort von Frau Innig das Buch perfekt ab: wir erfahren, was historisch belegt und was Fiktion ist und es wird deutlich, wie intensiv die Autorin die Recherchearbeit betrieben hat – genau meine Kriterien für hervorragende historische Romane!
Ich werde Prinzessin Therese von Bayern und ihre Reise an den Amazonas bestimmt nicht vergessen und will es deshalb natürlich auch gern weiterempfehlen – ich habe es selbst schon zweimal verschenkt!

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Veröffentlicht am 09.12.2022

Mitten hinein in die 1960-er Jahre...

Kinder des Aufbruchs
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Ich hatte von Claire Winter bereits den Vorgängerband dieses Buches („Kinder ihrer Zeit“) sehr gern gelesen und freute mich nun darauf, zu erfahren, wie es mit den Zwillingsschwestern Emma und Alice weitergehen ...

Ich hatte von Claire Winter bereits den Vorgängerband dieses Buches („Kinder ihrer Zeit“) sehr gern gelesen und freute mich nun darauf, zu erfahren, wie es mit den Zwillingsschwestern Emma und Alice weitergehen würde. Es ist zwar eine Fortsetzung, aber ich bin mir sicher, dass man „Kinder des Aufbruchs“ auch ohne Vorkenntnisse lesen kann, da die Autorin immer wieder kleine Rückspiegelungen vornimmt...
Und Claire Winter „schubst“ uns sofort in das Jahr 1967, in das quirlige und hochpolitische Berlin: Studenten sind nicht mehr gewillt, den „Muff von 1.000 Jahren unter den Talaren“ zu akzeptieren, sie stellen „das Establishment“ in Frage...In dieser schon aufgeheizten Stimmung besucht Shah Reza Pahlavi am 2.6.1967 Berlin (Wikipedia bezeichnet es als ein einschneidendes Ereignis in der bundesdeutschen Geschichte).
Emma und Alice leben jetzt mit ihren Ehemännern Julius und Max in West-Berlin (Alice und Max mit der gemeinsamen Tochter Lisa). Alice ist als Journalistin für eine Tageszeitung mitten im Geschehen, sie hat über die Unruhen während des Schah-Besuchs geschrieben und berichtet auch über den Tod von Benno Ohnesorg. Emma arbeitet weiterhin als Dolmetscherin und übersetzt häufiger auch vertrauliche Gespräche zwischen hochrangigen Politikern. Julius ist Professor und Max hat sich als Anwalt auf die Entschädigung von jüdischen Opfern des Nationalsozialismus spezialisiert.
Also: durch die Protagonisten erleben wir diese Zeit hautnah mit, manchmal hatte ich das Gefühl, selbst dabei zu sein...
Aber so richtig „rund“ läuft es gerade nicht im Privatleben unserer Hauptfiguren: Emma leidet stark unter den Folgen einer Fehlgeburt und fühlt sich von Julius nicht verstanden, Alice und Max leben eigentlich nur wegen ihrer gemeinsamen Tochter „pro forma“ als Familie zusammen, so richtig glücklich sind aber beide über das „Arrangement“ nicht... Als Alice dann ihre Jugendfreundin Irma in West-Berlin wieder trifft, regt sich sofort ihr Misstrauen: hat Irma bei der Stasi unterschrieben, um sie, Alice, auszuspionieren oder gar schlimmer: will sie Stasi sie erneut entführen? Aber Alice ist bereits längst im Visier der Stasi... Und wegen eines „Freundschaftsdienstes“ gerät Max in das Getriebe zwischen BND und Stasi... Aber auch Alice und Julius habe ihre – nicht ungefährlichen – Geheimnisse! Teilweise konnte ich das Buch vor lauter Spannung kaum aus der Hand legen und musste schnell „nur noch ein Kapitel“ weiterlesen... Mein Schönheitsschlaf hat erheblich gelitten…
Dies ist dem großartigen und mitreißenden Schreibstil der Autorin zu verdanken, ihrer authentischen Beschreibung der einzelnen Personen, deren Gedanken und Handlungen ich meist nachvollziehen konnte (klar, mit der „Gnade der späten Geburt“ ahnte ich an manchen Stellen das Ergebnis...). Aber fasziniert hat mich auch immer wieder, wie geschickt Frau Winter die historisch belegten Ereignisse mit ihren fiktiven Personen zusammenbringt: so werden z.B. Emma und Alice durch Zufall Augenzeuginnen des Attentats auf Rudi Dutschke im April 1968... Denn eine weitere hervorragende Leistung ist die umfang- und kenntnisreiche Recherchearbeit, die von der Autorin geleistet wurde. Ein Nachwort ergänzt das Buch perfekt.
Alles in Allem: ein fesselndes, mitreißendes und facettenreiches Buch, dass ich ohne irgendeine Einschränkung einfach weiterempfehlen muss – ich selbst habe es bereits als Weihnachtsgesteck eingeplant!

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Veröffentlicht am 14.11.2022

Im Jahr 2000 wiederentdeckte Feldpostbriefe - hat es Konsequenzen?

Feldpost
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Ich habe schon mehrere Romane von Mechtild Borrmann gelesen und war jedes Mal beeindruckt und berührt, ihre Bücher regen zum Nachdenken an und „hallen“ noch lange nach. So ging es mir auch mit „Feldpost“.
Aber ...

Ich habe schon mehrere Romane von Mechtild Borrmann gelesen und war jedes Mal beeindruckt und berührt, ihre Bücher regen zum Nachdenken an und „hallen“ noch lange nach. So ging es mir auch mit „Feldpost“.
Aber wie soll man etwas über ein Buch schreiben, dass einige überraschende Wendungen enthält, die keineswegs verraten werden sollten?
Also zitiere ich die Autorin selbst mit ihren letzten Sätzen des Prologs: „Beginnen wir also im Jahr 2000, genauer, im Dezember 2000 in Kassel. Beginnen wir mit dem Anfang vom Ende.“ (S.8):
Die junge Anwältin Cara erhält in einem Café ein ungewöhnliches Geschenk: eine ihr unbekannte ältere Frau lässt nach einem kurzen Gespräch bei ihr am Tisch eine Tasche stehen. Die herbeigerufene Bedienung erklärt, dass die Dame gesagt habe, dass Cara die Tasche mitnehmen solle. Die Tasche enthält einen Aktenkoffer mit etlichen Feldpostbriefen, einigen Fotos und den Vertrag eines Hauskaufes aus dem Jahr 1937. Die Briefe sind alle an Adele Kühn adressiert und stellen sich als Liebesbriefe heraus.
Cara beginnt zu recherchieren...und bald hat sie den Absender der Briefe ausfindig gemacht...
Protagonisten sind zwei befreundete Familien: die Kuhns mit ihren Kinder Albert und Adele, Familie Martens mit Richard und Dietlind. Richard Martens ist der Absender der Briefe.
In verschiedenen Handlungssträngen lernen wir die Familien, besonders Adele, Albert und Richard kennen, mehrheitlich Adele und Richard, aber auch die Eltern Kuhn, Katharina und Gerhard. Die Kapitel sind mit dem Namen und Jahreszahl überschrieben und schildern die Sichtweise /Blickwinkel des jeweils Betroffenen. Wir beginnen im Jahr 1935 und begleiten sie bis nach Kriegsende 1945.
Das Buch hatte eine enorme Sogwirkung auf mich, einmal angefangen, konnte ich es kaum aus der Hand legen, zwei Nächte habe ich viel zu lange gelesen!
In kurzen, einfachen und knappen Sätzen versteht es die Autorin viel von Stimmungen, Eindrücken und Emotionen wiederzugeben, so dass sofort alles für mich sehr lebendig war und das „Kopfkino“ beginnen konnte. In einer sehr angstbesetzten Kontrollsituation lesen wir z.B.: „Die Minuten dehnten sich, vagabundierten durch den Zug, ließen sich Zeit.“ (S. 208) Aber das Buch hat auch viel an Spannung zu bieten, an einigen Stellen drängen sich Fragen auf, die nicht sofort beantwortet werden – tja, da hilft nur: weiterlesen! Aber ich kann beruhigen: am Ende ist kein Faden mehr lose, alles gut verschnürt.
Nein, es ist keineswegs ein „Wohlfühl-Buch“ (aber wer Frau Borrmann kennt, erwartet dies auch nicht!), es ist bedrückend, erschreckend – aber meisterhaft geschrieben. Es ist ein realistischer Blick auf die Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland und die damit verbundene menschenverachtende Willkür. Aber man entdeckt auch „stille Helden“, Menschen, die anderen geholfen haben.
Ich finde, mit diesem Buch ist Mechtild Borrmann mal wieder ein ganz großer literarischer „Wurf“ gelungen, dieses Buch kann ich ohne irgendeine Einschränkung allen geschichtsinteressierten LeserInnen wärmstens empfehlen

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Veröffentlicht am 26.10.2022

Ungewöhnlich für das Jahr 1591: eine Frau geht ihren Weg...

Die Farben der Welt
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Und wieder bin ich aus der Welt des Mittelalters in die heutige Zeit zurückgekehrt – und wieder habe ich viel Neues erfahren... Zu verdanken habe ich dies den Romanen von Johanna von Wild, ich kenne sie ...

Und wieder bin ich aus der Welt des Mittelalters in die heutige Zeit zurückgekehrt – und wieder habe ich viel Neues erfahren... Zu verdanken habe ich dies den Romanen von Johanna von Wild, ich kenne sie mittlerweile alle und die Fähigkeit der Autorin uns in diese unbekannte Welt eintauchen zu lassen, fasziniert mich immer aufs Neue! Ich konnte mir das mittelalterliche Treiben sehr gut vorstellen, fast als ob ich dabei gewesen wäre!
In dem Buch „Die Farben der Welt“ werden wir zuerst nach Nürnberg entführt: 1591 ist Ida Gerster zehn Jahre alt und verliert kurz hintereinander beide Elternteile. Ihr Onkel, Basilius Besler, nimmt sie bei sich auf. Bald hilft sie ihm gern in seiner Apotheke und lernt einiges über die verschiedenen Kräuter und Heilpflanzen. Ihren Wunsch, eine Schule zu besuchen, wird vom Onkel aktiv unterstützt. Dort sehen jedoch drei Klassenkameradinnen auf Ida herab, weil sie „nur“ die Tochter eines Schmieds ist und deshalb einen bedeutend niedrigeren Stand als sie selbst als Kaufmannstöchter (die Haltung und Aktionen dieser „Zicken“ würde man heutzutage als Mobbing bezeichnen), aber Ida findet auch eine Freundin, Luisa. Durch deren Mutter lernt Ida die Malerei kennen, die sie ihr Leben lang begleiten wird.
Ida reist 1598 nach Florenz, um an der Accademia delle Arti del Diego ihre Malkunst weiterzuentwickeln. Dort dürfen tatsächlich auch Frauen studieren. Und noch ein Unterschied: in Nürnberg ist Frauen nur das Malen mit Aquarellfarben gestattet, während in Italien Frauen auch Ölfarben benutzen dürfen. Dort freundet sich Ida mit Artemisia Gentileschi an, eine „italienische Malerin des Barock. Sie gilt als bedeutendste Malerin ihrer Epoche.“ (Wikipedia) Zu ihren bekanntesten Werken gehört „Judith und ihre Magd mit dem Haupt des Holofornes“ – ein sehr eindrucksvolles Bild (was ich aber bestimmt nicht in meine Wohnung hängen möchte - abgesehen davon, dass mir das nötige „Kleingeld“ dazu fehlt!), deren Vorgeschichte wir durch Artemisia erfahren. Das schätze ich an den Büchern von Johanna von Wild: ich lerne neben der eigentlichen Handlung historische Persönlichkeiten kennen…
Und noch etwas habe ich aus „Die Farben der Welt“ mitgenommen: die Entstehungsgeschichte des „Hortus Eystettensis“. Im Roman setzt ihm die Autorin ein Denkmal, denn der Verfasser dieses Werkes ist Idas Onkel, der (historisch belegte) Basilius Besler (ein Originalband dieses Werkes wurde übrigens im Juli 2016 für mehr als 2,2 Mill. Euro von Auktionshaus Christies versteigert – aus dem Nachwort der Autorin). Aber Frau von Wild hat ihrem Roman noch eine weitere charmante Idee hinzugefügt: „Die meisten Vorzeichnungen zum Hortus Eystettensis sind mit den Initialen ‚IG‘ versehen, die vermutlich auf den Nürnberger Maler Georg Gärtner hinweisen – der Vorname war auch als Jörg geläufig. Ich nutzte seine Initialen für Ida Gerster (J wurde früher als I geschrieben).“ (Dichtung, Wahrheit und Anmerkungen, S. 439) Mir hat diese kleine, feine Eingebung sehr gut gefallen, so hat sich für mich der Kreis perfekt geschlossen!
Klar, natürlich gibt es auch für dieses Buch eine Leseempfehlung für geschichtsinteressierte LeserInnen, die Historie gern „hautnah“ erleben mögen!

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